Leitsatz (amtlich)
Die Rechtskraft einer Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch gegen eine Bank wegen eines Fehlers bei der Kapitalanlageberatung steht einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in demselben Beratungsgespräch entgegen.
Normenkette
BGB § 280; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 322 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 1) wird das Urteil des 17. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 21.12.2011 in Ziff. I.1 und im Kostenpunkt, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1) erkannt worden ist, aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil der 6. Zivilkammer des LG Mannheim vom 24.11.2010 wird auch in Höhe der Klageforderung von 218.061 EUR zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt die beklagte Genossenschaftsbank (im Folgenden: Beklagte) aus abgetretenem Recht auf Rückabwicklung einer Beteiligung an der N1 (im Folgenden: N1) in Anspruch.
Rz. 2
Aufgrund der Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten zeichnete der Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Zedent) am 21.11.2003 eine Beteiligung an N1 im Nennwert von 240.000 EUR zzgl. Agio i.H.v. 12.000 EUR.
Rz. 3
Nachdem sich der Fonds nicht den Erwartungen des Zedenten entsprechend entwickelt hatte, nahm der Zedent die Beklagte unter Berufung auf eine nicht anleger- und objektgerechte Beratung auf Schadensersatz i.H.v. 252.000 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung in Anspruch. Die Klage wurde vom LG Mannheim durch rechtskräftiges Urt. v. 23.1.2008 - 3 O 40/07 - abgewiesen.
Rz. 4
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin aus abgetretenem Recht des Zedenten wegen mehrerer Aufklärungs- und Beratungsfehler, u.a. erstmals wegen pflichtwidrigen Verschweigens erhaltener Rückvergütungen, von der Beklagten - sowie der nicht mehr am Rechtsstreit beteiligten Zweitbeklagten - Schadensersatz in Höhe des vom Zedenten investierten Kapitals von 252.000 EUR zzgl. entgangener Eigenkapitalverzinsung i.H.v. rund 48.000 EUR und abzgl. erlangter Fondsausschüttungen i.H.v. 33.939 EUR Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung sowie Ersatz der für den Vorprozess entstandenen Kosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Des Weiteren hat sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung alle zukünftigen finanziellen Nachteile zu ersetzen, die der Zedent oder die Klägerin infolge der Zeichnung der Beteiligung noch erleiden werden, sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt.
Rz. 5
Das LG hat durch Teilurteil vom 24.11.2010 die Zahlungsanträge hinsichtlich des investierten Kapitals und der im Vorprozess entstandenen Kosten als unzulässig und hinsichtlich der entgangenen Anlagezinsen als unbegründet abgewiesen. Durch Schlussurteil vom 8.6.2011 hat das LG dem Feststellungsantrag hinsichtlich der zukünftigen Schäden stattgegeben. Auf die Berufungen der Klägerin, mit denen sich diese gegen das Teil- und das Schlussurteil des LG gewandt hat, hat das Berufungsgericht, unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen, die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 218.061 EUR zzgl. Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus der Beteiligung zu zahlen.
Rz. 6
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung des - in Höhe einer weiteren Fondsausschüttung von 2.011,52 EUR von der Klägerin in der Hauptsache für erledigt erklärten - Zahlungsantrags. Die Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 23.4.2013 verworfen bzw. zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt hinsichtlich des Zahlungsantrages zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des LG.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in WM 2012, 1026 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 9
Entgegen der Rechtsauffassung des LG stehe der Zulässigkeit der Zahlungsklage nicht die Rechtskraft des im Vorprozess ergangenen Urteils entgegen. Bei dem zu beurteilenden Beratungsgespräch handele es sich zwar um einen einheitlichen Vorgang. Dieser Umstand führe jedoch nicht zwangsläufig zur Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes. So habe etwa der III. Zivilsenat des BGH bei Vorliegen von verschiedenen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern entschieden, dass jede Pflichtverletzung verfahrensrechtlich gesondert zu behandeln sei (Urt. v. 22.7.2010 - III ZR 203/09). In gleicher Weise habe der IX. Zivilsenat des BGH mehrfache Pflichtverletzungen eines anwaltlichen Beraters im Zusammenhang mit der Führung eines Prozesses für den Anspruchsteller als selbständige Streitgegenstände eingestuft (Urt. v. 13.3.2008 - IX ZR 136/07).
