Leitsatz (amtlich)
Bestimmt die Satzung einer Zusatzversorgungskasse unter Abänderung des gesetzlichen Bereicherungsrechts, daß Beträge zurückzuzahlen sind, die aufgrund von Erhöhungen der gesetzlichen Rente zuviel geleistet wurden, so ist diese Bestimmung auch anzuwenden, wenn die Überzahlung auf einer fehlerhaften EDV-Eingabe der gesetzlichen Rente durch die Versorgungskasse beruht.
Normenkette
VBLS § 70
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 12.06.1996) |
LG Koblenz |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Juni 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin leistet für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Bereich rheinischer Städte und Kreise eine Zusatzversorgungsrente. Der Beklagte war früher als Busfahrer bei den Stadtwerken B. beschäftigt.
Aufgrund eines Bescheides der Klägerin vom 3. April 1989 erhielt er monatliche Zahlungen von 779,70 DM seit dem 1. September 1988. Infolge eines Anpassungsbescheides vom gleichen Tage erhielt der Beklagte von der Klägerin seit dem 1. Januar 1989 eine Zusatzrente von monatlich 1.235,40 DM. Der Grund für die verschiedenen Beträge bestand darin, daß die Versorgungsrente zunächst in Höhe von 455,70 DM aufgrund des an den Beklagten gezahlten Krankengeldes ruhte. Hierauf wurde der Beklagte auf Seite 6 des Bescheides vom 3. April 1989 hingewiesen.
Bei der Berechnung der Zusatzrente unterlief der Klägerin ein Eingabefehler. Die gesetzliche Rente des Beklagten wurde nur mit 737,33 DM und nicht, wie es richtig gewesen wäre, mit 1.737,33 DM in den Computer eingegeben. Dies hatte zur Folge, daß dem Beklagten eine Versorgungsrente von monatlich 1.235,40 DM gezahlt wurde. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rente erhielt der Beklagte mithin ab 1. Januar 1989 insgesamt 2.972,73 DM netto monatlich. Demgegenüber hatte er zuletzt im aktiven Dienst ein Bruttoeinkommen von 2.964,31 DM – circa 2.100 DM netto – erzielt. Der Eingabefehler wurde im November 1993 von der Klägerin entdeckt und durch Änderungsbescheid vom 12. November 1993 korrigiert. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich gestiegenen Rente beträgt die Zusatzversorgungsrente des Beklagten nunmehr 224,63 DM monatlich. Für die Zeit von September 1988 bis November 1993 ermittelte die Klägerin eine Überzahlung von 65.940,93 DM brutto. Unter Abzug von Zusatzversorgungsbeiträgen errechnet die Klägerin einen Rückzahlungsanspruch von 61.885,56 DM. Diesen Betrag verlangt die Klägerin nebst 6,7 % Zinsen seit dem 3. Januar 1994.
Der Beklagte wendet ein: Der Fehler habe ihm nicht auffallen müssen, weil die Rentenberechnungen ein kompliziertes Zahlen- und Rechenwerk darstellten, das für einen Laien nicht nachvollziehbar sei. Von früheren Arbeitskollegen habe er erfahren, daß diese eine Versorgungsrente von 700 DM bis 800 DM erhielten. Außerdem hätten ihm diese mitgeteilt, daß ihre Renten um 500 DM bis 600 DM über ihrem letzten Erwerbseinkommen lägen. Auch aufgrund dieser Gespräche habe er keinen Grund gesehen, die Richtigkeit seiner Rentenfestsetzung anzuzweifeln. Dennoch habe er sich bereits im Juni 1989 an die für die Erstellung der Festsetzungs- und Anpassungsbescheide zuständige Sachbearbeiterin der Klägerin gewandt und sie um Aufklärung gebeten, warum die Festsetzungs- und Anpassungsbescheide vom 3. April 1989 unterschiedliche Beträge aufwiesen. Bei diesem Gespräch habe er der Sachbearbeiterin auch sein letztes monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von 2.100 DM netto mitgeteilt. Nach Prüfung habe ihm die Sachbearbeiterin ausdrücklich erklärt, daß die Rentenzahlungen richtig seien. Demzufolge habe er auf die Richtigkeit der Angaben im Festsetzungsbescheid vertraut und auch vertrauen dürfen und die ihm gezahlten Rentenbeträge für seinen und seiner Ehefrau Lebensunterhalt verbraucht.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat den Beklagten als verpflichtet angesehen, an die Klägerin 61.885,56 DM zu zahlen. Der Anspruch beruhe auf § 812 Satz 1 1. Altern. BGB i.V. mit § 51 a Abs. 4 der Satzung der Klägerin. Auf eine Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB, könne sich der Beklagte nicht berufen. Es sei davon auszugehen, daß er bei Empfang der Überzahlungen gewußt habe, auf sie keinen Anspruch zu haben, § 819 Abs. 1 BGB. Zumindest habe sich der Beklagte bewußt der Kenntnis seines mangelnden Rechts verschlossen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Vorschriften der §§ 812 ff. BGB sind auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
2. Ausgangspunkt für einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist § 51 a der Satzung der Klägerin. Diese Vorschrift lautet:
„Rückzahlung von Kassenleistungen
(1) Hat sich die Versorgungsrente wegen einer Anpassung nach § 47 oder wegen einer Neuberechnung nach § 46 a geändert, so hat der Berechtigte Überzahlungen nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 auszugleichen.
