Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Wirksamkeit einer in einem formularmäßigen Leasingvertrag enthaltenen Klausel über die Abrechnung im Falle vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrages durch Kündigung.
Normenkette
AGBG § 9 Bb, § 9
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 06.02.1995) |
LG Köln |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Februar 1995 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin betreibt Fahrzeug-Leasing. Der Beklagte, der als Kaufmann im Druckgewerbe tätig ist, beantragte bei ihr am 30. September 1991 den Abschluß eines Leasingvertrages für einen in diesem Antrag näher bezeichneten Pkw. Im Antragsformular waren als Bruttopreis 97.040 DM und als Bruttobetrag der monatlichen Leasingrate 2.667,60 DM genannt. Die vorgesehene Laufzeit der Vereinbarung betrug 42 Monate. Im Antragsformular ist unter „3.” folgende Regelung enthalten:
„Bei vorzeitiger Vertragsbeendigung durch Kündigung (Ziff. XV AGB) wird der Ablösewert durch Abzinsung der … Rest-Leasingraten und des Netto-Restwertes, der 10 % vom Einstandspreis ohne Mehrwertsteuer beträgt, ermittelt.
…
Der Abzinsungssatz für die … Rest-Leasingraten und den kalkulierten Restwert betragt 2 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.”
Im wiedergegebenen Vertragstext ist nur die Zahl „10” handschriftlich eingesetzt, der sonstige Text ist in dem Formular vorgedruckt.
Die Klägerin nahm den Leasingantrag des Beklagten mit der Änderung, daß die Leasingrate 2.768,24 DM betragen sollte, an. Das Fahrzeug wurde dem Beklagten am 6. Dezember 1991 ausgeliefert. Dem vom Beklagten unterzeichneten Leasing-Antrag waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin mit dem Stand 8.90 beigeheftet. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen lauten auszugsweise:
„XIV Kündigung
2 – Jeder Vertragspartner kann den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos kündigen. Der Leasinggeber kann insbesondere dann fristlos kündigen, wenn der Leasingnehmer
– mit zwei Leasingraten in Verzug ist,
4 – Die Folgen einer Kündigung sind in Abschnitt XV geregelt.
XV Abrechnung nach Kündigung
1 – Im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages durch eine nach diesem Vertrag zulässige Kündigung wird wie folgt abgerechnet:
Der Leasinggeber stellt dem Ablösewert den geschätzten Netto-Händlereinkaufspreis des Leasinggegenstandes gegenüber. Der Ablösewert setzt sich zusammen aus den mit der vorschüssigen Rentenbarwertformel abgezinsten restlichen Leasingraten, die um den im Leasingantrag vereinbarten Prozentsatz verringert wurden, dem auf die Restlaufzeit entfallenden Anteil einer etwaigen Leasingsonderzahlung und des abgezinsten Restwertes, d. h. Restwert dividiert durch Abzinsungsfaktor. Unberücksichtigt bleiben Leasingraten für Wartung und Reparatur, Versicherungen, Kfz-Steuer und GEZ. Der Netto-Händlereinkaufspreis wird durch Schätzung eines vom Leasinggeber beauftragten unabhängigen Sachverständigenunternehmen ermittelt; diese Schätzung ist für beide Vertragsteile verbindlich. Von den Mehrerlösen aus der Gegenüberstellung von Ablösewert und 90 % des geschätzten Netto-Händlereinkaufspreises erhält der Leasingnehmer 75 %; etwaige Mindererlöse sind dem Leasinggeber zu erstatten.
XVI Rückgabe des Fahrzeuges
6 – Bei Schätzung des Händlereinkaufspreises (XV. 1 oder XVI. 3) informiert der Leasinggeber den Leasingnehmer schriftlich über die Höhe des Schätzwertes und sein Recht binnen 14 Tagen ab Datum dieses Schreibens einen Käufer zu benennen, der zur Zahlung eines höheren Kaufpreises zuzüglich Mehrwertsteuer bereit ist. Nimmt der Käufer das Verkaufsangebot nicht an oder hat der Leasingnehmer nicht fristgemäß einen Käufer benannt, wird der geschätzte Händlereinkaufspreis der Vertragsabrechnung zugrunde gelegt.”
