Leitsatz (amtlich)
Eine Forderung, der die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenstand, kann im Falle der Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Abwicklungs- und Abrechnungsverhältnis so lange nicht aufgerechnet werden, wie ein Überschuss zugunsten des Aufrechnenden nicht feststeht.
Normenkette
BGB § 390
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das am 22.5.2001 verkündete Urteil des 21. Zivilsenats des OLG Düsseldorf im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Beklagten gegen das am 20.7.2000 verkündete Urteil der 41. Kammer für Handelssachen des LG Duisburg die Klage i. H. v. 16.100 DM (8.231,80 EUR) nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Insoweit wird die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein Verladeunternehmen im D. Hafen, erteilte der Beklagten den Auftrag, im Rahmen der Überholung eines ihrer Schwerlastkräne die elektronische Anlage dieses Krans einschließlich der Steuerung für einen Pauschalpreis von 114.770 DM zu erneuern. Als Gewährleistungszeit wurden "12 Monate nach erfolgter Inbetriebnahme, längstens jedoch 18 Monate nach Lieferung" vereinbart. Den Pauschalpreis bezahlte die Klägerin nicht vollständig; sie hielt einen Restbetrag von 6.877 DM zurück.
Die Klägerin machte Mängel der neuen Elektronik geltend, wodurch auch drei Motore und zwei Bremsen des Krans beschädigt worden seien. Nach ihrer Darstellung waren zur Fehlersuche Schaltpläne nötig, die der von der Beklagten eingeschaltete Subunternehmer zurückhielt, weil die Beklagte diesem ihrerseits den Werklohn nicht vollständig bezahlt hatte. Um in den Besitz der Unterlagen zu kommen, zahlte die Klägerin 16.100 DM an den Subunternehmer der Beklagten.
Am 11.2.1999 hat die Klägerin die vorliegende Klage beim LG eingereicht. Hiermit hat sie - teilweise erst nach Klageerweiterung - einmal Schadensersatz i. H. v. 28.832 DM wegen ihr entstandener Kosten u. a. für die Reparatur der drei Motoren und zwei Bremsen, ferner als Vorschuss 27.650 DM im Hinblick auf die Kosten der Beseitigung weiterer Mängel und schließlich Ersatz des für die Schaltpläne verauslagten Betrags von 16.100 DM verlangt. Die Beklagte hat u. a. Verjährung eingewendet und hilfsweise die Aufrechnung mit Ansprüchen auf das restliche Pauschalhonorar (6.877 DM) und auf für ergänzend in Auftrag gegebene Zusatzleistungen angefallene Vergütung (10.580 DM) erklärt.
Das LG hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Das von der Beklagten angerufene OLG hat die Klage vollen Umfangs abgewiesen. Hierzu hat das OLG ausgeführt, soweit der geltend gemachte Anspruch Reparaturkosten und andere Mangelbeseitigungskosten betreffe, sei er verjährt, weil die Inbetriebnahme, von der die Parteien den Beginn der Gewährleistungszeit für das von der Beklagten geschuldete Werk abhängig gemacht hätten, vor dem 10.2.1998 erfolgt sei. Die hiergegen eingelegte Revision, mit der die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiterverfolgt hat, hat der Senat nur insoweit angenommen, als die Klage auch in Höhe des Betrages von 16.100 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.
Die Klägerin beantragt nunmehr in diesem Umfange Verurteilung der Beklagten. Die Beklagte tritt diesem Begehren entgegen.
Entscheidungsgründe
1. Mangels Annahme der zulässigen Revision im Übrigen ist nur noch darüber zu befinden, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der Betrag zusteht, den sie begehrt, weil sie 16.100 DM für Schaltpläne aufgewendet hat.
