Bundesgerichtshof zum Recht der Untervermietung
Der BGH hat sich zum wiederholten Mal mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein Mieter zur Untervermietung einer von ihm gemieteten Wohnung berechtigt ist. In seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat der für Mietrechtsstreitigkeiten zuständige Senat das berechtigte Interesse des Mieters an einer solchen Untervermietung mieterfreundlich sehr weit gefasst.
Wohnung nach längerer Mietzeit als Hauptwohnsitz aufgegeben
Der Kläger des der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Rechtsstreits war Mieter einer etwa 72 m² großen Dreizimmerwohnung der Beklagten in Berlin. Diese hatte er zunächst allein bewohnt, später gemeinsam mit seiner Ehefrau und einem gemeinsamen Kind. Nach der Geburt eines 2. Kindes zog der Kläger in eine rund 17 km von der Mietwohnung entfernt liegende Doppelhaushälfte. Als Geschäftsführer einer 10 Gehminuten von der Mietwohnung entfernt liegenden Speditionsfirma beabsichtigte der Kläger, die Mietwohnung weiterhin als Ausruhort und zur gelegentlichen Übernachtung zu nutzen.
Divergierende Instanzentscheidungen zum Anspruch auf Untervermietung
Die beklagte Vermieterin verweigerte die vom Kläger erbetenen Zustimmung zur unbefristeten Untervermietung von je einem Zimmer der Mietwohnung an 2 namentlich benannte Personen. Der darauf eingereichten Klage auf Zustimmung zur Untervermietung hat das AG erstinstanzlich stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat das LG die Klage abgewiesen.
Recht auf Untervermietung bei berechtigtem Interesse
Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision des Klägers hatte Erfolg. Entscheidende Vorschrift für die Entscheidung der Gerichte war § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiernach kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis zur Untervermietung eines Teils des von ihm gemieteten Wohnraums verlangen, wenn nach Abschluss des Mietvertrages ein berechtigtes Interesse an einer solchen Gebrauchsüberlassung an Dritte entsteht.
Voraussetzungen für berechtigtes Interesse auf Untervermietung
Nach der Entscheidung des BGH ist ein berechtigtes Interesse des Mieters an einer Untervermietung immer dann anzunehmen, wenn
- vernünftige Gründe ersichtlich sind,
- die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen,
- die nicht von ganz unerheblichem Gewicht sind und
- die mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang stehen (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss v. 3.10.1984, VII ARZ 2/84; BGH, Urteil v. 13.9.2023, VIII ZR 109/22).
Zur Beurteilung dieser Punkte sind die tatsächlichen Umstände, auf denen der Wunsch des Mieters zur Aufnahme eines Dritten in die Wohnung unter Berücksichtigung des mieterschützenden Zwecks der Regelung des § 153 Abs. 1 Satz 1 BGB umfassend zu würdigen (BGH, Urteil v. 11.6.2014, VIII ZR 349/13).
Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz ist nicht erforderlich
In seiner Entscheidung stellte der BGH klar, dass - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Absatz ein Satz 1 BGB kein Interesse an einem fortdauernden Bestand der Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz voraussetzt. Die gegenteilige Auslegung des Berufungsgerichts finde weder im Gesetzeswortlaut noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze. Nach dem Schutzzweck der Norm sei vielmehr der Wunsch des Mieters nach einer Verringerung seiner Mietaufwendungen bei Nutzung des Mietobjekts als Nebenwohnung ein nachvollziehbarer Grund für eine Untervermietung.
Mieter darf Gewahrsam an Wohnung nicht aufgeben
Der BGH gab allerdings der Auffassung der Vorinstanz recht, dass der Mieter den Gewahrsam an der Wohnung nicht vollständig aufgeben darf. Für die Beibehaltung des Gewahrsams genügt es nach der Entscheidung des Senats allerdings schon, wenn der Mieter ein Zimmer der Wohnung zum Eigengebrauch zurückbehält, um dort gelegentlich zu übernachten oder Einrichtungsgegenstände zu lagern. Es sei nicht erforderlich, dass die Wohnung dem Mieter als Lebensmittelpunkt dient.
Grenze: Untervermietung ist dem Vermieter nicht zumutbar
Insgesamt stellte der BGH fest, dass nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung die berechtigten Interessen des Mieters an einer Untervermietung den Interessen des Vermieters grundsätzlich vorgehen. Anders sei es nur in den Fällen, in denen die beabsichtigte Gebrauchsüberlassung für den Vermieter unzumutbar wäre. Nur dann schließe § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB die Untervermietung aus. Auch könne der Vermieter gemäß § 553 Abs. 2 BGB gegebenenfalls eine angemessene Erhöhung der Miete verlangen, wenn andernfalls die Zustimmung zur Untervermietung nicht zumutbar wäre.
Berechtigtes Interesse entfällt nicht aus wohnungspolitischen Erwägungen
Das berechtigte Interesse ist nach der Auffassung des BGH im konkreten Fall auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die Gebrauchsüberlassung an Dritte nicht der geltenden Rechts- und Sozialordnung entsprechen würde. Zwar liege die Wohnung in Berlin in einem angespannten Wohnungsmarkt, eine Untervermietung sei daher möglicherweise - auch im Hinblick auf den geringeren Bestandsschutz für Untermieter im Vergleich zum Hauptmieter – wohnungspolitisch unerwünscht. Solche nicht unmittelbar zur Rechts- und Sozialordnung gehörenden gesellschafts- und wohnungspolitischen Erwägungen sind nach der Entscheidung des BGH aber nicht geeignet, das gesetzlich normierte berechtigte Interesse des Klägers an der Untervermietung zu verneinen.
Berechtigtes Interesse im konkreten Fall gegeben
Im konkreten Fall stellte der Wunsch des Mieters, die Wohnung als Nebenwohnung aus beruflichen Gründen wegen der Nähe zu seiner Arbeitsstelle weiterhin zeitweise zu nutzen, nach der Wertung des BGH ein hinreichendes berechtigtes Interesse an der beabsichtigten Untervermietung dar. Im Ergebnis hat der BGH daher das Berufungsurteil aufgehoben. Da die Vorinstanz nicht geklärt hatte, ob der Kläger tatsächlich die Wohnung aus beruflichen Gründen zeitweise nutzt - was von der Beklagten bestritten wurde - hat der Senat den Rechtsstreit zur Klärung dieser Frage und zur weiteren Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
(BGH, Urteil v. 27.9.2023, VIII ZR 88/22)
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