Leitsatz (amtlich)
›1. Zur Bemessung der Frist für die ordentliche Kündigung von Kfz-Vertragshändlerverträgen.
2. Die Ausübung einer vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigung - sofern eine angemessene Kündigungsfrist dem abhängigen Vertragspartner eine ausreichende Umstellungszeit gewährt - ist, wenn keine besonderen Umstände hinzutreten, kein Mißbrauch von Marktmacht.
Besondere Umstände können dazu führen, daß vom Recht der ordentlichen Kündigung nur Gebrauch gemacht werden kann, wenn besondere (nicht notwendig: wichtige) Gründe vorliegen. (Hier verneint.)‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beklagte importiert und vertreibt im Inland Fahrzeuge des französischen Herstellers C.. Dazu bedient sie sich neben eigener Niederlassungen sogenannter Vertragshändler, zu denen bei Klageerhebung seit mehr als 30 Jahren auch die Klägerin gehörte. Grundlage der beiderseitigen Beziehung war ein Vertragshändlervertrag, der im Lauf der Zeit in einzelnen Punkten modifiziert wurde. Nach Nummer 14.01 der maßgeblichen Fassung kann der Händlervertrag mit einer Frist von einem Jahr ordentlich gekündigt werden.
1987 traten der Geschäftsführer der Klägerin, dem das von dieser genutzte Betriebsgrundstück gehörte, und die Beklagte in Verhandlungen über eine Anmietung dieses Grundstücks durch die Beklagte ein. Die Beklagte entnahm dem, daß die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb aufgeben wollte, und verlangte nach Scheitern der Gespräche mit Schreiben vom 25. Oktober 1990 von der Klägerin eine verbindliche Erklärung über deren weitere Absichten. Da sie hierauf ihrer Ansicht nach trotz mehrerer Aufforderungen keine befriedigende Antwort erhalten hatte, kündigte sie mit zwei Schreiben vom 18. Dezember 1990 den Händlervertrag zum 31. Dezember 1991. Die Schreiben sind bei der Klägerin am 31. Dezember 1990 eingegangen.
Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam und hat Klage auf Feststellung erhoben, daß das Vertragsverhältnis nicht durch die Kündigung erloschen sei. Daneben hat sie, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, Beteiligung an von der Beklagten veranstalteten Händlertreffen verlangt.
Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, daß der Händlervertrag zwischen den Parteien bis zum 31. Dezember 1992 fortbestanden habe, und hat die Beklagte verurteilt, die Klägerin an den im Antrag beschriebenen Veranstaltungen zu beteiligen, soweit dazu Händler aus deren Gebiet eingeladen würden. Diese Entscheidung haben beide Parteien ohne Erfolg mit der Berufung angegriffen. Dagegen haben die Klägerin und die Beklagte Revision eingelegt, von denen der Senat die der Klägerin nicht zur Entscheidung angenommen hat. Mit ihrem angenommenen Rechtsmittel begehrt die Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage, soweit diese in der Berufungsinstanz noch anhängig war. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt - soweit nicht in den Vorinstanzen Erledigung eingetreten ist - zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage.
I. Kündigung des Händlervertrages
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Kündigung des Händlervertrages durch die Beklagte nicht zum 31. Dezember 1991, sondern erst ein Jahr später wirksam geworden. Die in Nummer 14.01 des Händlervertrages niedergelegte Kündigungsfrist von einem Jahr halte der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand. Innerhalb der durch den Vertrag geschaffenen, auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung müsse sich der Händler den Interessen des Herstellers weitgehend unterordnen und vielfältigen, mit Kosten verbundenen Anforderungen genügen. Damit korrespondiere die Pflicht des Herstellers, ihm eine angemessene Rendite als Ertragsquelle zu sichern. Das schließe angesichts der regelmäßig hohen Investitionen des Händlers eine kurzfristige Vertragsbeendigung aus. Vor diesem Hintergrund verlangten die in einer 30-jährigen Geschäftsbeziehung begründete Ausrichtung der Klägerin auf die Beklagte, insbesondere die zu deren Gunsten getätigten Investitionen, die Ausrichtung des Betriebes und der Kundendienst eine längere als eine einjährige Kündigungsfrist.
