Leitsatz (amtlich)
Nach dem für Verjährungsfragen maßgeblichen "Gebot des sichersten Weges" hat der Rechtsanwalt bei einer unklaren Rechtslage, ob ein triftiger Grund vorliegt, das Verfahren nicht zu betreiben, im Hinblick auf eine etwaige ungünstigere Beurteilung der Rechtslage durch das mit der Sache befasste Gericht den Weg aufzuzeigen, der eine Verjährung des Anspruchs des Mandanten sicher verhindert (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495).
Normenkette
BGB § 204 Abs. 2 S. 2, § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. Juni 2023 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagten als seine vormaligen anwaltlichen Vertreter in Höhe von insgesamt 86.111,45 € auf Schadensersatz in Anspruch, weil die Beklagte zu 2 nicht verhindert habe, dass der ihm gegen seine frühere Ehefrau (fortan: Ehefrau) zustehende Zugewinnausgleichsanspruch verjährt sei.
Rz. 2
Die Ehe des Klägers ist seit dem 4. Juni 2004 rechtskräftig geschieden. Die Ehefrau des Klägers reichte am 8. Mai 2007 eine auf Zugewinnausgleich gerichtete Stufenklage bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Mannheim ein. Der Kläger beauftragte die Beklagte zu 1, einen Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber seiner Ehefrau geltend zu machen. Am 31. Mai 2007 erhob die bei der Beklagten zu 1 tätige Beklagte zu 2 für den Kläger eine auf Ausgleich des Zugewinns gerichtete Klage vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Delmenhorst. Die Ehefrau des Klägers berief sich auf die Einrede der Verjährung. Nachdem sich sowohl das Amtsgericht - Familiengericht - Delmenhorst als auch das Amtsgericht - Familiengericht - Mannheim für die von dem Kläger erhobene Zugewinnausgleichsklage für unzuständig erklärten, bestimmte das Oberlandesgericht Oldenburg mit Beschluss vom 23. Oktober 2007 das Amtsgericht - Familiengericht - Delmenhorst als zuständiges Gericht. Daraufhin schlug das Amtsgericht - Familiengericht - Delmenhorst den Parteien am 19. November 2007 das Ruhen des Verfahrens vor; der Ausgang des Verfahrens in Mannheim solle abgewartet werden. Die Beklagte zu 2 beantragte das Ruhen des Verfahrens; die Ehefrau des Klägers stimmte dem Ruhen des Verfahrens zu. Mit Beschluss vom 14. Januar 2008 ordnete das Amtsgericht - Familiengericht - Delmenhorst das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Parallelverfahrens vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Mannheim an.
Rz. 3
Nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Klägers in dem in Mannheim betriebenen Verfahren rief die Beklagte zu 2 im November 2008 für den Kläger das Verfahren in Delmenhorst wieder auf. Die Ehefrau des Klägers erhob erneut die Einrede der Verjährung. Das Amtsgericht - Familiengericht - Delmenhorst wies die Klage mit Urteil vom 11. Mai 2017 ab, weil im Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Verfahrens bereits Verjährung eingetreten gewesen sei. Die von der Beklagten zu 2 für den Kläger dagegen eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht Oldenburg mit Urteil vom 8. März 2018 mit gleicher Begründung zurück.
Rz. 4
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte zu 2 habe erkennen müssen, dass das Ruhen des Verfahrens die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs zur Folge haben würde. Ihm wäre ein Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 65.661,43 € zuerkannt worden; Kosten in Höhe von 20.450,02 € wären ihm dann nicht entstanden. Die Beklagten meinen, die Entscheidungen im Vorprozess seien hinsichtlich der Frage der Verjährung rechtsfehlerhaft. Überdies behaupten sie, dass dem Kläger mangels Leistungsfähigkeit der Ehefrau kein Zugewinnausgleichsanspruch entgangen sei.