2. Insoweit hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung entstanden sei, die darin bestehe, dass die Beklagte von einer Verbindlichkeit gegenüber ihrem Subunternehmer befreit worden sei. Die Beklagte habe selbst eingeräumt, dass die Klägerin durch die Zahlung des Betrags von 16.100 DM Schulden gegenüber dem Subunternehmer getilgt habe. Andererseits - so hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt - stünden der Beklagten die zur Aufrechnung gestellten Vergütungsforderungen in voller Höhe zu. Der sich aus der Pauschalpreisvereinbarung ergebende Restwerklohnanspruch i. H. v. 6.877 DM sei unstreitig; außerdem habe die Beklagte schlüssig dargelegt, dass sie für Zusatzleistungen eine Vergütung von weiteren 10.580 DM beanspruchen könne. Die Klägerin sei dem nicht konkret entgegengetreten. Die Aufrechnung der Beklagten habe daher gem. § 389 BGB zum Erlöschen des noch streitigen Teils der Klageforderung geführt.
3. Wie die Revision zu Recht rügt, erlauben die bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht die Annahme einer wirksamen Aufrechnung durch die Beklagte. Das Berufungsgericht hat nicht die Möglichkeit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags gegenüber der sich aus beiden Beträgen zusammensetzenden zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen bedacht, die im Falle ihres Bestehens gem. § 390 S. 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (a. F.) dazu führt, dass die Beklagte nicht aufrechnen kann.
a) Für die revisionsrechtliche Überprüfung ist davon auszugehen, dass beide Teilbeträge, mit denen die Beklagte aufgerechnet hat, die vertragliche Vergütung aus dem Reparaturauftrag betreffen. Hinsichtlich des Betrags von 6.877 DM ist dies in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich festgestellt. Hinsichtlich der weiteren 10.580 DM ist dies anzunehmen, weil die Revision auf Vortrag der Klägerin in den Tatsacheninstanzen verweist, wonach diese Forderung nur auf einer Erweiterung des bereits zuvor zustande gekommenen Reparaturauftrags, also nicht auf einem neu begründeten Vertragsverhältnis, beruht, und das Berufungsgericht gegenteilige Feststellungen nicht getroffen hat.
Handelt es sich bei der Gegenforderung der Beklagten jedoch um die Vergütungspflicht aus dem Reparaturauftrag, so kann sie der Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) unterliegen. Es ist nämlich nichts dafür festgestellt, dass hinsichtlich der beiden Beträge eine Vorleistungspflicht der Klägerin vereinbart worden ist.
b) Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags besteht in Ansehung aller im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungspflichten eines wirksamen gegenseitigen Vertrags. Zu diesen Leistungspflichten gehört bei einem nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht zu beurteilenden Werkvertrag die Verpflichtung zur Herstellung des versprochenen Werks (§ 631 Abs. 1 BGB) bzw. der Anspruch des Bestellers auf Beseitigung vorhandener Mängel (§ 633 Abs. 2 BGB a. F.). Bei Mangelhaftigkeit des Werks kann deshalb die Zahlung der versprochenen Vergütung nach § 320 BGB verweigert werden (BGHZ 26, 337; BGH, Urt. v. 4.7.1996 - VII ZR 125/95, MDR 1997, 35), es sei denn, der Besteller hätte das mangelhafte Werk ohne Vorbehalt seiner Rechte abgenommen, obschon er den Mangel kannte (§ 640 Abs. 2 BGB a. F.).
Das trifft auch im Falle der Verjährung des Mangelbeseitigungsanspruchs, die ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den beiden anderen Positionen der Klageforderung gegeben ist, unter der Voraussetzung zu, dass der Besteller vor Eintritt der Verjährung eine der in § 478 Abs. 1 BGB a. F. genannten Maßnahmen ergriffen, also insbesondere den Mangel angezeigt hat oder dass der Unternehmer den Mangel arglistig verschwiegen hat (§ 478 Abs. 2 BGB a. F.). Dies folgt aus § 639 Abs. 1 BGB a. F., der für das bis zum 31.12.2001 geltende Werkvertragsrecht u. a. § 478 BGB a. F. für entsprechend anwendbar erklärt (BGH, Urt. v. 16.6.1987 - X ZR 61/86, NJW 1987, 3254). Die dem Besteller zustehende, auf rechtzeitig dem Unternehmer gegenüber geltend gemachte Mängel gestützte Einrede des nicht erfüllten Vertrags verjährt also nicht; im Rahmen des betreffenden Schuldverhältnisses bleibt sie auch über die Anspruchsverjährung hinaus zu beachten.
