Leitsatz (amtlich)
a) Der Urheber, der nach § 36 Abs. 1 UrhG eine angemessene Beteiligung fordert, braucht nicht darzutun, daß die unerwartet hohen Erträgnisse aus der Nutzung seines Werkes gerade auf seinem schöpferischen Beitrag beruhen. Doch kann ein grobes Mißverhältnis zwischen der vereinbarten Gegenleistung und den Erträgnissen dann zu verneinen sein, wenn der Urheber nur einen untergeordneten Beitrag zu dem Werk geleistet hat (im Anschluß an BGHZ 137, 387, 397 – Comic-Übersetzungen I).
b) Der Urheber, der nach § 36 Abs. 1 UrhG Anspruch auf Einwilligung in eine Vertragsänderung hat, kann die Anhebung seiner Vergütung auf eine (noch) angemessene Beteiligung beanspruchen. Eine Anhebung, durch die lediglich das grobe Mißverhältnis entfällt, reicht nicht aus.
Ist dem Kläger bei der Berechnung seines Klageanspruchs ein Fehler zu seinem Nachteil unterlaufen mit der Folge, daß er weniger beantragt, als ihm bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung bei zutreffender Berechnung zustehen würde, sind – wenn sich der Fehler keiner Position zuordnen läßt – alle Klagepositionen anteilsmäßig zu kürzen.
Normenkette
UrhG § 36; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 308 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin und auf die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 30. Juli 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
- die Beklagte über den Betrag von 61.813,87 DM (zuzüglich 4 % Zinsen aus 57.813,69 DM seit 17. März 1994 und aus 61.813,87 DM seit 29. Oktober 1996) hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist;
- das Berufungsgericht die Klageabweisung hinsichtlich der Titel a) bis f) der Dschungelbuch-Serie und hinsichtlich der Bambi-Serie (BU 7/8) bestätigt hat, wobei 139.445,66 DM des Klageantrags zuzüglich Zinsen auf diese zehn Hörspielproduktionen entfallen.
Die weitergehende Anschlußrevision wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Verfasserin zahlreicher Manuskripte für Kinderhörspiele. Die Beklagte vertreibt diese – in ihrem Auftrag von einem Dritten produzierten – Hörspiele auf Musikkassetten zu einem günstigen Preis (Verkaufspreis ca. 10 DM). Die Klägerin erhielt für jedes Hörspiel vereinbarungsgemäß ein Honorar in Höhe von zunächst 1.500 DM, später 1.750 DM. Im Hinblick auf den Erfolg der Hörspiele verlangt sie eine Anpassung der Verträge und Zahlung der Differenz zu einem angemessenen Honorar, das sie mit 5 % des Herstellerabgabepreises (Preis der Abgabe an den Handel) bemißt.
Nachdem die Klägerin ihre Klage beschränkt hat, sind noch drei zwischen 1991 und 1993 produzierte Hörspielserien im Streit: die sog. Dinosaurier-Serie mit zehn, die Dschungelbuch-Serie mit neun und die Bambi-Serie mit vier Titeln. Die Dinosaurier-Serie knüpft mit eigenen Geschichten und selbst erfundenen Charakteren an den Film „Jurassic Park” an; die anderen beiden Serien verwenden Charaktere aus den bekannten Walt-Disney-Vorlagen, um eigene Geschichten zu erzählen. Mit Ausnahme der ersten drei Titel der Dschungelbuch-Reihe, die noch mit 1.500 DM entgolten wurden, hat die Klägerin für jedes dieser Hörspiele 1.750 DM erhalten. Bis Oktober 1996 wurden von den zehn Hörspielen der Dinosaurier-Serie 341.973, von den neun Hörspielen der Dschungelbuch-Reihe 395.506 und von den vier Bambi-Titeln 224.638 Exemplare verkauft. Bei einem Herstellerabgabepreis von zunächst 5,65 DM, ab 1994 6,21 DM ergeben sich daraus Bruttoerlöse der Beklagten in Höhe von 1.947.252,33 DM für die Hörspiele der Dinosaurier-Serie, 2.291.676,26 DM für die Hörspiele der Dschungelbuch-Reihe und 1.344.937,90 DM für die Bambi-Hörspiele.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr sei zu Beginn der Zusammenarbeit mit der Beklagten bedeutet worden, daß ein nennenswerter Ertrag aus dem Vertrieb der Hörspielkassetten nicht zu erwarten sei. Von dem erfolgreichen Verkauf der Kassetten habe sie erst wesentlich später erfahren.