Rz. 5
Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 47.071 € und 9.867,81 €, jeweils nebst Zinsen, sowie zur Freistellung von Kosten in Höhe von 1.954,46 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die vollständige Verurteilung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat gemeint, in den Fällen, in denen ein Schaden aus anwaltlicher Pflichtverletzung aus dem Verlust eines Rechtsstreits geltend gemacht werde, habe das Regressgericht selbständig darüber zu befinden, wie der Vorprozess richtig zu entscheiden gewesen wäre. Danach sei eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht festzustellen, denn die Entscheidungen im Vorprozess seien bezüglich der Verjährung rechtsfehlerhaft. Die mit Einreichung der Klage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eingetretene Hemmung der Verjährung habe nicht wegen einer anderweitigen Beendigung des Verfahrens gemäß § 204 Abs. 2 BGB geendet. Zwar sei das Verfahren in Stillstand geraten, weil der Kläger das Ruhen des Verfahrens beantragt habe. Jedoch führe dies nicht zur Beendigung der Hemmung, denn der Kläger habe einen triftigen Grund gehabt, das Verfahren nicht zu betreiben. Außerdem sei - auch wenn kein Stillhalteabkommen zwischen den Parteien zustande gekommen sei - der von der Ehefrau des Klägers gestellte Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens als befristeter Verjährungsverzicht beziehungsweise als Hemmungsvereinbarung (§ 202 BGB) auszulegen. Jedenfalls stünde der durch die Ehefrau des Klägers erhobenen Einrede der Verjährung § 242 BGB entgegen.
II.
Rz. 8
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts liegt eine Verletzung der den Beklagten aufgrund des mit dem Kläger geschlossenen Anwaltsvertrags obliegenden Pflichten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB vor, weil sie nicht den sichersten Weg gewählt haben, die Rechte des Klägers zu sichern und geltend zu machen, und den Kläger hierüber unzureichend beraten haben.
Rz. 9
1. Der Kläger hat die Beklagten beauftragt, einen Zugewinnausgleichsanspruch gegenüber seiner Ehefrau geltend zu machen; damit ist ein Rechtsanwaltsvertrag zustande gekommen.
Rz. 10
2. Die Beklagten haben die ihnen aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht verletzt, den sichersten Weg zu wählen, die Rechte des Klägers zu sichern und geltend zu machen, denn sie haben den Kläger weder über die mit einem Ruhen des Verfahrens verbundenen Risiken für ein Ende der Hemmung der Verjährung aufgeklärt noch Maßnahmen aufgezeigt oder ergriffen, um erhebliche Unsicherheiten über die drohende Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs zu vermeiden. Die Beklagte zu 2 hat das ruhend gestellte Verfahren über den Zugewinnausgleichsanspruch des Klägers nicht vor dem Ablauf der in § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelten Frist von sechs Monaten wieder aufgerufen. Sie hat auch nicht mit der Ehefrau des Klägers eine ausdrückliche Vereinbarung über die weitere Hemmung der Verjährung getroffen.
Rz. 11
a) Der Rechtsanwalt muss die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandanten umfassend prüfen und den Mandanten hierüber belehren. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 22 mwN). Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falls (BGH, Urteil vom 13. März 2008 - IX ZR 136/07, NJW-RR 2008, 1235 Rn. 15). Der Rechtsanwalt hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495). Gibt die rechtliche Beurteilung zu begründeten Zweifeln Anlass, so muss der Rechtsanwalt auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sich die zur Entscheidung berufene Stelle der seinem Auftraggeber ungünstigeren Beurteilung der Rechtslage anschließt (BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04, NJW 2006, 3494 Rn. 9).
Rz. 12
b) Die Beklagten waren beauftragt, den Zugewinnausgleichsanspruch des Klägers geltend zu machen. Sie waren dabei auch verpflichtet, vermeidbare Nachteile für den Kläger als ihren Mandanten zu verhindern. Sie hatten deshalb dessen Anspruch vor der Verjährung zu sichern (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1993 - IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797). Diese Pflicht hat die Beklagte zu 2 schuldhaft verletzt.
