Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Schulden Eltern ihrem Kind Ausbildungsunterhalt für die Aufnahme eines Studiums, das einer Zulassungsbeschränkung unterliegt, und weist die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) dem Kind entgegen dessen Wunsch, am Wohnort der Eltern zu studieren, einen Studienplatz an einer weit entfernten Hochschule zu, ist die Unterhaltsgewährung durch Naturalunterhalt am Wohnort der Eltern aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht durchführbar. Eine dahingehende Unterhaltsbestimmung der Eltern gegenüber dem unverheirateten Kind ist daher unwirksam und steht dem gesetzlichen Übergang des Barunterhaltsanspruches des Kindes auf den Träger der Ausbildungsförderung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BAfÖG nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 1610 Abs. 2, § 1612 Abs. 2; BAföG § 37 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG München

AG München

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats – Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 12. Januar 1995 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Das klagende Land (im folgenden: Kläger) gewährte dem 1970 geborenen, unverheirateten Sohn der Beklagten Ausbildungsförderung im Wege der Vorausleistung gemäß § 36 BAföG. Mit der Klage macht es gemäß § 37 BAföG übergegangene Unterhaltsansprüche in Höhe von 359 DM für Oktober 1989, je 434 DM für November und Dezember 1989 und je 432 DM für Januar bis September 1989, insgesamt 5.115 DM, geltend. Es nimmt die beiden Beklagten jeweils auf die Hälfte dieses Betrages in Anspruch.

Der Sohn der Beklagten legte 1989 in München die Reifeprüfung ab und bewarb sich für die Wintersemester 1989/90 um einen Studienplatz für Humanmedizin. Aufgrund seiner guten Abiturnoten ging er davon aus, daß seinem Wunsch nach Zuweisung eines Studienplatzes in München stattgegeben werde, ohne daß es eines ihm von den Beklagten angeratenen Härtefallantrages bedürfe.

Die zentrale Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) wies ihm für das Wintersemester 1989/90 einen Studienplatz an der Universität des Saarlandes zu. Er nahm sein Studium dort auf. Seit dem Wintersemester 1990/91 studiert er in München.

Die beiden Beklagten erzielten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Förderungszeitraum ein monatliches Durchschnittseinkommen von mindestens je 5.000 DM netto. Vom Antrag ihres Sohnes auf Ausbildungsförderung wurden sie im September 1989 in Kenntnis gesetzt. Mit Bewilligungsbescheid vom 28. Februar 1990 gab die Universität des Saarlandes, Amt für Ausbildungsförderung, Studentenwerk dem Antrag statt und zeigte den Beklagten mit Schreiben vom 25. September 1990 an, daß der Unterhaltsanspruch ihres Sohnes auf den Kläger übergegangen sei.

Die Beklagten sind der Ansicht, der Bewilligungsbescheid über die ihrem Sohn gewährten Vorausleistungen sei nicht von der zuständigen Stelle erlassen worden. Die Aufgaben nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz würden grundsätzlich vom Bundesverwaltungsamt und den Ämtern für Ausbildungsförderung, nicht aber von der Universität oder dem von ihr beauftragten Studentenwerk wahrgenommen.

Sie machen ferner geltend, ihrem Sohn habe kein Anspruch auf Barunterhalt zugestanden, der gemäß § 37 Abs. 1 BAföG auf den Kläger hätte übergehen können. Sie hätten nämlich gemäß § 1612 Abs. 2 BGB bestimmt, daß ihrem Sohn Unterhalt in Form von freier Kost, Wohnung und Taschengeld im Elternhaus in München gewährt werde. Diese Bestimmung sei auch für den Kläger bindend und hätte allenfalls durch das Vormundschaftsgericht geändert werden können (§ 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB). Deshalb hätten Vorausleistungen nach § 36 Abs. 3 Nr. 1 BAföG nicht gewährt werden dürfen.

Das Amtsgericht – Familiengericht – verurteilte die Beklagten entsprechend dem Klageantrag, an den Kläger jeweils 2.557,50 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1990 zu zahlen. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgen sie ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

Zwar ist eine gesetzliche Vertretungsbefugnis der Universität des Saarlandes, die in den Vorinstanzen als Vertreterin des Klägers aufgetreten war, nicht ersichtlich; sie ergibt sich insbesondere weder aus dem Gesetz Nr. 1242 über die Universität des Saarlandes vom 8. März 1989 (Amtsbl. S. 609) noch aus der Verordnung zur Ausführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 25. September 1973 (Amtsbl. S. 661) in der durch Gesetz vom 26. Januar 1994 (Amtsbl. S. 509) geänderten Fassung. Der Kläger wird vielmehr gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes Nr. 739 über die Vertretung des Saarlandes vom 15. November 1960 (Amtsbl. S. 920) durch den zuständigen Minister im Rahmen seines jeweiligen Geschäftsbereichs vertreten.

