Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensvertrag. Rangrücktrittsvereinbarung. Überraschende Klausel
Leitsatz (amtlich)
Die in einem zur Finanzierung des Schulbetriebs zwischen den Eltern der Schüler und dem Schulträger abgeschlossenen Darlehensvertrag enthaltene Rangrücktrittserklärung ist nicht überraschend, wenn sie eingangs des Vertrages zugleich mit der Darlehenssumme vereinbart wird und die Eltern in einem Begleitschreiben auf die mit dem Schulbesuch verbundenen finanziellen Belastungen hingewiesen und dabei, drucktechnisch besonders hervorgehoben, auch um die Ausreichung eines nachrangigen Darlehens gebeten werden.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 1; InsO § 39 Abs. 2, § 174
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.05.2013; Aktenzeichen 2-15 S 155/12) |
AG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.09.2012; Aktenzeichen 31 C 333/12 (17)) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 31.5.2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG Frankfurt/M. vom 19.9.2012 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über den Rang einer Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. e.V. (im Folgenden: Schuldner). Im April 2008 meldete die Klägerin ihren Sohn an der vom Schuldner betriebenen E. -Schule an. Mit Schreiben vom 31.3.2008 wurde der Klägerin und ihrem Ehemann mit dem Schulvertrag ein Darlehensvertrag übersandt. Unter der drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift "Zinsloses nachrangiges Darlehen" bat der Schuldner in dem Begleitschreiben unter Hinweis auf seinen Finanzierungsbedarf um ein entsprechendes Darlehen. § 1 des Darlehensvertrages lautet:
"Zum Zwecke der Finanzierung des Betriebs der E. -Schule gewährt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer ein unverzinsliches nachrangiges Darlehen i.H.v. 1.350,- EUR (in Worten: eintausenddreihundertundfünfzig Euro)."
Rz. 2
Ebenso wie andere Eltern gewährten auch die Klägerin und deren Ehemann das erbetene Darlehen, das spätestens bei Ausscheiden des Kindes aus der Schule zurückgezahlt werden sollte. Am 1.3.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte hat die vom Ehemann der Klägerin im Rang des § 38 InsO angemeldete Forderung auf Darlehensrückzahlung im Prüfungstermin unter Hinweis auf die vereinbarte Nachrangigkeit bestritten. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die angemeldete Forderung nicht nachrangig i.S.d. § 39 Abs. 2 InsO und als reguläre Insolvenzforderung in die Insolvenztabelle einzutragen ist.
Rz. 3
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat zum Ausspruch der begehrten Feststellung geführt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der durch das Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin handele als Mitgläubigerin (§ 432 BGB) des Rückzahlungsanspruchs (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie mache den Anspruch in Prozessstandschaft auch für ihren Ehemann geltend und sei deshalb auch insoweit prozessführungsbefugt. Die zur Insolvenztabelle angemeldete Darlehensforderung sei nicht nachrangig i.S.v. § 39 Abs. 2 InsO, weil die Regelung in § 1 des Darlehensvertrages wegen Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 BGB unwirksam sei. Die Vereinbarung eines Rangrücktritts stelle eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB dar. Sie sei bei einer Darlehensgewährung unter Privatleuten ungewöhnlich. Die Klägerin habe als private Darlehensgeberin nicht damit rechnen müssen, dass ihr Rückgewähranspruch aus dem Darlehensvertrag im Insolvenzfall hinter sämtliche andere Gläubiger zurücktreten solle. Dem stehe nicht entgegen, dass der Schuldner im Schreiben vom 31.3.2008 um ein nachrangiges Darlehen gebeten habe, weil er lediglich den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung wiedergegeben und nicht deren rechtliche Bedeutung erläutert habe.
II.