Rz. 10
Auch im Streitfall sei nach Maßgabe dieser Rechtsprechungsgrundsätze jenseits des Verjährungsrechts jede einzelne Pflichtverletzung als gesonderter Streitgegenstand zu betrachten, denn der zur Substantiierung des Klagebegehrens erforderliche Sachverhalt sei jeweils ein anderer. Daher gehörten zum Streitgegenstand des Vorprozesses alle Tatsachen im Zusammenhang mit der behaupteten fehlerhaften Aufklärung über konkrete Anlagerisiken des empfohlenen Filmfonds. Demgegenüber betreffe die vorliegende Klage mit dem Vorwurf, die Beklagte habe erhaltene Rückvergütungen pflichtwidrig verschwiegen, einen anderen Klagegrund.
Rz. 11
Der Klägerin stünden die geltend gemachten Zahlungsansprüche im Wesentlichen auch zu. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Zedenten auf die ihr zufließende Umsatzprovision aus dem Investitionsbetrag hinzuweisen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, dem Zedenten das Beteiligungskapital einschließlich Agio i.H.v. 252.000 EUR abzgl. der empfangenen Fondsausschüttungen von 33.939 EUR zu ersetzen. Die geltend gemachten Ansprüche auf entgangene Anlagezinsen und Ersatz der im Vorprozess entstandenen Kosten sei dagegen unbegründet.
II.
Rz. 12
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Der auf Ersatz des investierten Kapitals abzgl. erlangter Fondsausschüttungen gerichtete Zahlungsantrag der Klägerin ist unzulässig.
Rz. 13
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung - als negative Prozessvoraussetzung - einer neuen Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand entgegensteht (ne bis in idem). Unzulässig ist deshalb eine erneute Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines bereits rechtskräftig entschiedenen Rechtsstreits identisch ist (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 18.1.1985 - V ZR 233/83, BGHZ 93, 287 [288 f.]; v. 19.11.2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 [50]; v. 13.1.2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rz. 16, jeweils m.w.N.).
Rz. 14
2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Streitgegenstand des auf Ersatz des investierten Kapitals gerichteten Zahlungsantrags sei nicht mit dem Streitgegenstand des rechtskräftigen Urteils des LG Mannheim vom 23.1.2008, das gem. § 325 Abs. 1 ZPO für und gegen die Klägerin wirkt (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.1991 - VIII ZR 214/90, BGHZ 114, 360 [364]), identisch.
Rz. 15
a) Der von der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 13.1.2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rz. 17; v. 25.10.2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rz. 14, jeweils m.w.N.). Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht, und auch unabhängig davon, ob die Parteien die im Vorprozess nicht vorgetragenen Tatsachen des Lebensvorgangs damals bereits kannten und hätten vortragen können (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 19.11.2003 - VIII ZR 60/03, BGHZ 157, 47 [51]; v. 13.9.2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rz. 19; v. 25.10.2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rz. 14, jeweils m.w.N.).
Rz. 16
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend nicht nur das auf Ersatz des investierten Kapitals des Zedenten gerichtete Rechtsschutzbegehren, das im Vergleich zum Vorprozess lediglich um erlangte Fondsausschüttungen gemindert wurde, sondern auch der von der Klägerin vorgetragene Anspruchsgrund, aus dem sie die begehrte Rechtsfolge herleitet, mit dem Vorprozess identisch. Die Klägerin stützt ihr Rechtsschutzbegehren wie bereits der Zedent im Vorprozess auf die vermeintlich unzureichende Beratung und Aufklärung des Zedenten durch den Mitarbeiter S. der Beklagten in den der Anlageentscheidung bezüglich N1 vorausgegangenen Beratungsgesprächen. Allein die Ergänzung dieses aus dem Vorprozess bekannten Tatsachenvortrags durch den Umstand, dass - auch - die Rückvergütung nicht oder nur unzureichend offenbart wurde, ändert den bereits im Vorprozess zur Entscheidung gestellten Sachverhalt nicht in seinem Kerngehalt und begründet deshalb keinen neuen Streitgegenstand.
Rz. 17
Die einer Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung stellt, wie auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die der Anleger der Bank vorwirft, aufgespalten werden kann (so auch OLG München, Urt. v. 22.4.2013 - 19 U 4963/12, nicht veröffentlicht, Umdr. S. 5 ff.; Wolff, WuB I G 1. Anlageberatung 9.12; vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 30.6.2010 - 23 U 243/08, Umdr. S. 12 f.; a.A. wohl noch OLG München WM 2008, 581 [588]).
