Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilung von Planungsfehlern in der Architektenhaftpflichtversicherung. Neuplanungskosten
Leitsatz (amtlich)
In der Architektenhaftpflichtversicherung kommt es für die Frage, ob es sich bei den Kosten für die Beseitigung von Planungsmängeln um eine an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung handelt, nicht darauf an, ob nach den fehlerhaften Plänen bereits gebaut worden ist und wie der Anspruch des Auftraggebers gegen den Architekten werkvertragsrechtlich einzuordnen ist.
Normenkette
AHaftpflichtVB (AHB) § 4 I Nr. 6 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des KG in Berlin vom 21.10.2005 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 10.359,58 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 28.12.2002 wegen Schäden durch fehlerhafte Planung (Schadenpositionen 5-7) zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin hatte die inzwischen in Liquidation befindliche B. GmbH bei dem Bauvorhaben zur Errichtung des zweiten Dienstsitzes des Bundesministeriums der Verteidigung im Bendlerblock in Berlin als Generalplaner beauftragt. Sie schloss als Versicherungsnehmerin mit einem Konsortium von Versicherern, zu denen als führender Versicherer die mit 25 % beteiligte, unterdessen in die Beklagte umgewandelte A. Versicherungs-Aktiengesellschaft gehörte, eine kombinierte Bauleistungs- und Haftpflichtversicherung ab. Der Generalplaner ist mitversichert. Durch rechtskräftig gewordenes Schlussurteil des LG Berlin vom 2.3.2005 wurde der Generalplaner verurteilt, an die Klägerin wegen mangelhafter Leistungen Schadensersatz i.H.v. 1.036.817,47 EUR und wegen Bauzeitverzögerung Schadensersatz i.H.v. 108.259,76 EUR zu zahlen.
[2] Die Klägerin verlangt von der Beklagten als Haftpflichtversicherer entsprechend ihrer Beteiligung von 25 % wegen sieben vom Generalplaner verursachter Verstöße gegen Berufspflichten Deckungsschutz aus der Haftpflichtversicherung in erster Linie durch Zahlung, hilfsweise Befreiung des Generalplaners von dessen Verbindlichkeiten ggü. der Klägerin und weiter hilfsweise die Feststellung der Pflicht der Beklagten, dem Generalplaner Versicherungsschutz zu gewähren.
[3] Das LG hat der Klage auf Feststellung des dem Generalplaner zu gewährenden Versicherungsschutzes teilweise stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens ist das Urteil im Haftpflichtprozess rechtskräftig geworden. Das KG (r+s 2006, 280) hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 43.337,29 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die weitergehenden Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, dass sie hinsichtlich der Schadenposition 3 (Bauzeitverzögerung) und der Schadenpositionen 5 bis 7 (Umplanungskosten) nicht zur Deckung verpflichtet sei und insgesamt gegen sie kein Anspruch auf Zahlung bestehe, sondern allenfalls auf Freistellung oder Feststellung.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung, soweit sie zur Zahlung von Umplanungskosten i.H.v. 10.359,58 EUR nebst Zinsen verurteilt worden ist. Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen.
[5] 1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte hinsichtlich der Schadenpositionen 1 bis 4 zu Recht zur Zahlung von 32.977,71 EUR verurteilt.
[6] a) Die Deckungspflicht für die Schadenpositionen 1, 2 und 4 ist nicht im Streit.
[7] b) aa) Das Berufungsgericht ist mit dem LG der Ansicht, für den durch verzögerte Übergabe der Abbruchplanung als Teil der Ausführungsplanung verursachten Verzugsschaden (Schadenposition 3) bestehe nach Teil B Ziff. 4.1 des Versicherungsvertrages Deckungsschutz. Die Klausel lautet:
"4 Ausschlüsse Ausgeschlossen sind Ansprüche wegen Schäden 4.1 bei der Überschreitung der Bauzeit sowie von Fristen und Terminen aus Stornierungskosten, Vertragsstrafen, soweit sie über den nachgewiesenen Schaden aus Terminüberschreitungen hinausgehen, Geldbeschaffungskosten, Zinsen, Steuern sowie Kosten zur Verhinderung von Terminüberschreitungen (Zuschlag für Überstunden)."
[8] Das Berufungsgericht meint, nach dem eindeutigen Wortlaut der Klausel sei der Ausschluss in der Weise geregelt, dass Versicherungsschutz nur für die dort abschließend aufgeführten Kosten nicht gewährt werde. Wenn es dort heiße, Schäden aus Vertragsstrafen seien ausgeschlossen, soweit sie über den nachgewiesenen Schaden aus Terminüberschreitung hinausgingen, könne dies der Leser nicht als Ausschluss konkreter Verzugsschäden verstehen, wie sie im Haftpflichtprozess festgestellt worden seien. Ein Widerspruch zu der Erfüllungsausschlussklausel in § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB bestehe nach Teil A Ziff. 1.3 des Versicherungsvertrages nicht, in der ausdrücklich bestimmt sei, dass die geschriebenen Bedingungen den gedruckten Bedingungen der AHB vorgingen.
