Leitsatz (amtlich)
a) Hat der Schuldner die Erstausfertigung einer vollstreckbaren Urkunde dem Notar unter Verzicht auf ihre Rücknahme mit der Weisung übergeben, sie dem Gläubiger gegen Löschung von Eintragungen im Grundbuch auszuhändigen, so entfällt das Rechtsschutzinteresse für eine Vollstreckungsabwehrklage, nicht dagegen das für eine Klage auf Herausgabe des Titels.
b) Ist der Verkäufer vom Kaufvertrag zurückgetreten, muß er den über den Kaufpreisanspruch bestehenden Titel nur Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und zwischenzeitlich im Interesse des Käufers eingetragener Grundschulden herausgeben.
Normenkette
ZPO § 767; BGB § 371
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Mai 1992 wird, soweit hierüber nicht schon durch den Senatsbeschluß vom 30. September 1993 entschieden worden ist, zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 15. Februar 1990 kauften die Kläger von dem Beklagten ein Grundstück, das mit einem gewerblich genutzten Gebäudekomplex belastet war. Wegen ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 12.312.000 DM unterwarfen sie sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde in ihr gesamtes Vermögen. Der Kaufpreis sollte fällig sein zehn Tage, nachdem der Notar den Käufern bestätigt hatte, daß die Voraussetzungen für die Zahlung des Kaufpreises vorlägen. Für den Fall des Verzuges mit der Zahlung des Kaufpreises oder der termingerechten Bezahlung der Grunderwerbssteuer behielt sich der Beklagte das Recht vor, vom Vertrag zurückzutreten. Bei einem Rücktritt sollten die Kläger sämtliche Eintragungs- und Beurkundungskosten, die mit dem Vertrag zusammenhängen, bezahlen.
Zur Finanzierung des Kaufpreises bestellten die Kläger aufgrund einer ihnen vom Beklagten erteilten Vollmacht in dessen Namen eine Grundschuld zugunsten der D. Bank in Höhe von 12.500.000 DM. Nachdem der Notar mit Schreiben vom 30. März 1990 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zahlung des Kaufpreises bestätigt hatte, erteilte der Beklagte am 8. Mai 1990 dem Gerichtsvollzieher den Auftrag zur Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kaufvertrages. Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 17. und 23. Mai 1990 die Anfechtung des Kaufvertrages und erhoben am 18. Mai 1990 Vollstreckungsabwehrklage mit der Behauptung, der Beklagte habe arglistig verschwiegen, daß für die Nutzung des Untergeschosses als Verkaufsraum keine Baugenehmigung vorgelegen habe. Nachdem sie mit den Zahlungen in Verzug geraten waren, trat der Beklagte mit Schreiben vom 25. Mai 1990 vom Vertrag zurück. Er übergab die vollstreckbare Ausfertigung der Vertragsurkunde dem Notar mit der Weisung, sie den Klägern auszuhändigen, sobald die Auflassungsvormerkung und die Grundschuld gelöscht worden seien. Auf eine Rücknahme der Urkunde verzichtete er.
Die Kläger haben beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und den Beklagten zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung zu verurteilen. Der Beklagte hat Zwischenfeststellungswiderklage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, daß der Kaufvertrag durch die Anfechtung nicht aufgelöst wurde und er seinerseits vom Kaufvertrag wirksam zurückgetreten ist.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde verurteilt; im übrigen hat es die Klage und die Zwischenfeststellungswiderklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten haben die Kläger hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den Notar zur bedingungslosen Herausgabe an die Kläger anzuweisen, äußerst hilfsweise Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung zur Herbeiführung der Löschung der Grundschuld. Das Oberlandesgericht hat dem zweiten Hilfsantrag durch Anerkenntnisurteil entsprochen und der Feststellungswiderklage stattgegeben. Die Berufung der Kläger wurde zurückgewiesen. Die Revision der Kläger hat der Senat mit Beschluß vom 30. September 1993 nur insoweit nicht angenommen, als der Feststellungswiderklage stattgegeben worden ist. Im Umfang der im übrigen erfolgten Annahme halten die Kläger ihre ursprünglichen Anträge aufrecht. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, für die Vollstreckungsabwehrklage bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, weil nach der Aushändigung der vollstreckbaren Urkundsausfertigung an den Notar eine Zwangsvollstreckung nicht mehr drohe.