Rz. 18
Der vom Anleger im Schadensersatzprozess wegen unzureichender Aufklärung und Beratung zur Entscheidung gestellte Lebensvorgang wird, unabhängig von den konkret vorgeworfenen Aufklärungs- oder Beratungsmängeln, vielmehr durch die Gesamtumstände der Beratungssituation gekennzeichnet (vgl. auch BGH, Urt. v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, WM 1995, 1204 [1206]; v. 25.10.2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rz. 15; vgl. auch Urt. v. 11.11.1994 - V ZR 46/93, WM 1995, 266 [267]). Die vom Berater erteilten - oder gar unterlassenen - Informationen stellen keine selbständigen Geschehensabläufe, sondern Bestandteile der einheitlich zu betrachtenden Beratung dar. Ob dem Anleger ein zutreffendes Bild von der Kapitalanlage vermittelt worden ist oder nicht, kann auch nur aufgrund einer Zusammenschau der verschiedenen Informationen des Beraters während der gesamten Beratung beurteilt werden (vgl. zu Prospektangaben Senat, Urt. v. 18.9.2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rz. 23 m.w.N.). Der Berater kann insb. im Verlauf der Beratung unzutreffende Angaben berichtigen oder unzureichende Informationen präzisieren. Schließlich hängen die aufklärungspflichtigen Umstände und eine anlegergerechte Empfehlung auch von den Angaben des Anlegers während des - gesamten - Verlaufs der Beratung ab.
Rz. 19
Die Annahme verschiedener Streitgegenstände je nachdem, welchen Vorwurf der Anleger erhebt, führte daher nicht nur zu einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts, sondern wäre auch mit den mit dem Institut der Rechtskraft verfolgten Zielen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.1993 - I ZB 14/91, BGHZ 123, 30 [34]) nicht zu vereinbaren. Der Anleger könnte die vermeintlich unzureichende Aufklärung und Beratung durch den Anlageberater durch die bloße Ergänzung einzelner Tatsachen oder vermeintlich aufklärungspflichtiger Risiken bei ansonsten unverändertem Geschehensablauf wiederholt zum Gegenstand gerichtlicher Verfahren machen. Gegenstand jedes neuen Prozesses und etwaiger Beweisaufnahmen wäre wiederholt der Inhalt der (gesamten) Beratung.
Rz. 20
b) Dass sich der erforderliche Klagevortrag je nach geltend gemachter Pflichtverletzung in Einzelheiten unterscheidet, rechtfertigt, entgegen der Annahme des Berufungsgerichts, nicht die Annahme gesonderter Streitgegenstände.
Rz. 21
Der zur Bestimmung des Streitgegenstands maßgebliche Anspruchsgrund geht über die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage ausfüllen, hinaus. Die Parteien bestimmen zwar über den zur Entscheidung gestellten Sachverhalt (Beibringungsgrundsatz). Es können deshalb nicht alle Tatsachen zum Klagegrund gerechnet werden, die das konkrete Rechtschutzbegehren objektiv zu stützen geeignet, im Vortrag des Klägers aber nicht einmal angedeutet sind und von seinem Standpunkt aus auch nicht vorgetragen werden mussten (BGH, Urt. v. 19.12.1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1 [6]; v. 25.10.2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rz. 21). Die Parteien können den Streitgegenstand durch Gestaltung ihres Vortrags jedoch nicht - bewusst oder unbewusst - willkürlich begrenzen (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 19.12.1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1 [6]; v. 27.9.2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rz. 21). Von der Rechtskraft werden daher sämtliche materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des Antrags aus dem zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt herleiten lassen (BGH, Urt. v. 27.9.2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rz. 21; v. 25.10.2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rz. 15), unabhängig davon, ob sämtliche rechtserheblichen Tatsachen des Lebensvorgangs vorgetragen werden (BGH, Urt. v. 19.12.1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1 [6 f.]; v. 17.3.1995 - V ZR 178/93, WM 1995, 1204 [1205 f.]; v. 27.9.2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rz. 21).
