Leitsatz (amtlich)
a) Zur Anwendung der §§ 31, 89 BGB bei Zuständigkeitsüberschreitungen des Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.
b) Eine bayerische Gemeinde hat grundsätzlich für den Vertrauensschaden der Bank nach §§ 31, 89 BGB einzustehen, wenn ihr Erster Bürgermeister unter Vorlage gefälschter Gemeinderatsbeschlüsse und unter der Vorgabe, die erforderlichen Genehmigungen der Rechtsaufsichtsbehörde würden erteilt, einen Kredit für die Gemeinde erschwindelt und ihn für sich verbraucht.
Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 24.03.1977) |
LG Memmingen |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. März 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Gemeinde aus Geschäften in Anspruch, durch die sich ihr früherer Erster Bürgermeister U. Kredite erschwindelt hat. Folgender Sachverhalt liegt zugrunde:
Am 21. Februar 1973 beantragte U. bei der Filiale der Klägerin in K., der Beklagten ein "Konto-Depot-Sparkonto" zu eröffnen. Er unterschrieb den Antrag unter Beifügung von Amtsbezeichnung und Dienstsiegel. Beigegeben war ein "Auszug aus dem Beschlußbuch" der Beklagten, dessen Richtigkeit U. durch Unterschrift, Amtsbezeichnung und Dienstsiegel bestätigte. Aus dem Auszug ging hervor, daß der Gemeinderat am 31. Januar 1973 beschlossen hatte, Gelände für die Ausweisung von Baugebieten zu erwerben, zu erschließen und aufgeteilt nach Bauplätzen laut Bebauungsplan zu verkaufen. Weiter hieß es:
"Ab Mai 1973 ist dafür der Erlös aus dem E-Werk-Werkauf (DM 230.000) zu verwenden. Da der An- und Verkauf außerhalb des Gemeindehaushalts erfolgen soll, wird bei der (Klägerin) ein zweckgebundenes Konto "Baugebiete" errichtet. Etwaige auftretende Eilgeschäfte vor dem Mai 1973 sollen von der (Klägerin) vorfinanziert werden, da die Aufnahme von Darlehen usw. zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Zinsen und Auslagen werden auf den Verkaufspreis als Unkosten zugeschlagen; der Überschuß dieses Kontos wird nach Prüfung der Buchführung an die Gemeinde als außerordentliche Einnahme zum Neuerwerb von Grundvermögen überwiesen ....
Laut Geschäftsordnung ist der 1. Bürgermeister ermächtigt, dieses Konto zu führen und Abrechnung zu erstellen".
In Wahrheit hatte der Gemeinderat der Beklagten einen derartigen Beschluß nie gefaßt. Den "Auszug" hatte U. selbst angefertigt, um sich für eigene Zwecke Geld zu verschaffen.
Das Konto wurde antragsgemäß bei der Filiale K. errichtet und erhielt die Konto-Nr. 201227. U. hob von ihm am 22. Februar 1973 20.000 DM, am 1. März 1973 30.000 DM und am 25. Mai 1973 5.900 DM gegen auf die Beklagte ausgestellte Empfangsquittungen ab. Am 4. Juni 1973 stellte U. einen Scheck über 5.914 DM auf das Konto aus, der am 13. Juni 1973 eingelöst wurde. Unter Berücksichtigung zweier Einzahlungen einerseits sowie der angefallenen Zinsen andererseits schloß das Konto zum 31. Dezember 1974 mit einem Saldo von 57.372,59 DM ab.
Am 15.11.1973 richtete U. folgendes mit dem Briefkopf der Beklagten versehene Schreiben an die Zweigstelle der Klägerin in K.:
"In der Anlage sende ich Ihnen eine Fotokopie der Gesamtgenehmigung zur Darlehensaufnahme. Danach kann (die Beklagte) im Jahre 1973 noch insgesamt DM 274.946 zu den bisher aufgenommenen DM 50.000, also für 1973 insgesamt DM 324.946 als Darlehen auf nehmen. Wir können demnach unsere geplanten Vorhaben bzw. Erschließung von Baugelände, Kanalisation usw. zum größten Teil durchziehen. Die Einzelgenehmigung selbst wird noch im Nachtragshaushalt 1973 erteilt. Zu gegebener Zeit werde ich Ihnen den Gemeinderatsbeschluß sowie die Genehmigung des Nachtragshaushalts vorlegen.
