Leitsatz (amtlich)
›Haben die Parteien eines Grundstückskaufvertrages für eine darin vereinbarte Wohnrechtsbestellung als Entgelt die "Zahlung von Miete" vereinbart und deren Höhe bewußt offengelassen, so ist der Vertrag nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Bestimmtheit einer Leistung unwirksam, sondern nach mietvertraglichen Grundsätzen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 2. Oktober 1991, XII ZR 88/90, NJW-RR 92, 517) zu ergänzen.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 4. Juli 1991 kaufte der Kläger und A. F. von einer Erbengemeinschaft nach E. St., deren Mitglied der Beklagte ist, ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück in B. zu einem Kaufpreis von 125.000 DM. Dabei vertrat den Beklagten seine Ehefrau unter Vorlage einer privatschriftlichen Vollmacht vom 19. Juni 1991, nach der sie in allen Fragen seiner Erbschaftsangelegenheiten ("betrifft Verkauf des Hauses ") "Entscheidungen treffen und unterschreiben" konnte.
Der Vertrag sieht vor, daß die Käufer näher bezeichnete "Wohnungsrechte auf Lebenszeit und gegen Zahlung von Miete" (Ziff. V, 6 des Vertrages) an verschiedene Mitglieder der Erbengemeinschaft bestellen.
Der Kläger, der von A. F. ermächtigt wurde, vertragliche Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, hält den Vertrag für wirksam. Er behauptet, man habe sich in den Vertragsverhandlungen auf die Zahlung einer "ortsüblichen Vergleichsmiete" geeinigt, da aber insoweit noch Unklarheiten zur Höhe der Miete bestanden hätten, sei diese im Vertrag offengeblieben.
Er hat beantragt, den Beklagten zur Bestätigung der privatschriftlichen Vollmacht in öffentlich beglaubigter Form, hilfsweise zur Genehmigung der durch seine Ehefrau im Vertrag vom 4. Juli 1991 abgegebenen Erklärungen in öffentlich beglaubigter Form zu verurteilen. Die Klage hat in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg, der Klagehauptantrag ist begründet. Dies folgt aus dem wirksamen Vertrag vom 4. Juli 1991.
1. Das Berufungsgericht bejaht die Aktivlegitimation des Klägers. Es hält ferner die privatschriftliche Vollmacht für formwirksam (§ 167 Abs. 2 BGB), weil ein Ausschluß des Widerrufsrechts (§ 168 Satz 2 BGB) weder ausdrücklich noch schlüssig vorgesehen sei. Eine Beschränkung dieser Vollmacht auf eine unentgeltliche Wohnrechtsbestellung komme in der Urkunde nicht zum Ausdruck. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen und werden auch von der Revisionserwiderung nicht angegriffen.
2. Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klägers auf Abgabe der verlangten Erklärungen, weil es den Vertrag für unwirksam hält. In bezug auf die Höhe des für die Wohnrechte vorgesehenen Nutzungsentgelts fehle es an ausreichender Bestimmtheit.
a) Diese Ausführungen halten einer Rechtskontrolle nicht stand. Auch das Berufungsgericht geht nicht von einem offenen Einigungsmangel im Sinne von § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB aus. Die in dieser Vorschrift enthaltene Auslegungsregel ist unanwendbar, wenn sich die Parteien trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollen und der offene Dissens sich nicht auf die "essentialia" des Geschäfts bezieht (vgl. z.B. MünchKomm-BGB/Kramer, 3. Aufl., § 154 Rdn. 6; Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 154 Rdn. 2 je m.w.N.). Ein erkennbarer Bindungswille der Parteien folgt hier aus den Umständen, insbesondere der notariellen Beurkundung. Die schuldrechtliche Abrede zur Wohnrechtsbestellung läßt auch keine fehlende Einigung über einen für den Vertragstyp konstituierenden Umstand vermissen. Geeinigt haben sich die Parteien vielmehr über bestimmte Wohnrechte gegen eine Entgeltzahlung ("Miete"). Ein schuldrechtlicher Mietvertrag und das dingliche Wohnrecht sind zwar verschiedene Rechtsinstitute. Der auf die Bestellung eines Wohnrechts gerichtete Verpflichtungsvertrag kann aber eine Entgeltabrede auch in der Form enthalten, daß das Entgelt laufend nach bestimmten Zeitabschnitten (sog. mietzinsähnliche Form) zu entrichten ist (vgl. Senatsurteile v. 5. März 1965, V ZR 195/62, WM 1965, 649; v. 13. Juli 1966, V ZR 21/64, WM 1966, 1088, 1089 und v. 10. Mai 1968, V ZR 221/64, LM BGB § 398 Nr. 20 Bl. 1 R).
