Leitsatz (amtlich)
›Bei einem Mietverhältnis muß die Gegenleistung des Mieters nicht in periodisch wiederkehrenden Geldzahlungen bestehen; Gegenleistung kann auch die Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks sein.‹
Tatbestand
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, zwei Grundstücksparzellen dem Kläger herauszugeben und die dortigen Ablagerungen, Befestigungen und Einfriedungen zu beseitigen. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
Mit der Revision will die Beklagte Abweisung der Klage erreichen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.
Das angefochtene Urteil enthält keinen Tatbestand, weil das Berufungsgericht angenommen hat, die für die Zulässigkeit der Revision nötige Beschwer der Beklagten von mehr als 60.000 DM sei nicht erreicht. Doch ist hier die Revision nach dem vom Senat festgesetzten Wert der Beschwer statthaft. Für ein der Revision unterliegendes Urteil aber ist ein Tatbestand erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Fehlt er, so verfällt das Berufungsurteil grundsätzlich der Aufhebung (BGHZ 73, 248), auch wenn dem Berufungsgericht ein Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO entbehrlich erschien (BGH, Urt. v. 12. Mai 1993, XII ZR 174/92, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 - Tatbestand, fehlender 10). Von der Aufhebung kann nur dann abgesehen werden, wenn sich aus den Entscheidungsgründen der Sach- und Streitstand so deutlich erschließt, daß eine revisionsrechtliche Prüfung des Berufungsurteils möglich ist (BGH, Urt. v. 20. Januar 1983, VII ZR 210/81, NJW 1983, 1901; v. 19. Juni 1986, IX ZR 141/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 und v. 12. Mai 1989, V ZR 128/88, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 - Tatbestand, fehlender 2 und 5). Das ist hier nicht der Fall.
1. Was den Herausgabeanspruch betrifft, so stellt das Berufungsgericht fest, daß sich die Rechtsvorgänger der Parteien gegenseitig verpflichtet hatten, dem Vertragspartner unentgeltlich Grundstücke zur Nutzung zu überlassen. Ein im Gegenseitigkeitsverhältnis stehender Austausch von Leistungen ist aber aufgrund der Abhängigkeit der einen von der anderen Leistung nicht unentgeltlich. Die Überlassung der Grundstücke, die der Kläger von der Beklagten herausverlangt, beruhte daher nicht, wie das Berufungsgericht annimmt, auf einem mit dem Rechtsvorgänger geschlossenen Leihvertrag, sondern auf einem Miet- oder Pachtvertrag. Denn die Gegenleistung des Mieters oder Pächters - der Miet- oder Pachtzins - muß nicht in periodisch wiederkehrenden Geldzahlungen bestehen; Gegenleistung kann auch die Überlassung des Gebrauchs eines Grundstücks sein (RG, HRR 1926 Nr. 456; Erman/Jendrek, BGB, 9. Aufl., § 535 Rdn. 37; allg. Auff.).
Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der jetzt in ihrem Besitz befindlichen Grundstücke des Klägers stünde diesem gemäß § 556 Abs. 3 BGB erst nach Beendigung des Mietverhältnisses zu (im Falle eines Pachtvertrages gemäß § 581 i.V. mit § 556 Abs. 3 BGB). Dem Berufungsurteil ist zu entnehmen, daß keine zeitlich bestimmte Vertragsdauer vereinbart worden ist. Daher hätte der Kläger den Vertrag nach § 564 Abs. 2 i.V. mit § 565 Abs. 1 Nr. 3 BGB für den Ablauf eines Kalendervierteljahres kündigen können. Aus dem Urteil geht jedoch nicht hervor, ob er eine Kündigung erklärt hat und gegebenenfalls wem gegenüber. Gerade auch letzteres könnte von Bedeutung sein, weil die Revision geltend macht, ein in erster Instanz vorgelegtes Kündigungsschreiben habe der Kläger nicht an den Vertragspartner, sondern an einen Dritten - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - gerichtet, der hinsichtlich der herausverlangten Grundstücke nicht Rechtsnachfolger des Vertragspartners sei. Dies alles vermag der Senat nicht zu prüfen, da das Berufungsurteil keinen Tatbestand enthält. Die Sache ist daher zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:
Aus dem Akteninhalt ergibt sich, daß der Vertrag vor mehr als 30 Jahren abgeschlossen worden ist. Nach der zwingenden Vorschrift des § 567 Satz 1 BGB kann ein für eine längere Zeit geschlossener Mietvertrag - was bei der Grundstücksmiete der Schriftform bedarf (§ 566 BGB) - in der gesetzlichen Frist gekündigt werden. Zweck dieser Bestimmung ist es, eine Erbmiete oder ähnliche Verhältnisse auszuschließen (RGZ 66, 216, 220; allg. Meinung). Dem Kläger könnte daher nicht entgegengehalten werden, eine Kündigung des Vertrages widerspreche Treu und Glauben aus den von der Revision angeführten Gründen.
2. Zur Beseitigung der auf den Grundstücken aufgebrachten "Ablagerungen" und "Befestigungen" sowie der dort errichteten Einfriedungen wäre die Beklagte nach § 1004 BGB nur dann verpflichtet, wenn sie selbst diese Eingriffe vorgenommen hätte oder wenn von ihrem Willen die Beseitigung.abhinge. Feststellungen dazu sind nicht getroffen. Daß die Beklagte etwa mit Einverständnis des Klägers oder seines Rechtsvorgängers in den Vertrag eingetreten ist und deswegen zu der vom Vertragspartner nach § 556 Abs. 1 BGB bei Beendigung des Vertragsverhältnisses geschuldeten Rückgabe der Grundstücke im ursprünglichen Zustand verpflichtet ist, ist mangels eines Tatbestandes nicht zu ersehen.
3. Die Sache unterliegt mithin insgesamt der Aufhebung und Zurückverweisung. Für das Revisionsverfahren werden gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG Gerichtskosten nicht erhoben (vgl. BGH, Urt. v. 1. Oktober 1986, IVb ZR 76/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 - Tatbestand, fehlender 2).
Fundstellen
Haufe-Index 537951 |
BB 1994, 2234 |
BGHR BGB § 535 Satz 2 Gegenleistung 1 |
WM 1994, 1824 |
MDR 1994, 796 |