c) Zu den Umständen, die hiernach ergeben, ob die Beklagte mit einer nach § 390 S. 1 BGB a. F. nicht aufrechenbaren Forderung aufgerechnet hat, hat das Berufungsgericht tragfähige tatrichterliche Feststellungen nicht getroffen. Ob der Beklagte seiner Werkleistungspflicht nur mangelhaft genügt hat, hat das Berufungsgericht ausdrücklich offen gelassen; mit den weiteren Fragen hat es sich nicht befasst. Es ist deshalb offen, ob die Vergütungsforderung der Beklagten mit der sich aus § 389 BGB ergebenden Wirkung aufgerechnet werden konnte oder ob dies wegen der Einrede des nicht erfüllten Vertrags nicht der Fall ist, wozu nicht gehört, dass der Schuldner die Einrede auch erhoben hat, weil § 390 S. 1 BGB a. F. Derartiges nicht verlangt (BGH, Urt. v. 4.7.2002 -I ZR 313/99, BGHReport 2002, 1066 = MDR 2003, 77 = WM 2003, 593 m. w. N.).
d) Die Klageabweisung rechtfertigt sich auch nicht etwa deshalb, weil die Klägerin ausweislich ihrer im jetzigen Stadium des Rechtsstreits nicht mehr der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegenden beiden anderen Klagebeträge nicht (mehr) Mangelbeseitigung durch die Beklagte, sondern Schadensersatz wegen Werkmangels bzw. Vorschuss für eigene Mängelbehebung begehrt. Hierdurch ist das Gegenseitigkeitsverhältnis, aus dem sich die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ergeben kann, nämlich nicht aufgehoben. Das Entstehen von Gewährleistungsansprüchen wandelt ein nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht zu beurteilendes Werkvertragsverhältnis lediglich in ein Abwicklungs- und Abrechnungsverhältnis um (BGH, Urt. v. 16.9.1999 - VII ZR 456/98, MDR 1999, 1500 = NJW 1999, 3710 m. w. N.). Wenn die beiderseits entstandenen Rechte keinen Überschuss zugunsten des Unternehmers ergeben, steht diesem deshalb ein nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis befangener Anspruch nicht zu und fehlt es an einer feststehenden Forderung, die außerhalb des Abwicklungs- und Abrechnungsverhältnisses einer auf einem anderen Rechtsgrund beruhenden Forderung des Vertragspartners im Wege der Aufrechnung entgegengesetzt werden kann. Ob sich bei Abwicklung und Abrechnung des Werkvertragsverhältnisses der Parteien bei Berücksichtigung des sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebenden Umstands, dass beispielsweise bei rechtzeitiger Mängelanzeige eine Verjährung von Ansprüchen des Bestellers im Rahmen des betreffenden Schuldverhältnisses ohne Belang ist, ein an die Beklagte auszukehrender Betrag ergibt, ist jedoch bisher ebenfalls nicht Gegenstand tragfähiger tatrichterlicher Feststellungen gewesen.
4. Da nach allem entscheidungserhebliche Fragen unaufgeklärt sind, muss der Rechtsstreit im Umfang der Annahme der Revision an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 959628 |
DB 2003, 2701 |
BGHR 2003, 1049 |
BauR 2003, 1564 |
NJW-RR 2003, 1421 |
ZAP 2003, 991 |
JA 2003, 913 |