[9] bb) Dem stimmt der Senat zu. Aus der Klausel in Teil B Ziff. 4.1 geht unmissverständlich hervor, dass ein nachgewiesener Schaden aus Terminüberschreitung vom Versicherungsschutz umfasst ist. Angesichts dessen ist der pauschale Vortrag der Beklagten, bei Vertragsschluss habe Einigkeit zwischen den Parteien darüber geherrscht, dass Verzögerungsschäden nicht vom Deckungsschutz des Versicherungsvertrages umfasst sein sollten, nicht nachvollziehbar, unsubstantiiert und damit unerheblich. Der Zeuge M. brauchte dazu nicht vernommen zu werden. Es ist nicht dargetan, dass die zwei Prokuristen, die den Vertrag für die Rechtsvorgängerin der Beklagten unterzeichnet haben, die Klausel selbst - was nicht einmal behauptet wird - anders verstanden haben.
[10] c) Das Berufungsgericht hat die Beklagte auch im Ergebnis zutreffend zur Zahlung verurteilt. Einer Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs des Generalplaners durch die Klägerin als Versicherungsnehmerin bedurfte es hierfür nicht. Wie sich aus den Akten ergibt, ist die Klägerin nach § 76 VVG a.F. berechtigt, Zahlung an sich zu verlangen, weil sie im Besitz des Versicherungsscheins ist und der Generalplaner in § 7 des Werkvertrages seine Zustimmung zu der Versicherung erteilt hat (§ 76 Abs. 2 und 3 VVG a.F.) und auch § 7 Nr. 1 Satz 2 AHB die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausschließlich dem Versicherungsnehmer zuweist (vgl. dazu BK/Hübsch, § 76 VVG Rz. 5, 8 f., 13; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl., §§ 75, 76 Rz. 4; Littbarski, AHB § 7 Rz. 15; Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung unter besonderer Berücksichtigung des Innenverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer S. 64 f., 76 ff.). Im Übrigen hat die Klägerin im Revisionsverfahren einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 13.11.2006 vorgelegt, von dem anzunehmen ist, dass er der Beklagten zugestellt worden ist.
[11] 2. a) Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dass die durch die fehlerhafte Planung verursachten Umplanungskosten (Schadenpositionen 5 bis 7) vom Versicherungsschutz umfasst seien.
[12] Aufgrund der Feststellungen im Haftpflichturteil sei für den Deckungsprozess davon auszugehen, dass der Generalplaner nach § 635 BGB a.F. wegen eines Planungsfehlers Schadensersatz wegen Nichterfüllung schulde. Im Urteil des LG heiße es insoweit, bei den geltend gemachten Umplanungs- und Ausschreibungskosten handele es sich nicht um eine Ersatzvornahme, d.h. eine Änderung der eigenen Planung vor Ausführung, sondern um Schadensbeseitigungsmaßnahmen, da zur Beseitigung des durch den Planungsfehler verursachten Schadens neue und andere Planungen als ursprünglich vom Generalplaner geschuldet zusätzlich vorgenommen werden müssten.
[13] Bei diesem vom Generalplaner der Klägerin geschuldeten Schadensersatz handele es sich nicht um eine an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung i.S.v. § 4 I Nr. 6 Abs. 3 AHB. Bei Mängeln des Architektenwerks habe der Auftraggeber zwar grundsätzlich ein Nachbesserungsrecht, jedoch nur solange, bis sich ein Mangel der Planung oder einer sonstigen für den Leistungserfolg bedeutsamen Leistung im Bauwerk verwirklicht habe. Werde der Planungsfehler vor der Realisierung der Planung bemerkt, so betreffe die Forderung des Auftraggebers auf Umplanung bzw. Neuplanung deshalb den Anspruch auf Erfüllung des Vertrages. Dagegen seien Schäden, sofern ein Nachbesserungsrecht nicht mehr bestehe, grundsätzlich versichert. Der insoweit vom Architekten wegen sog. Mangelfolgeschäden geschuldete Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 635 BGB a.F. trete nicht an die Stelle der ordnungsgemäßen Erfüllungsleistung, weil der Architekt nicht die mangelfreie Erstellung des Bauwerks, sondern das andersartige Architektenwerk schulde. Für den Rechtsstreit zwischen den Parteien bedeute dies, dass der Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen sei, wenn sich ein Mangel der Planungs- oder sonstigen Leistungen des Generalplaners bereits im auf der Grundlage seiner Leistungen erstellten Bauwerk verwirklicht habe, bevor durch die Klägerin Maßnahmen zu dessen Beseitigung veranlasst worden seien. Fielen im Rahmen der Beseitigung der im Bauwerk verkörperten Schäden Kosten für die Architektenplanung und Bauüberwachung an, so seien diese Teil des Bauwerksschadens, der aber als Mangelfolgeschaden in der Architektenhaftpflichtversicherung gedeckt sei. Damit bestehe auch Versicherungsschutz für die mit den Schadenfällen 5 bis 7 geltend gemachten Kosten für Umplanungen, erneute Ausschreibung, Planung und Abstimmung mit dem Landesdenkmal und Prüfstatik. Da im Haftpflichturteil ausdrücklich zwischen einer Änderung der fehlerhaften Planung des Generalplaners vor deren Ausführung und vor Verwirklichung des Planungsfehlers im Bauwerk (Ersatzvornahme) und der Beseitigung des durch den Planungsfehler verursachten Schadens durch neue und andere Planungen unterschieden werde, sei wegen der Bindungswirkung dieser Feststellungen vom Vorliegen eines versicherten Haftpflichtanspruchs auszugehen. Im Haftpflichturteil heiße es ausdrücklich, hinsichtlich der Falschplanung der Lichtdecken handele es sich nicht um Kosten der Ersatzvornahme. Bindungswirkung bestehe zwar nur bei Voraussetzungsidentität. Dies sei jedoch bei den Feststellungen im Haftpflichturteil zur Frage, ob die von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen solche zur Beseitigung eines Mangels vor Ausführung oder solche zur Beseitigung eines bereits im Bauwerk verwirklichten Schadens seien, der Fall.
