Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwendungsersatzanspruch des Mieters wegen getätigter Investitionen für den Erhalt des Mietobjekts
Normenkette
BGB § 547 Abs. 1-2, §§ 683, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.12.1991) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 1991 aufgehoben.
Die Klage auf Ersatz der notwendigen Verwendungen ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Wegen der Höhe der notwendigen Verwendungen und der weitergehenden Klage wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beklagte ist Eigentümerin eines Hauses in Viersen-Dülken. Auf ihre Zeitungsanzeige mit dem Wortlaut: „Renovierungsbedürftiges Einfamilienhaus mit Garage an Handwerker zu vermieten” kam es am 21. Mai 1979 zwischen der Beklagten einerseits sowie dem Kläger und der Zeugin A. andererseits zum Abschluß eines formularmäßigen Mietvertrages für die Zeit vom 1. Juni 1979 bis 1. Juni 1985. Als Miete waren monatlich 170 DM vereinbart; unter § 24 des Mietvertrages „Sonstige Vereinbarungen” war handschriftlich eingefügt: „Die Miete beträgt nur 170 DM, weil das Haus renoviert werden muß.”.
In der Folgezeit verrichtete der Kläger an dem Haus, das nicht mehr heutigem Wohnstandard entsprach und das er sich deshalb nach seinen Bedürfnissen wohnlich herrichten sollte, in Eigenleistung umfangreiche Arbeiten. Über eine Verlängerung des Mietverhältnisses erzielten die Parteien keine Einigung. Der Kläger zog nach dem 1. Juni 1985 aus. Er begehrt von der Beklagten Ersatz der im und am Haus gemachten Aufwendungen sowie Ausgleich einer eingetretenen Wertsteigerung. Deren Höhe beziffert er unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen P. vom 3. Januar 1986, das in dem durchgeführten Beweissicherungsverfahren erstattet worden ist, auf insgesamt 100.400 DM, wobei die Instandsetzungsarbeiten des Klägers mit rund 51.400 DM und die Wertverbesserungsarbeiten mit rund 49.000 DM, jeweils einschließlich Mehrwertsteuer, angesetzt worden sind.
Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klaganträge weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält einen Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung für die von ihm behaupteten Aufwendungen und Ersatz von Wertverbesserungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für begründet und hat hierzu ausgeführt: Vertragliche Vereinbarungen, aufgrund deren die Beklagte zur Zahlung der Klagesumme an den Kläger verpflichtet wäre, seien nicht getroffen worden. Der Kläger habe nicht bewiesen, daß die Beklagte ihm im Zusammenhang mit den Mietvertragsverhandlungen in Ergänzung des Inhalts des Mietvertrages eine Vergütung aller seiner Aufwendungen verbindlich zugesagt habe. Den von der Zeugin A. wiedergegebenen Erklärungen der Vermieterseite lasse sich eine vertraglich bindende Zusage der Beklagten, dem Kläger die Kosten aller Aufwendungen zur Verbesserung des Mietobjekts zu ersetzen, nicht entnehmen. Unabhängig davon könne nicht festgestellt werden, ob die Zeugin A. den Ablauf der Vertragsverhandlungen im Ergebnis zutreffend erfaßt und in Erinnerung behalten habe. Ihren Angaben stehe die Aussage der Zeugin R., der Tochter der Beklagten, entgegen, wonach die Frage der Aufwendungen des Klägers für Materialleistungen zwar erörtert und ihm das Angebot mietfreien Wohnens gemacht, es schließlich aber, wie ursprünglich vorgesehen, bei der Vereinbarung einer monatlichen Miete von 170 DM belassen worden sei.
Ein gesetzlicher Ersatzanspruch stehe dem Kläger gegen die Beklagte ebenfalls nicht zu. Ein Verwendungsersatzanspruch nach § 547 Abs. 1 BGB wegen notwendiger Verwendungen sei nicht gegeben, da der Kläger nach eigenen Angaben das bei Abschluß des Mietvertrages nicht bewohnbare Haus durch seine Aufwendungen erst in einen bewohnbaren Zustand versetzt habe. Aufwendungen, die erforderlich gewesen seien, um die Mietsache in einen vertragsmäßigen Gebrauchszustand zu versetzen, seien keine notwendigen Verwendungen im Sinne des § 547 Abs. 1 BGB und allein unter den Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 BGB zu erstatten; die Voraussetzungen hierfür lägen jedoch nicht vor, da es an einem Verzug der Beklagten hinsichtlich ihrer Mängelbeseitigungspflicht fehle. Auch die Bestimmung des § 547 Abs. 2 BGB rechtfertige den Klaganspruch nicht. Es lasse sich jedenfalls nicht feststellen, daß die Geschäftsführung des Klägers dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten als Vermieterin entsprochen habe. Die baulichen Veränderungen und Umbauten in dem Umfang, wie sie der Kläger seiner Darstellung nach vorgenommen habe, seien für die Beklagte nicht nützlich gewesen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen G.-A. vom 7. Dezember 1990 habe der Gebäude- und Sachwert des Mietobjekts zur Zeit des Mietvertragsendes am 1. Juni 1985 rund 24.000 DM betragen. Es sei keinem Vermieter und Hauseigentümer nützlich, wenn ein solches Gebäude, das zu Beginn des Mietvertragsverhältnisses nicht wertlos gewesen sei, mit 100.400 DM Aufwand einen Wert von etwa 24.000 DM erhalte. Die Beklagte sei auch während der Mietvertragsverhandlungen davon ausgegangen, der Kläger werde, um das Haus wohnlich zu gestalten, Material im Gegenwert des angebotenen vollständigen Mietzinserlasses kaufen müssen. Die Beklagte habe somit damals den Umfang der Instandsetzungsmaßnahmen des Klägers durch einen Kostenrahmen von etwa 10.200 DM (170 DM × 12 × 5) als begrenzt angesehen. Nur Leistungen in diesem Ausmaß hätten daher ihrem konkludent geäußerten Willen entsprochen.