(2) Ergibt sich die Überzahlung aus der Gewährung oder Änderung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so gilt der überzahlte Betrag als Vorschuß auf die Rente. Der Berechtigte ist verpflichtet, insoweit seine Ansprüche gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an die Kasse abzutreten.
(3) Soweit Absatz 2 nicht anzuwenden ist oder der Berechtigte seiner Verpflichtung zur Abtretung nicht nachkommt oder die Abtretung nicht zu einer Erfüllung des Rückzahlungsanspruches der Kasse führt, gilt der überzahlte Betrag als Vorschuß auf die Leistungen der Kasse.
(4) Eine aus anderen Rechtsgründen bestehende Verpflichtung, Überzahlungen in den Fällen der Absätze 1 bis 3 und in anderen Fällen auszugleichen, bleibt unberührt.
(5) Die Kasse kann die Rückzahlung von Leistungen, die ohne Rechtsgrund gewährt wurden, ganz oder teilweise erlassen, wenn die Rückzahlung für den Empfänger eine besondere Härte mit sich brächte.
(6) …”
Mit Abs. 1 dieser Vorschrift hat sich die Klägerin vertraglich vorbehalten, daß der Versorgungsempfänger solche Überzahlungen ausgleicht, die er aufgrund von Erhöhungen der gesetzlichen Rente erhalten hat. § 51 a Abs. 2 und 3 ergänzen die vertragliche Rückzahlungspflicht, indem sie die Art und Weise bestimmen, wie der Versorgungsberechtigte seiner Rückzahlungspflicht nachzukommen hat. Die Regelung der Abs. 2 und 3 bezweckt einen Ausgleich der Interessen beider Vertragsparteien. Durch die vertragliche Ausgestaltung des Rückzahlungsanspruchs und dadurch, daß eine Überzahlung als Vorschuß gilt, den die Klägerin verrechnen kann, ist es dem Versorgungsberechtigten verwehrt, sich auf die gesetzliche Regelung über den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) zu berufen. Damit ist weitgehend sichergestellt, daß die Versorgungskasse ohne Rechtsgrund geleistete Beträge zurückerhält. Andererseits braucht der Versorgungsberechtigte aufgelaufene Überzahlungen nicht sofort und nicht in einer Summe zurückzuzahlen (Senatsurteil vom 18. September 1991 – IV ZR 233/90 – VersR 1991, 1357 unter II 2).