Ich wäre Ihnen um baldige Mitteilung dankbar, ob wir für die Baulanderschließung usw. ein weiteres Darlehen-von DM 100.000 bzw. DM 200.000 zu günstigen Bedingungen bekommen können, damit ich das Angebot dem Gemeinderat unterbreiten kann."
Die Klägerin unterbreitete daraufhin der Beklagten mit Schreiben vom 7.12.1973 ein Angebot über ein Kommunaldarlehen in Höhe von 200.000 DM zu 9,25 % Jahreszins mit einer Laufzeit von 5 Jahren. Ziff. 7 des Schreibens lautete:
"Auszahlung nach Vorlage
a)
der unterzeichneten Schuldurkunde,
b)
des Auszugs aus dem Protokoll des Gemeinderates über den Beschluß zur Darlehensaufnahme,
c)
des Genehmigungsbescheides der Staatsaufsichtsbehörde zur Darlehensaufnahme,
d)
der Anweisung, wann und wohin die Darlehensvaluta überwiesen werden soll (bitte gewünschten Termin spätestens 10 Tage vorher mitteilen).
Bei unserem Angebot gehen wir davon aus, daß uns die Unterlagen zu Nr. 7 b) bis zum 20. Dezember 1973 und zu Nr. 7 c) bis zum 28. Dezember 1973 zugegangen sind."
U. unterzeichnete die beigefügte Annahmeerklärung und Schuldurkunde unter Zusatz von Amtsbezeichnung und Dienstsiegel am 13. Dezember 1973. Den auf der Annahmeerklärung vorgedruckten Satzteil: "Die Annahme erfolgt aufgrund des Gemeinderatsbeschlusses vom" füllte er nicht aus. Der von ihm nur zum Teil ergänzte Schlußteil der "Schuldurkunde" lautete:
"Diese Darlehensaufnahme erfolgt aufgrund des Beschlusses vom ... und der staatsaufsichtlichen Genehmigung vom 25.9.1973 = Genehmigung des Kredithöchstbetrages. Die Genehmigung des Nachtragshaushalts wird nachgereicht."
Der Gemeinderat hatte auch von diesen Vorgängen keine Kenntnis; ein Beschluß über die Aufnahme des Darlehens lag nicht vor.
Am 21.12.1973 zahlte die Klägerin auf das von U. bei der Filiale in K. errichtete Konto Nr. 201227 den Betrag von 198.477,78 DM aus. Mit Schreiben vom selben Tag bat sie bis zum 10.1.1974 um Vorlegung eines Auszugs aus dem Protokoll des Gemeinderats über den Beschluß zur Darlehensaufnahme und bis zum 20.1.1974 Vorlage des Genehmigungsbescheides der Staatsaufsichtsbehörde. Dem kam U. nicht nach. Die Valuta wurde noch im Dezember 1973 auf Wunsch von U. auf zwei Unterkonten umgebucht und zwar ein Teilbetrag von 100.000 DM auf das Festgeldkonto Nr. 2012219 und der Restbetrag von 98.477,78 DM auf das Unterkonto Nr. 2012227. Auf einen Überweisungsauftrag vom 4.1.1974 überwies die Zweigstelle K. von dem Unterkonto Nr. 2012227 den Betrag von 5.101,33 DM auf das Konto Nr. 201227 zur Abgleichung des "Zinsübertrags". Am selben Tag hob U. von dem Konto Nr. 2012227 den Betrag von 36.000 DM in bar gegen Empfangsquittung auf den Namen der Beklagten ab. Gemäß Überweisungsauftrag vom 11.2.1974 (nicht, wie irrtümlich im Tatbestand des Berufungsgerichts angegeben: vom 1.11.1974) wurde von dem Unterkonto Nr. 2012227 der Betrag von 55.025,32 DM und gemäß Überweisungsauftrag von 8. Februar 1974 von dem Festgeldkonto der Betrag von 12.000 DM an die Volksbank in I. überwiesen, bei der U. ein Konto der Beklagten ohne deren Kenntnis und ohne Gemeinderatsbeschluß eröffnet hatte. Das restliche Guthaben des Unterkontos 2012227 wurde durch weitere Belastungen aufgebraucht, während ein Festgeldanteil von 88.000 DM (Festgeldkonto) nicht ausbezahlt wurde, so daß von dem Kommunaldarlehen noch ein Betrag von 110.477,78 DM (198.477,78 DM abzüglich 88.000 DM) zur Rückzahlung offensteht.