Schließlich sei die Klage weder völlig noch teilweise nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung begründet, da sich nicht feststellen lasse, daß der Wert des Gebäudes zu Beginn des Mietverhältnisses am 1. Juni 1979 geringer als 24.000 DM gewesen sei.
II. Diese Begründung hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Soweit die Revision sich gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, daß vertragliche Vereinbarungen, aufgrund deren die Beklagte zum Ersatz der vom Kläger verlangten Aufwendungen verpflichtet wäre, nicht getroffen worden seien, hat der Senat die erhobenen Verfahrensrügen geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
2. Zu Recht beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz notwendiger Verwendungen gemäß § 547 Abs. 1 BGB versagt hat.
a) Die Parteien haben, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, bei Abschluß des Mietvertrages eine Entschädigungspflicht der Beklagten für die vom Kläger zu tätigenden Verwendungen nicht ausschließen wollen. Damit steht dem Anspruch des Klägers auch nicht § 13 Abs. 1 und 4 des formularmäßigen Mietvertrages entgegen, wonach der Mieter Ersatz von Aufwendungen nur verlangen kann, wenn die Vermieterin den baulichen Änderungen vor deren Beginn schriftlich zugestimmt und dabei Ersatz der Aufwendungen der Höhe nach zugesagt hat. Das bedeutet, daß der Kläger Ersatz seiner Verwendungen nach den gesetzlichen Vorschriften beanspruchen kann.
b) Notwendige Verwendungen im Sinne des § 547 Abs. 1 BGB sind Leistungen, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Mietsache erforderlich sind (Senatsurteil vom 13. Februar 1974 – VIII ZR 233/72 = WM 1974, 348 unter II 3; Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 6. Aufl, Rdz. 332), die danach auch der Eigentümer der Sache selbst hätte aufwenden müssen, um die Sache zu erhalten (Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl., 2. Bearbeitung 1981, § 547 Rdz. 14; Scheuer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. V 385). Aufwendungen des Mieters zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache können dagegen nur nach Gewährleistungsrecht gemäß § 538 Abs. 2 BGB ersetzt verlangt werden; sie sind keine notwendigen Verwendungen im Sinne des § 547 BGB (Senatsurteil vom 30. März 1983 – VIII ZR 3/82 = WM 1983, 766 unter A I 4; Gelhaar in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 547 Rdnr. 4; Scheuer in Bub/Treier, Kap. V 386, jeweils m.w.Nachw.). Darum geht es hier jedoch nicht. Das vermietete Haus befand sich unstreitig in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand, weswegen laut ausdrücklicher Bestimmung in § 24 des Mietvertrages nur ein Mietzins von monatlich 170 DM vereinbart worden ist. Der Kläger sollte sich deshalb das Haus nach seinen Bedürfnissen wohnlich herrichten. Hieraus ergibt sich, daß die Beklagte ihrerseits keine Renovierungsarbeiten vornehmen lassen wollte, so daß der seinerzeitige Überlassungszustand geschuldet und damit vertragsgemäß war. Auch ein unter dem Mindeststandard liegender Zustand ist dann vertragsgemäß, wenn er eindeutig vereinbart ist und der Mieter sich mit ihm einverstanden erklärt hat (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. Rdnr. II 14).
c) Dann aber kann der Kläger grundsätzlich von der Beklagten Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, soweit diese der Instandsetzung des Hauses, insbesondere der Erneuerung des Dachstuhls einschließlich Dacheindeckung, der Erneuerung der Elektro- und Sanitärinstallation sowie der Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden im Wand- und Fußbodenbereich und damit der Erhaltung und Wiederherstellung des Mietobjekts dienten. Den Wert dieser vom Kläger ausgeführten Arbeiten hat der Sachverständige P. in seinem Gutachten vom 3. Januar 1986 mit rund 45.100 DM (ohne Mehrwertsteuer) beziffert. Die Beklagte hat zwar dies mit der Behauptung bestritten, die gesamten vom Kläger durchgeführten Arbeiten seien nicht ordnungsgemäß ausgeführt und daher unbrauchbar; das Gebäude sei wegen der Eingriffe des Klägers in die Bausubstanz derzeit nicht vermietbar. Aufgrund des Umfangs der Instandsetzungsarbeiten des Klägers, die vom Sachverständigen Peters in dem Gutachten vom 3. Januar 1986 im einzelnen aufgeführt und mit einem Betrag von rd. 45.100 DM veranschlagt worden sind, kann jedoch davon ausgegangen werden, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner notwendigen Verwendungen in irgendeiner Höhe besteht. Der Senat ist daher in der Lage, insoweit ein Grundurteil gemäß § 304 Abs. 1 ZPO zu erlassen; soweit die Beklagte erstmals im Revisionsverfahren die Einrede der Verjährung nach § 558 Abs. 1 BGB erhoben hat, war diese nicht zu berücksichtigen (BGHZ 1, 234, 239). Die Entscheidung über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Verwendungen war dem Betragsverfahren vorzubehalten. Dabei wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob die Verwendungen des Klägers teilweise dadurch bereits abgegolten sind, daß ein Mietzins von „nur 170 DM” monatlich vereinbart worden ist.