2. Das greift die Revision mit Erfolg an.
Zu Recht hat das Berufungsgericht die für das Wirksamwerden der ordentlichen Kündigung maßgebende Fristbestimmung in Nummer 14.01 des Händlervertrages der Prüfung nach dem AGBG unterworfen. Der Vereinbarung liegt ein von der Beklagten in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle genutztes Vertragsmuster zugrunde. Daß die Klägerin als Kapitalgesellschaft des Handelsrechtes Vollkaufmann ist, steht der Anwendung des § 9 AGBG nicht entgegen (vgl. § 24 Satz 2 AGBG), sondern hat allenfalls Auswirkungen auf die nach § 9 AGBG gebotene Interessenabwägung.
Soweit das Berufungsgericht meint, eine einjährige Kündigungsfrist widerspreche bei dem hier vorliegenden Vertragshändlervertrag § 9 Abs. 1 AGBG, kann ihm indessen nicht beigetreten werden. Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist der Fall, wenn der Verwender durch die Klauseln seine Interessen auf Kosten des anderen Teils durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange angemessen zu berücksichtigen oder ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1993 - XII ZR 94/91, BGHR AGBG § 9 - Vertragslaufzeit I; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.3.1987 - I ZR 166/85, DB 1987, 1729 und Urt. v. 10.4.1990 - IX ZR 177/89, WM 1990, 1165, 1166).
Ein Indiz für eine fehlende Angemessenheit in diesem Sinne kann die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen sein, soweit diese als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebotes erscheinen (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG; BGHZ 90, 280, 283 f.).
a) Die auf ein Jahr begrenzte Frist für die ordentliche Kündigung eines Kraftfahrzeughändlervertrages läuft - was das Berufungsgericht nicht verkannt hat - einer gesetzlichen Bestimmung nicht zuwider. Ausdrückliche Regelungen für Vertragshändlerverträge enthält das materielle nationale Recht nicht. Für die - allerdings nur bedingt vergleichbaren - Handelsvertreterverhältnisse ordnet § 89 HGB eine abgestufte Kündigungsfrist an, deren Dauer sich nach der Länge der bisherigen Vertragsverhältnisse bestimmt und im Höchstfall sechs Monate beträgt. Diese Spanne liegt unter der in Nummer 14.01 des Händlervertrages der Beklagten geregelten Kündigungsfrist.
Auch das europäische Recht schreibt eine weitergehende Bindung des Herstellers nicht vor. Vielmehr sind derzeit nach Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 der VO (EWG) Nr. 123/85 der Kommission über die Anwendung von Art. 85 Abs. 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. Nr. L 15/16 v. 18.1.1985 m. spät. Änd.; BGBl. II S. 422) Vertragshändlerverträge bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen freigestellt, wenn sie - wie hier - für die ordentliche Kündigung zugunsten des Händlers eine Mindestfrist von einem Jahr festlegen.
b) Auch wenn eine solche Frist die unterste Grenze darstellt, kann in ihr noch keine unangemessene Benachteiligung der Interessen des Vertragshändlers im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG gesehen werden.
Die Beurteilung der Angemessenheit nach § 9 Abs. 1 AGBG richtet sich nach einer Abwägung der beteiligten Interessen. Sie muß ausgehen von dem Interesse des Händlers an der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zu dem Hersteller, die für seinen Betrieb von wesentlicher Bedeutung ist. Diese Geschäftsbeziehung ist schon deshalb, weil sie auf Dauer angelegt ist, nur schwer zu ersetzen. Hinzu kommt, daß die Marktverhältnisse nur schwer einen kurzfristigen Ersatz für eine gekündigte Vertragshändlerbeziehung erwarten lassen. Dies und die strenge Ausrichtung des Vertragshändlers und seines Unternehmens auf den Hersteller bzw. Importeur im Kraftfahrzeughandel gebieten, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine gesteigerte Rücksichtnahme des Herstellers auf seinen Vertragspartner. Von diesem werden in der Geschäftsbeziehung in erheblichem Umfang Investitionen erwartet. Diese sind außerhalb der Vertragshändlerbeziehung häufig nicht oder nur unter Schwierigkeiten zu verwenden, insbesondere soweit sie auf einen speziellen Hersteller bezogen sind. Dem Berufungsgericht ist daher auch darin beizutreten, daß dem Vertragshändler nach der Interessenlage Gelegenheit gegeben werden muß, zumindest einen Teil dieser auch im Interesse des Herstellers erbrachten Ausgaben wieder zu erwirtschaften (vgl. OLG München WuW/E OLG 5091, 5096; OLG Stuttgart WuW/E OLG 3415; siehe auch BGH, Urt. v. 25.5.1988 - VII ZR 360/86, WuW/E BGH 2515; Pfeffer, NJW 1985, 1241, 1246; vgl. auch Foth, BB 1987, 1270 ff.).