Rz. 6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
Rz. 7
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass durch die Formulierung "nachrangiges Darlehen" in § 1 des Darlehensvertrages hinsichtlich der klägerischen Forderung auf Darlehensrückgewähr eine Rangrücktrittsvereinbarung i.S.d. § 39 Abs. 2 InsO für den Fall der Insolvenz des Schuldners getroffen worden ist. Der Begriff der Nachrangigkeit konnte jedenfalls angesichts der sofort zu erfolgenden Ausreichung nur so verstanden werden, dass sich der Nachrang auf den Rückforderungsanspruch (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) beziehen und der Darlehensgeber im Insolvenzfall des Darlehensnehmers deshalb mit seinem Anspruch hinter anderen Gläubigern zurückstehen soll. Die in der Klausel ausdrücklich getroffene Vereinbarung erfüllt auch die an eine Rangrücktrittsvereinbarung zu stellende Mindestanforderung einer zweiseitigen Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger (vgl. Ehricke in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 39 Rz. 63; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 39 Rz. 25; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 39 Rz. 54; Haas, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., S. 1320 Rz. 59; Peters, WM 1988, 685, 691). Sie hat einen zulässigen Inhalt, weil sie einen Rangrücktritt der klägerischen Forderung vorsieht und nicht zu Lasten anderer Gläubiger geht (vgl. Pape/Uhländer/Schluck-Amend, InsO, § 39 Rz. 66; Uhlenbruck/Hirte, a.a.O., Rz. 52; Preuß, a.a.O., Rz. 24; Jaeger/Henckel, InsO, § 39 Rz. 97 jeweils m.w.N.). Entsprechend der gesetzlichen Auslegungsregel des § 39 Abs. 2 InsO (vgl. Pape/Uhländer/Schluck-Amend, a.a.O.; Preuß, a.a.O., Rz. 24) bezeichnet der nicht näher beschriebene Nachrang im Zweifel eine Berichtigung der von der Vereinbarung erfassten Gläubigerforderung erst nach den in § 39 Abs. 1 InsO benannten Forderungen (Ehricke in MünchKomm/InsO, a.a.O., Rz. 62; Eickmann in HK/InsO/Kleindiek, 6. Aufl., § 39 Rz. 12).
Rz. 8
2. Ebenfalls zutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, die vorgenannte Rangrücktrittsvereinbarung unterliege der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Dass es sich bei der Klausel um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt, wird auch durch die Revision nicht in Zweifel gezogen. Soweit sie geltend macht, der Schuldner habe diese Bedingungen nicht gestellt, kann sie hiermit nicht durchdringen.
Rz. 9
a) Das genannte Merkmal ist erfüllt, wenn eine Partei die vorformulierten Bedingungen in die Verhandlung einbringt und deren Verwendung zum Vertragsschluss verlangt (BGH, Urt. v. 17.2.2010 - VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 Rz. 11; v. 1.3.2013 - V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028 Rz. 17 m.w.N.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 305 Rz. 10). Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat (vgl. BGH, Urt. v. 2.11.1983 - IVa ZR 86/82, BGHZ 88, 368, 370; v. 30.6.1994 - VII ZR 116/93, BGHZ 126, 326, 332; vom 17.2.2010, a.a.O., Rz. 10). Entsprechendes gilt auch für die Frage eines etwaigen Ungleichgewichts bei den Verhandlungen (BGH, Urt. v. 17.2.2010, a.a.O., Rz. 12). Ein Stellen entfällt hingegen, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen Vertragsteils beruht, an den der Verwendungsvorschlag herangetragen wird; dazu ist erforderlich, dass die Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und die Gelegenheit besteht, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen (BGH, Urt. v. 17.2.2010, a.a.O., Rz. 18 m.w.N.; Palandt/Grüneberg, a.a.O.). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Vertragsbedingungen nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt und damit nicht gestellt wurden, obliegt dem Verwender (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1982 - V ZR 82/81, BGHZ 83, 56, 58; v. 3.4.1998 - V ZR 6/97, WM 1998, 1289, 1291; Basedow in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 305 Rz. 45).
Rz. 10
b) Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend von einem Stellen der Vertragsbedingung durch den Schuldner ausgegangen. Dieser hatte mit Schreiben vom 31.3.2008 der Klägerin und ihrem Ehemann das später unterzeichnete Vertragsformular übersandt und so in die Verhandlung eingebracht. Unbeachtlich ist, dass ein Teil der Elternschaft das Formular entworfen haben soll, weil zu einer Beteiligung der Klägerin oder ihres Ehemanns nichts vorgetragen ist. Soweit das Berufungsgericht ausführt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerseite zwischen einem Darlehensvertrag mit und einem solchen ohne vereinbarten Nachrang hätte wählen können, ist dies bedenkenfrei. Eine solche Wahlmöglichkeit ist weder dem Anschreiben vom 31.3.2008 noch den allgemeinen Schulbedingungen zu entnehmen. Unabhängig davon gelten die Vertragsbedingungen nach §§ 310 Abs. 3 Nr. 1, 14 Abs. 1 BGB als durch den Schuldner gestellt.
