Leitsatz (amtlich)
a) Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht.
b) Steht der Brand eines geparkten Kraftfahrzeuges in einem ursächlichen Zusammenhang mit dessen Betriebseinrichtungen, ist der dadurch verursachte Schaden an Rechtsgütern Dritter i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG regelmäßig der Betriebsgefahr zuzurechnen (Abgrenzung zum BGH, Urt. v. 27.11.2007 - VI ZR 210/06, VersR 2008, 656).
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 28.05.2013; Aktenzeichen 9 S 319/12) |
AG Karlsruhe (Urteil vom 05.06.2012; Aktenzeichen 7 C 165/12) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Karlsruhe vom 28.5.2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung seines Fahrzeuges durch einen Brand des Fahrzeuges der Beklagten zu 2) geltend.
Rz. 2
Am Nachmittag des 21.1.2012 stellte die Beklagte zu 2) ihren bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Pkw in der Tiefgarage des von ihr mitbewohnten Hausanwesens ab. Der Kläger parkte seinen Pkw neben dem Fahrzeug der Beklagten zu 2). Am frühen Morgen des 23.1.2012 kurz nach 1.00 Uhr geriet der Pkw der Beklagten zu 2) aufgrund Selbstentzündung durch einen technischen Defekt in Brand, wodurch auch der Pkw des Klägers beschädigt wurde. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner den ihm hierdurch entstandenen Schaden i.H.v. 2.924,20 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 316,18 EUR, jeweils zzgl. Zinsen, geltend. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LG die Beklagten in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragen die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus § 7 Abs. 1 StVG vor. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr genüge der nahe zeitliche und örtliche Zusammenhang des Schadensereignisses mit einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges. Dieser sei hier gegeben und zwar unabhängig davon, ob der Brand durch einen Defekt im Bereich der Batterie oder durch einen sonstigen technischen Defekt ausgelöst worden sei. In jedem Fall habe die Selbstentzündung im Bereich einer Betriebseinrichtung des Fahrzeuges der Beklagten zu 2) stattgefunden. Welche genau dies gewesen sei, könne dahinstehen. Unter normativer Betrachtung des weiten Schutzzwecks der Norm greife § 7 Abs. 1 StVG erst dann nicht mehr ein, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spiele. Hieraus ergebe sich jedoch nicht, dass der ursächliche Zusammenhang von Schadensereignis und Betrieb des Kraftfahrzeuges durch den Zeitraum zwischen Beginn und Ende einer Fahrt begrenzt werde. Spezifische von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren könnten ebenso aus den für die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeuges erforderlichen Betriebseinrichtungen erwachsen, was auch nach dem Abstellen des Kraftfahrzeuges gelte.
II.
Rz. 4
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bejaht.
Rz. 5
1. Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges" verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.1988 - VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.; v. 19.4.1988 - VI ZR 96/87, VersR 1988, 641; v. 6.6.1989 - VI ZR 241/88, VersR 1989, 923, 924 f.; v. 3.7.1990 - VI ZR 33/90, VersR 1991, 111, 112; v. 27.11.2007 - VI ZR 210/06, VersR 2008, 656 Rz. 7; v. 31.1.2012 - VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rz. 17; v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rz. 15). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.1962 - VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 315 ff.; v. 27.1.1981 - VI ZR 204/79, BGHZ 79, 259, 262 f.; v. 6.6.1989 - VI ZR 241/88, a.a.O., 925; v. 3.7.1990 - VI ZR 33/90, a.a.O.; v. 26.4.2005 - VI ZR 168/04, VersR 2005, 992, 993; v. 31.1.2012 - VI ZR 43/11, a.a.O.; v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, a.a.O.). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1972 - VI ZR 86/71, VersR 1972, 1074; v. 10.10.1972 - VI ZR 104/71, VersR 1973, 83; v. 10.2.2004 - VI ZR 218/03, VersR 2004, 529, 531; v. 27.11.2007 - VI ZR 210/06, a.a.O., Rz. 9; v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, a.a.O.).
Rz. 6
2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Beschädigung des Fahrzeuges des Klägers mit Recht der vom Fahrzeug der Beklagten zu 2) ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet. Der Schaden am Fahrzeug des Klägers stand in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit dem Brand des Kraftfahrzeuges der Beklagten zu 2), der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den technischen Defekt einer Betriebseinrichtung dieses Fahrzeuges verursacht worden ist. Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeuges an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand - etwa durch einen Kurzschluss der Batterie - unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG - wie die Revision meint - auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch auch in diesen Fällen - im Gegensatz etwa zu einem vorsätzlichen Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeuges (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2007 - VI ZR 210/06, a.a.O., Rz. 11 f.) - durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren entscheidend (mit)geprägt worden. Hierzu reicht es aus, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2007 - VI ZR 210/06, a.a.O., Rz. 12). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 6514703 |
BGHZ 2014, 377 |