Rz. 13
aa) Die Beklagte zu 2 hat keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um eine drohende Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Klägers rechtssicher auszuschließen. Die gemäß Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist des § 1378 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung begann am 22. Juli 2004 mit der Kenntnis des Klägers von der Rechtskraft des Scheidungsurteils zu laufen. Durch die am 31. Mai 2007 erhobene und am 8. Juni 2007 zugestellte Klage wurde die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Klägers gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Die Hemmung endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Gerät das Verfahren in Stillstand, weil es die Parteien nicht betreiben, so tritt gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Oktober 2018 geltenden Fassung die letzte Verfahrenshandlung an die Stelle der Beendigung des Verfahrens. Mit Beschluss vom 14. Januar 2007 wurde das Ruhen des Verfahrens vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Delmenhorst angeordnet; das Verfahren geriet hierdurch in Stillstand (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dann musste die Beklagte zu 2 in Rechnung stellen, dass im Regelfall die Hemmung der Verjährung des Anspruchs des Klägers sechs Monate später mit Ablauf des 14. Juli 2007 endete. Die zwischenzeitlich gehemmte Verjährung wäre dann wieder in Lauf gesetzt worden. Unter diesen Voraussetzungen wäre die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Klägers bereits eingetreten gewesen als die Beklagte zu 2 im November 2007 das Verfahren wieder aufrief. Denn zu diesem Zeitpunkt wären die von der dreijährigen Verjährungsfrist vor Eintritt der Hemmung noch verbliebenen 52 Tage abgelaufen gewesen.
Rz. 14
bb) Die Beklagten haben die ihnen aus dem geschlossenen Anwaltsvertrag dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht verletzt, vermeidbare Nachteile für den Kläger zu verhindern. Sie haben die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, § 276 Abs. 2 BGB. Die Beklagte zu 2 hat im Hinblick auf die Regelung des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Oktober 2018 geltenden Fassung nicht den sichersten und gefahrlosesten Weg gewählt, um den Zugewinnausgleichsanspruch des Klägers geltend zu machen. Insbesondere hat die Beklagte zu 2 die rechtliche Beurteilung, wann die Hemmung der Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs endete, nicht an der zum Zeitpunkt der Beratung maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgerichtet.
Rz. 15
(1) Der Beklagten zu 2 musste einerseits bekannt sein, dass nach § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens endete. Andererseits musste sie wissen, dass gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB die letzte Verfahrenshandlung an die Stelle der Beendigung des Verfahrens tritt, wenn das Verfahren in Stillstand gerät, weil die Parteien es nicht betreiben (vgl. zu § 211 Abs. 2 BGB aF: BGH, Urteil vom 20. Oktober 1987 - VI ZR 104/87, NJW-RR 1988, 279; vom 27. Januar 1999 - XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, 1102; vom 18. Oktober 2000 - XII ZR 85/98, NJW 2001, 218, 219; jeweils mwN).
Rz. 16
(2) Die Beklagte zu 2 hatte die zum Zeitpunkt der Beratung maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2003 - IX ZR 54/02, NJW-RR 2003, 1212, 1213 mwN). Sie durfte deshalb nicht außer Acht lassen, dass die Rechtsprechung bereits im Jahr 2007 das Ruhen des Verfahrens als Stillstand im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB aF einordnete und auch in den zur Zeit der rechtlichen Beratung gängigen Kommentaren auf dieses Problem hingewiesen wurde (vgl. MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl., § 204 Rn. 72; Staudinger/Peters, BGB, 2004, § 204 Rn. 124; Prütting/Wegen/Weinrich, BGB, 2006, § 204 Rn. 21; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 204 Rn. 48; Hk-BGB/Dörner, 4. Aufl., § 204 Rn. 6; jurisPK-BGB/Lakkis, 2. Aufl., § 204 Rn. 26; Jauernig/Jauernig, BGB, 11. Aufl., § 204 Rn. 17; AnwKomm-BGB/Mansel/Budzikiewicz, 2005, § 204 Rn. 125; abw. M.: Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., § 204 Rn. 54 f).