Im August 1992 vereinbarten die Parteien auf Wunsch des Beklagten eine Herabsetzung der monatlichen Leasingraten auf 1.810,39 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, rückwirkend auf den Vertragsbeginn. In dem entsprechenden Bestätigungsschreiben der Klägerin heißt es ferner, „der Restwert wurde neu auf 45 % festgelegt”. Bis zu dieser Änderung wurden die monatlichen Leasingraten vom Konto des Beklagten abgebucht. Von der ihr erteilten Einzugsermächtigung machte die Klägerin ab August 1992 versehentlich keinen Gebrauch mehr. Im Januar 1993 bemerkte die Klägerin den zwischenzeitlich für fünf Monate aufgelaufenen Saldo, erteilte dem Beklagten Rechnung über 10.319,22 DM und forderte sofortigen Ausgleich. Der Beklagte bezahlte im März 1993 zwei Monatsraten. Diese Zahlung verrechnete die Klägerin auf die Monate Januar und Februar 1993. Anschließend kündigte die Klägerin das Leasingverhältnis mit Schreiben vom 12. März 1993 fristlos. Der Beklagte gab nach kurzem Schriftwechsel den Pkw an die Klägerin zurück. Die Klägerin verkaufte das Fahrzeug, das am 4. August 1992 von einem Sachverständigen mit einem Händlereinkaufspreis von netto 45.087,72 DM geschätzt worden war, zu einem Verkaufspreis von brutto 44.260,88 DM an einen Vertragshändler.
In dem Rechtsstreit fordert die Klägerin Ersatz ihrer Schäden aus der vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages sowie die rückständigen Leasingraten aus der Zeit der Nutzung des Fahrzeuges durch den Beklagten. Das Landgericht hat der Klage auf die rückständigen Leasingraten stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet die Klägerin sich mit ihrer zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NJW 1995, 2044 f veröffentlicht ist, hat ausgeführt:
Art. XV der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf den die Klägerin ihr Begehren nach Schadensersatz stützte, halte wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot einer Wirksamkeitskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand. Diese Klausel enthalte nämlich mehrere unbestimmte Begriffe, wie etwa „vorschüssige Rentenbarwertformel”, „abgezinster Restwert” und „Abzinsungsfaktor”. Selbst ein kaufmännischer Leasingkunde sei nicht imstande, die notwendige Transparenz selbst herzustellen. Unangemessen sei die Klausel zudem deshalb, weil die Klägerin das Sachverständigengutachten zur Bestimmung des Händlereinkaufspreises für die Abrechnung selbst in Auftrag geben könne, der Beklagte daran gebunden sei und keine zu günstigeren Bedingungen kaufbereite Person benennen könne. Da die Möglichkeit des Leasingkunden, einen Ersatzkauf er zu benennen, nicht unter der Rubrik „Abrechnung nach Kündigung” angesprochen sei, sondern erst in der nachfolgenden Sparte „Rückgabe des Fahrzeuges”, reiche dies nicht aus, um eine übersichtliche Regelung zu schaffen und so dem Transparenzgebot zu entsprechen.
Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden könne auch nicht – unabhängig von der unwirksamen Klausel – konkret bemessen werden, weil die Klägerin hierfür keine Berechnungsgrundlagen dargelegt habe. Es könne lediglich errechnet werden, wieviele Raten der Beklagte vom Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeuges bis zum vorgesehenen Vertragsablauf noch zu zahlen gehabt hätte. Weder die daran anschließende Abzinsung noch die Bemessung des durch die vorzeitige Rückgabe entstandenen Vorteils sei dagegen möglich. Die Klägerin habe weder ihren eigenen Refinanzierungssatz bezüglich des streitbefangenen Vertrages vorgetragen noch Angaben zu den Verwaltungsaufwendungen gemacht, die bei ihr infolge der vorzeitigen Rückgabe des Pkw nicht mehr angefallen seien. Es fehle auch an Hinweisen der Klägerin zu dem infolge der vorzeitigen Rückgabe höheren Restwert des Fahrzeuges sowie zu dem bei ihr angefallenen Zinsvorteil. Deshalb sei auch eine Schätzung gemäß § 287 ZPO nicht möglich.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
1. Der von der Klägerin in erster Linie geltend gemachte pauschalierte Schadensersatzanspruch scheitert daran, daß Nr. XV. 1 Abs. 2 ihrer AGB in mehrfacher Hinsicht wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.
a) Das beruht zum einen auf der Bindung des Leasingnehmers an die Schätzung des Händlereinkaufspreises für das Fahrzeug durch den allein von der Klägerin zu benennenden Sachverständigen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10. Oktober 1990 – VIII ZR 296/89 = WM 1990, 2043 unter II 5) erfüllt der Leasinggeber seine Pflicht zur bestmöglichen Verwertung der zurückgegebenen Leasingsache nicht ausnahmslos durch die Veräußerung an einen Händler zu dessen Einkaufspreis. Vielmehr muß der Leasinggeber auch anderen Möglichkeiten zur Erzielung eines höheren Erlöses nachgehen. Jedenfalls wenn der zu erzielende Händlereinkaufspreis mehr als 10 % unter dem Händlerverkaufspreis liegt, benachteiligt die Bindung an den Händlereinkaufswert den Leasingnehmer in unangemessener Weise, wenn – wie in Nr. XV der AGB der Klägerin – die Klausel auch für einen solchen Fall die Minderung des Schadensersatzanspruchs des Leasinggebers aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Schadensminderungspflicht ausschließt (vgl. hierzu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 5. Aufl., Rdnr. 1157).