Im Februar 1974 wurden die betrügerischen Machenschaften des U. aufgedeckt. Er wurde seines Amts enthoben und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung von 167.850,37 DM (57.372,59 DM + 110.477,78 DM) nebst Zinsen verlangt.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin Ansprüche gegen die Beklagte aus den betrügerischen Machenschaften ihres früheren Ersten Bürgermeisters U. aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt - weder aus Vertrag oder aus culpa in contrahendo, noch aus Delikt, noch aus Bereicherung - zu.
I.
Erfüllungsansprüche aus den Kreditgeschäften des U. hat das Berufungsgericht der Klägerin zu Recht versagt.
1.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß U. unbeschadet von Art. 38 Abs. 1 der hier maßgebenden Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern vom 25. Januar 1952 - BayBS I 461 - (BayGO), nach dem der Erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt, die Beklagte in diesen Geschäften nicht vertreten konnte, weil der Gemeinderat sie nicht beschlossen hatte. Es kann sich dafür auf die Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts stützen, nach der der Erste Bürgermeister Alleinvertretungsmacht nur - von Dringlichkeitsfällen abgesehen - in von ihm nach Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 BayGO allein zu besorgenden Geschäfte der laufenden Verwaltung besitzt, also in den regelmäßig wiederkehrenden und sachlich für die Gemeinde weniger bedeutsamen Geschäften (vgl. BGH Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77, zur Veröffentlichung bestimmt). Daß es um solche Geschäfte hier nicht ging, ist außer Streit. In den übrigen Fällen soll die Vertretungsmacht des Ersten Bürgermeisters mit Außenwirkung durch die Willensbildung des für sie nach Art. 29, 30 Abs. 2 BayGO zuständigen Gemeinderats beschränkt sein (BayObLGZ 1952, 271, 273 ff; 1971, 252, 254 ff; BayVBl 1974, 706 = VerwRspr Bd. 24 Nr. 227; ebenso BayVerfGH 25, 27, 43; Helmreich/Widtmann BayGO 3. Aufl. Art. 29 Anm. 6 b; Hölzl BayGO 5. Aufl. Art. 38 Anm. 2b bb und cc). Demgegenüber wird für das Kommunalrecht in anderen Bundesländers - in Anlehnung an die herrschende Meinung für die Vertretung juristischer Personen des Zivilrechts durch ihre Organe - weitgehend angenommen, daß das Fehlen der Mitwirkung des beschließenden Organs nicht auch die Vertretungsmacht des zur Außenvertretung berufenen Organs, sondern nur dessen von der Außenvertretung zu trennende interne Pflichtenbindung berührt (vgl. BGH Urteil vom 20. April 1966 - V ZR 50/65 = MDR 1966, 669 für Baden-Württemberg; vom 16. November 1978 = a.a.O. für Rheinland-Pfalz, jeweils m.w.Nachw.).
2.
Welcher Ansicht zu folgen ist, kann im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls sind die Erklärungen des U. für die Beklagte deshalb nicht verbindlich geworden, weil solche Kreditgeschäfte der Genehmigung durch das Landratsamt als der dafür zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde (Art. 110 BayGO) - sowohl in der Form der Gesamtgenehmigung (Art. 83 Abs. 1) als der Einzelgenehmigung der Darlehensaufnahme (Art. 84 Abs. 1) - bedurften. Die Kreditvereinbarungen waren daher unwirksam (Art. 117 Abs. 2 BayGO).