Rz. 11
3. Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Rangrücktrittsvereinbarung in § 1 des Darlehensvertrages sei eine überraschende Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB.
Rz. 12
a) Überraschenden Charakter hat eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages andererseits (BGH, Urt. v. 18.5.1995 - IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25; v. 21.6.2001 - IX ZR 69/00, WM 2001, 1520, 1521 f.; v. 11.12.2003 - III ZR 118/03, WM 2004, 278, 280; v. 26.2.2013 - XI ZR 417/11, WM 2013, 696 Rz. 23 jeweils m.w.N.).
Rz. 13
b) Gemessen hieran ist die genannte Rangrücktrittsvereinbarung nicht überraschend.
Rz. 14
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die formularmäßige Vereinbarung eines Rangrücktritts i.S.v. § 39 Abs. 2 InsO eine objektiv ungewöhnliche Klausel ist. Die Klausel führt dazu, dass der Gläubiger im Insolvenzfall im vereinbarten Rang hinter andere Gläubiger zurücktritt. Wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt, ist eine solche vertragliche Gestaltung für die Gewährung eines Privatdarlehens durch einen Dritten typischerweise nicht zu erwarten. Sie nähert die Finanzierungsleistung des Dritten wirtschaftlich den Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens an, für welche das Gesetz gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ebenfalls einen Nachrang anordnet, ohne dass den Dritten demgegenüber die Finanzierungsfolgenverantwortung eines Gesellschafters (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rz. 17 ff. und Rz. 31) trifft oder er die Informations- und Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters (vgl. Ehricke in MünchKomm/InsO, 3. Aufl., § 39 Rz. 38) hat.
Rz. 15
bb) Nicht gefolgt werden kann indessen der Annahme, es sei unbeachtlich, dass der Schuldner in seinem an die Klägerseite gerichteten Anschreiben vom 31.3.2008 unter Ziff. 4 um ein zinsloses nachrangiges Darlehen gebeten habe, weil der Schuldner dort lediglich den Wortlaut der formularvertraglichen Regelung wiedergegeben habe. Insbesondere bedurfte es zur Beseitigung des Überraschungsmoments keiner Erläuterung der rechtlichen Bedeutung der Klausel.
Rz. 16
(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen, mit denen der Gegner des Verwenders nicht von vornherein rechnen musste, können die Eignung zur Überrumpelung verlieren, wenn der Verwender durch einen eindeutigen Hinweis auf sie aufmerksam macht (BGH, Urt. v. 21.6.2001, a.a.O., S. 1522; Ulmer/Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 305c Rz. 23 f.). Der Überraschungscharakter einer allgemein ungewöhnlichen Klausel kann schon entfallen, wenn sie inhaltlich ohne Weiteres verständlich und drucktechnisch so hervorgehoben ist, dass erwartet werden kann, der Gegner des Verwenders werde von ihr Kenntnis nehmen (BGH, Urt. v. 6.12.1984 - IX ZR 115/83, WM 1985, 155, 156 f.; v. 30.6.1995 - V ZR 184/94, BGHZ 130, 150, 155; vom 21.6.2001, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 17
(2) Der Nachrang kam bereits in § 1 des Darlehensvertrages, der die Höhe der Darlehenssumme regelt und deshalb für den Darlehensgeber von besonderer Bedeutung ist, unzweideutig zum Ausdruck. Hiernach war die Rangrücktrittsklausel in dem auch im Übrigen knapp und übersichtlich gehaltenen Formularvertrag nicht überraschend, zumal der Schuldner die Klägerseite außerdem in dem genannten Anschreiben auf die mit dem Schulbesuch verbundenen finanziellen Belastungen hingewiesen und dabei, drucktechnisch besonders hervorgehoben, auch um die Ausreichung eines nachrangigen Darlehens gebeten hatte. Auch wenn sich das Schreiben ausweislich seiner Einleitung auf "Formalitäten" bezieht, werden hierin neben dem nachrangigen Darlehen auch die zu leistenden Elternbeiträge erwähnt. Schon deshalb war hinreichend deutlich, dass sich das Schreiben auch auf finanzielle Belastungen bezieht. Auch ist in den dem Schreiben beigefügten Allgemeinen Schulbedingungen unter dem Oberpunkt "4. Beiträge" nicht nur die Gewährung eines zinslosen nachrangigen Elterndarlehens sondern auch das Schulgeld, eine Aufnahmegebühr, die Verpflichtung zur Abgabe einer unbefristeten Höchstbetragsbürgschaft über 3.000 EUR sowie ein Lehrmittelbeitrag aufgeführt. Darüber hinaus hatte der Schuldner in dem Anschreiben vom 31.3.2008 unter Ziff. 4 und der mittels Fettdruck und Unterstreichung bereits drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift "Zinsloses nachrangiges Darlehen" ausdrücklich auf seinen besonderen Finanzbedarf hingewiesen und um die Ausreichung eines solchen Darlehens als Finanzierungsleistung gebeten. Dabei hatte er auf den Formularvertrag verwiesen, wobei weder die im Anschreiben noch die in der Klausel gewählte Formulierung unverständlich ist. Angesichts der sofort zu erfolgenden Ausreichung des Darlehensbetrags konnte sich der vereinbarte Nachrang auch aus Sicht der Klägerseite nur auf den Rückzahlungs- und nicht auf den Auszahlungsanspruch beziehen.