Auf entsprechenden Hinweis des Senats hat jedoch der nunmehr ordnungsgemäß vertretene Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten die bisherige Prozeßführung genehmigt. Damit ist der Mangel der Vertretungsmacht nach § 551 Nr. 5 ZPO rückwirkend geheilt (vgl. RGZ 126, 261, 263; Stein/Jonas/Bork, ZPO 21. Aufl. § 56 Rdn. 3 m.w.N.).

2. Das Oberlandesgericht hat das im Auftrag der Universität – als Amt für Ausbildungsförderung – handelnde Studentenwerk als zum Erlaß des Bewilligungsbescheides zuständige Stelle angesehen, die von den Beklagten nach § 1612 Abs. 2 BGB getroffene Leistungsbestimmung für unwirksam erachtet und deshalb einen nach § 37 Abs. 1 BAföG auf den Kläger übergegangenen Barunterhaltsanspruch des Sohnes in Höhe der gewährten Vorausleistungen bejaht.

Das hält der rechtlichten Nachprüfung stand.

a) Ausbildungsförderung ist dem Sohn der Beklagten von der zuständigen Stelle gewährt worden.

Eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsamtes kommt entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht. Dem Bundesverwaltungsamt obliegen lediglich die Verwaltung und der Einzug von nach dem BAföG geleisteten Darlehen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 BAföG); solche sind dem Sohn der Beklagten nicht gewährt worden.

Im übrigen wird das Gesetz im Auftrag des Bundes von den Ländern ausgeführt, § 39 Abs. 1 BAföG.

Das Saarland hat gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 BAföG ein Amt für Ausbildungsförderung bei der Universität des Saarlandes eingerichtet und nach § 40 Abs. 2 Satz 2 BAföG bestimmt, daß zur Duchführung der Aufgaben das Studentenwerk der Hochschule herangezogen wird (§§ 1 und 2 der Verordnung zur Ausführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 25. September 1973, Amtsbl. S. 661; vgl. auch Ramsauer/Stallbaum, BAföG 3. Aufl. § 40 Rdn. 3).

Entgegen der in der Revisionsverhandlung vorgetragenen Ansicht der Beklagten setzt dies nicht voraus, daß das zur Durchführung der Aufgaben herangezogene Studentenwerk eine Anstalt des öffentlichen Rechts und nicht nur – wie hier – ein eingetragener Verein ist. § 40 Abs. 2 Satz 3 BAföG bestimmt lediglich die Voraussetzungen, unter denen das Land nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BAföG Ämter für Ausbildungsförderung statt bei den Hochschulen auch bei den Studentenwerken selbst errichten kann. Hier ist das Studentenwerk aber nicht in eigener Zuständigkeit als Amt für Ausbildungsförderung, sondern in dessen Auftrag tätig geworden (vgl. Ramsauer/Stallbaum aaO § 40 Rdn. 4). Dies ergibt sich auch aus dem Kopf der Übergangsanzeige vom 25. September 1990 („Universität des Saarlandes als Amt für Ausbildungsförderung – Im Auftrag Studentenwerk im Saarland e.V. –”).

Abgesehen davon gehen Unterhaltsansprüche nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BAföG auch dann auf das Land über, wenn die Gewährung der Ausbildungsförderung nicht rechtmäßig war (vgl. BVerwG NJW 1983, 130; Ramsauer/Stallbaum aao § 37 Rdn. 7).

b) Der von den Beklagten im Förderungszeitraum zu gewährende Unterhalt umfaßte nach § 1610 Abs. 2 BGB auch die Kosten einer angemessenen Berufsausbildung. Wie auch die Beklagten nicht in Abrede stellen, waren sie daher angesichts ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Eignung und Begabung ihres Sohnes verpflichtet, diesem nach bestandenem Abitur ein Hochschulstudium zu ermöglichen. Die Wahl des Studienfaches, über die das volljährige Kind grundsätzlich in eigener Verantwortung entscheiden kann, war hier angemessen, von den Beklagten hinzunehmen und ist von ihnen auch gebilligt worden.

Der Sohn der Beklagten hatte somit Anspruch darauf, seine Ausbildung im Herbst 1989 durch Aufnahme eines Studiums der Humanmedizin fortzusetzen. Dies war ihm wegen der für dieses Fach geltenden Zulassungsbeschränkung und der Zuweisung eines Studienplatzes an der Universität des Saarlandes durch die ZVS nur dort möglich, so daß die Beklagten verpflichtet waren, ihm die Aufnahme des Studiums im Saarland zu ermöglichen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Beklagten zu 1. Abgesehen davon, daß die Beklagten für ihre bestrittene Behauptung, der Beklagte zu 1 habe sich im Frühjahr 1989 einer Nierentransplantation unterzogen, keinen Beweis angetreten haben, läßt sich ihrem Vortrag auch nicht entnehmen, daß ein Verbleiben des Sohnes in München etwa zur Pflege seines Vaters erforderlich gewesen sei. Damit scheiden auch besondere familiäre Umstände aus, die den Sohn gegebenenfalls aus Gründen der Rücksichtnahme hätten veranlassen müssen, den Beginn einer angemessenen und seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Ausbildung hinauszuschieben.