Auch unter Berücksichtigung dessen erfordert die Interessenlage jedoch keine allgemein über ein Jahr hinausgehende Mindestfrist für die ordentliche Kündigung. Hersteller- und markenspezifisch ist lediglich ein Teil der Ausgaben, die Aufbau und Führung eines Kraftfahrzeughändlerbetriebes mit sich bringen. Ausgaben für Vorräte an Fahrzeugen und Ersatzteile müssen in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben, weil der Hersteller bzw. Importeur insoweit einer weitgehenden Rücknahmepflicht unterliegt (BGHZ 54, 338, 343; BGH, Urt. v. 23.11.1994 - VIII ZR 254/93, NJW 1995, 524, 525 = BB 1995, 113, 114).
Daß der Händler Betriebsgelände und -räume bereitstellt, ist Voraussetzung dafür, daß er die Tätigkeit aufnehmen kann. Die Aufwendungen hierfür sind in erster Linie sein Risiko und können bei der Bemessung der Kündigungsfrist nicht wesentlich zu Lasten des Herstellers gehen; dies gilt jedenfalls dann, wenn der Hersteller den Händler nicht im Vertragsanbahnungsstadium zu den Aufwendungen veranlaßt hat.
Darüber hinaus können das Gelände und die Räume unabhängig vom Anschaffungszeitpunkt im allgemeinen auch für andere Zwecke, insbesondere im Rahmen eines anderen Vertragshändlervertrages, verwendet werden. Schließlich kann der in ihnen verkörperte Wert gegebenenfalls auch im Wege des Verkaufs realisiert werden. Vermögenseinbußen sind allerdings vor allem bei der markenspezifischen Ausgestaltung der Geschäfts- und Werkstatträume und Gebäude zu erwarten. Das gleiche gilt grundsätzlich für die Ausstattung mit Werkzeugen, die lediglich zu einem Teil aus hersteller-spezifischen Spezialwerkzeugen besteht.
Hinzu kommt, daß das Risiko eines Scheiterns der Beziehung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Stellung nicht allein dem Vertragspartner des Händlers auferlegt werden kann. Mit dem Vertragsschluß ist auch der Händler ein wirtschaftliches Risiko eingegangen. Die Kündigungsfrist muß nicht Gewähr dafür bieten, daß er seine Investitionen bis zum Ablauf der Frist vollständig wieder erwirtschaften kann.
Vor diesem Hintergrund gebieten die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen nach der Interessenlage nicht allgemein eine über ein Jahr hinausgehende Kündigungsfrist. Im Einzelfall abweichende Kostenstrukturen berühren nicht die Frage, ob die Jahresfrist für die ordentliche Kündigung im Sinne des § 9 AGBG angemessen ist. Daß bereits bei Vertragsschluß derartige individuelle Besonderheiten vorgelegen haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revision greift dies nicht an. Die Beurteilung nach § 9 AGBG ist auf die bei Vertragsschluß vorliegenden Umstände beschränkt, einschließlich der Entwicklungen, mit denen bereits bei Vertragsschluß typischerweise zu rechnen ist. Aber auch in dieser Hinsicht sind vom Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, die eine längere Mindestkündigungsfrist gebieten würden. Im übrigen sind individuelle Besonderheiten, die erst nach Vertragsschluß eintreten, nicht nach § 9 AGBG, sondern gegebenenfalls nach § 242 BGB, etwa unter dem Gesichtspunkt der Kündigung zur Unzeit, zu würdigen.
c) Als unangemessen kann die hier bestimmte Mindestfrist von einem Jahr auch nicht deshalb angesehen werden, weil andere Kraftfahrzeughersteller oder auch Importeure nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ihren Vertragshändlern günstigere Bedingungen einräumen. Daß sich insoweit ein allgemeiner, die Frist von einem Jahr übersteigender Standard etabliert hat, macht die Klägerin nicht geltend. Die in den Vorinstanzen eingereichten Vertragsmuster lassen ein unterschiedliches Bild erkennen.