Das Landgericht hat die zunächst erhobene unbezifferte Klage abgewiesen. Nachdem die Beklagte im Laufe des weiteren Verfahrens die Verkaufszahlen für die fraglichen Hörspielproduktionen mitgeteilt hat, hat die Klägerin ihren Antrag beziffert und zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 221.823,27 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen und in eine Vertragsänderung einzuwilligen, wonach für jeden seit dem 29. Oktober 1996 verkauften Tonträger der im einzelnen benannten Hörspiele der Serien „Dinosaurier”, „Bambi” und „Dschungelbuch” eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 5 % des Listenabgabepreises an den Handel zu zahlen sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Auf die Bestimmung des § 36 UrhG könne sich die Klägerin nicht berufen, weil ihre Hörspiele einer Mischkalkulation unterworfen seien. Neben den erfolgreichen Produktionen, die die Klägerin zum Gegenstand des Klageantrags gemacht habe, gebe es eine Reihe von Hörspielen, die noch nicht einmal die Herstellungskosten eingespielt hätten. Im übrigen beruhe der Erfolg der Hörspiele nicht so sehr auf der schöpferischen Leistung der Klägerin als auf den aus anderen Filmen und Romanen bekannten Figuren, für deren Verwendung sie, die Beklagte, Lizenzgebühren habe zahlen müssen, sowie auf ihren besonderen Verkaufsaktivitäten und ihrem guten Namen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß die Klägerin die Voraussetzung des § 36 UrhG nicht dargetan habe. Das Berufungsgericht hat einen Zahlungs- und Vertragsanpassungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der sechs ersten Titel der Dinosaurier-Reihe bejaht und die Beklagte zur Zahlung von 71.469,14 DM zuzüglich Zinsen sowie hinsichtlich dieser Titel zur Einwilligung in die beantragte Vertragsanpassung verurteilt. Im übrigen – also hinsichtlich der vier neueren Titel der Dinosaurier-Reihe sowie hinsichtlich sämtlicher Titel der Dschungelbuch- und der Bambi-Reihe – hat das Berufungsgericht die Klageabweisung bestätigt.
Hiergegen richten sich die Revision der Klägerin sowie die Anschlußrevision der Beklagten. Die Revision der Klägerin hat der Senat nur hinsichtlich der ersten sechs (von neun) Titeln der Dschungelbuch-Reihe und hinsichtlich der vier Titel der Bambi-Reihe angenommen. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin die abgewiesenen Klageanträge weiter. Die Beklagte tritt der Revision entgegen und begehrt mit der Anschlußrevision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Anschlußrevision der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Dagegen hat die Revision der Klägerin in dem Umfang Erfolg, in dem sie vom Senat angenommen worden ist.