Dies hält der rechtlichen Prüfung stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht für eine Vollstreckungsabwehrklage solange ein Rechtsschutzbedürfnis, als der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in Händen hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichtet hat oder zwischen ihm und dem Schuldner Einigkeit darüber besteht, daß eine Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht komme (Senatsurteile v. 23. November 1973, V ZR 23/72, WM 1974, 59, 61; v. 10. Oktober 1975, V ZR 5/74, WM 1975, 1213; BGH, Urt. v. 19. September 1988, II ZR 362/87, WM 1988, 1592, 1593; Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, WM 1992, 1269). Ausnahmen werden nur bei einer Teilerfüllung – insbesondere bei Titeln auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen – zugelassen, soweit eine Zwangsvollstreckung nach den Umständen des Falles unzweifelhaft nicht mehr droht (BGH, Urt. v. 19. September 1988, II ZR 362/87, a.a.O.; Urt. v. 16. Juni 1992, XI ZR 166/91, a.a.O.). Ob das Rechtsschutzinteresse auch dann entfällt, wenn der Gläubiger den Titel zwar nicht mehr in Händen hält, ihn aber auch nicht dem Schuldner ausgehändigt, sondern dem Urkundsnotar unter Verzicht auf Rücknahme mit der Weisung ausgehändigt hat, ihn dem Schuldner nach Löschung der Auflassungsvormerkung und der eingetragenen Grundschuld auszuhändigen, ist vom Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschieden worden. Der Senat bejaht dies.
Grundsätzlich ist das Rechtsschutzinteresse für die Vollstreckungsabwehrklage nicht davon abhängig, ob eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme droht (MünchKomm-ZPO/Schmidt, § 767 Rdnr. 43). Es genügt, daß der Gläubiger die Zwangsvollstreckung überhaupt betreiben kann. Nur wenn der Schuldner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf Dauer vor einer – uneingeschränkten – Vollstreckung aus dem Titel geschützt ist, entfällt das Rechtsschutzinteresse.
Dieser Schutz ist hier gewährleistet. Der Notar hat nach den – unangefochtenen – Feststellungen des Berufungsgerichts auch den Klägern gegenüber ausdrücklich erklärt, daß er im Sinne der erteilten Weisungen verfahren werde. Zugleich hat er durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Titel sichergestellt, daß dieser dem Schuldner auch nicht aus Versehen wieder zurückgegeben wird. Damit war eine Zwangsvollstreckung aus dem Titel zuverlässig ausgeschlossen. Der Beklagte könnte auch nicht bei dem Amtsgericht eine weitere Ausfertigung der Urkunde erwirken (§§ 733, 797 Abs. 3 ZPO), weil er nach dem Rücktritt vom Vertrag und der Hinterlegung der Erstausfertigung hierfür kein berechtigtes Interesse (vgl. MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner, § 733 Rdnr. 12) mehr glaubhaft machen könnte. Durch den Verzicht des Beklagten auf die Rückgabe der Urkunde ist zwar noch nicht die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt, wohl aber die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen ausgeschlossen worden. Dies ergibt eine Auslegung der entsprechenden Erklärung, die der Senat selbst vornehmen kann, weil sie das Berufungsgericht unterlassen hat und weitere Feststellungen hierzu nicht erforderlich sind (BGHZ 65, 107, 112). Damit entfällt für eine Zweitausfertigung jedes berechtigte Interesse. Der Beklagte kann auch dann nicht mehr aus der Urkunde vollstrecken, wenn die Kläger die Voraussetzungen für die Aushändigung des Titels an sie nicht schaffen und die begehrte Löschung nicht herbeiführen. Der Beklagte ist in diesem Fall vielmehr darauf angewiesen, die Löschung der Eintragungen im Klagewege durchzusetzen.
Für die Vollstreckungsabwehrklage ist ein Rechtsschutzinteresse auch nicht deswegen anzuerkennen, weil die Kläger zugleich die Herausgabe der vollstreckbaren Urkundenausfertigung verlangen. Allerdings wird die Auffassung vertreten, der Schuldner könne die Herausgabe eines Titels nur dann beanspruchen, wenn er zugleich Vollstreckungsgegenklage erhebe (Lüke JZ 1956, 475, 477; MünchKomm-ZPO/Schmidt § 767 Rdnr. 20; vgl. auch MünchKomm-BGB/Heinrichs 2. Aufl. § 371 Rdnr. 8). Ob dieser Ansicht im Grundsatz zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls besteht keine Notwendigkeit, die Zulässigkeit der Herausgabeklage dann von der gleichzeitigen Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage abhängig sein zu lassen, wenn – wie hier – das Erlöschen der Titelschuld und die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung unstreitig sind (MünchKomm-ZPO/Schmidt a.a.O.; MünchKomm-BGB/Heinrichs a.a.O.). In diesem Fall hat der Schuldner nur noch ein rechtliches Interesse an der Herausgabe des Titels, so daß seine hierauf gerichtete Klage auch ohne die gleichzeitige Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage zulässig ist.
II.
1. Soweit das Berufungsgericht das dem Antrag auf Herausgabe des Titels stattgebende Urteil des Landgerichts aufgehoben hat, fehlt ein sachlicher Ausspruch, obwohl auch die Entscheidungsgründe hierzu keine Ausführungen enthalten, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, daß die Klage insoweit abgewiesen wurde.