§ 51 a Abs. 1 bis 3 der Satzung ist auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden. Die Bestimmung regelt im wesentlichen solche Fälle, in denen es zur Überzahlung kam, weil eine Erhöhung der gesetzlichen Rente bei der Berechnung der Gesamtversorgung unberücksichtigt geblieben ist. Im vorliegenden Fall ist die Überzahlung zwar nicht durch eine Erhöhung der gesetzlichen Rente entstanden. Vielmehr hat die Klägerin deshalb den Betrag der Gesamtversorgung unzutreffend berechnet, weil sie fehlerhaft eine in Wahrheit schon bestehende höhere gesetzliche Rente mit einem niedrigeren Betrag in die Rechnung eingestellt hat. Die Zielsetzung des § 51 a Abs. 1 bis 3 der Satzung verlangt aber eine Gleichbehandlung beider Fallgruppen. Auch wenn die Überzahlung auf einem Fehler der Klägerin beruht, ist es im Interesse der Gesamtheit der Versorgungsberechtigten und der Arbeitgeber erforderlich, daß auch solche Überzahlungen an die Versorgungskasse zurückfließen. Andererseits ist das Interesse des Zahlungsempfängers an einer Rückzahlung durch für ihn erträgliche Verrechnung mit den Bezügen erst recht zu berücksichtigen, wenn die Versorgungskasse die Zuvielzahlung selbst verursacht und über – wie hier – Jahre hinweg nicht bemerkt hat.
3. Die unmittelbare wie die entsprechende Anwendung des § 51 a Abs. 1 bis 3 schließt die gesetzliche Regelung der §§ 812 ff. BGB nach dem Willen der Satzung aus, denn anderenfalls würde der mit der vertraglichen Regelung verfolgte Zweck nicht erreicht (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 1991 – IV ZR 233/90 – VersR 1991, 1357 unter 3; vom 25. Oktober 1989 – IV a ZR 221/88 – VersR 1990, 189 unter 3 a; vom 19. Januar 1994 – IV ZR 117/93 – VersR 1994, 337 unter 4). § 51 a Abs. 4 der Satzung der Klägerin steht dem nicht entgegen. Diese Regelung erklärt nur solche Rückzahlungsverpflichtungen für unberührt, die aus „anderen Rechtsgründen”, also nicht aufgrund von § 51 a Abs. 1 bis 3 bestehen. Der vorliegende Fall ist aber in entsprechender Anwendung den mit § 51 a Abs. 1 bis 3 geregelten Fällen zuzuordnen (vgl. oben zu 2.). Im übrigen ist § 51 a Abs. 4 der Satzung in sich widersprüchlich und unklar, weil er Überzahlungen in den Fällen der Abs. 1 bis 3 in die anderen Rechtsgründe miteinbezieht, obwohl die Abs. 1 bis 3 eigene Regelungen enthalten und gerade keine anderen Rechtsgründe sind.
4. Die Sache ist noch nicht zur Entscheidung reif und muß deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dieses hat den Beklagten zur Rückzahlung in einer Summe verurteilt. Das widerspricht dem Zweck der Regelung des § 51 a Abs. 2 und 3 der Satzung. Danach soll dem Empfänger von Überzahlungen durch Verrechnung von Teilbeträgen die Rückführung in wirtschaftlich erträglicher Weise ermöglicht werden. Den Parteien muß Gelegenheit gegeben werden, hierzu vorzutragen. Das Berufungsgericht wird alsdann unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben (vgl. hierzu näher Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Kommentar, Teil B, § 70 der Satzung der VBL Anm. 4 Abs. 2) eine dem Zweck des § 51 a Abs. 2 und 3 sowie gegebenenfalls Abs. 5 der Satzung entsprechende Entscheidung zu treffen haben. Dabei wird das fehlerhafte Verhalten der Klägerin ebenso zu berücksichtigen sein, wie die noch offene Frage, ob der Beklagte auf die Richtigkeit des Bescheids vertrauen durfte, und wie schwer ein etwaiges Verschulden des Beklagten wiegt. Zu den für die Abwägung notwendigen Feststellungen wird auch gehören, ob die unter Beweis gestellte Behauptung des Beklagten zutrifft, er habe sich an die zuständige Sachbearbeiterin der Klägerin mit der Frage gewandt, warum die Bescheide unterschiedliche Beträge aufwiesen und ob sie dementsprechend richtig seien. Schließlich wird das Berufungsgericht auch die in der Revisionsverhandlung erhobene Einrede der Verjährung zu berücksichtigen haben.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Römer, Dr. Schlichting, Terno, Seiffert
Fundstellen
Haufe-Index 1237655 |
BB 1998, 958 |
NJW-RR 1998, 1425 |
Nachschlagewerk BGH |
ZBR 1998, 184 |
NVersZ 1999, 45 |
SGb 1998, 313 |