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin hinsichtlich der Hörspielmanuskripte für die ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Serie einen Anspruch auf Vertragsanpassung und Zahlung nach § 36 Abs. 1 UrhG zugebilligt, einen solchen Anspruch dagegen hinsichtlich der anderen Produktionen dieser Serie sowie hinsichtlich sämtlicher Produktionen der Dschungelbuch- und der Bambi-Serie verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Bestimmung des § 36 UrhG setze voraus, daß das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung besonders schwerwiegend gestört sei und das Verhältnis der beiden Leistungen zueinander jedem billig und gerecht Denkenden als unzumutbar erscheine, wobei nicht auf den Gewinn, sondern auf die Bruttoerlöse abzustellen sei. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Serie erfüllt. Auch wenn der erfolgreiche Film „Jurassic Park” als Anregung gedient habe und die durch diesen Film entstandene Begeisterung für Dinosaurier ausgenutzt worden sei, handele es sich um eigenständig von der Klägerin geschaffene Hörspielmanuskripte. Dabei sei die Leistung der Klägerin für den besonderen Verkaufserfolg ursächlich gewesen, der allerdings nur bei den ersten sechs Produktionen festzustellen sei. Für derartige Autorenleistungen sei – wie eine Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft ergeben habe – jedenfalls eine prozentuale Beteiligung am Verkaufserlös in Höhe von 5 % gerechtfertigt. Dazu stehe – was die ersten sechs Folgen der Dinosaurier-Serie angehe – die der Klägerin tatsächlich gewährte Vergütung in einem groben Mißverhältnis. Die Beklagte habe mit den zehn Folgen dieser Serie Erlöse von 1.947.252,33 DM erzielt. Dem stünden Pauschalhonorare der Klägerin von 1.750 DM für jede Folge, insgesamt also 17.500 DM, gegenüber. Dieses Mißverhältnis sei für die Klägerin bei Vertragsschluß noch nicht voraussehbar gewesen.
Dagegen seien die weiteren Ansprüche der Klägerin unbegründet. Zwar hätten sich die Serien „Dschungelbuch” und „Bambi” sehr gut – teilweise sogar noch besser als die Hörspiele der Dinosaurier-Serie – verkauft. Eine Erhöhung der Vergütung für die Klägerin komme indessen nicht in Betracht, weil die Beklagte für diese Produktionen erhebliche Lizenzzahlungen an den Walt-Disney-Konzern habe leisten müssen. Der Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft sei zu entnehmen, daß eine prozentuale Beteiligung des Autors am Verkaufserlös in den Fällen ausscheide, in denen die bearbeiteten Stoffe auf bekannten Vorlagen beruhten. Dieser Umstand sei der Klägerin im Zweifel bekannt gewesen. Außerdem sei bei einem populären Stoff wie dem des Dschungelbuchs auch von vornherein mit einer erfolgreichen Vermarktung zu rechnen gewesen. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte bei einer Reihe von Hörspielen der Klägerin nicht unerhebliche Verluste habe hinnehmen müssen.
II. Zur Anschlußrevision der Beklagten:
Die Anschlußrevision, mit der sich die Beklagte gegen die erfolgte Verurteilung richtet, ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Prüfung grundsätzlich stand. Lediglich ein Rechenfehler im Klagevorbringen nötigt zu einer Korrektur des der Klägerin zugesprochenen Betrages.
1. Zutreffend und von der Anschlußrevision unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die fraglichen Hörspielmanuskripte der Klägerin als Sprachwerke urheberrechtlichen Schutz genießen.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Anschlußrevision dagegen, daß das Berufungsgericht der Klägerin hinsichtlich der sechs ersten Titel der Dinosaurier-Serie dem Grunde nach einen Anspruch auf Vertragsanpassung und – für die Vergangenheit – Gewährung einer angemessenen Beteiligung zugebilligt hat.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein Anspruch des Urhebers auf Einwilligung in eine Vertragsanpassung nach § 36 Abs. 1 UrhG in Betracht kommt, wenn dem Verwerter aus der Werknutzung unerwartet hohe Erträgnisse zugeflossen sind, die zu dem dem Urheber gezahlten Entgelt in einem groben Mißverhältnis stehen (vgl. BGHZ 115, 63, 66 – Horoskop-Kalender; 137, 387, 396 – Comic-Übersetzungen I). Dabei ist – wie das Berufungsgericht ebenfalls mit Recht ausgeführt hat – nicht auf den Gewinn, sondern auf den Bruttoerlös abzustellen (BGHZ 115, 63, 68 – Horoskop-Kalender; Schricker in Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 10; Spautz in Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 36 Rdn. 9). Ob von einem groben Mißverhältnis gesprochen werden kann, richtet sich – wie das Gesetz sagt – nach den gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem Verwerter; hierbei sind die den Gewinn des Verwerters schmälernden Aufwendungen zu berücksichtigen.
b) Daß das Berufungsgericht im Streitfall hinsichtlich der sechs ersten Produktionen der Dinosaurier-Reihe ein solches grobes Mißverhältnis bejaht hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist zu entnehmen, daß die Beklagte bis Ende Oktober 1996 über 270.000 Kassetten dieser Hörspiele verkauft hat, woraus sich Erlöse von über 1,5 Mio. DM errechnen. Die Klägerin hat für diese sechs Produktionen ein Honorar in Höhe von 10.500 DM – das sind weniger als 0,7 % der Erlöse – erhalten. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich ferner, daß für derartige Autorenleistungen eine Beteiligung von mindestens 5 % des Verkaufserlöses als angemessen anzusehen ist.