Rz. 22
Sofern das materielle Recht zusammentreffende Ansprüche durch eine Verselbständigung der einzelnen Lebensvorgänge erkennbar unterschiedlich ausgestaltet, kann das zwar im Einzelfall bei der Bestimmung des Streitgegenstandes berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, insoweit nicht in BGHZ 122, 363 abgedruckt; v. 11.7.1996 - III ZR 133/95, NJW 1996, 3151 [3152]; v. 24.1.2013 - I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rz. 13). Ob die Bank Aufklärungs- oder Beratungspflichten verletzt hat, lässt sich jedoch, wie ausgeführt, nur aufgrund einer Betrachtung der Gesamtumstände der Beratung beurteilen, ohne dass sich diese in selbständige Geschehensabläufe aufspalten ließe. Verschiedene Aufklärungs- und Beratungsdefizite sind deshalb zwar ggf. einer eigenständigen materiell-rechtlichen Bewertung zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 13.9.2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rz. 19) und können jeweils für sich den Schadensersatzanspruch begründen (vgl. BGH, Urt. v. 22.9.2011 - III ZR 186/10, NJW-RR 2012, 111 Rz. 9 aE), bleiben aber dennoch Bestandteil eines - in tatsächlicher Hinsicht - einheitlichen Lebensvorgangs.
Rz. 23
c) Das vom Berufungsgericht angeführte Urteil des BGH vom 13.3.2008 (IX ZR 136/07, WM 2008, 1560 Rz. 24) steht der Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands nicht entgegen. Der BGH hat dort zwar das Fehlverhalten des Rechtsanwalts bei der Empfehlung der Klageerhebung als gesonderten Streitgegenstand beurteilt, der weder das Fehlverhalten bei der inhaltlichen Abfassung der Klage noch die (unterlassene) Empfehlung zur Einlegung von Rechtsmitteln umfasse. Anders als vorliegend betrafen diese Pflichtverletzungen jedoch verschiedene Verfahrensstadien und damit selbständige Geschehensabläufe. Entsprechendes gilt für das Urteil des BGH vom 24.1.2008 (VII ZR 46/07, VersR 2008, 942 Rz. 16 und 19). Danach steht die Rechtskraft einer Entscheidung über Schadensersatzansprüche gegen einen Architekten wegen Nichtausführung einer Ausführungsplanung einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen Fehlern bei der gesondert zu beurteilenden Entwurfsplanung, Bauüberwachung und Abnahme des Bauwerks dann nicht entgegen, wenn aus dem Vortrag im ersten Prozess eindeutig hervorgeht, dass ausschließlich die fehlende Ausführungsplanung Gegenstand des Rechtsstreits war. Davon unterscheidet der vorliegende Fall sich grundlegend. Hier fehlt es an einer ausdrücklichen Beschränkung des ersten Rechtsstreits auf eine bestimmte Pflichtverletzung. Außerdem betreffen die im Urteil vom 24.1.2008 (VII ZR 46/07, VersR 2008, 942 Rz. 16 und 19) behandelten Pflichtverletzungen in zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Stadien der Tätigkeit des Architekten, während im vorliegenden Fall sämtliche der beklagten Bank vorgeworfene Pflichtverletzungen in einem Beratungsgespräch, das einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt, erfolgt sein sollen.
Rz. 24
d) Auch aus der Rechtsprechung des BGH zum gesonderten Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen, die auf mehrere abgrenzbare Aufklärungs- oder Beratungsfehler gestützt werden (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89 Rz. 16 f.; v. 23.6.2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372 Rz. 14; v. 22.7.2010 - III ZR 203/09, WM 2010, 1690 Rz. 13; v. 1.3.2011 - II ZR 16/10, WM 2011, 792 Rz. 13), folgt, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nichts anderes.
Rz. 25
Der Verjährung gem. §§ 194 ff. BGB unterliegt der materiell-rechtliche Anspruch i.S.d. § 194 Abs. 1 BGB (Grothe in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 194 Rz. 2; Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 194 Rz. 2; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 194 Rz. 8). Der von der Rechtskraft erfasste Streitgegenstand ist dagegen nicht ein bestimmter materiell-rechtlicher Anspruch, sondern der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2009 - XI ZR 66/08, WM 2009, 402 Rz. 17; v. 25.10.2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rz. 14 m.w.N.). Der Streitgegenstand kann daher mehrere materiell-rechtliche Ansprüche umfassen (Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 194 Rz. 8), die grundsätzlich jeweils eigenständiger Verjährung unterliegen (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1991 - I ZR 212/89, BGHZ 116, 297 [300]; v. 24.6.1992 - VIII ZR 203/91, BGHZ 119, 35, 41 sowie Grothe in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 195 Rz. 46 ff. m.w.N.). Aus dem materiell-rechtlichen Institut der Anspruchsverjährung können deshalb keine Rückschlüsse auf den prozessualen Streitgegenstand gezogen werden.