Richtig ist allerdings der rechtliche Ansatzpunkt des Berufungsgerichts, daß trotz Bindungswillens der Parteien das wirksame Zustandekommen eines Vertrages an der Lückenhaftigkeit seiner Regelung und der Unausfüllbarkeit dieser Lücke scheitern kann (vgl. BGH, Urt. v. 20. September 1989, VIII ZR 143/88, NJW 1990, 1234, 1235). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor. Kann die Entgeltabrede bei der Verpflichtung zur Wohnrechtsbestellung in mietzinsähnlicher Form getroffen werden, so müssen zur Bestimmtheit der Entgelthöhe auch die entsprechenden mietrechtlichen Grundsätze herangezogen werden. Zum Abschluß eines Mietvertrages gehört aber nicht unbedingt die Einigung über einen Mietzins bestimmter Höhe. Vielmehr genügt es, wenn sich die Parteien auf einen bestimmbaren Mietzins einigen. Selbst ohne jegliche Vereinbarung über den Mietzins kann ein Mietvertrag zustande kommen, sofern sich die Parteien - wie hier - bindend über eine entgeltliche Überlassung des Gebrauchs einigen. Alsdann gilt eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart, sei es im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder entsprechend § 612 Abs. 2, § 632 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 2. Oktober 1991, XII ZR 88/90, NJW-RR 1992, 517). Demgemäß hat auch der Senat im Urteil vom 5. März 1965 (aaO., S. 651) keine Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Wohnrechtsbestellungsvertrages erhoben, in dem als Entgelt die "übliche angemessene Miete" vereinbart war.
Es mag sein, daß für die Parteien ein Zusammenhang zwischen Kaufpreis und Nutzungsentgelt bestand. Daß - wie das Berufungsgericht weiter ausführt - sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft angesichts eines "verhältnismäßig niedrigen Kaufpreises " nicht auf eine "am freien Markt orientierte Miete" eingelassen hätten, ist aber nur ein Umstand, der die Entgeltbestimmung nach Maßgabe der obengenannten Rechtsprechung beeinflussen mag, kann aber nicht zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages führen. Im übrigen weist die Revision mit Recht darauf hin, daß es nicht um eine "am freien Markt orientierte Miete" geht. Auch der Kläger hat nur vorgetragen, man sei von einer "ortsüblichen Vergleichsmiete" ausgegangen. Darunter kann zwanglos die preisrechtlich zulässige Miete verstanden werden (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Kap. II Rdn. 354; Köhler/Kossmann, Handbuch der Wohnraummiete, 4. Aufl., § 7 Rdn. 3), zumal für den Altbaubestand in den neuen Bundesländern unmittelbar nach der Wiedervereinigung die Preisbindung die Regel war (vgl. § 11 Abs. 2 MHG a.F., eingefügt durch Einigungsvertrag BGBl 1990 II, 889, 1126; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rdn. A 309). Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zutreffend, daß die Aussage des Zeugen F. der Annahme entgegensteht, die Parteien hätten die ortsübliche Vergleichsmiete gemeint. Dieser Zeuge hat zwar davon gesprochen, die Miete habe "bezahlbar" bleiben sollen, hat aber die von ihm erläuterten Zahlenbeispiele (1 bis 2 DM/ vor Renovierung) als übliche Miete angesehen. Er hat - anders als das Berufungsgericht ausführt - auch angegeben, diese Größenordnung sei mit den Veräußerern auch besprochen worden. Dann aber muß auch davon ausgegangen werden, daß sich die Parteien die preisrechtlich zulässige Miete vorstellten.
