Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung nach § 179 BGB. Selbstständiges Anfechtungsrecht Vertreter ohne Vertretungsmacht
Leitsatz (amtlich)
Das Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung steht einem in Anspruch genommenen Vertreter ohne Vertretungsmacht in Abwehr einer Haftung nach § 179 BGB selbständig zu.
Normenkette
BGB § 179
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Februar 2001 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16. Februar 1999 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin schloß am 29. Januar 1997 mit dem Sohn des Beklagten einen notariellen Vorvertrag über den Verkauf eines ihr gehörenden Grundstücks in O. Im Notartermin trat für sie die Ehefrau ihres Geschäftsführers, die Rechtsanwältin W., als Vertreterin ohne Vertretungsmacht und für seinen Sohn der Beklagte auf. Streitig ist, welche Erklärungen er dabei abgab. Der Sohn des Beklagten hat den Vertrag nicht genehmigt; die Klägerin hat ihn erst im Berufungsrechtszug genehmigt.
Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten als vollmachtlosen Vertreter auf Schadenersatz nebst Zinsen seit 15. April 1997 und die Feststellung in Anspruch, ihr allen weiteren Schaden zu ersetzen. Der Beklagte hat behauptet, sein vollmachtloses Handeln offen gelegt zu haben. Außerdem hat er den Vertrag angefochten mit der Behauptung, die Klägerin habe ihm eine ihr bekannte Ölverschmutzung des Grundstücks verschwiegen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs aus § 179 Abs. 1 BGB für gegeben. § 179 Abs. 3 BGB stehe dem Ersatzanspruch nicht entgegen. Ebensowenig habe die Klägerin arglistig eine Ölkontamination des Grundstücks verschwiegen. Sie habe sich auf die Ansicht eines Sachverständigen verlassen dürfen, die Verschmutzungen beschränkten sich auf einen geringen Bereich und seien leicht und folgenlos zu beseitigen. Sie habe zudem davon ausgehen dürfen, den Beklagten als Nachbarn nicht über eine etwaige frühere Nutzung des Grundstücks als Tankstelle unterrichten zu müssen.
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
II.
Eine Haftung des Beklagten als Vertreter ohne Vertretungsmacht kommt im Ergebnis schon deswegen nicht in Betracht, weil der Beklagte den Vorvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat. Die Frage der (fehlenden) Bevollmächtigung des Beklagten sowie einer evtl. Kenntnis der Klägerin hiervon kann deshalb dahinstehen.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin eine Aufklärungspflicht in bezug auf die – zumindest für möglich gehaltene – Ölkontamination des Bodens, wie die Revision zu Recht rügt. Den Verkäufer eines Grundstücks trifft nämlich eine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Umstände, die für die Entschließung des Käufers von entscheidender Bedeutung sind und deren Mitteilung er nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Urt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 285/99, NJW 2001, 64 m.w.N.). Die Kontaminierung eines Grundstücks mit Öl stellt einen solchen offenbarungspflichtigen Umstand dar; der Verkäufer handelt arglistig, wenn er diesen Umstand verschweigt, obwohl er ihn kennt oder zumindest für möglich hält (vgl. Senat aaO).
Die Klägerin ist nach ihrem eigenen, durch vorgelegte Urkunden untermauerten, Tatsachenvortrag durch Schreiben des Magistrats der Stadt O. am Main (Umweltamt) vom 24. Oktober 1996 über die „größenmäßig nicht unerhebliche Verunreinigung des Bodens” auf dem in Rede stehenden Grundstück informiert gewesen. Sie beauftragte deshalb mit Schreiben vom 12. November 1996 – den Vorgaben des Umweltamts folgend – das Ingenieurbüro G./D. mit der „Durchführung der erforderlichen Arbeiten und Erstellung eines Gutachtens”. Das Gutachten wurde am 21. Februar 1997, also erst nach Abschluß des Vorvertrages, fertiggestellt. Zu dieser Zeit befand sich das verunreinigte Erdreich noch auf dem Grundstück, wie das Gutachten ausdrücklich feststellt. Unter diesen Umständen hätte die Klägerin die ihr bekannte und in ihrem Umfang zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht definitiv geklärte Verunreinigung mit Öl nicht verschweigen dürfen. Das gilt um so mehr, als die Klägerin ausweislich des Gutachtens nicht nur am 3. Dezember 1996 sondern nochmals am 3. Februar 1997 den Gutachterauftrag u.a. auf den Abbruch und die Zwischenlagerung des verölten Pflasters auf dem Grundstück sowie den Aushub und die Zwischenlagerung des verölten Bodens erweiterte. Sie sah also selbst Klärungs- und Handlungsbedarf.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe schon auf Grund der Nachbarschaft des Beklagten annehmen dürfen, diesen nicht über eine etwaige frühere Nutzung des Grundstücks zum Betrieb einer Tankstelle unterrichten zu müssen, ist rechtsfehlerhaft. Denn es geht nicht um die frühere Nutzung des Grundstücks, sondern um dessen Mangelhaftigkeit. Es fehlt insoweit aber bereits an tatsächlichen Anhaltspunkten, die der Klägerin den Schluß gestattet hätten, dem Beklagten sei die Ölverschmutzung bekannt. Im übrigen hätte die Klägerin selbst dann noch eine Offenbarungspflicht getroffen, wenn dem Beklagten Umstände bekannt oder durch eine Besichtigung hätten bekannt werden können, aus denen sich lediglich ein Altlastenverdacht ergeben hätte (vgl. Senat aaO).
Das nach alledem bestehende Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung steht dem in Anspruch genommenen Vertreter ohne Vertretungsmacht, also dem Beklagten, in Abwehr einer Haftung nach § 179 BGB selbständig zu (Staudinger/Schilken [2001], § 179, Rdn. 10; Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 179, Rdn. 5; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 179, Rdn. 6; MünchKomm-BGB/Schramm, 4. Aufl., § 179, Rdn. 26).
2. Da nach dem Tatsachenvortrag der Klägerin weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat in der Sache entscheiden. Einer Aufhebung und Zurückverweisung zur Beweisaufnahme bedarf es schon deshalb nicht, weil die Klägerin die zur Anfechtung berechtigenden Umstände selbst vorgetragen hat. Die Klage ist unter Aufhebung der Erkenntnisse der Vorinstanzen insgesamt abzuweisen, ohne daß es auf die weiteren von der Revision gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts vorgebrachten Rügen noch ankommt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Tropf, Schneider, Lemke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.02.2002 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 2002, 1049 |
NJW 2002, 1867 |
BGHR 2002, 485 |
DNotI-Report 2002, 69 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1016 |
JA 2002, 825 |
MDR 2002, 752 |
VersR 2002, 1380 |
NotBZ 2002, 178 |
ZNotP 2002, 232 |
JURAtelegramm 2002, 225 |