Ohne Erfolg wendet die Anschlußrevision demgegenüber ein, das Berufungsgericht habe es versäumt, die Verluste zu berücksichtigen, die bei anderen Produktionen von Hörspielen der Klägerin eingetreten seien. Zwar kann der Verwerter im Rahmen der Prüfung, ob ein grobes Mißverhältnis zwischen Erträgnissen und Entgelt besteht, auf Verluste verweisen, die er bei der Vermarktung früherer Werke des Urhebers erlitten hat (Begründung zu § 36 UrhG des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. IV/270, S. 58; Schricker aaO § 36 UrhG Rdn. 11; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 36 UrhG Rdn. 6). Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich jedoch, daß das Berufungsgericht das entsprechende Vorbringen der Beklagten zur Kenntnis genommen und seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Zu einer weitergehenden Berücksichtigung, insbesondere zu einer Verneinung des groben Mißverhältnisses, gab der Vortrag der Beklagten, auf den die Anschlußrevision verweist, keinen Anlaß. Zwar hat die Beklagte danach nicht mit sämtlichen Hörspielen der Klägerin einen Gewinn erwirtschaftet. Doch läßt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht im einzelnen entnehmen, in welcher Höhe Verluste eingetreten sind, die nicht durch laufende andere Produktionen von Hörspielen der Klägerin kompensiert werden konnten. Schließlich ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß das der Klägerin gezahlte Entgelt verhältnismäßig kraß von dem noch als angemessen anzusehenden Honorar abweicht und in derartigen Fällen eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen eines groben Mißverhältnisses spricht (vgl. BGHZ 115, 63, 67 f. – Horoskop-Kalender).
c) Mit Recht hat das Berufungsgericht den Einwand der Beklagten nicht für durchgreifend erachtet, der Erfolg der fraglichen Hörspielproduktionen beruhe nicht auf den Manuskripten der Klägerin, sondern auf anderen, in erster Linie der Beklagten zuzuschreibenden Umständen. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, kommt eine Anwendung des § 36 UrhG grundsätzlich auch bei eher untergeordneten Leistungen in Betracht, die im Rahmen eines Bestellvertrages erbracht werden (BGHZ 137, 387, 396 f. – Comic-Übersetzungen I; gegen das Kausalitätserfordernis auch Schricker aaO § 36 UrhG Rdn. 12). Bei gänzlich untergeordneten Leistungen, die üblicherweise durch ein Pauschalhonorar entgolten werden, erlaubt das Merkmal des groben Mißverhältnisses eine ausreichende Einschränkung. Bei der hier in Rede stehenden Leistung – dem Verfassen des Manuskripts für ein Hörspiel – stellt sich diese Frage indessen nicht.
d) Schließlich wendet sich die Anschlußrevision ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht eine Umsatzbeteiligung von 5 %, gemessen an dem Listenpreis für die Abgabe an den Handel, als angemessen erachtet hat. Nach § 36 UrhG sei – so die Anschlußrevision unter Berufung auf Schricker (aaO § 36 UrhG Rdn. 15) – nur eine Anhebung der Vergütung bis zu der Grenze geschuldet, bei der von einem „groben Mißverhältnis” nicht mehr gesprochen werden könne. Dem kann nicht beigetreten werden.
