Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 14.06.2001) |
LG Neubrandenburg (Urteil vom 09.05.2000) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 14. Juni 2001 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 9. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 9. Mai 2000 insoweit abgeändert, als die Zahlungsklage abgewiesen worden ist.
Der Zahlungsanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Wegen der Höhe wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe eines Hausgrundstücks sowie um die Zahlung einer Nutzungsentschädigung und Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz.
Der Kläger ist im Grundbuch als Eigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in N. eingetragen. Ursprünglich stand das Grundstück in Privateigentum, wurde aber 1983 aufgrund einer Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz Volkseigentum. Mit Vertrag aus dem Jahr 1984 mietete der Beklagte die im Erdgeschoß des Hauses gelegene Wohnung. Das Haus wurde sodann auch von verschiedenen weiteren Mietparteien bewohnt. Von 1989 an nutzte der Beklagte das Haus für sich und seine Familie allein. Mit notariellem Vertrag vom 19. April 1990 verkaufte der Rat der Stadt N. das Grundstück an den Beklagten, der am 28. August 1990 in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurde. 1993 übertrugen die Erben der ursprünglichen Grundstückseigentümerin ihre Rückübertragungsansprüche auf den Kläger, an den darauf mit Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt N. vom 22. November 1993 das Grundstück zurückübertragen wurde. Nachdem der Beklagte hiergegen (erfolgreich) Widerspruch eingelegt hatte, wurde dem Kläger der Rückübertragungsanspruch durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 5. November 1998 zuerkannt und er daraufhin als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 28. April 1999 verlangte der Kläger von dem Beklagten Räumung und Herausgabe des Grundstücks sowie eine Entschädigung für den gesamten Zeitraum der Nutzung von September 1990 bis September 1999. Der Beklagte bekundete daraufhin sein Interesse, das Grundstück zu erwerben. In einem Telefongespräch zwischen dem Anwalt des Klägers und dem Beklagten am 7. Mai 1999 unterbreitete der Kläger dem Beklagten den Vorschlag, das Grundstück für 450.000 DM zu kaufen, wobei mit der Bezahlung des Kaufpreises die Angelegenheit auch bezüglich der Nutzungsentschädigung erledigt sein sollte. Der Beklagte erhielt eine Äußerungsfrist bis 31. Mai 1999. Ferner einigten sich die Parteien darauf, daß der Beklagte das Grundstück für den Fall, daß ihm eine Finanzierung nicht gelingen sollte, bis zum 30. September 1999 räumen und für den Zeitraum bis dahin den ortsüblichen Mietzins als Nutzungsentschädigung bezahlen sollte. Der Anwalt des Klägers bestätigte den Inhalt des Telefonats mit Schreiben vom 10. Mai 1999. Der Beklagte bemühte sich in der Folgezeit nicht um eine Finanzierung, räumte aber auch nicht das Grundstück und zahlte auch keine Nutzungsentschädigung.
Das Landgericht hat dem Räumungs- und Herausgabeantrag des Klägers stattgegeben sowie festgestellt, daß dem Beklagten gegen den Kläger keine Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zustehen. Die weitergehende Klage auf Nutzungsentschädigung (in Höhe von 151.200 DM) hat es abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er sein Klagebegehren insgesamt weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Beklagten ein Recht zum Besitz gegenüber dem Räumungs- und Herausgabeverlangen des Klägers gem. Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB i.V.m. § 121 Abs. 2 SachenRBerG zu. Auf die Vereinbarung im Telefonat vom 7. Mai 1999 könne sich der Kläger demgegenüber nicht berufen. Sie sei nicht abschließend und verbindlich. Das zeige sich u.a. daran, daß der Beklagte den Inhalt des Gesprächs nicht – wie im Schreiben vom 10. Mai 1999 erbeten – seinerseits noch einmal per Telefax bestätigt habe. Dementsprechend habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II.
Das Berufungsurteil hat bereits deshalb keinen Bestand, weil die Würdigung des Telefongesprächs vom 7. Mai 1999 dahin, daß dabei eine verbindliche Vereinbarung nicht getroffen worden sei, revisionsrechtlich fehlerhaft ist. Sie verletzt die Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB und erkennt der in dem anwaltlichen Bestätigungsschreiben vom 10. Mai 1999 enthaltenen Bitte, ihm kurz per Telefax zu bestätigen, daß die „vorstehenden Ausführungen korrekt” sind, eine Indizwirkung zu, die ihr bei der gebotenen Auslegung nicht zukommt.