Kein entscheidendes Gewicht kommt dem von der Klägerin angeführten Gesichtspunkt zu, die in den Verträgen der Beklagten enthaltene Frist von nur einem Jahr erschwere es dem gekündigten Händler, zu einem anderen Hersteller oder Importeur zu wechseln, wenn dieser mit seinen Partnern längere Kündigungsfristen habe. Nach der Lebenserfahrung spricht wenig dafür, daß ein Hersteller, der eine funktionierende Geschäftsbeziehung zu einem anderen Vertragspartner bereits hat, diese Beziehung auflösen wird, um mit dem anderwärts gekündigten Händler eine neue einzugehen. Zudem würde ein solcher Wechsel in der Regel nur innerhalb desselben örtlichen Bereichs in Betracht kommen.
d) Der angemessene Interessenausgleich gebietet eine längere Kündigungsfrist auch nicht deshalb, weil der gekündigte Vertragshändler nach den Marktverhältnissen kurzfristig nur schwer einen neuen Vertragspartner finden wird. Wie die bisher erfolglose Suche der Klägerin zeigt, vergrößern sich die Aussichten auch mit zunehmender Dauer nicht ohne weiteres. Angesichts eines im wesentlichen vollständig abgedeckten Marktes eröffnet sich die Möglichkeit zum Abschluß eines neuen Vertrages allgemein nur in geringem Umfang. Wollte man hierauf abstellen, wäre eine Kündigung des Vertragshändlervertrages weitgehend ausgeschlossen. Eine so weitreichende Beschränkung der Rechte des Herstellers/Importeurs von Kraftfahrzeugen kann § 9 Abs. 1 AGBG nicht entnommen werden. Es muß ihm unbenommen bleiben, seine Vertriebsorganisation neu definierten Zielsetzungen entsprechend zu gestalten und in diesem Zusammenhang sich auch von Vertragshändlern zu lösen, die nicht mehr in dieses Konzept passen. Die Umsetzung eines solchen legitimen Anliegens würde zumindest erschwert, müßte der Hersteller auf Dauer oder zumindest über mehrere Jahre hinweg die Geschäftsbeziehung zu einem aus diesem Grunde gekündigten Vertragshändler aufrechterhalten.
Hinzu kommt, daß zwar die beiderseitigen Verpflichtungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehen und daher insbesondere eine nachlassende Loyalität des Vertragspartners nicht hingenommen werden müßte. Von dem Hersteller ist jedoch zu erwarten, daß er den Bemühungen des Händlers um einen neuen Vertragspartner Rechnung trägt. Damit entsteht auch bei fortbestehenden Vertragsverpflichtungen in der Endphase bis zum Auslaufen des Vertrages aus vielfältigen Gründen ein Schwebezustand. Diesen hinzunehmen kann auch von dem Hersteller oder Importeur nur für eine begrenzte Zeit verlangt werden.
e) Daß der Vertrag keine nach der Dauer der Geschäftsbeziehung abgestufte Kündigungsfrist vorsieht, begegnet entgegen der Auffassung der Revision im Hinblick auf § 9 Abs. 1 AGBG ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Zutreffend ist allerdings ihr Hinweis, daß das Recht an mehreren Stellen die Bemessung der Kündigungsfrist von der Dauer des Vertrages abhängig macht. Eine solche Regelung trifft für den hier interessierenden Bereich insbesondere § 89 b HGB, dessen Spanne jedoch durch die im Vertrag vorgesehene generelle Kündigungsfrist überschritten ist. Eine darüber hinausgehende Differenzierung zwingend zu verlangen, findet auch unter Berücksichtigung der Erfahrungstatsache, daß eine Geschäftsbeziehung mit zunehmender Dauer schwerer zu ersetzen sein wird, in der Interessenlage keine tragfähige Grundlage. § 9 AGBG kann lediglich den unteren Rahmen festlegen, der zu Lasten des Vertragspartners des Klauselverwenders nicht unterschritten werden darf. Diese Grenze ist hier mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr nicht verletzt.
3. Bestehen gegen die nur einjährige Kündigungsfrist keine durchgreifenden Bedenken aus § 9 AGBG, so stellt sich, wie bereits erwähnt, die Frage, ob im konkreten Fall Umstände vorliegen, die die Auflösung des Vertrages mit einer einjährigen Kündigungsfrist als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lassen. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, hierzu keine Ausführungen gemacht. Die Frage ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die dem Senat eine abschließende Entscheidung ermöglichen, zu verneinen.
