Leitsatz (amtlich)
Verweist eine vertragliche Regelung auf eine „Gewährleistungsfrist nach VOB/B”, so betrifft das vorrangig eine zwischen den Beteiligten gemäß § 13 Nr. 4 1. Hs VOB/B getroffene Vereinbarung.
Normenkette
VOB/B § 13 B Nr. 4
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 7 O 537/88) |
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 5 U 210/89) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. März 1990 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind die Wohnungseigentümer einer Eigentumswohnungsanlage in D.. Sie verlangen von der Beklagten 561.000 DM Kostenvorschuß zuzüglich Zinsen zur Beseitigung von Mängeln an Aluminiumteilen der Fassadenbekleidung. Die Beklagte hat die Anlage aufgrund einer Vereinbarung vom 2. März 1978 als Generalunternehmer errichtet. Zu den Vereinbarungen gehören drei Klauselwerke, der Generalunternehmervertrag (künftig: „GUV”), die Allgemeinen Vertragsbedingungen (künftig: „AVB”) und die VOB/B.
Über ihr Verhältnis zueinander bestimmt der GUV:
„Die beiderseitigen Rechte und Pflichten der Vertragspartner bestimmen sich nach den Vereinbarungen dieses Vertrages einschließlich Anlagen. Soweit sich danach nichts anderes ergibt, werden in der Reihenfolge der Aufzählung der Bestimmungen der VOB Teil B und C als Vertragsbestandteile vereinbart. Im Range danach richtet sich das Vertragsverhältnis nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen.”
Soweit das hier bedeutsam ist, sehen die AVB vor, daß der GUV vor den AVB, die VOB/B hingegen nachrangig gelten solle.
Die Beklagte hält die Ansprüche unter Zugrundelegung einer zweijährigen Verjährungsfrist für verjährt. Das Vertragswerk enthält insoweit folgende Regelungen:
- „Gemäß § 10 AVB beträgt die Verjährung für die Werkleistung – mit hier nicht einschlägigen Ausnahmen – fünf Jahre entsprechend den Bestimmungen des BGB.
- Im GUV ist in § 6 Abs. 4 b vorgesehen, daß die Rückgabe der zweiten Rate der Sicherheitsleistung an den Ablauf der „vertraglich vereinbarten Gewährleistungsfrist von zwei Jahren” gebunden ist.
- Nach § 8 Abs. 2 GUV regelt sich die Gewährleistungsfrist nach VOB/B.”
Landgericht und Oberlandesgericht sind davon ausgegangen, daß lediglich eine zweijährige Verjährung gemäß § 13 Nr. 4 VOB/B vereinbart sei und haben deshalb die Klage abgewiesen bzw. die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision der Kläger, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die Ansprüche für verjährt. Der nach den Vereinbarungen vorrangige GUV enthalte zwei Bestimmungen, die sich auf eine zweijährige Verjährung bezögen und sie voraussetzten. Deshalb könne die in den nachrangigen AVB vorgesehene fünfjährige Verjährung nicht gelten, vielmehr müsse es bei der zweijährigen Verjährung nach § 13 Nr. 4 VOB/B verbleiben. Auch sei die Verjährung nicht wegen der Mängel an allen Fassadenteilen unterbrochen oder gehemmt worden. Die jetzt geltend gemachten Mängel seien, auch in ihren Ursachen, anderer Art als die von der Beklagten anerkannten.
II.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Bei richtiger Auslegung des Vertragswerks haben die Parteien eine fünfjährige Verjährung vereinbart. Danach ist der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt.
