Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit der Änderung des Abrechnungsmaßstabes für Heizkosten bei Leerstand von Mietwohnungen in einem Mehrfamilienhaus.
Normenkette
HeizKostV § 6 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 04.04.2003) |
AG Hersbruck |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des LG Nürnberg-Fürth, 7. Zivilkammer, v. 4.4.2003 aufgehoben.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte bewohnt seit 1968 eine Mietwohnung in dem Mehrfamilienhaus des Klägers in dem Anwesen H. Straße in H. . Nach dem Mietvertrag hat die Beklagte die Heizkosten der Wohnung zu tragen und - u. a. hierfür - zusätzlich zur Miete eine monatliche Nebenkostenvorauszahlung von 81,32 Euro zu leisten.
Das AG hat der Klage auf eine Heizkostennachzahlung i. H. v. 1.407,05 EUR in vollem Umfang stattgegeben. Das LG hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten, die sich gegen die Berechnung der Grundkosten unter Ausklammerung der Flächen der leer stehenden Wohnungen richtete, zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre im Berufungsverfahren zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil noch eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthält und überdies die Berufungsanträge nicht wiedergibt, hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der von der Beklagten in der Berufungsinstanz allein noch geltend gemachte Einwand, dass der Kläger zu Unrecht auch die Kosten für die leer stehenden Wohnungen auf die Mieter umgelegt habe, sei unbegründet. Mangels einer entgegenstehenden vertraglichen Abrede könne der Kläger den Verteilerschlüssel nach billigem Ermessen bestimmen. Dabei habe er insbesondere auch § 7 der Heizkostenverordnung beachtet, der die Umlegung nach der Fläche der beheizten Räume zulasse. Zu den beheizten Räumen zählten aber nicht diejenigen Räume, die nicht an die Heizungsanlage angeschlossen seien. Hierzu habe der Kläger vorgetragen, dass die Heizkörper in den leer stehenden Wohnungen abmontiert und die entsprechenden Heizstränge abgesperrt worden seien. Dieses Vorbringen des Klägers habe die Beklagte erst in der Berufungsverhandlung und damit verspätet bestritten.
II.
1. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels jeder tatbestandlichen Darstellung und mangels Wiedergabe der Berufungsanträge eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht zulässt.
Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozessordnung in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem AG am 25.11.2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß gilt für den Inhalt des Berufungsurteils § 540 ZPO. Danach bedarf das Urteil zwar keines Tatbestandes. An dessen Stelle muss es jedoch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthalten (§ 540 S. 1 Nr. 1 ZPO). Mangelt es daran, fehlt dem Berufungsurteil die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach § 545, § 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage. In einem solchen Fall ist das Berufungsurteil grundsätzlich von Amts wegen aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (BGH, Urt. v. 6.6.2003 - V ZR 392/02, BGHReport 2003, 1128 = MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290, unter II 1b, m. w. N.; Urt. v. 22.12.2003 - VIII ZR 122/03, z.V.b., unter II 1). Von der Aufhebung und Zurückverweisung kann ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben. Damit gilt bei einer Verletzung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nichts Anderes als nach bisherigem Zivilprozessrecht in dem Fall, dass das Berufungsurteil entgegen § 543 ZPO a. F. keinen Tatbestand aufwies (vgl. dazu BGH v. 30.1.1979 - VI ZR 154/78, BGHZ 73, 248; Urt. v. 1.2.1999 - II ZR 176/97, WM 1999, 871, unter I 1 m. w. N.; ferner Urt. v. 19.2.2003 - VIII ZR 205/02, MDR 2003, 706 = BGHReport 2003, 757 = NJW-RR 2003, 1006; Urt. v. 1.10.2003 - VIII ZR 326/02, MDR 2004, 226 = BGHReport 2004, 51 = WuM 2003, 708, unter II 2; Urt. v. 22.12.2003 - VIII ZR 122/03, z.V.b., unter II 1, jeweils m. w. N.).
Das Berufungsurteil enthält weder eigene tatsächliche Feststellungen oder eine Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Feststellungen - die Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des amtsgerichtlichen Urteils genügt insoweit nicht - noch gibt es die Berufungsanträge der Parteien wieder. Die tatsächliche Grundlage der Entscheidung ergibt sich auch nicht hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen. Eine revisionsrechtliche Nachprüfung des Berufungsurteils ist daher mangels einer tatbestandlichen Beurteilungsgrundlage nicht möglich. Entsprechendes gilt für die Berufungsanträge.