All das wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
II.
Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen, wenn es der Klägerin auch Schadensersatzansprüche wegen des betrügerischen Vorgehens des U. abspricht, die allerdings nur das negative Interesse der Klägerin schützen können, was für die im Hauptantrag enthaltenen Kreditzinsen Bedeutung haben kann.
Das Berufungsgericht meint dazu: Weder aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der culpa in contrahendo, noch aufgrund deliktischer Verantwortlichkeit für organschaftliches Handeln nach §§ 31, 89 Abs. 1 BGB habe die Beklagte für den Betrug des U. einzustehen. Solche Einstandspflicht würde den Zweck der Kompetenzverteilung, wie sie in der Gemeindeordnung zum Schutz der Gemeinde niedergelegt sei, vereiteln. Da U. die Geschäfte nicht in alleiniger Zuständigkeit habe besorgen können, ständen sie außerhalb des Bereichs, in dem die Beklagte nach §§ 31, 89 Abs. 1 BGB für unerlaubte Handlungen ihrer Organe einzustehen habe. Dafür spreche auch, daß sich die betrügerischen Handlungen des U. gegen die Beklagte selbst gerichtet hätten. Für ein Verhalten des Organs, daß dieses in Verfolgung anderer Zwecke als dieser Körperschaft beobachte, hafte die Körperschaft nicht. Selbst bei Bejahung einer Organhaftung würde zudem die Inanspruchnahme der Beklagten eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. Denn die Klägerin habe bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen können, daß U. seine Vertretungsmacht mißbraucht habe.
Damit hat das Berufungsgericht die rechtliche Tragweite der §§ 31, 89 BGB zu eng gesehen.
1.
Die Einstandspflicht der juristischen Person für schadenstiftende Handlungen ihres Organs, die diese Regelung ihr zuweist, beschränkt sich hier nicht auf den Bereich der Alleinzuständigkeit des Organs für rechtsgeschäftliche Betätigung. Vielmehr erstreckt sie sich auch und gerade auf Fälle, in denen das Organhandeln durch die Vertretungsmacht nicht gedeckt ist, der davon Betroffene deshalb die juristische Person rechtsgeschäftlich an das Organhandeln nicht festhalten kann (Senatsurteil vom 5. Dezember 1958 - VI ZR 114/57 = LM BGB § 31 Nr. 13 undvom 12. Juli 1977 - VI ZR 159/75 = NJW 77, 2259 m.w.Nachw.; RGRK-BGB 12. Aufl. § 31 Rdz. 8; Soergel/Schultze-von Lasaulx BGB 11. Aufl. § 31 Rdz. 28). Ziel der Regelung ist, durch Verbreiterung der Haftungsmasse den Rechtsverkehr vor Schadenshandlungen zu schützen, die das Organ in "amtlicher" Eigenschaft begangen hat (Soergel/Schultze-von Lasaulx a.a.O. Rdz. 26).
Maßgebend ist deshalb der dem Organ übertragene Funktionsbereich, mit dem das schädigende Verhalten in einem inneren Zusammenhang stehen muß. Dafür ist im Prinzip unerheblich, daß sich das Organ innerlich von seinem Amt entfernt hat, gar - wie hier - vorsätzlich seine Stellung mißbraucht. Insoweit kommt es nur auf sein Auftreten nach außen an. Auch ein vorsätzliches Überschreiten seiner Organbefugnisse kann deshalb noch im Sinne von §§ 31, 89 BGB "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" begangen sein, so lange es sich aus der Sicht des Außenstehenden nicht so weit von seinem Aufgabenkreis entfernt, daß der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint.
Von diesen Grundsätzen will auch das Berufungsgericht ausgehen; im Ergebnis kehrt es aber doch zu einer Beschränkung der Einstandspflicht der Beklagten auf dem Bereich rechtsgeschäftlicher Alleinzuständigkeit des U. zurück, indem es letztlich ihre Haftung nur für Geschäfte des Art. 37 BayGO bejahen will.
2.
