Leitsatz (amtlich)
›Keine Geltung deutschen Strafrechts für entgeltlichen Betäubungsmittelerwerb zu Eigenverbrauch im Ausland.‹
Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten, einen österreichischen Staatsangehörigen, wegen unerlaubten Handelstreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zur Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen kaufte er im Oktober 1984 in Delhi (Indien) ca. 220 Gramm Heorinzubereitung, die 71,9 % Heorinbase enthielt. Diese Heorin wollte er teilweise selbst konsumieren, mindestens zu Hälfte aber in Europa weiterverkaufen. Nach seiner Einreise über Moskau in die Schweiz verbrauchte er dort, wie vorgesehen, einen Teil des Betäubungsmittels selbst; einen weiteren Teil setzte er in Schaffhausen ab, bevor er am 17. Oktober 1984 in der Schweiz festgenommen und später an die Bundesrepublik Deutschland auch zur Strafverfolgung ausgeliefert wurde. Mit der auf den Strafausspruch beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet
Soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verurteilt worden ist, gilt das deutsche Strafrecht nicht. Seiner Verurteilung steht insoweit ein Verfahrenshindernis entgegen, das der Senat trotz der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch von Amts wegen zu beachten hat.
Nach § 6 Nr. 5 StGB gilt das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts für einen im Ausland begangenen unbefugten ›Vertrieb‹ von Betäubungsmitteln. Unter Vertrieb in diesem Sinne ist nach einhelliger Meinung nicht nur der Verkauf, sondern auch der Ankauf von Betäubungsmitteln zu verstehen, sofern er zugleich unselbständiger Teil des Handeltreibens ist. Dagegen fällt der Erwerb von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch nicht unter den Begriff. Das gilt auch, soweit es um entgeltlichen Erwerb zu diesem Zweck, insbesondere um Ankauf geht. Die abweichende Auffassung des OLG Hamm (NJW 1978, 2346) hat sich soweit es sich um entgeltlichen Erwerb zum Eigenverbrauch handelt, in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt. Sie wäre in diesem Bereich auch weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck des § 6 Nr. 5 StGB gedeckt.
a) Bei einer am Wortlaut orientierten Auslegung ›vertreibt‹ Betäubungsmittel, wer allein oder durch seine Mitwirkung ihren in der Regel entgeltlichen Absatz an andere fördert. Dies trifft nicht auf denjenigen zu, der die gekaufte Ware für sich erwerben sowie sie selbst verbrauchen will und nur deshalb als Käufer an einem Vertriebsvorgang beteiligt ist, d. h. also nicht mit dem Ziel des Weitervertriebs oder der Unterstützung des Vertreibers.
b) Nach seinem Sinn und Zweck soll § 6 Nr. 5 StGB es der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Weltrechtsprinzips (vgl. BGHSt 27, 30) ermöglichen, ihrer Verpflichtung zur Verfolgung von Betäubungsmitteldelikten, die sie durch das Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe (vgl. Gesetz vom 4. September 1977, BGBl II 1353 und Bekanntmachung vom 15. März 1972, BGBl 1977 II 112) übernommen hat, möglichst zu genügen. In diesem Zusammenhang ist es vom Schutzzweck her sachgerecht und vom Gesetzgeber erkennbar gewollt, dem Betäubungsmittelhandel, der wegen seiner grenzüberschreitenden Gefährlichkeit auch Inlandsinteressen berührt, durch Anwendung des deutschen Strafrechts auf den Händler entgegenzuwirken, gleich welcher Staatsangehörigkeit er ist und wo er die Tat begangen hat. Entsprechendes läßt sich für die hier in Rede stehenden Erwerbsfälle aber nicht annehmen. Nach dem Einheits-Übereinkommen ist die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich auch nicht gehalten, jeden Erwerb von Betäubungsmitteln, dessen sich ein Ausländer im Ausland schuldig gemacht hat, im Inland zu ahnden. Die in Artikel 36 Abs. 1 des Übereinkommens übernommene Verpflichtung, Strafvorschriften gegen Betäubungsdelikte zu schaffen, bezieht sich grundsätzlich auf Inlandstaten und nur in bestimmten, hier nicht einschlägigen Fällen auf Auslandstaten. Artikel 36 Abs. 2 Buchst. a IV stellt dies klar. Denn darin gewährleistet jede Vertragspartei vorbehaltlich ihrer Verfassungsordnung, ihres Rechtssystems und ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die bezeichneten schweren Betäubungsmittelverstöße, darunter auch den Kauf von Betäubungsmitteln - gleichviel ob von Staatsangehörigen oder Ausländer begangen - strafrechtlich zu verfolgen, sofern die Tat im eigenen Hoheitsgebiet verübt oder der noch nicht verurteilte Täter dort betroffen und nicht ausgeliefert wird. Das Weltrechtsprinzip ist damit in dem Übereinkommen nicht vorgeschrieben (vgl. Oehler JR 1977, 424, 425).
2. Ist das deutsche Strafrecht demnach hinsichtlich des Erwerbs der Hälfte des Heorins unanwendbar, so kann der Angeklagte insoweit wegen eines Verfahrenshindernisses nicht verfolgt und bestraft werden. Es entspricht allgemeiner Meinung, daß das Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit, auch wenn es auf der Unabwendbarkeit des deutschen Strafrechts beruht, ein Verfahrenshindernis begründet (vgl. BGH NStZ 1985, 361; OLG Saarbrücken NJW 1975, 506, 509; Dreher/Tröndle aaO. § 3 Rdn. 2 b a E.; Lackner StGB 16. Aufl. Anm. 6 vor § 3; Baumann/weber, Strafrecht AT 9. Aufl. § 6 II 1, S. 75).
Fundstellen
Haufe-Index 2992831 |
BGHSt 34, 1 |
BGHSt, 1 |
NJW 1986, 2895 |
DRsp III(310)129a |
ZfZ 1987, 150 |
NStZ 1986, 320 |
EzSt StGB § 6 Nr. 1 |
MDR 1986, 508 |
NStE Nr. 1 zu § 6 StGB |
StV 1986, 473 |