Dies hält der Revision stand. Dem Beklagten ist die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels unmöglich geworden, weil er die Ausfertigung dem Notar zur Aufbewahrung übergeben und auf ihre Rückgabe unwiderruflich verzichtet hat.
2. Zu dem ersten Hilfsantrag der Kläger, den Notar anzuweisen, die vollstreckbare Ausfertigung bedingungslos herauszugeben, enthalten Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ebenfalls keine Ausführungen. Die der Sache nach erfolgte Abweisung des Antrags hält jedoch der Revision stand. Der Beklagte ist nur entsprechend seinem Anerkenntnis verpflichtet, den Notar zur Herausgabe des Titels Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und der eingetragenen Grundschuld anzuweisen.
Hat der Schuldner – wie im vorliegenden Fall – hierfür ein berechtigtes Interesse, kann er die Herausgabe des Titels entsprechend § 371 BGB dann verlangen, wenn die titulierte Schuld durch Befriedigung erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat. Dasselbe muß dann gelten, wenn – wie hier – die primären Leistungspflichten aus einem Schuldverhältnis durch Rücktritt entfallen sind, Erfüllung also nicht mehr verlangt werden kann. In diesem Fall ist die Pflicht zur Rückgabe des Titels aber nur Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und der im Interesse des Schuldners eingetragenen Grundschuld zu erfüllen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Inhaber eines Schuldscheins oder Wechsels nach Erlöschen der Schuld gegenüber dem Verlangen auf Rückgabe der Urkunde kein Zurückbehaltungsrecht wegen anderweitiger Forderungen aus dem der Hingabe dieser Urkunden zugrundeliegenden Rechtsgeschäft geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn die Urkunden deshalb herauszugeben sind, weil eine Schuld von vornherein nicht bestanden hat (BGH, Urt., v. 10. Oktober 1958, VIII ZR 141/57, NJW 1958, 2112; Urt. v. 27. April 1983, VIII ZR 24/82, DB 1983, 2621). Der Bundesgerichtshof hat dies aus dem Sinn der in den §§ 368, 371 BGB, Art. 39 WG getroffenen Regelungen hergeleitet und den Standpunkt eingenommen, es müsse auf diese Weise der Gefahr eines Mißbrauchs der Urkunden begegnet werden, welche der Inhaber weder verwerten noch in irgend einer Weise geltend machen dürfe und zwar auch nicht in der Weise, daß er den Wechseln eine andere Forderung unterlege, als diejenige, für die sie ausgestellt worden sei.
Der Senat hat schließlich entschieden, daß der auf Verurteilung der Löschungsbewilligung in Anspruch genommene Hypothekengläubiger dem Eigentümer kein Zurückbehaltungsrecht wegen anderer persönlicher Ansprüche entgegenhalten kann, wenn die durch eine Hypothek zu sichernde Darlehensforderung nicht entstanden ist (BGHZ 71, 19 f.). § 1144 BGB gewähre dem Eigentümer ein uneingeschränktes Recht auf Aushändigung der Urkunden bzw. Erteilung der Löschungsbewilligung, weil sonst der Gläubiger wegen anderer persönlicher Ansprüche durch die Hypothek eine Art Sicherung erhielte.
b) Diese zu § 273 BGB ergangene Rechtsprechung ist auf die Rückgabe eines Vollstreckungstitels nach einem Rücktritt vom Vertrag nicht übertragbar. Denn hier ist das Kausalverhältnis nicht – wie in den entschiedenen Fällen – durch Erfüllung erloschen oder von Anfang an nicht entstanden, sondern in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt worden (Senatsurt. v. 24. Juni 1983, V ZR 113/82, NJW 1984, 42). Für dieses Schuldverhältnis sieht das Gesetz aber vor, daß die sich daraus ergebenden Verpflichtungen (nur) Zug um Zug zu erfüllen sind (§ 348 BGB). Da zu diesen sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen auch die Pflicht zur Herausgabe eines Vollstreckungstitels entsprechend § 371 BGB gehört, braucht sie ebenfalls nur Zug um Zug erfüllt zu werden. § 348 BGB enthält insoweit für das durch Rücktritt begründete Abwicklungsverhältnis eine die Herausgabepflicht aus § 371 BGB modifizierende Spezialvorschrift. Dementsprechend hatte bereits das Reichsgericht keinen Zweifel daran gelassen, daß das Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 348, 322 BGB auch gegenüber dem Anspruch auf Rückgabe eines Wechsels bestehe (RGZ 75, 199, 202). Für die Herausgabe eines Vollstreckungstitels kann nichts anderes gelten.
Nach alledem hat die Revision im ganzen keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 609572 |
NJW 1994, 1161 |
DNotZ 1994, 471 |