III.
Rz. 18
Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
Rz. 19
1. Die maßgebliche Rangrücktrittsvereinbarung durch Formularvertrag hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand.
Rz. 20
a) Die Vereinbarung eines Nachranges für den Anspruch auf Darlehensrückzahlung enthält eine von den allgemeinen insolvenzrechtlichen Bestimmungen abweichende Regelung. Wegen §§ 38, 174 Abs. 1 InsO sind die angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger im Grundsatz gleichrangig und damit gleichmäßig zu befriedigen. Ob die Klausel deshalb gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung verstößt (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), weil der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zugleich ein tragendes und beherrschendes Prinzip des Insolvenzrechts ist (MünchKomm/InsO/Stürner, 3. Aufl., Einl. Rz. 1, 62; Prütting in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., S. 19 Rz. 61; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl., Kapitel 12 Rz. 10 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 29.1.1964 - Ib ZR 197/62, BGHZ 41, 98, 101; v. 13.3.2003 - IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190, 197), bedarf jedoch keiner Entscheidung. Auch wenn die Vereinbarung eines Nachranges in formularmäßiger Form gegen wesentliche Grundgedanken des Insolvenzrechts verstoßen sollte, führt dies nur dann zu einer Unwirksamkeit der Klausel, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch im Anwendungsbereich des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung lediglich "im Zweifel" anzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1996 - XI ZR 217/95, BGHZ 133, 10, 15 f.; v. 28.1.2003 - XI ZR 156/02, BGHZ 153, 344, 349; Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., § 307 Rz. 100 f.).
Rz. 21
b) Eine unangemessene Benachteiligung der Verwendungsgegner (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist jedoch schon aufgrund der auch im Vertragszweck zum Ausdruck kommenden besonderen Interessenlage der Beteiligten auszuschließen.
Rz. 22
aa) Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der von der Klausel betroffenen Vertragspartner des Verwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten zu beantworten (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.1987 - VII ZR 37/86, BGHZ 100, 157, 165; v. 28.1.2003 - XI ZR 156/02, BGHZ 153, 344, 350; MünchKomm/BGB/Wurmnest, 6. Aufl., § 307 Rz. 32). Der Verwender darf nicht durch einseitige Vertragsbestimmung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versuchen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.1999 - IX ZR 364/97, WM 2000, 64, 65 f.; v. 3.11.1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 113; v. 1.2.2005 - X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775; v. 17.9.2009 - III ZR 207/08, NJW 2010, 57 Rz. 18 jeweils m.w.N.).