[14] b) Diese Ausführungen sind in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die werkvertragliche Qualifizierung des Ersatzanspruchs auf die versicherungsrechtliche Qualifikation als Erfüllung/Erfüllungssurrogat übertragen und den Umfang der Bindungswirkung verkannt.
[15] Das Berufungsgericht hat zwar erkannt, dass es bei der "an die Stelle der Erfüllungsleistung tretenden Ersatzleistung" um einen eigenständigen versicherungsrechtlichen Begriff geht. Es hat diese Erkenntnis aber nicht umgesetzt, weil es für seine Beurteilung dennoch darauf abgestellt hat, wie das LG im Haftpflichtprozess den Anspruch werkvertragsrechtlich eingeordnet hat. Die werkvertragsrechtliche Einordnung des Haftpflichtanspruchs ist für die versicherungsrechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Ausschlussklausel aber unerheblich (BGHZ 96, 29, 31 und BGHZ 80, 284, 287 ff.; Schmalzl/Krause-Allenstein, Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und Bauunternehmers Rz. 515, 518, 522). Deshalb besteht auch keine Voraussetzungsidentität. Eine Bindungswirkung des Haftpflichturteils kann es insoweit nicht geben.
[16] Was unter Erfüllung/Erfüllungssurrogat im Sinne der Ausschlussklausel zu verstehen ist, ist in der Rechtsprechung des Senats hinreichend geklärt (vgl. Beschl. v. 29.9.2004 - IV ZR 162/02, VersR 2005, 110 unter c cc m. zahlr. w.N.).
[17] c) Versicherungsrechtlich kommt es deshalb nicht darauf an, ob die fehlerhaften Architektenpläne bereits in die Tat umgesetzt worden waren oder nicht. Die durch die Fehlplanung erforderlich gewordenen Umbaumaßnahmen, also die Kosten für die Beseitigung der Schäden am Bauwerk selbst, hat die Beklagte ersetzt. Es geht, wie das LG richtig gesehen hat, nach eigener Darstellung der Klägerin (jedenfalls nach bisherigem Parteivortrag im Wesentlichen) nur um Kosten für Umplanungen. Es ist auch unerheblich, dass es sich um neue und andere Planungen handelt. Es liegt auf der Hand, dass die Planungen, für deren Kosten die Klägerin Deckungsschutz verlangt, anders aussehen mussten als die fehlerhafte Planung. Bei der Neu- und Umplanung ging es dennoch allein darum, das Ziel der ursprünglichen Planungsleistungen zu erreichen, nämlich in allen drei von der Fehlplanung betroffenen Bereichen ein funktionsfähiges Gebäude (vgl. Krause-Allenstein, r+s 2006, 372 f.). Damit macht die Klägerin ihr unmittelbares Interesse am eigentlichen, vertraglich geschuldeten Leistungsgegenstand geltend. Dass es sich um ein Erfüllungssurrogat handelt, wird für den Fall anschaulich, dass der Generalplaner die Umplanung selbst vorgenommen hätte. Dass er für diese ihm entstandenen Kosten keinen Deckungsschutz hätte verlangen können, ist selbstverständlich. Es ist auch unerheblich, dass die Kosten für die Umplanung höher waren als die Kosten einer fehlerfreien ursprünglichen Planung (Versicherungsrechts-Handbuch/v. Rintelen, § 26 Rz. 37; BGHZ 96, a.a.O.).
[18] d) Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit, ergänzend dazu vorzutragen, ob und in welchem Umfang in den geltend gemachten Kosten solche enthalten sind, die ausschließlich für die Beseitigung von Mängeln aufgewendet worden sind (vgl. Krause-Allenstein, a.a.O., S. 373).
Fundstellen
BGHR 2009, 230 |
BauR 2009, 290 |
BauR 2009, 527 |
EBE/BGH 2009 |
NJW-RR 2009, 381 |
IBR 2009, 116 |
ZAP 2009, 1148 |
MDR 2009, 261 |
MDR 2010, 678 |
VersR 2009, 107 |
ZfBR 2009, 239 |
ZfS 2009, 214 |
BauSV 2009, 79 |
NZBau 2009, 261 |
r+s 2009, 60 |