3. Soweit der Kläger Ersatz darüber hinausgehender Verwendungen verlangt, kann ein Ersatzanspruch gemäß § 547 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 683 BGB ebenfalls nicht, wie die Revision zu Recht rügt, mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann auch aus dem Gutachten des Sachverständigen G.-A. vom 7. Dezember 1990 nicht hergeleitet werden, daß die vom Kläger vorgenommenen baulichen Veränderungen und Umbauten der Beklagten nicht nützlich gewesen seien und damit nicht deren Interesse entsprachen. Nach diesem Gutachten betrug der Gebäude- und Sachwert zum Stichtag 1. Juni 1979 rund 24.000 DM, während der Verkehrswert des Grundstücks insgesamt im Zeitpunkt der Begutachtung mit rund 94.000 DM ermittelt wurde (Bodenwert: 106.890 DM abzgl. rund 13.000 DM Abbruchkosten); ein Gebäudewert ist darin nicht enthalten, weil das Grundstück seit ca. fünf Jahren unbewohnt war. Welchen Verkehrswert das Gebäude zur Zeit des Mietvertragsendes besaß, hat der Sachverständige G.-A. nicht festgestellt. Hingegen hat der Sachverständige P. in seinem im Beweissicherungsverfahren erstatteten Gutachten vom 3. Januar 1986, mit dem sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht auseinandergesetzt hat, ausgehend von einem Sachwert des Gebäudes vor Umbau Stand 21. November 1979 von 37.389,04 DM einen Sachwert nach Umbau Stand 1. Mai 1985 in Höhe von 80.277,27 DM und damit eine Wertverbesserung von rund 43.000 DM errechnet. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß die vom Kläger vorgenommenen weiteren Renovierungsarbeiten zu einer Wertverbesserung des Gebäudes im damaligen Zeitpunkt geführt haben, diese aber durch den mehrjährigen Leerstand des Hauses wieder vernichtet worden ist.
b) Weitere Voraussetzung eines Ersatzanspruchs nach § 547 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 683 BGB ist, daß die vom Kläger vorgenommenen Arbeiten dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprachen; dabei sind an das Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung strenge Anforderungen zu stellen (Sternel Rdnr. II 614; Scheuer in Bub/Treier, Kap. V 399). Allerdings erlaubt, was die Revision zu Recht beanstandet, der angebotene Mieterlaß keinen Rückschluß darauf, daß nur Arbeiten im Wert von etwa 10.200 DM erkennbar dem Willen der Beklagten entsprachen. War der Mietzins bereits mit Rücksicht auf die Renovierungsbedürftigkeit des Hauses auf monatlich 170 DM herabgesetzt und die Beklagte bereit, selbst diesen Betrag auf die Dauer von sechs Jahren zu erlassen, so überstiegen auch nach ihrer Vorstellung die Kosten der erforderlichen Instandsetzungsarbeiten den während der Vertragsdauer geschuldeten Mietbetrag. Das Berufungsgericht wird daher erneut zu prüfen haben, ob mit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten in Einklang zu bringen ist, daß der Kläger für sie die weiteren Renovierungsarbeiten vornahm. Dagegen könnte z.B. sprechen, daß der Umfang der Arbeiten vom Kläger selbst bestimmt wurde und die erforderlichen Kosten hierfür nicht absehbar waren.
4. Sollten die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorliegen, kommt ein Anspruch des Klägers aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in Betracht, sofern durch die Verwendungen ein Wertzuwachs, insbesondere eine Erhöhung des Verkehrswertes des Gebäudes eingetreten ist (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1967 – VIII ZR 25/85 = WM 1967, 750 unter B I 3 b; Scheuer in Bub/Treier, Kap. V 403, 405 m.w.Nachw.). Da das Berufungsgericht auch hier von einem unrichtigen Sach- und Gebäudewert von 24.000 DM zum Stichtag 1. Juni 1985 ausgeht (siehe oben II 3 a), ist der Auffassung, es lasse sich eine Wertverbesserung gegenüber dem Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses am 1. Juni 1979 nicht feststellen, die Grundlage entzogen.
Unterschriften
Wolf, Groß, Dr. Hübsch, Ball, Wiechers
Fundstellen