Das angefochtene Urteil enthält keine Anhaltspunkte für eine vom Regelfall der Kündigung eines Vertragshändlers abweichende Interessenlage, die zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist Anlaß geben könnten. Diese ergeben sich auch aus dem durch das Berufungsgericht in Bezug genommenen Vorbringen der Klägerin nicht. Investitionen, auf die die Beklagte bei der Auflösung des Vertrages hätte Rücksicht nehmen müssen, hat die Klägerin, die insoweit die Darlegungsund Beweislast trifft, substantiiert nicht vorgebracht. Konkret und beziffert wurden von ihr lediglich die Ausgaben für die Ausstellungshalle für neue Modelle. Diese kann sie der Kündigung jedoch nicht entgegenhalten. Wie die Klägerin mit der Klagebegründung vorgetragen hat, haben ihr Mitarbeiter der Beklagten von dieser Investition ausdrücklich abgeraten, so daß sie allein in den Risikobereich der Klägerin gefallen ist.
4. Auch auf § 26 Abs. 2 GWB, den das Berufungsgericht in Konsequenz seiner Rechtsauffassung zu § 9 AGBG ebenfalls nicht näher geprüft hat, läßt sich eine Unwirksamkeit der Kündigung nicht stützen. Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt stellt weder eine unbillige Behinderung noch eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin dar.
Die Beklagte ist Normadressatin des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB. Eine zur Anwendung der Vorschrift führende Abhängigkeit ist in der Rechtsprechung des Senats angenommen worden, wenn sich - wie hier - ein Vertragshändler ausschließlich an einen Automobilhersteller gebunden hat (vgl. u. a. BGH, Urt. v. 23.2.1988 - KZR 20/86, WuW/E BGH 2491, 2493 - Opel-Blitz; Beschl. v. 19.1.1993 - KZR 20/91, ZIP 1993, 455 - Fremdleasingboykott); schon die Wettbewerbsnachteile, die mit einem Wechsel zu einem anderen Hersteller typischerweise verbunden sind, begründen eine Abhängigkeit im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB.
Die Kündigung betrifft einen Geschäftsverkehr, der anderen gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Jedenfalls die Beziehungen der Beklagten zu den einzelnen Händlern innerhalb der Vertriebsorganisation sind ein Geschäftsverkehr, der den anderen Vertragspartnern zugänglich ist.
Für die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 26 Abs. 2 GWB (unbillige Behinderung bzw. sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung) ist eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes maßgebend (BGHZ 81, 322, 331 - Original-VW-Ersatzteile II; BGH, Beschl. v. 19.1.1993 - KVR 25/91, WuW/E BGH 2875, 2877 - Herstellerleasing; vgl. auch Langen/Bunte/Schultz, Kartellrecht, 7. Aufl., § 26 GWB Rdn. 37 f.).
a) Diese Bewertung erfordert bei der ordentlichen Kündigung eines Vertragshändlerverhältnisses grundsätzlich nicht, daß der Hersteller, der von der vertraglich vereinbarten Kündigungsmöglichkeit Gebrauch macht, nähere Gründe angibt, die das Gericht auf ihre Berechtigung und ihr Gewicht, zumal unter betrieblichen und unternehmerischen Gesichtspunkten, zu prüfen hätte.
Im vorliegenden Fall ist im Vertrag vereinbart worden, jeder Vertragspartner könne den Vertrag unter Angabe von Gründen mit einer Frist von 12 Monaten kündigen. Dieser Begründungspflicht hat die Beklagte mit dem Hinweis auf die aus ihrer Sicht durch das Verhalten der Klägerin geschaffene unsichere Lage über die Fortführung des Geschäftsbetriebes genügt.
Nach dem allgemeinen Zivilrecht muß eine Kündigung weder begründet noch gerechtfertigt werden (vgl. Ulmer, Der Vertragshändler, S. 459, 460; Graf v. Westphalen, NJW 1982, 2465, 2469). Ihre Grenzen werden durch das Verbot sittenwidrigen Handelns, das Schikaneverbot und die Grundsätze von Treu und Glauben bestimmt. Demgemäß ist die Geltendmachung von Gründen nicht ausgeschlossen, die das Verlangen nach Beendigung des Vertrages nicht als legitime Ausnutzung der durch das Zivilrecht eröffneten Rechte erscheinen lassen. Innerhalb der so bestimmten Grenzen ist eine Kündigung jedoch grundsätzlich auch bei einer über längere Zeit ungestört verlaufenden Geschäftsbeziehung üblich und zulässig.