Bei richtigem Verständnis der §§ 31, 89 BGB hätte es die Haftung der Beklagten auch für den Betrug des U. bejahen müssen, den dieser zum Nachteil der Klägerin begangen hat (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB i.V.m. § 263 StGB).
a)
U. ist gegenüber der Klägerin in seiner Eigenschaft als Erster Bürgermeister aufgetreten; er hat vorgegeben, die Kredite für die Beklagte aufnehmen zu wollen. Sein Vorgehen wird dadurch, daß es nicht durch Beschlüsse des Gemeinderats gedeckt war, auch die Genehmigungen der Rechtsaufsichtsbehörde für die Wirksamkeit der Erklärungen fehlten, nicht einem Wirkungsbereich außerhalb seiner Organstellung zugewiesen. Gerade daß er sich insoweit gefälschter Dokumente bedient hat, unterstreicht den Amtscharakter, den er seinen Erklärungen zu geben sich bemüht hat. In welchem Umfang seine Vertretungsmacht durch das Mitwirken von Gemeinderat und Rechtsaufsichtsbehörde beschränkt war, ist nicht entscheidend. Maßgebend ist, daß es seine Aufgabe als Erster Bürgermeister war, mit den Kreditgebern zu verhandeln und die Verträge für die Beklagte zu zeichnen, wenn die Beklagte einen Kredit aufzunehmen wünschte; daß er die Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde hierzu einzuholen und die Geschäftspartner davon in Kenntnis zu setzen sowie für die Einrichtung der Konten zu sorgen hatte. All das genügt, um sein Auftreten gegenüber der Klägerin seinem Funktionsbereich als Organ der Beklagten zuzuweisen.
Deshalb hat schon früher die höchstrichterliche Rechtsprechung für vergleichbare Fallgestaltungen ein organschaftliches Handeln i.S. von § 31 BGB nicht abgelehnt, es insbesondere nicht daran scheitern lassen, daß das Organ dem Geschäftspartner gefälschte Beschlüsse der Entscheidungsgremien und falsche Genehmigungsbescheide vorgelegt hat (vgl. RG JW 1913, 587, 589; 1917, 594 Nr. 2; 1928, 2433; vgl. auch KG JW 1932, 519. Vgl. ferner RGZ 162, 129, 169 f; 162, 202, 207; RG DR 1941, 1937; BGH Urteile vom 8. Februar 1952 - I ZR 92/51 = NJW 1952, 537 Nr. 3;vom 5. Dezember 1958 - VI ZR 114/57 = LM BGB § 31 Nr. 13;vom 6. April 1967 - II ZR 291/63 = DB 1967, 1629; vom 12. Juli 1977 = a.a.O.).
b)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Schutzzweck, der vor allem bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit der Kompetenzregelung verfolgt wird, eine Beschränkung der Organhaftung hier nicht.
In erster Linie gewähren diese Regeln der Körperschaft Schutz gegen rechtsgeschäftliche Bindungen. Insoweit freilich dürfen und können sie durch die Regelung der §§ 31, 89 BGB nicht überspielt werden. Der Rechtsverkehr genießt grundsätzlich keinen Gutglaubensschutz im Blick auf Vertretungsbefugnisse; hieran ändern auch die §§ 31, 89 BGB nichts. Bindungswirkungen für die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des nicht vertretungsbefugten Organs lassen sich deshalb mit ihrer Hilfe weder aus § 179 BGB, noch aus § 242 BGB oder aus dem Gesichtspunkt der c.i.c. begründen. Insoweit gelten ähnliche Erwägungen, wie die, aus denen dem Vertragspartner einer juristischen Person des öffentlichen Rechts der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) im Prinzip versagt ist, wenn sich jene auf das Fehlen einer vorgeschriebenen Form für die rechtsgeschäftliche Erklärung, die Nichtbeteiligung eines Gesamtvertreters oder den Mangel von Genehmigungen der Rechtsaufsichtsbehörde beruft (BGHZ 6, 330, 332 f; 21, 59, 64; 32, 375, 381 ff; BGH Urteile vom 22. September 1960 - II ZR 40/59 - WM 1960, 1210, 1212;vom 2. März 1972 - VII ZR 143/70 = NJV 1972, 940, 941; so schon RGZ 157, 207, 212; RG HRR 1928 Nr. 1396; weitere Nachweise bei Frotz, Verkehrsschutz und Vertretungsmacht 1972 S. 248 Fn. 574).