Rz. 17
cc) Der Annahme einer Pflichtverletzung der Beklagten steht nicht entgegen, dass möglicherweise ein triftiger Grund im Sinne des § 204 Abs. 2 BGB für das Untätigbleiben der Beklagten zu 2 bestand. Denn nach dem gerade für Verjährungsfragen maßgeblichen "Gebot des sichersten Weges" hatte die Beklagte zu 2 angesichts der im Streitfall unklaren Rechtslage bei der Beurteilung eines triftigen Grundes im Hinblick auf eine etwaige ungünstigere Beurteilung der Rechtslage durch das mit der Sache befasste Gericht den Weg aufzuzeigen, der eine Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Klägers jedenfalls sicher verhindert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495).
Rz. 18
Demgemäß ist die Frage, ob im Streitfall ein triftiger Grund bestand, das Verfahren nicht zu betreiben, von drei Gerichten verneint, von dem Berufungsgericht jedoch bejaht worden. Bereits die unterschiedliche Beurteilung dieser Frage durch die Gerichte deutet darauf hin, dass die Beklagte zu 2 insoweit nicht den sichersten Weg eingeschlagen hat. Ebenso wenig erfüllten die wechselseitig erhobenen Klagen auf Zugewinnausgleich zweifelsfrei in der Rechtsprechung oder nach der allgemeinen Meinung eine Fallgruppe eines triftigen Grundes. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitraum wechselseitige Zugewinnausgleichsklagen als Fall eines triftigen Grundes in der Rechtsprechung anerkannt waren. Schließlich muss ein Rechtsanwalt gerade in zweifelhaften Fällen in Rechnung stellen, dass ein Gericht eine andere rechtliche Einschätzung vornehmen kann. Auch wenn ein Rechtsanwalt nicht dazu verpflichtet ist, neben der Führung von Verhandlungen gemäß § 203 BGB andere verjährungshemmende Maßnahme zu ergreifen, so ist er stets verpflichtet, Unklarheiten innerhalb des Hemmungstatbestandes nicht entstehen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - IX ZR 40/07, BeckRS 2010, 17883 Rn. 2 f).
Rz. 19
dd) Die Beklagte zu 2 hatte den Kläger über die Maßnahmen aufzuklären, die den Eintritt der Verjährung des Anspruchs zu verhindern vermochten. Mit Blick auf den Umstand, dass das Ruhen des Verfahrens die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs des Klägers zur Folge haben konnte, hätte die Beklagte zu 2 den Kläger über die damit verbundenen Vorteile und Risiken aufklären müssen. Insoweit hätte sie darauf hinweisen müssen, dass ein nicht zu vernachlässigendes Risiko bestand, dass das Gericht das Vorliegen eines triftigen Grundes abweichend beurteilen würde.
Rz. 20
Auch hätte die Beklagte zu 2 dem Kläger aufzeigen müssen, dass trotz der Anregung des Gerichts von einer entsprechenden Antragstellung abgesehen werden konnte. Sie hätte den Kläger auf die mit der Durchführung des Verfahrens verbundenen Risiken, insbesondere die dadurch anfallenden Kosten hinweisen müssen. Ferner hätte die Beklagte zu 2 dem Kläger auch vorschlagen können, mit der Ehefrau des Klägers eine ausdrückliche Vereinbarung über die weitere Hemmung der Verjährung zu treffen. Soweit die Ehefrau des Klägers zu einer Vereinbarung nicht bereit gewesen wäre, hätte die Beklagte zu 2 dem Kläger die dann zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs zu verhindern, darstellen müssen.
III.
Rz. 21
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Rz. 22
1. Das Berufungsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, dass die Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 für den behaupteten, revisionsrechtlich zu unterstellenden Schaden des Klägers kausal geworden ist.
Rz. 23
a) Der Ersatzpflichtige hat gemäß § 249 Satz 1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Deshalb ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtmäßigem Verhalten des Rechtsanwalts genommen hätten, insbesondere wie der Mandant auf eine dementsprechende Beratung reagiert hätte und wie seine Vermögenslage dann wäre. Dabei hat grundsätzlich der Geschädigte den Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden als anspruchsbegründende Voraussetzung darzutun und nachzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 313).
