Leitsatz (amtlich)

›a) Soll eine in einem Bauvertrag vereinbarte Ausführungsfrist erst ab dem tatsächlichen Arbeitsbeginn laufen, ist die Leistung nicht "nach dem Kalender" i.S. des § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmt.

b) Der Vorbehalt gegen eine Schlußzahlung bedarf keiner weiteren Begründung, soweit er sich auf Forderungen bezieht, die bereits in der vorangegangenen prüfbaren Schlußrechnung enthalten sind (Bestätigung der st. Rspr. des Senats, BGHZ 68, 38, 42; BauR 1980, 178; 1983, 476; 1984, 645).‹

 

Verfahrensgang

LG Krefeld

OLG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin erstellte 1977/1978 für die beklagte Stadt einen Regenwasserhauptsammler. Dem Vertrag liegt u.a. die VOB/B zugrunde. Die Schlußrechnung der Klägerin vom 6. November 1978 kürzte die Beklagte nach Überprüfung um insgesamt 51.792,69 DM, von denen 46.206,06 DM auf eine Vertragsstrafe wegen Überschreitung der vereinbarten Ausführungsfrist um 66 Arbeitstage entfallen. Sie teilte das der Klägerin mit Schreiben vom 3. September 1979 mit und überwies am 27. September 1979 den so errechneten Restbetrag von 32.694,50 DM. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1979 wandte sich die Klägerin gegen die Schlußzahlung und führte dabei aus:

"Gegen Ihre Schlußzahlung vom 27.09.79 in Höhe von 32.694,50 DM legen wir hiermit Einspruch ein. Unsere Forderung aus diesem Projekt ist noch weitaus höher und wir werden in den nächsten Tagen unsere Forderung spezifizieren."

In einem weiteren Schreiben an die Beklagte vom 23. Oktober 1979, dessen Zugang nicht bewiesen ist, stellte die Klägerin klar, daß sie die Vertragsstrafenforderung nicht anerkenne und deshalb noch Zahlung von 46.206,06 DM fordere.

Diesen Betrag - nebst Zinsen - hat sie eingeklagt. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer - angenommenen - Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Forderung schon deshalb für unbegründet, weil die Klägerin ihren an sich rechtzeitig erklärten Vorbehalt gegen die Schlußzahlung entgegen § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B nicht fristgerecht begründet habe. Davon sei hier auszugehen, da sie den Zugang ihres Schreibens vom 23. Oktober 1979 - das ist unstreitig - nicht bewiesen habe.

Zwar hätte es an sich einer weiteren Begründung des Vorbehalts nicht bedurft, da eine prüffähige Schlußrechnung vorgelegen habe. Indessen habe die Klägerin durch ihr Schreiben vom 11. Oktober 1979 selbst Unklarheit geschaffen, weil sie sich darin nicht mit den von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen auseinandergesetzt, sondern ihre Forderung noch als weitaus höher bezeichnet und angekündigt habe, daß sie bisher nicht in Rechnung gestellte Forderungen zur Begründung ihres Anspruchs nachschieben werde.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, ist eine Begründung des Vorbehalts gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B nicht erforderlich, wenn der Auftragnehmer eine prüfbare Schlußrechnung erteilt hat und sich der Vorbehalt auf Forderungen bezieht, die bereits in der Schlußrechnung enthalten sind (Senatsurteile BGHZ 68, 38, 42; vom 8. November 1979 - VII ZR 113/79 = BauR 1980, 178, 179 = ZfBR 1980, 33; vom 24. März 1983 - VII ZR 329/81 = BauR 1983, 476, 478 = ZfBR 1983, 234; vom 28. Juni 1984 - VII ZR 278/82 = BauR 1984, 645, 646 = ZfBR 1984, 286, jeweils m.w.N.).

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt das auch hier.

a) Soweit das Berufungsgericht annimmt, die Klägerin habe mit ihrer Vorbehaltserklärung angekündigt, sie werde neue, von der Schlußrechnung nicht erfaßte Forderungen "nachschieben", findet das im Wortlaut dieses Schreibens keinen Anhaltspunkt. Doch selbst wenn man den Vorbehalt so verstehen wollte, wie es das Berufungsgericht für richtig hält, könnte das lediglich zur Folge haben, daß die Klägerin mit derartigen (neuen) Forderungen mangels Begründung des Vorbehalts ausgeschlossen wäre. Dagegen änderte es nichts daran, daß die Auftragnehmerin auch ohne Begründung auf Forderungen zurückgreifen konnte, die sie in ihrer prüfbaren Schlußrechnung bereits aufgeführt hat.

b) Zwar hat der Senat ausgesprochen, daß es Sinn und Zweck der in § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B getroffenen Regelung über die Erklärung des Vorbehalts ist, umgehend klarzustellen, in welchem Umfang der Auftraggeber nach der Schlußrechnung noch Ansprüche des Auftragnehmers zu gewärtigen hat (BauR 1980, 178, 180 = ZfBR 1980, 33).

Das bedeutet aber nicht, daß die Klägerin hier etwa mit dem Vorbehalt eine ausdrückliche Erklärung darüber hätte verbinden müssen, welche der Abzugspositionen sie im einzelnen (und in welcher Höhe) nicht hinnehmen wollte. Vielmehr trug sie der Klarstellungsfunktion der Bestimmung bereits dadurch hinreichend Rechnung, daß sie geltend machte, ihre restliche Forderung sei jedenfalls höher als der Schlußzahlungsbetrag. Damit hatte sie der Beklagten deutlich gemacht, daß sie - soweit es bereits in der Schlußrechnung enthaltene Forderungspositionen betrifft möglicherweise den gesamten Abzugsbetrag fordern werde. Darauf konnte und mußte sich die Beklagte somit einstellen. Daß die Klägerin sich dann später nur noch gegen den Abzug der Vertragsstrafe wendete, spielt dabei keine Rolle, wie es auch sonst jedem Auftragnehmer unbenommen bleibt, nur Teile einer vorbehaltenen Werklohnforderung geltend zu machen.