Diese Grundsätze dienen jedoch nur dem Zweck solcher Kompetenz- und Formvorschriften, die Körperschaft vor den Bindungswirkungen unbedachter oder übereilter Verpflichtungserklärungen zu bewahren. Sie befreien nicht von der Haftung, wenn Organe im Zuge rechtsgeschäftlicher Betätigung, zu der sie mitberufen sind, dem Geschäftspartner Schaden zufügen, so lange der Grund für das Einstehen nicht in einer rechtsgeschäftlichen Bindung an die Erklärung liegt. Anderes würde den Zweck der §§ 31, 89 BGB, den Rechtsverkehr vor den Risiken der Organbestellung zu schützen, inhaltsleer machen. Insoweit gilt für juristische Personen des öffentlichen Rechts nichts besonderes; auch sie können sich der Haftung nicht durch die Berufung auf Kompetenzvorschriften entziehen, wenn ihre Organe das Vertrauen, das zu ihrer Berufung geführt hat, mißbrauchen. Vor solchen Haftungsfolgen können Kompetenzregeln niemals schützen.
Deshalb ist in den erwähnten Entscheidungen wiederholt zum Ausdruck gebracht worden, daß Zuständigkeitsbeschränkungen nicht der Geltendmachung von Schäden entgegenstehen, die das Organ in amtlicher Eigenschaft dem Geschäftspartner unter Verletzung von Sorgfaltspflichten aus Sonderrechtsbeziehungen (c.i.c.) oder von deliktischen Verkehrspflichten zufügen (BGHZ 6, 330, 333; BGH Urteil vom 8. Februar 1952 = a.a.O.; vom 5. Dezember 1958 = a.a.O.; vom 2. März 1972 = a.a.O.; vom 22. September 1960 = a.a.O.; weitere Nachweise bei Frotz a.a.O. S. 252; RGRK-BGB a.a.O. § 31 Rdz. 8; § 179 Rdz.19; a.A. Peters, Festschrift für Reinhardt 1972, 129). Der Umstand allein, daß das Organ seine Vertretungsmacht überschritten hat und die Erklärung deshalb nicht bindend geworden ist, kann die Haftung nicht auslösen; darüberhinaus ist die Organhaftung der Gemeinde durch Zuständigkeitsregeln und Formvorschriften nicht begrenzt.
Auch im Streitfall spielen die Zuständigkeitsregeln keine Rolle. Gewiß hat die Klägerin im Vertrauen auf die Ermächtigung des U. zu den Krediten ihm den Zugang zu Geld verschafft. Aber ihr Ersatzanspruch knüpft rechtlich und faktisch nicht unmittelbar an ihren Glauben an die Verbindlichkeit seiner Erklärungen an, sondern an die unerlaubte Handlung des U., der ihr betrügerisch, aber gerade unter Mißbrauch seines Amts, vorgespiegelt hat, daß die Kredite der Beklagten verschafft werden sollten. Bei solchem Sachverhalt versagt der Schutz, den die Gemeindeordnung mit der Kompetenzverteilung zwischen Erstem Bürgermeister, Gemeinderat und Rechtsaufsichtsbehörde der Beklagten verschaffen kann.