Rz. 24
b) Die Ursächlichkeit einer von dem Berater begangenen Pflichtverletzung für einen dadurch entstandenen Schaden gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität, für deren Nachweis die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen gelten. Demnach reicht für die richterliche Überzeugungsbildung eine überwiegende, freilich auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit. Das wirkt sich auch auf die Darlegungslast des Geschädigten aus. Es genügt, dass er Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten. An die Darlegung eines hypothetischen Geschehens dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1999 - IX ZR 332/98, NJW 2000, 509).
Rz. 25
c) Bei Verstößen gegen die anwaltliche Beratungspflicht spricht zu Gunsten des Mandanten der Erfahrungssatz, dieser hätte sich bei vertragsgerechtem Handeln des Beauftragten beratungsgemäß verhalten, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend informierten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, WM 2006, 927). Ein Anscheinsbeweis kommt demnach nicht nur dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt eine bestimmte Empfehlung zu geben hatte. Hatte der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber lediglich umfassend über die Rechtslage zu belehren, verblieb für den Mandanten aber bei vertragsgerechter Information nur eine sinnvolle Entscheidung, so liegt ebenfalls ein in gleicher Weise typischer Sachverhalt vor (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2006 - IX ZR 21/03, WM 2007, 419 Rn. 23). Voraussetzung sind aber tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den rechtlichen Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311, 314 f). Besteht nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern kommen verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich bergen, ist grundsätzlich kein Raum für einen Anscheinsbeweis (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rn. 26).
Rz. 26
d) Hätte die Beklagte zu 2 den Kläger pflichtgemäß über die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und deren Risiken aufgeklärt, wären für den Kläger mehrere Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen. Bestehen für den Mandanten aber eine Mehrzahl von Handlungsmöglichkeiten, so trifft ihn die Verpflichtung, den Weg darzulegen, für den er sich konkret entschieden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2005 - IX ZR 104/01, BeckRS 2005, 13020 unter II. 2. b) aa). Zudem trifft ihn dann die volle Beweislast, weil der Anscheinsbeweis in einem solchen Fall nicht eingreift (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2000 - IX ZR 53/99, NJW 2000, 2814, 2815). Demgemäß kann dem Kläger vorliegend eine solche Beweiserleichterung nicht zugutekommen.
Rz. 27
e) Der Kläger hat lediglich behauptet, der ihm zustehende Zugewinnausgleichsanspruch wäre ihm zuerkannt worden, wenn die Beklagte zu 2 pflichtgemäß tätig geworden wäre. Im Hinblick auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten des Klägers genügt dieser Vortrag nicht einer hinreichenden Darstellung des Ursachenzusammenhangs zwischen der Fehlberatung der Beklagten zu 2 und dem durch den Kläger geltend gemachten Schaden. Für den Kläger hätte die Möglichkeit bestanden, seinen Zugewinnausgleichanspruch trotz des durch seine frühere Ehefrau betriebenen Verfahrens selbst gerichtlich weiterzuverfolgen. Dann hätte er allerdings die dadurch entstehenden Kosten jedenfalls zunächst selbst zu tragen gehabt. Der Kläger hätte sich auch mit seiner früheren Ehefrau auf eine ausdrückliche Vereinbarung über die weitere Hemmung der Verjährung verständigen können. Voraussetzung wäre insoweit aber gewesen, dass sich die frühere Ehefrau des Klägers mit dem Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung einverstanden erklärt hätte. Schließlich hätte sich der Kläger nach einer pflichtgemäßen Aufklärung über die Vorteile und Risiken mit einem Ruhen des Verfahrens einverstanden erklären können.
Rz. 28
f) Dem Kläger wird Gelegenheit zu geben sein, den Weg darzulegen, für den er sich konkret entschieden hätte und den insoweit erforderlichen Tatsachenvortrag zu halten.
Rz. 29
2. Wenn und soweit sich das Berufungsgericht die Überzeugung gebildet haben wird, dass sich der Kläger für eine Handlungsmöglichkeit entschieden hätte, wird es zu prüfen haben, ob und inwieweit der durch den Kläger behauptete Schaden durch die Pflichtverletzung der Beklagten zu 2 verursacht worden ist.
Schoppmeyer Röhl Schultz
Weinland Kunnes
Fundstellen
Haufe-Index 16609295 |
DB 2024, 2560 |