II.

In einer weiteren Begründung befaßt sich das Berufungsgericht sachlich mit der von der Beklagten geltend gemachten Vertragsstrafe und erachtet den Gegenanspruch für gerechtfertigt. Dabei geht es nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien davon aus, daß die vereinbarte Ausführungsfrist von 160 Arbeitstagen erst mit dem tatsächlichen Arbeitsbeginn (22. März 1977) zu laufen begonnen habe. Von der Fristüberschreitung von 131 Arbeitstagen seien allenfalls 64,5 Arbeitstage unverschuldet. Die Klägerin habe also eine Überschreitung von 66,5 Arbeitstagen zu vertreten, so daß der Beklagten ein - bei der Abnahme vorbehaltener - Vertragsstrafenanspruch von 46.555,98 DM zustehe (pro Arbeitstag 1%o der geprüften Abrechnungssumme von 700.091,84 DM). Einer Mahnung habe es gemäß Nr. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen nicht bedurft.

Auch dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Die Parteien haben in Nr. 10 der zum Vertragsinhalt gewordenen, von der Beklagten gestellten "Besonderen Vertragsbedingungen" vereinbart, daß die Vertragsstrafe nur fällig wird, wenn der Auftragnehmer in Verzug gerät. Die Bestimmung lautet:

"Der Unternehmer hat für jeden Arbeitstag, um den sich die Fertigstellung der Arbeiten durch sein Verschulden verzögert, eine Vertragsstrafe von ... 1%o der Abrechnungssumme, mindestens jedoch 25,00 DM/Tag an den Auftraggeber zu zahlen ...

Die Vertragsstrafe wird fällig, sobald der Auftragnehmer in Verzug gerät und eine etwa von ihm schriftlich beantragte Terminverlängerung vom Auftraggeber abgelehnt worden ist.

Einer besonderen Inverzugsetzung durch den Auftraggeber bedarf es nicht."

Wenn das Berufungsgericht dem letzten Satz dieser Regelung entnehmen will, daß das Erfordernis einer Mahnung generell abbedungen sei, ist das mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht zu vereinbaren und läßt darüber hinaus den inneren Zusammenhang der Bestimmung außer acht.

Da in Absatz 2 der Klausel ausdrücklich bestimmt ist, daß die Vertragsstrafe nur verfällt, wenn der Auftragnehmer in Verzug gerät, müssen auch grundsätzlich die allgemeinen Verzugsvoraussetzungen vorliegen. Dazu gehört, wenn für die Leistung nicht eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 284 Abs. 2 BGB) oder die Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliegen, eine Mahnung (§ 284 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Damit kann dem letzten Satz der Klausel bei der gebotenen engen Auslegung unklarer, den Vertragspartner belastenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. § 5 AGBG) für den "Regelfall" des § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB nur die Bedeutung zukommen, daß es lediglich einer "besonderen", also nochmaligen Mahnung nicht bedarf, wenn die Verzugsvoraussetzungen sonst erfüllt sind. Jedes andere Verständnis würde die ausdrücklich vereinbarte "Verzugsabhängigkeit" der Vertragsstrafe letztlich wieder beseitigen und damit zu einem unauflösbaren Widerspruch innerhalb des Klauselwerks führen.

2. Bei dieser Sach- und Rechtslage muß das Berufungsurteil aufgehoben werden. Dabei kann offen bleiben, ob oder inwieweit eine Mahnung unter Kaufleuten überhaupt abbedungen werden kann (vgl. zum Meinungsstand von Westphalen in Löwe/v.Westfalen/Trinkner, Großkommentar zum AGBG II, § 11 Nr. 4 Rdn. 21/23) und ob die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der Vertragsstrafe den Angriffen der Revision standhalten würden.

Da die hier vereinbarte Ausführungsfrist von 160 Arbeitstagen nämlich erst ab dem tatsächlichen Arbeitsbeginn laufen sollte, fehlt es an einer Leistungsbestimmung nach dem Kalender (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 44. Aufl., § 284 Anm. 4 a m.N.; Ingenstau/Korbion, VOB, 10. Aufl., B § 11 Rdn. 5; Nicklisch in Nicklisch/Weick, VOB Teil B, § 11 Rdn. 18; vgl. auch OLG Hamm BauR 1982, 67). Damit hätte aber Verzug erst eintreten können, wenn die Beklagte die Klägerin nach dem Eintritt der Fälligkeit gemahnt hat (§ 284 Abs. 1 Satz 1 BGB). Daß diese Verzugsvoraussetzung vorliegt, hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt. Den Gerichtsakten ist insoweit nur zu entnehmen, daß die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 24. November 1977 gemahnt hat. Nach dem Wortlaut dieses Schreibens ist aber davon auszugehen, daß die Beklagte damals die Ausführungsfrist selbst noch nicht für abgelaufen hielt und daß die Mahnung - entgegen § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB - schon vor der Fälligkeit ausgesprochen werden sollte. Ob die Klägerin später noch mündlich gemahnt wurde, ist unter den Parteien strittig.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Die Sache ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das sich nun erneut damit zu befassen haben wird, ob der Beklagten die geltend gemachte Vertragsstrafe zusteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992791

NJW 1986, 2049

BauR 1985, 576

ZfBR 1985, 216, 223

ZfBR 1993, 22

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