2. Wegen des Fehlens jeder tatsächlichen Grundlage kann der Senat insbesondere nicht feststellen, ob der Kläger in den bisherigen Abrechnungsperioden den verbrauchsunabhängigen Anteil des Betriebs der Heizungsanlage (sog. Grundkosten) gem. § 7 Abs. 1 S. 2 1. Alt. HeizKostV nach der Gesamtwohnfläche oder gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. HeizKostV nach der Fläche der beheizten Räume verteilt hat. Nur vorsorglich sei angemerkt:
Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass dann, wenn die Grundkosten seit 1987/1988 nach der Gesamtwohnfläche abgerechnet worden sind - wofür, von dem tatsächlichen Vorbringen der Revision ausgehend, insbesondere der Umstand sprechen könnte, dass in den Abrechnungen stets der Begriff "Wohnfläche", nicht "beheizte Wohnfläche", genannt wurde , eine Abrechnung nach der Fläche der "beheizten Räume" für den Zeitraum 2000/2001 nicht zulässig wäre.
Zwar kann der Gebäudeeigentümer beim Fehlen einer vertraglichen Regelung den Verteilerschlüssel nach billigem Ermessen (§§ 315, 316 BGB, vgl. § 6 Abs. 4 S. 1 HeizKostV) selbst bestimmen, wobei er die zwingenden Vorschriften der Heizkostenverordnung zu beachten hat (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 513). Abrechnungsmaßstäbe i. S. d. hier allein in Betracht kommenden § 7 HeizKostV sind zum einen der prozentuale Verteilungsschlüssel für die Aufteilung der gesamten Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage in einen verbrauchsabhängigen Teil und einen verbrauchsunabhängigen Anteil (sog. Grundkosten) und zum anderen die Umlegung der Grundkosten nach der Wohn- oder Nutzfläche oder dem umbauten Raum der beheizten Räume (§ 7 Abs. 1 S. 1 und 2 HeizKostV). Jedoch ist dem Gebäudeeigentümer eine Änderung des einmal gewählten Abrechnungsmaßstabes der §§ 7 bis 9 HeizKostV nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 S. 2 HeizKostV erlaubt. Eine Änderung nach § 6 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 HeizKostV ist aber ausgeschlossen, wenn der Kläger während dreier Abrechnungszeiträume die Gesamtwohnfläche zu Grunde gelegt hat; für die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 und 3 HeizKostV für eine nachträgliche Änderung fehlt nach den tatsächlichen Behauptungen der Parteien in der Revisionsinstanz jeder Anhaltspunkt. Schließlich müsste der Gebäudeeigentümer gem. § 6 Abs. 4 S. 2 1. Halbs. HeizKostV den Nutzern vor einer Änderung seine Absicht mitgeteilt haben, dass er für künftige Abrechnungszeiträume einen anderen Abrechnungsmaßstab wählt (§ 6 Abs. 4 S. 2 1. Halbs. HeizKostV; Lammel in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 6 HeizKostV Rz. 44).
Dass der Vermieter bei einer nach § 7 Abs. 1 S. 2 1. Alt. HeizKostV (Gesamtwohnfläche) vorzunehmenden Abrechnung der verbrauchsunabhängigen Betriebskosten den auf leer stehende Wohnungen entfallenden Anteil zu tragen hat, entspricht der Rechtsprechung des Senats (BGH, Urt. v. 16.7.2003 - VIII ZR 30/03, BGHReport 2003, 1185 = NJW 2003, 2902, unter 2 b). Auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, unter welchen Voraussetzungen es sich bei leer stehenden Wohnungen noch um "beheizte Räume" i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 2 2. Alt. HeizKostV handelt, käme es nicht mehr an.
III.
Auf die Revision der Beklagten ist daher das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Zu einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat nicht in der Lage, weil es weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf. In der neuen Berufungsverhandlung werden die Parteien Gelegenheit haben, ihr Vorbringen zu der Frage zu ergänzen, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte bei Zugrundelegung der Gesamtwohnfläche einschließlich der leer stehenden Wohnungen eine Nachzahlung auf die Grundkosten zu leisten hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1118754 |
BGHR 2004, 644 |
DWW 2004, 124 |
DWW 2004, 149 |
EBE/BGH 2004, 1 |
EBE/BGH 2004, 82 |
NJW-RR 2004, 659 |
NZM 2004, 254 |
ZMR 2004, 343 |
MDR 2004, 681 |
WuM 2004, 150 |
Info M 2005, 23 |
MietRB 2004, 163 |
GuG-aktuell 2004, 22 |
IWR 2004, 75 |
MK 2004, 76 |