c)
Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht für seinen Standpunkt auf das Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 6. April 1967 - II ZR 291/63 = a.a.O., das in Anlehnung an das Urteil des Reichsgerichts in RGZ 134, 375, 377, wo ein ganz ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag, die Haftung einer Bank verneint hat, deren Organ durch Fälschung der Unterschrift eines Mitunterzeichnungsberechtigten einem Dritten eine wirksame Banksicherheit vorgespiegelt hatte, um so leichter an ein ihm persönlich zu gewährendes Darlehen heranzukommen. In beiden Fällen beschränkte sich die schadenstiftende Handlung, für die die Einstandspflicht der juristischen Person verlangt wurde, auf die Vortäuschung rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeit einer Willenserklärung. Der erkennende Senat braucht keine Stellung zu der Rechtsauffassung zu nehmen, daß in solchen Sonderfällen der Schutzzweck der Gesamtvertretung eine Inanspruchnahme der juristischen Person auch aus Delikt wegen Fälschung der Unterschrift eines Gesamtvertreters hindere. Dahinstehen kann auch, ob der Streitfall ähnlich beurteilt werden müßte, wenn U. die Kredite tatsächlich für die Beklagte hätte aufnehmen wollen und zu diesem Zweck die gefälschten Dokumente vorgelegt hätte. Hier steht dagegen im Vordergrund die Irreführung der Klägerin darüber, daß er persönlich an ihre Gelder heranwollte. Von der schon damals gefestigten Rechtsansicht, daß in solchen Fällen eine Einstandspflicht der juristischen Person zu bejahen ist, hat der II. Zivilsenat mit seiner vorgenannten Entscheidung ersichtlich nicht abrücken wollen.
3.
Das Berufungsgericht meint, Schadensersatzansprüche der Klägerin müßten jedenfalls deshalb scheitern, weil sie bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt den Mißbrauch seiner Vertretungsmacht durch U. habe erkennen können. Die Inanspruchnahme der Beklagten sei unter diesen Umständen rechtsmißbräuchlich.
Auch hierin kann dem Berufungsgericht indessen nicht gefolgt werden.
a)
Das Berufungsgericht will sich ersichtlich auf Grundsätze stützen, die zu der Frage entwickelt worden sind, ob der Vertretene an ein nach außen wirksames, aber unter Überschreitung seines Auftrags durch den Vertreter zustande gekommenes Rechtsgeschäft auch bei Sorgfaltsverstößen des Geschäftspartners gebunden ist. Die Rechtsprechung schützt in solchen Fällen den Vertretenen gegenüber erkennbaren Mißbräuchen der Vertretungsmacht, wenn der Vertreter von ihr in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so daß beim Geschäftspartner erkennbare Zweifel entstehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt (vgl. BGHZ 50, 112, 114 sowieSenatsurteil vom 22. März 1976 - VI ZR 257/73 = WM 1976, 632, 633 m.w.Nachw.).
Diese Grundsätze beschränken sich auf Fälle, in denen die rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit von Erklärungen des Vertreters zu beurteilen ist. Wo es wie hier um die Einstandspflicht für unerlaubte Handlungen geht, kommt allenfalls eine Haftungsbeschränkung aus dem Gesichtspunkt mitwirkenden Verschuldens (§ 254 BGB) in Betracht (vgl. BGH-Urteil vom 8. Februar 1952 = a.a.O.).
b)
Der erkennende Senat ist nicht in der Lage, aufgrund des festgestellten Sachverhalts die vom Berufungsgericht unterlassene Abwägung nach § 254 BGB selbst vorzunehmen.
Zwar spricht vieles dafür, daß die Klägerin einen Betrugsverdacht gegen U. nicht hat schöpfen müssen. Daß der Kreditantrag von 21. Februar 1973 nicht durch einen Gemeinderatsbeschluß gedeckt war, konnte sie nicht erkennen. Dafür hatte U. durch seine Fälschung vorgesorgt. Dem zweiten Kreditantrag vom 15. November 1973 war zwar kein "Auszug" aus dem Beschlußbuch des Gemeinderates beigefügt. Aber die Kreditaufnahme sollte angeblich demselben Zweck dienen wie die frühere; auch lag die Inanspruchnahme des ausweislich der Unterlagen von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigten Kredithöchstbetrages für 1973 auf diesem Weg nicht fern. Zudem war der Kredit weder nach seinem Zweck noch dem Volumen nach ein ungewöhnliches, besondere Nachforschungen nahelegendes Geschäft. Deshalb bestand auch zu diesem Zeitpunkt für die Klägerin jedenfalls zunächst kein Anlaß, einen Betrug des U. zu vermuten.