1. Aufgrund des unstreitigen Tatbestands des Berufungsurteils und der von dem Berufungsgericht fehlerfrei getroffenen Feststellungen ist revisionsrechtlich (§ 561 ZPO a. F.) davon auszugehen, daß das Bestätigungsschreiben den Inhalt des Telefongesprächs richtig wiedergibt. Daß der Beklagte dies mit Schriftsatz vom 25. Juli 2000 ausdrücklich bestritten hatte, ist dem gegenüber ohne Bedeutung, weil das Berufungsgericht diesen Schriftsatz nicht konkret in Bezug genommen hat, die pauschale Verweisung auf das schriftliche Parteivorbringen nicht ausreicht und eine Tatbestandsberichtigung nicht erfolgt ist. Ist aber davon auszugehen, daß das Telefongespräch so wie in dem Bestätigungsschreiben festgehalten, stattgefunden hat, kann aus der Tatsache, daß der Kläger einerseits einen Vergleichsvorschlag dahingehend gemacht hat, daß mit dem Kauf des Grundstücks für 450.000 DM auch die Angelegenheit bezüglich der Nutzungsentschädigung erledigt sein sollte, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht hergeleitet werden, daß sich der Beklagte daneben isoliert nicht verpflichten wollte, bei Scheitern der Finanzierung das Grundstück zu räumen und bis zur Räumung den ortsüblichen Mietzins zu zahlen. Das Gegenteil ergibt sich aus den abgegebenen Erklärungen. Danach haben sich die Parteien während des Telefongesprächs nicht nur darauf verständigt, daß der Beklagte zu dem Vergleichsvorschlag des Klägers bis 31. Mai 1999 Stellung nehmen sollte, sondern „ferner” darauf, daß der Beklagte für den Fall, daß ihm die Finanzierung nicht gelingen sollte, das Grundstück bis 30. September 1999 räumen und für den Zeitraum bis dahin zusätzlich ebenfalls den ortsüblichen Mietzins als Nutzungsentschädigung bezahlen sollte. Daß aus der Sicht des Beklagten es interessengerechter gewesen wäre, die Verpflichtung ebenfalls zum Gegenstand des Vergleichsvorschlags gemacht zu haben, ändert nichts daran, daß er es nach dem unstreitigen Parteivortrag tatsächlich nicht getan hat. Der Wortlaut der Vereinbarung ist insoweit eindeutig.
2. Daß die Parteien sich abschließend und verbindlich über die Räumung und die Zahlung des ortsüblichen Mietzinses für den Fall des Scheiterns der Finanzierung des Grundstückskaufvertrages verständigt haben, wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, daß der Beklagte die am Schluß des Bestätigungsschreibens erbetene Rückbestätigung per Telefax nicht abgesandt hat. Denn die von dem Berufungsgericht unterlassene Auslegung dieser Klausel ergibt, daß der Rückbestätigung lediglich Beweisfunktion für die korrekte Wiedergabe des Inhalts der Vereinbarung zukommen sollte, nicht dagegen verdeutlichen sollte, daß die Vereinbarung nach dem Willen beider Parteien erst mit der Bestätigung als geschlossen gelten sollte (§ 154 Abs. 2 BGB). Da aber der Inhalt der Absprache entsprechend dem Bestätigungsschreiben vom 10. Mai 1999 zwischen den Parteien unstreitig ist, bedarf es des von dem Anwalt des Klägers in dem Schreiben erbetenen Beweises nicht mehr.
3. Zweifel an der Verbindlichkeit der Einigung im Telefongespräch lassen sich schließlich auch nicht daraus herleiten, daß die Höhe des geschuldeten Mietzinses nicht beziffert worden ist. Denn die Parteien haben sich auf die Zahlung des ortsüblichen Mietzinses verständigt. Da dieser durch Sachverständigengutachten ermittelt werden kann, kommt es darauf, ob die Parteien eine feste Vorstellung über die Höhe gehabt haben, nicht an. Der Mietzins ist dann zwar unbeziffert, aber nicht unbestimmt, sondern nach objektiven Kriterien und gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln.
4. Eine andere Frage ist, für welchen Zeitraum der Beklagte die ortsübliche Miete schuldet. Hier ergibt eine interessengerechte Auslegung, daß der Beklagte sich nur für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit verpflichten wollte, für die ihm ein Besitzrecht nach der insoweit fehlerfreien Auffassung des Berufungsgerichts zustand. Anders konnte der anwaltlich vertretene Kläger die Erklärung des Beklagten redlicherweise nicht verstehen.
5. Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Die Sache ist vielmehr zur Feststellung des ortsüblichen Mietzinses für die Zeit ab 7. Mai 1999 und zur Prüfung eines Anspruchs nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 4 EGBGB zurückzuverweisen. Soweit das Berufungsgericht meint, der Kläger habe seinen Zahlungsanspruch einzig auf die Vereinbarung vom 7. Mai 1999 gestützt, einen anderen Anspruch also nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht, läßt es wiederum den Parteivortrag außer acht, namentlich den Schriftsatz vom 30. Oktober 2000.
Unterschriften
Wenzel, Krüger, Klein, Gaier, Schmidt-Räntsch
Fundstellen
Haufe-Index 875431 |
IBR 2003, 1 |
IBR 2003, 52 |