Der Normadressat des § 26 Abs. 2 GWB kann freilich engeren Befugnisschranken unterliegen als nach allgemeinem Zivilrecht. Sie sind nach der eingangs genannten umfassenden Interessenabwägung zu bestimmen. Das führt aber grundsätzlich bei der ordentlichen Kündigung eines Vertragshändlerverhältnisses nicht dazu, daß der Händler, will er die Bewertung der Kündigung als unbillige Behinderung vermeiden, nähere Gründe vorbringen müßte, die vom Gericht nachzuprüfen und zu bewerten wären. Die Vorschrift des § 26 Abs. 2 GWB will auch dem Normadressaten einen unternehmerischen Freiraum bei der Gestaltung und Pflege seines Vertriebssystems belassen und nur den Mißbrauch von Marktmacht verhindern (vgl. BGHZ 107, 273, 279 - Staatslotterie; BGH, Urt. v. 12.11.1991 - KZR 2/90, WuW/E BGH 2755, 2758 - Aktionsbeträge). Die Ausübung einer vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigung - sofern sie durch eine angemessene Kündigungsfrist dem abhängigen Vertragspartner eine ausreichende Umstellungsfrist gewährt - ist aber, wenn keine besonderen Umstände hinzutreten, kein Mißbrauch von Marktmacht. Sie bedarf daher außer dem Hinweis auf die wirksame vertragliche Vereinbarung grundsätzlich keiner weiteren sachlichen Rechtfertigung (vgl. Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 26 Rdn. 222; Bechtold, GWB, § 26 Rdn. 45, jew. m.w.N.; vgl. auch Saxinger, Zulieferverträge im deutschen Recht, S. 230 f.).
Auch aus der zweiten Tatbestandsalternative des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB (sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung) ist nicht abzuleiten, der Hersteller müsse die ordentliche Kündigung näher begründen, wenn er gegenüber anderen Vertragshändlern nicht ebenfalls vom vertraglichen Kündigungsrecht Gebrauch mache. Für die normative Bewertung gilt ein einheitlicher Maßstab für beide Alternativen des Gesetzeswortlauts (vgl. Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 26 Rdn. 181) und in der Interessenabwägung reicht, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die Berufung auf das vertraglich vereinbarte Recht der ordentlichen Kündigung aus.
Die Anwendbarkeit des § 26 Abs. 2 GWB kann freilich unter besonderen Voraussetzungen dazu führen, daß der Normadressat sogar einem Kontrahierungszwang, z.B. einer Belieferungspflicht oder einer Bezugspflicht, unterliegt (vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.5.1976 - KZR 14/75, WuW/E BGH 1423 = GRUR 1976, 600 m. Anm. Kroitzsch - Sehhilfen; Beschl. v. 25.10.1988 - KVR 1/87, WuW/E BGH 2535 - Lüsterbehangsteine; Beschl. v. 21.2.1995 - KVR 10/94, zur Veröffentlichung vorgesehen - Importarzneimittel). Daraus folgt, daß - wenn die Verhältnisse ansonsten vergleichbar sind - ein laufendes Vertragsverhältnis auch nicht ohne weiteres, sondern nur beim Vorliegen besonderer (nicht notwendig: wichtiger) Gründe gekündigt werden kann; denn der Kündigende wäre gegebenenfalls zum sofortigen erneuten Vertragsschluß verpflichtet (vgl. BGHZ 107, 273, 279 - Staatslotterie). Jedenfalls für die Fallgruppe der Vertragshändlerverträge liegt es aber nicht so. Der Hersteller ist, wie ohne weiteres einleuchtet, nicht grundsätzlich verpflichtet, mit einem (oder gar mit jedem) Bewerber in ein Vertragshändlerverhältnis einzutreten. Wenn nicht besondere Umstände vorliegen und wenn eine angemessene Kündigungsfrist eingeräumt ist, ist es für die Interessenabwägung nach § 26 Abs. 2 GWB nicht erforderlich, in eine nähere Prüfung von Gründen für die ordentliche Kündigung einzutreten.