Andererseits hat sie U. über den ersten Kredit verfügen lassen, ohne die erforderliche Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde in Händen zu haben. Für den zweiten Kredit hat sie darüberhinaus letztlich auch nicht auf einer Absicherung durch Vorlage des Gemeinderatsbeschlusses bestanden. Sie ist nicht nur das Risiko eingegangen, daß den Kreditvereinbarungen die Wirksamkeit versagt blieb, sondern sie hat auch die Zweckentfremdung der Gelder durch U. erleichtert.
Ob und in welchem Umfang ihr Verhalten eine Beschränkung ihrer Ersatzforderung nach § 254 BGB rechtfertigt, bedarf weiterer Aufklärung durch den Tatrichter, der insbesondere den Gründen nachgehen muß, die die Klägerin nach ihrem Vorbringen zu einem Verzicht auf solche Vorsicht bewegen haben. Sollten, worauf sich die Klägerin u.a. berufen hat, Auszahlungen von Kommunalkrediten in dieser Größenordnung schon vor der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde branchenüblich gewesen sein, so verliert diese Übung für die Quotenbemessung nicht schon deshalb jede Bedeutung, weil sie, wie das Berufungsgericht meint, die Klägerin nicht zu entlasten vermag; insbesondere würde es zu deren Gunsten ins Gewicht fallen, wenn die Beklagte selbst sich schon bei anderer Gelegenheit solche Übung zunutze gemacht haben sollte.
III.
Die demnach gebotene Zurückverweisung erübrigt sich auch nicht deshalb, weil der Klageanspruch - jedenfalls im Umfang des mit dem Anspruch auf Schadensersatz erreichbaren - aus dem Gesichtspunkt der Bereicherung (§ 812 BGB) begründet wäre.
1.
Soweit die Klägerin die Kredite an U. bar ausbezahlt hat (mindestens 91.900 DM), hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, daß die Beklagte aus den Geschäften wirtschaftlich nichts erhalten hat. Das folgt schon daraus, daß U. ungeachtet der auf den Namen der Beklagten ausgestellten Empfangsquittungen das Geld entsprechend seiner vorgefaßten Absicht nicht als Organ, sondern persönlich in Besitz genommen hat, wovon mangels abweichender Anhaltspunkte zu ungunsten der insoweit beweisbelasteten Klägerin auszugehen ist. Auf die vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob U. fähig gewesen wäre, über die bereitgestellten Kredite namens der Beklagten zu verfügen, kommt es deshalb nicht an.
2.
Demgegenüber bestehen Bereicherungsansprüche der Klägerin wegen der von ihr auf das Konto der Beklagten bei der Volksbank in I. überwiesenen Beträge (67.025,32 DM), auch soweit U. selbst sie von dort abgehoben hat. Durch diese Überweisungen hat die Beklagte Forderungen auf Kosten der Klägerin erlangt, über die sie ohne weiteres verfügen konnte. Dem steht nicht entgegen, daß der Gemeinderat die Eröffnung des Kontos bei der Volksbank nicht beschlossen hatte. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts muß die Kontenerrichtung als Geschäft der laufenden Verwaltung angesehen werden, da es sich offensichtlich nicht um ein Kreditkonto handelte; hierzu war U. gemäß Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 BayGO allein befugt. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich die Beklagte nicht berufen, weil U. als ihr Organ bösgläubig gewesen ist (§§ 818 Abs. 4, 819 BGB; vgl. RGZ 72, 152, 155; Heimann-Trosien RGRK-BGB 12. Aufl. § 819 Hz. 6).
Allenfalls könnte den Bereicherungsansprüchen eine Fallgestaltung entgegenstehen, bei der die Rechtsprechung ausnahmsweise solche Ansprüche wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) versagt hat (vgl. Heimann-Trosien a.a.O. Rz. 43 vor § 812). Da das Berufungsgericht den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB (II 3 b) auch nach dieser Richtung noch aufklären wird, sieht der Senat davon ab, hierüber selbst abschließend zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 3018748 |
NJW 1980, 115 |
NJW 1980, 115-117 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1979, 832 (Volltext mit amtl. LS) |