Rz. 23
bb) Ausgangspunkt der hiernach erforderlichen Abwägung ist der Umstand, dass der Schuldner bei der von ihm erbetenen Darlehensgewährung aufgrund der Nachrangklausel eine Beteiligung in dieser Höhe an dem von ihm eingegangenen wirtschaftlichen Risiko beim Betrieb der Schule gefordert hat. Als Begründung hat er seinen großen Finanzierungsbedarf geltend gemacht, weil er gerade in der Anlaufphase des privaten Schulprojekts ohne staatliche Förderung auskommen müsse. Es liegt nahe, dass die getroffene Vereinbarung dazu führen sollte, die gewährten Darlehensbeträge nicht passivieren zu müssen (vgl. Kirchhof in HK/InsO, a.a.O., § 19 Rz. 22, 25; Kadenbach in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 19 Rz. 40; Pape/Uhländer/Sikora, InsO, § 19 Rz. 44; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 39 Rz. 27; Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 19 Rz. 35, § 39 Rz. 22 jeweils m.w.N.). Die mit der Risikobeteiligung ermöglichte Sicherstellung des Schulbetriebes lag insoweit auch im Interesse der Verwendungsgegner. Bei diesen handelte es sich ausschließlich um Eltern der Schüler der von dem Schuldner getragenen Schule. Diese wollten vornehmlich den Schulbesuch ihrer Kinder nach Maßgabe des durch die Schule angebotenen pädagogischen Konzepts sicherstellen. Dies kommt auch in dem in der Klausel genannten besonderen Vertragszweck zum Ausdruck. Hiernach diente das Darlehen der Finanzierung der vom Schuldner getragenen Schule, so dass für die Eltern als Verwendungsgegner wirtschaftliche Interessen in den Hintergrund traten. Das mit der Nachrangklausel verbundene Risiko des wirtschaftlichen Verlustes des Rückzahlungsanspruchs aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ist von dem aufgezeigten Vertragszweck gedeckt. Die mit der Klausel erstrebte Risikobeteiligung kann angesichts der dargestellten Interessenlage schwerlich als einseitige Interessendurchsetzung des Schuldners gewertet werden, zumal der Darlehensbetrag auch nicht außer Verhältnis zu den im Übrigen für den Schulbesuch geforderten Beträgen steht. Hierzu gehören ausweislich der allgemeinen Vertragsbedingungen zum Schulvertrag eine einmalige Aufnahmegebühr i.H.v. 400 EUR sowie monatlich ein Schulgeld i.H.v. 200 EUR, weitere 190 EUR für die nachmittäglichen Betreuungs- und Unterrichtsangebote sowie weitere 60 EUR für die Verpflegung während des Schultages.
Rz. 24
2. Die in der Klausel gebrauchte Formulierung "nachrangiges Darlehen" verstößt ferner nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Rz. 25
a) Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGH, Urt. v. 23.2.2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210, 213 f.; v. 24.3.2010 - VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 Rz. 15). Er ist jedoch nicht verpflichtet, gängige Rechtsbegriffe zu erläutern oder den Vertragspartner über die hieraus folgenden Pflichten zu belehren (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1996 - XI ZR 257/94, BGHZ 133, 25, 32; v. 20.7.2005 - VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11, 35 f.; v. 8.5.2013 - IV ZR 84/12, WM 2013, 1214 Rz. 15; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 307 Rz. 22). Vielmehr liegt es im eigenen Verantwortungsbereich des Vertragspartners, sich entsprechende Kenntnisse zu verschaffen (Staudinger/Coestner, BGB, 2013, § 307 Rz. 199).
Rz. 26
b) Diese Anforderungen sind erfüllt. Die gewählte Klausel war für die Eltern der Schüler der von dem Schuldner getragenen Schule auch als juristische Laien weder unklar noch undurchschaubar. Insbesondere waren für sie die mit der Klausel verbundenen wirtschaftlichen Nachteile erkennbar. Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff des nachrangigen Darlehens nicht bereits als Rechtsbegriff weit verbreitet ist und den genannten fest umrissenen Inhalt hat. Für die Eltern war jedenfalls verständlich, dass sich der formularvertraglich vereinbarte Nachrang nur auf den Rückzahlungsanspruch beziehen konnte und Zahlungen hierauf deshalb erst nach vollständiger Befriedigung anderer vorrangiger Gläubiger erfolgen würden. Da nicht schlechthin ausgeschlossen werden kann, dass das Vermögen des Darlehensnehmers nicht ausreicht, alle Gläubiger zu befriedigen, war hiernach für die Eltern auch erkennbar, dass es sich bei dem erbetenen nachrangigen Darlehen um eine Finanzierungsleistung handelt, die mit dem wirtschaftlichen Risiko ihres Ausfalls verbunden ist.
IV.
Rz. 27
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung zurückweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung (§§ 179 Abs. 1, 181 InsO). Die von der Klägerseite angemeldeten Ansprüche aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB sind auch gegenüber den in § 39 Abs. 1 InsO genannten Forderungen nachrangig. Die Regelung in § 1 des Darlehensvertrages begründet eine wirksame Rangrücktrittsvereinbarung i.S.v. § 39 Abs. 2 InsO.
Fundstellen
Haufe-Index 6724158 |
BB 2014, 1684 |
DB 2014, 1069 |
DB 2014, 6 |
DStR 2014, 1684 |