Rz. 26
e) Die Rechtsprechung des BGH zur beschränkten Revisionszulassung rechtfertigt ebenfalls keine andere Betrachtungsweise.
Rz. 27
Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Zulassung der Revision zwar auf eine von mehreren zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs wegen fehlerhafter Anlageberatung vorgetragenen Pflichtverletzungen beschränkt werden (BGH, Urt. v. 16.10.2012 - XI ZR 368/11, juris Rz. 18 f. sowie Beschlüsse v. 16.12.2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rz. 5 f.; v. 16.4.2013 - XI ZR 332/12, juris Rz. 6). Daraus folgt jedoch, entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung, nicht, dass jede einzelne Pflichtverletzung einen gesonderten Streitgegenstand begründet. Der BGH hat die wirksame Beschränkung der Revisionszulassung ausdrücklich nicht davon abhängig gemacht, dass verschiedene Streitgegenstände vorliegen (BGH, Beschl. v. 16.12.2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rz. 5 aE; v. 7.6.2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rz. 4 aE). Darüber hinaus hatte der BGH bereits für die Revisionszulassung nach § 546 Abs. 1 ZPO a.F. die Beschränkung auf Teile eines einheitlichen prozessualen Anspruchs gebilligt (BGH, Urt. v. 12.1.1970 - VII ZR 48/68, BGHZ 53, 152 [154 f.]; v. 7.7.1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615 sowie Beschl. v. 10.1.1979 - IV ZR 76/78, NJW 1979, 767). Ähnlich wie beim Teilurteil, dessen Voraussetzungen freilich nicht vorliegen müssen (BGH, Beschl. v. 16.12.2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rz. 5 aE; v. 7.6.2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rz. 4 aE), ist Voraussetzung der beschränkten Revisionszulassung lediglich die Selbständigkeit eines Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (BGH, Urt. v. 16.10.2012 - XI ZR 368/11, juris Rz. 18 sowie Beschlüsse v. 16.12.2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rz. 5; v. 7.6.2011 - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rz. 4). Wie sich aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO ergibt, hängt selbst der Erlass eines Teilurteils nicht von der Mehrheit der prozessualen Ansprüche ab (vgl. Musielak in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 301 Rz. 6 m.w.N.). Die Voraussetzungen einer beschränkten Revisionszulassung gehen darüber nicht hinaus.
III.
Rz. 28
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung durch den Senat reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 29
Zutreffend hat das LG den hier noch rechtshängigen Zahlungsantrag als unzulässig abgewiesen. Ob im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils vorlagen (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rz. 13 f. m.w.N.), kann, wenngleich in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (BGH, a.a.O., Rz. 19 ff.), dahinstehen. Nunmehr ist nur noch der Zahlungsantrag i.H.v. 218.061 EUR rechtshängig, ein etwaiger Verfahrensfehler wäre somit jedenfalls prozessual überholt (vgl. auch BGH, Urt. v. 10.7.1991 - XII ZR 109/90, NJW 1991, 3036; v. 28.11.2002 - VII ZR 270/01, WM 2003, 1428 [1429]). Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Teilurteil vom 24.11.2010 ist daher zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 5830642 |
BGHZ 2014, 294 |
BB 2013, 2817 |
DB 2013, 2799 |
DStR 2014, 12 |
NJW 2014, 314 |
NWB 2013, 3744 |
EBE/BGH 2013 |
EWiR 2014, 163 |
NZG 2014, 103 |
WM 2013, 2216 |
ZIP 2013, 2281 |
ZIP 2013, 89 |
JZ 2014, 40 |
JZ 2014, 44 |
JuS 2014, 557 |
MDR 2014, 218 |
NJ 2013, 3 |
VersR 2014, 1516 |
VuR 2014, 55 |
BKR 2014, 165 |
GWR 2013, 519 |
NWB direkt 2013, 1165 |
RÜ 2013, 776 |
ZBB 2013, 416 |
FMP 2014, 4 |
HRN 2014, 80 |