Nach dem Gesetzeswortlaut sind bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 UrhG zwei Grenzen zu unterscheiden: Zum einen ist dies die Grenze der Angemessenheit, also der Punkt, unterhalb dessen das dem Urheber gewährte Entgelt nicht mehr als „eine den Umständen nach angemessene Beteiligung an den Erträgnissen” angesehen werden kann. Fehlt es in diesem Sinne an der Angemessenheit des Entgelts, kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, zwischen Entgelt und Erträgnissen bestehe ein grobes Mißverhältnis. Von einem groben Mißverhältnis kann vielmehr nur gesprochen werden, wenn die vereinbarte Vergütung deutlich unter der Angemessenheitsgrenze liegt. § 36 UrhG zielt darauf ab, dem Urheber eine (noch) angemessene Beteiligung zuzusprechen. Das Entgelt nur so weit zu erhöhen, daß das grobe Mißverhältnis entfällt, würde diesem Ziel nicht gerecht. So ist auch die Aussage in der Senatsentscheidung „Horoskop-Kalender” zu verstehen, wonach die Vertragsänderung nach § 36 UrhG nur so weit gehen könne, wie dies unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen der Parteien notwendig ist, um die Unangemessenheit der bisherigen Beteiligung des Urhebers an den Erträgnissen zu beseitigen (BGHZ 115, 63, 68). Freilich führt dies – worauf Katzenberger (GRUR Int. 1983, 410, 421) hinweist – dazu, daß der grob unangemessen beteiligte Urheber besser gestellt ist als derjenige, der ein zwar nicht angemessenes, aber doch nicht in einem groben Mißverhältnis zu den Erträgnissen des Verwerters stehendes Entgelt erhält (vgl. auch Brandner, GRUR 1993, 173, 177). Dies ist jedoch keineswegs ungewöhnlich: Die Rechtsordnung entläßt denjenigen, der sich vertraglich gebunden hat, nicht ohne weiteres aus den eingegangenen Verpflichtungen. Eine Korrektur kommt immer nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht, so auch beim Wegfall der Geschäftsgrundlage, als dessen besonderer Anwendungsfall die Vorschrift des § 36 UrhG verstanden wird (BGHZ 137, 387, 396 – Comic-Übersetzungen I), oder im Rahmen des § 138 BGB. Sind die Voraussetzungen für eine Korrektur jedoch gegeben, tritt an die Stelle der gänzlich unangemessenen eine angemessene Regelung.
3. Hinsichtlich eines Teils des Zahlungsausspruchs kann das Berufungsurteil jedoch keinen Bestand haben. Insofern führt die Anschlußrevision der Beklagten zur Aufhebung und Zurückverweisung.
a) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte mit den sechs älteren Produktionen der Dinosaurier-Serie bis Oktober 1996 1.545.871,89 DM erlöst hat. Es hat hieraus den Anteil von 5 % errechnet (77.293,59 DM) und von diesem Betrag die erfolgten Zahlungen (10.500 DM) abgezogen. Zuzüglich der Mehrwertsteuer ergibt dies den Betrag von 71.469,14 DM. Zur Zahlung dieses Betrags zuzüglich Zinsen hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt.
b) Das Klagevorbringen weist jedoch die Besonderheit auf, daß die Klägerin aufgrund eines ihr unterlaufenen Fehlers weniger beantragt hat, als sich bei Zugrundelegung der von ihr genannten Zahlen eigentlich ergeben würde. Bei zutreffender Berechnung, wie sie das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, ergibt sich ein Anspruch, der um etwa 35.000 DM höher ist als der von der Klägerin gestellte Zahlungsantrag. Indem das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 71.469,14 DM verurteilt hat, hat es der Klägerin etwas zugesprochen, was sie – bei richtiger Auslegung ihres Begehrens – nicht verlangt hatte. Diesen Verstoß gegen § 308 ZPO muß das Revisionsgericht auch ohne Rüge beachten (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1989 – VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087).
Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 28. Januar 1998 eine Berechnung aufgestellt und danach ihren Zahlungsantrag beziffert. In dieser Berechnung (S. 4 des Schriftsatzes) sind die Beträge abgezogen worden, die die Klägerin bereits erhalten hatte (1.500 DM bzw. 1.750 DM pro Hörspiel, jeweils zzgl. MWSt.). Hierbei ist der Klägerin insoweit ein Irrtum unterlaufen, als nicht nur die Zahlungen für die 23 im Streit befindlichen Hörspiele, sondern auch die Zahlungen für zwanzig weitere Hörspiele in Abzug gebracht wurden, die nicht (mehr) Gegenstand des Klageantrags waren. Das Berufungsgericht hat demgegenüber die geleisteten Zahlungen – rechnerisch zutreffend – nur insoweit berücksichtigt, als sie die noch im Streit befindlichen Hörspiele betrafen. Darüber hinaus findet sich in der Berechnung (S. 3 des genannten Schriftsatzes) ein Rechenfehler, den das Berufungsgericht in seiner Berechnung ebenfalls korrigiert hat. Die beiden Punkte führen zu einer Abweichung in Höhe von 34.648,58 DM. Während sich bei zutreffender Berechnung ein Betrag von 256.471,85 DM errechnet hätte, hat die Klägerin nur Zahlung von 221.823,27 DM beantragt.
Da das Klagevorbringen nicht erkennen läßt, bei welchen Positionen die aus der Sicht der Klägerin an sich bestehende Forderung unterschritten werden soll, hätte das Berufungsgericht wegen des Bestimmtheitserfordernisses des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bei sämtlichen Positionen des Klageantrags, also bei allen damals im Streit stehenden 23 Hörspielproduktionen, einen Abzug pro rata vornehmen und diesen Abzug bei der Berechnung des Zahlungsausspruchs berücksichtigen müssen. Dies hätte zu einer Kürzung des – rechnerisch zutreffend ermittelten – Zahlungsanspruchs um 13,5097 % (= 9.655,27 DM) geführt. In diesem Umfang hat die Anschlußrevision Erfolg.
III. Zur Revision der Klägerin:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich der ersten sechs Titel der Dschungelbuch-Serie und der vier Titel der Bambi-Serie bestätigt hat (Anpassungsantrag hinsichtlich dieser zehn Titel sowie Zahlungsantrag – unter Berücksichtigung der anteilsmäßigen Kürzung um 13,5097 % – in Höhe von 139.445,66 DM zuzüglich Zinsen).
1. Fehl geht allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsurteil sei in diesem Punkt nicht mit Gründen versehen (§ 551 Nr. 7 ZPO). Das Berufungsurteil enthält auf Seite 22 Ausführungen, mit denen begründet wird, daß der Klägerin insofern keine Ansprüche zustehen. Damit liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 551 Nr. 7 ZPO nicht vor, auch wenn die gegebene Begründung unrichtig, unzureichend oder unvollständig sein sollte.
2. Die Revision rügt ferner, es widerspreche dem Grundsatz, wonach auf seiten des Verwerters nur Bruttoerträgnisse zu berücksichtigen seien, daß das Berufungsgericht maßgeblich auf die an den Walt-Disney-Konzern gezahlten Lizenzzahlungen abgestellt habe. Diese Rüge ist ebenfalls nicht begründet. Zwar kommt es nicht entscheidend auf die Kausalität der Leistungen des Urhebers für die unerwartet hohen Erträgnisse an (vgl. BGHZ 137, 387, 397 – Comic-Übersetzungen I). Doch ist im Rahmen des Merkmals des groben Mißverhältnisses der Umstand zu berücksichtigen, daß der Urheber nur einen untergeordneten Beitrag geleistet hat. Im übrigen können ungewöhnliche, aber notwendige Kosten, die der Verwerter für die Produktion aufwenden muß, ebenfalls bei der Frage zu berücksichtigen sein, ob ein grobes Mißverhältnis vorliegt.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß dann, wenn für die Hörspiele sehr bekannte Stoffe bearbeitet würden, üblicherweise eine prozentuale Beteiligung des Urhebers ausscheide. Eine solche Aussage kann der Auskunft des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, nicht entnommen werden. Diese Auskunft erwähnt lediglich, daß für die Bearbeitung vorbestehender Stoffe üblicherweise keine prozentuale Beteiligung gewährt werde. Im Streitfall geht es jedoch nicht darum, daß die Klägerin einen vorbekannten Stoff bearbeitet hätte. Mit Recht verweist die Revision auf das Vorbringen, wonach die Klägerin lediglich auf bekannte Charaktere und Namen zurückgegriffen habe, die in von ihr erdachte Geschichten mit weiteren von ihr geschaffenen Figuren Eingang gefunden hätten. Es ist nicht erkennbar, daß die vom Berufungsgericht herangezogene Auskunft auch derartige Fälle betraf; vielmehr liegt es nahe, daß dort mit der „Bearbeitung eines vorbestehenden Stoffes” etwa die Adaption einer vorhandenen Geschichte an die Form des Hörspiels oder ähnliches gemeint war. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht in Erwägung ziehen und gegebenenfalls durch weitere Auskünfte oder auf andere geeignete Weise klären müssen, ob auch für die hier in Rede stehende Autorenleistung eine prozentuale – möglicherweise unter dem sonst als üblich festgestellten Satz von 5 % liegende – Beteiligung üblich ist, von der dann als der angemessenen Mindestvergütung auszugehen gewesen wäre.