Dem Anspruch des Sohnes auf Ausbildungsunterhalt steht auch nicht entgegen, daß er der Anregung seiner Eltern nicht gefolgt ist, einen sogenannten Härtefallantrag zu stellen, um sogleich einen Studienplatz in München zu erhalten. Die Beklagten haben nicht darzulegen vermocht, daß ein solcher Antrag erfolgreich gewesen wäre. Abgesehen davon könnte ein solches Unterlassen nur nach Maßgabe des § 1611 Abs. 1 BGB zum Wegfall oder zu einer Beschränkung der Unterhaltsverpflichtung führen; die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind aber nicht gegeben.

c) Grundsätzlich ist der Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren, § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Allerdings gewährt § 1612 Abs. 2 BGB den unterhaltspflichtigen Eltern – vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Vormundschaftsgerichts – das Recht zu bestimmen, ob sie ihr unverheiratetes Kind durch eine Geldrente oder durch Sachleistungen unterhalten wollen. Das elterliche Bestimmungsrecht endet nicht mit der Volljährigkeit des Kindes (vgl. Senatsurteile BGHZ 104, 224, 225 und vom 3. Dezember 1980 – IVb ZR 537/80 – FamRZ 1981, 250; kritisch zur bestehenden Gesetzeslage Göppinger/Wax/Kodal, Unterhaltsrecht, 6. Aufl. Rdn. 602; Buchholz FamRZ 1995, 705 ff, jeweils m.N.)

Eine solche Bestimmung haben die Beklagten hier getroffen.

aa) Eine wirksame Bestimmung der Art der Unterhaltsleistung bindet im Unterhaltsrechtsstreit das Prozeßgericht, solange sie nicht gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB durch das Vormundschaftsgericht geändert ist. Die Bestimmung entfaltet Wirkung auch gegenüber dem Träger der Ausbildungsförderung, führt also dazu, daß ein Anspruch auf Unterhalt in Geld, der nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BAföG übergehen könnte, nicht besteht (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1983 – IVb ZR 14/82 – FamRZ 1984, 37, 38 m.N.)

bb) Die von den Beklagten getroffene Bestimmung, Ausbildungsunterhalt in Form von Naturalunterhalt an ihrem Wohnort in München zu gewähren, war jedoch im hier maßgeblichen Förderungszeitraum aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen undurchführbar und daher unwirksam.

(1) Nach den Feststellungen im Berufungsurteil ist davon auszugehen, daß die Beklagten die fragliche Unterhaltsbestimmung getroffen und ihrem Sohn bekanntgegeben hatten, bevor dieser sein Studium im Saarland aufnahm. Ob die Bestimmung daher zunächst wirksam war (vgl. OLG Hamburg FamRZ 1987, 1183), bedarf hier keiner Entscheidung. Wird die gewählte Art der Unterhaltsgewährung erst später undurchführbar, wird die zunächst wirksame elterliche Unterhaltsbestimmung nämlich von diesem Zeitpunkt an unwirksam mit der Folge, daß der Anspruch auf Barunterhalt wieder auflebt und beim Familiengericht geltend gemacht werden kann (vgl. Senatsurteil vom 6. März 1985 – IVb ZR 74/83 – FamRZ 1985, 584, 585; BayObLG FamRZ 1990, 905, 906; Griesche in FamGb § 1612 BGB Rdn. 10).

(2) Der Kläger macht allein übergegangene Unterhaltsansprüche des Sohnes ab Oktober 1989, mithin nach Aufnahme des Studiums im Saarland, geltend. Von diesem Zeitpunkt an war der Sohn der Beklagten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen gehindert, den ihm angebotenen Naturalunterhalt in München entgegenzunehmen. Denn zum einen war eine tägliche Rückkehr von dem ihm zugewiesenen Ausbildungsort zur Wohnung der Eltern praktisch nicht möglich (vgl. Staudinger/Kappe, BGB 12. Aufl. § 1612 Rdn. 53), was auch die Revision nicht in Abrede stellt. Zum anderen war der Sohn der Beklagten wegen der geltenden Zulassungsbeschränkung nicht in der Lage, sein Studium dort zu beginnen, wo ihm Naturalunterhalt angeboten wurde.

d) Die Entscheidung über die Höhe und Verzinsung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs wird von der Revision nicht angegriffen und läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

 

Unterschriften

Blumenröhr, Hahne, Gerber, Sprick, Bundesrichterin Weber Monecke ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben Bumenröhr

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 20.03.1996 durch Küpferle Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 609906

NJW 1996, 1817

NVwZ 1996, 824

Nachschlagewerk BGH

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