Haben die Parteien bei Vertragsabschluß die genaue Entgelthöhe bewußt offengelassen, gleichwohl aber eine Bindung gewollt, dann muß diese Lücke entweder über eine ergänzende Vertragsauslegung oder über die analoge Anwendung einer gesetzlichen Regelung (§ 612 Abs. 2, § 632 Abs. 2 BGB) geschlossen werden, wobei lediglich fraglich sein kann, ob im Streitfall die Entgelthöhe sofort durch das Gericht bestimmt werden kann oder innerhalb des vorgegebenen Rahmens von den Erwerbern des Anwesens nach billigem Ermessen zu bestimmen ist (vgl. BGH, Urt. v. 2. Oktober 1991, aaO., S. 517, 518). Der Senat hat keinen Anlaß, diese Frage hier zu entscheiden, denn es geht nur darum, ob der Verpflichtungsvertrag zur Wohnrechtsbestellung wirksam ist.
Ist die Entgelthöhe bestimmbar, so bestehen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch keine Bedenken gegen die Formwirksamkeit (§ 313 BGB) des Vertrages. Zu beurkunden waren allein die Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzte (vgl. BGHZ 74, 346, 348). Eine bestimmte Entgelthöhe haben die Parteien gerade nicht vereinbart, sondern bewußt in rechtlich zulässiger Weise offengelassen. Der Parteiwille ist damit in der vorgeschriebenen Form beurkundet worden. Eine Ergänzung des Vertrages erfolgt nach dem oben beschriebenen Maßstab. Dieser hat mit der Frage der formwirksamen Beurkundung nichts zu tun.
3. Rechtsfehlerhaft hält das Berufungsgericht den Vertrag auch deshalb für unwirksam, weil eine "Vereinbarung über die Nutzung solcher Nebenräume, die keine Gemeinschaftsräume sind, in den Vertrag hätte aufgenommen werden müssen". Der Umfang der Wohnrechte sei mithin unklar.
Die Wohnungen, auf die sich die Wohnrechte erstrecken sollen, sind in der Vertragsurkunde bezeichnet (z.B. "1. Etage rechts, bestehend aus drei Zimmer und Küche"). Keine der Parteien hat behauptet, es sei die Erstreckung des Wohnrechts auf bestimmte Nebenräume (z.B. im Keller und Dachboden) ausdrücklich vereinbart, aber dann nicht beurkundet worden.
Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien zum Umfang des Wohnrechts in bezug auf Nebenräume nunmehr einen unterschiedlichen Standpunkt einnehmen. Es geht insoweit allein um ein Problem der Vertragsauslegung. Waren bestimmte Keller- und Bodenräume den Wohnungen zugeordnet und sollten durch die Wohnrechtsbestellung den Verkäufern die Nutzung des verkauften Anwesens in der bisherigen Form weiter ermöglicht werden, so spricht bei interessengerechter Auslegung des Vertrages einiges dafür, diese Nebenräume in die Wohnungsrechte miteinzubeziehen (§§ 133, 157 BGB). Das Fehler einer ausdrücklichen Regelung hierüber führt jedenfalls nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages.
Ist mithin der Vertrag vom 4. Juli 1991 wirksam, so ist der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Über die Streitpunkte der Parteien zum Vertragsinhalt hat der Senat nicht zu entscheiden, weil es darauf hier nicht ankommt. Der Beklagte schuldet als vertragliche Nebenpflicht eine Bestätigung der seiner Ehefrau am 19. Juni 1991 erteilten Vollmacht in öffentlich beglaubigter Form, weil der Vertrag nur damit im Grundbuch vollzogen werden kann (§ 29 Abs. 1 GBO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2993481 |
DB 1997, 2607 |
NJW 1997, 2671 |
BGHR BGB § 145 Vertragslücke 1 |
BGHR BGB § 154 Abs. 1 Einigungsmangel 3 |
DRsp I(130)450a |
WM 1997, 1673 |
DNotZ 1998, 946 |
MDR 1997, 920 |
WuM 1997, 545 |