Im vorliegenden Fall sind besondere, über die Abhängigkeit der Klägerin von der Beklagten hinausgehende Umstände vom Berufungsgericht nicht festgestellt. Verfahrensrügen sind insoweit nicht erhoben.
b) Auch die Bemessung der Kündigungsfrist auf ein Jahr begegnet im Hinblick auf § 26 Abs. 2 GWB im vorliegenden Fall keinen Bedenken. Bei Abwägung der gegenüberstehenden Interessen trägt eine Kündigung mit einer solchen Frist hier den schutzwürdigen Belangen des Vertragshändlers noch in ausreichendem Umfang Rechnung (im Ergebnis ebenso Langen/Bunte/Schultz aaO., § 26 Rdn. 192; OLG Stuttgart, WuW/E OLG 4458). Sie entspricht der Regelung in der geltenden Gruppenfreistellungsverordnung 123/85, deren Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 diese Zeitspanne ebenfalls als Mindestfrist ausreichen läßt.
Allgemeine Gründe, die im Rahmen der Interessenabwägung nach § 26 Abs. 2 GWB der Wirksamkeit der in dem Vertrag über die Kündigungsfrist getroffenen Regelung entgegengehalten werden könnten, sind hier - ebenso wie bei der insoweit vergleichbaren Abwägung bei § 9 Abs. 1 AGBG - nicht zu erkennen. Besondere Umstände, die über diese allgemeinen Erwägungen hinaus die Abwägung zugunsten der Klägerin beeinflussen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Daß es dabei wesentlichen Sachvortrag übergangen hat, ist nicht ersichtlich und wird von der Revisionserwiderung auch nicht geltend gemacht.
Ebensowenig hat die Klägerin Gründe vorgetragen, die die Ausübung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist mit der im Vertrag vorgesehenen Frist als Verstoß gegen § 26 Abs. 2 GWB erscheinen lassen können. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, daß und in welcher Höhe sie Ausgaben im Interesse der Beklagten getätigt hat, die sie noch nicht wieder hat erwirtschaften können und die deswegen zu einer Verlängerung der Kündigungsfrist hätten Anlaß geben können. Auch hier müssen - ähnlich wie bei der Prüfung des § 242 BGB - die gegen den Rat der Beklagten erbrachten Ausgaben für die Ausstellungshalle unberücksichtigt bleiben.
II. Beteiligung an den Händlertreffen
Nach den Feststellungen in dem Berufungsurteil hat die Klägerin in der zweiten Instanz ihr Begehren, an den von der Beklagten durchgeführten Veranstaltungen als deren Vertragshändlerin beteiligt zu werden, mit Rücksicht auf den unstreitigen Zeitablauf für erledigt erklärt. Da danach eine Verpflichtung der Beklagten ausschied, sind die im Berufungsverfahren gestellten Anträge der Klägerin bei verständiger Würdigung dahin zu deuten, daß die Klägerin insoweit - nachdem die Beklagte nicht zugestimmt hatte - Feststellung der Erledigung begehrte. Demgemäß ist das Berufungsurteil entsprechend klarzustellen, soweit es den Zeitraum bis zum Ablauf des Vertrages am 31. Dezember 1991 betrifft. Bis zu diesem Tage stand der Klägerin der geltend gemachte Anspruch aufgrund des Händlervertrages zu, wie das Berufungsgericht im einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Dem tritt der erkennende Senat bei.
Demgegenüber kann die Verurteilung der Beklagten für den von der Revision angegriffenen anschließenden Zeitraum nicht bestehen bleiben. Hier ist eine Erledigung nicht eingetreten, da die Klage unbegründet war. Mit dem Ablauf der Kündigungsfrist fanden auch die auf die Vereinbarung gegründeten Ansprüche auf Unterstützung bei der gewerblichen Betätigung ihr Ende. Eine sonstige Anspruchsgrundlage für dieses Begehren ist nicht ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 Abs. 2 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2993323 |
BB 1995, 1657 |
BB 1996, 2160 |
DB 1995, 2008 |
BGHR AGBG § 9 Abs. 1 Vertragshändlervertrag 7 |
BGHR GWB § 26 Abs. 2 Behinderung 12 |
DRsp I(120)213c |
NJW-RR 1995, 1260 |
GRUR 1995, 765 |
WM 1995, 1636 |
MDR 1996, 362 |
VRS 90, 101 |
WRP 1995, 708 |