1. Die Auslegung des Berufungsgerichts beruht auf einem nicht nur regelungstechnischen, sondern auch methodischen Vorrang des GUV vor allen anderen Vertragsbestimmungen. Sie führt zu einer mit § 133 BGB nicht vereinbaren Buchstabenauslegung und vernachlässigt, daß die Beteiligten ihre Vereinbarungen einschließlich der Rangklauseln als sinnvolles Ganzes gewollt haben. Für die Gesamtvereinbarungen sind diese Klauseln nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrem vertragstechnischen Sinn Kollisionsregeln für den Fall von Widersprüchen. Solche Widersprüche bestehen bei richtigem Verständnis des Vertrags hier nicht.
a) Die Vorschrift des § 4 GUV regelt unmittelbar nur die Rückgabe von Sicherheiten, die auch dann einen vertraglichen Sinn haben kann, wenn nach zwei Jahren bei weiterlaufender Gewährleistung lediglich die Sicherheiten zurückzugeben sind.
b) Soweit § 8 GUV hinsichtlich der Gewährleistungsfrist auf die VOB/B verweist, bedeutet das entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts noch nicht, daß damit die in § 13 Nr. 4 VOB/B enthaltene Frist von zwei Jahren gilt. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, stellt diese Frist eine Auffangregelung dar, die eingreift, wenn die Parteien für die Gewährleistung keine andere Verjährungsfrist vereinbart haben.
Gerade das ist hier in § 10 AVB geschehen. Bei dieser Sachlage hat die spezielle Regelung nach dem klaren Parteiwillen Vorrang vor der nur hilfsweise geltenden Auffangregelung der VOB/B. Daß eine Vereinbarung über eine fünfjährige Frist auch der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz standhält, hat der Senat bereits entschieden (BGHZ 107, 75, 81 ff).
Da man die vertragliche Verweisung auf die Frist des § 13 Nr. 4 VOB/B durchaus auch als Bestätigung dieses Ergebnisses verstehen kann, trifft – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch nicht zu, daß § 8 Abs. 2 GUV damit ohne Regelungsfunktion wäre.
Im übrigen könnte der Argumentation des Berufungsgerichts selbst dann nicht gefolgt werden, wenn man deren Ansatz als richtig unterstellt. Das Oberlandesgericht läßt nämlich außer acht, daß aus mehreren Klauselwerken zusammengesetzte Bauverträge häufig Bestimmungen enthalten, die überflüssig sind. Es ist gerade eine wesentliche vertragstechnische Funktion von Rangregelungen, den Beteiligten Überlegungen über die Notwendigkeit oder Überflüssigkeit von Einzelbestimmungen zunächst zu ersparen und Meinungsverschiedenheiten über die getroffene Regelung auf den Streitfall zu verlagern. Das mag wegen überflüssiger Bestimmungen aus Gründen der Vertragstransparenz unerwünscht und auch nicht risikofrei sein, ist aber eine typische Folge dieser Regelungstechnik.
c) Läßt sich somit aus dem GUV nichts gegen die in den AVB vorgesehene fünfjährige Verjährung entnehmen, so haben die Beteiligten für die hier in Frage stehenden Ansprüche gemäß den AVB eine fünfjährige Verjährung vereinbart, die noch nicht eingetreten ist.
2. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die Gewährleistung wegen der hier geltend gemachten Mängel auch deshalb nicht verjährt ist, weil alle Fassadenplatten denselben Produktionsmangel aufweisen, der sich lediglich in unterschiedlichen äußeren Erscheinungsformen gezeigt hat. Sollte dies – wofür vieles spricht – der Fall sein, so wäre nach der ständigen Senatsrechtsprechung die Verjährung beiallen Platten nicht eingetreten (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 18. Januar 1990 – VII ZR 260/88 = BGHZ 110, 99 m.w.N.).
Offenbleiben kann auch, ob das Berufungsgericht die von den Klägern geltend gemachte Hemmung der Verjährung gemäß § 639 Abs. 2 BGB zutreffend gesehen hat.
3. Das Berufungsurteil kann daher nicht bestehenbleiben. Es ist aufzuheben. Da weitere Feststellungen zur sachlichen Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs erforderlich sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Bliesener, Quack, Haß, Hausmann, Wiebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.03.1991 durch Henco Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 513516 |
BB 1991, 1453 |
NJW 1991, 2635 |
Nachschlagewerk BGH |