4. Das Berufungsgericht hat seine Abweisung dieses Teils der Klage auch damit begründet, es sei der Klägerin „im Zweifel bekannt gewesen”, daß sich ein bekannter Stoff wie das „Dschungelbuch” besonders erfolgreich vermarkten lasse. Auch gegen diese Annahme wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hat damit den unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, wonach sie von dem großen Erfolg der Produktionen überrascht worden sei, zumal ihr von der Beklagten laufend bedeutet worden sei, mit den fraglichen Kassetten ließen sich kaum Erträgnisse erwirtschaften.
5. Schließlich reicht auch der pauschale Hinweis des Berufungsgerichts auf „nicht unerhebliche Verluste” nicht aus, um ein grobes Mißverhältnis zwischen dem der Klägerin gewährten Entgelt und den erwirtschafteten Erträgnissen zu verneinen. Dies gilt um so mehr, als die Erträgnisse und das gewährte Entgelt – wie das Berufungsgericht einräumt – noch weiter auseinanderliegen als bei den ersten sechs Produktionen der Dinosaurier-Reihe (Erträgnisse in Höhe von fast 3,35 Mio. DM stehen Pauschalhonorare von weniger als 16.750 DM gegenüber).
IV. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit die Beklagte über den Betrag von 61.813,87 DM hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist und soweit die Klage hinsichtlich der ersten sechs Titel der Dschungelbuch-Serie und hinsichtlich der vier Titel der Bambi-Serie abgewiesen worden ist. Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, daß auch der Teil der Klage, hinsichtlich dessen der Senat die Revision nicht angenommen hat, von der anteilsmäßigen Kürzung erfaßt wird (s. oben unter II.3.b a.E.). Durch die Nichtannahme der Revision der Klägerin ist die Klageabweisung daher im Umfang von 20.563,73 DM zuzüglich Zinsen rechtskräftig geworden.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird zunächst zu ermitteln sein, wie hoch die angemessene Vergütung in Fällen ist, in denen ein Teil des Stoffes – etwa die Charaktere und Namen – gegen Zahlung einer Lizenzgebühr aus anderen Werken übernommen ist. Lassen sich insofern keine zuverlässigen Daten ermitteln, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob für diese Fälle in Anlehnung an die für die Dinosaurier-Serie getroffenen Feststellungen eine – freilich deutlich unter dem dort ermittelten Wert liegende – prozentuale Beteiligung als angemessen angesehen werden könnte. Gegebenenfalls wäre zu untersuchen, ob die gezahlten Entgelte zu einer auf diese Weise ermittelten angemessenen Beteiligung in einem groben Mißverhältnis stünden.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Bornkamm, Büscher, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.06.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 651621 |
NJW 2002, 1053 |
BGHR 2002, 119 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 255 |
GRUR 2002, 153 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 2002, 88 |
JZ 2002, 147 |
MDR 2002, 349 |
WRP 2002, 96 |
ZUM 2002, 144 |
IIC 2003, 329 |
KUR 2002, 26 |