bb) Ob das in Nr. XVI. 6 der AGB der Klägerin niedergelegte Drittkäuferbenennungsrecht des Leasingnehmers die in Nr. XV vereinbarte Bindung an das Sachverständigengutachten in ihren Auswirkungen so weit herabmildert, daß im Ergebnis der Leasingnehmer nicht mehr unangemessen benachteiligt wird (vgl. hierzu OLG Köln NJW-RR 1993, 1016, 1017; OLG Frankfurt/Main DB 1989, 522, 523), bedarf keiner abschließenden Prüfung. Zu Recht hat das Berufungsgericht dieses Drittkäuferbenennungsrecht als dem Transparenzgebot widersprechend gewertet, weil es in den AGB an unvermuteter Stelle geregelt ist. Das Auffinden der Bestimmung der Nr. XVI. 6 in dem Klauselwerk der Klägerin ist dem durchschnittlichen Leasingnehmer in unzumutbarer Weise erschwert. Nr. XIV. 4 der AGB bestimmt, daß die Folgen einer Kündigung in Abschnitt XV geregelt seien. Dementsprechend trägt dieser Abschnitt die Oberschrift „Abrechnung nach Kündigung”. Der Leasingnehmer wird daher allein in dem Abschnitt XV nach den Folgen einer Kündigung suchen. Der Abschnitt XVI („Rückgabe des Fahrzeuges”) regelt dagegen zunächst die äußeren Umstände (Nr. 2) der Rückgabe von Fahrzeug, Schlüsseln und Papieren (Nr. 1), die Abrechnung nach Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf der vertragsgemäßen Leasingzeit (Nr. 3), die Folgen einer nicht rechtzeitigen Rückgabe (Nr. 4) sowie Erwerbsrechte des Leasingnehmers (Nr. 5). Daß erst hiernach das Drittkäuferbenennungsrecht des Leasingnehmers geregelt ist, verschleiert dessen Zusammenhang mit der Abrechnung nach dem Händlereinkaufspreis (Ziff. XV AGB) derart, daß es keinen zuverlässigen Ausgleich der Benachteiligung durch die Bindung an das Sachverständigengutachten mehr bietet.
b) Auch die formularmäßig getroffenen Vereinbarungen über die Abzinsung der Leasingraten halten einer Angemessenheitskontrolle gemäß § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand.
aa) Nach Nr. 3 des vorgedruckten Leasingantragsformulares, auf das sich die vertragliche Annahmeerklärung der Klägerin bezog, beträgt der Abzinsungssatz für die restlichen Leasingraten „2 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses”. Nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerin betrug der Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zum fraglichen Zeitpunkt 7,5 %. Danach ist die genannte Regelung schon deshalb (inhaltlich) unangemessen, weil der Abzinsungssatz nicht an dem tatsächlichen Refinanzierungssatz orientiert ist, den die Klägerin aufwenden muß, sondern auf einen festen Pauschalbetrag festgelegt ist (Senatsurteile vom 10. Oktober 1990 aaO unter II 1; vom 19. März 1986 – VIII ZR 81/85 = WM 1986, 673 unter II und vom 29. Januar 1986 – VIII ZR 49/85 = WM 1986, 480 unter III 2 a). Vorliegend ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß der tatsächlich anteilig durch die Klägerin ersparte Refinanzierungszins – unter Umständen wesentlich – höher liegt als der bezifferte Pauschalbetrag von 9,5 %. Hierfür spricht auch das Vorbringen der Revision, wonach der Diskontsatz den eigenen Mindest-Refinanzierungssatz der Klägerin für den streitbefangenen Vertrag wiedergibt.
bb) Der Begriff der „vorschüssigen Rentenbarwertformel” ist intransparent, was zu einem Verstoß dieser Klausel gegen § 9 Abs. 1 AGBG führt. Der Revision mag zuzugeben sein, daß die Abzinsung ausstehender restlicher Leasingraten mit dieser Formel „leasingtypisch” ist und daß sie zu sachgerechten Ergebnissen führt (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1990 aaO unter II 2 zur nachschüssigen Rentenbarwertformel). Es trifft auch zu, daß an die Verständnismöglichkeiten eines kaufmännischen Verwendungsgegners höhere Anforderungen als an einen Nichtkaufmann zu stellen sind (z. B. BGHZ 112, 115, 118). Selbst von einem kaufmännischen, jedoch branchenfremden Kunden kann indessen die inhaltliche Kenntnis dieser Formel nicht erwartet werden. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Begriff, der durch eine feststehende Rechtsprechung eine allseits anerkannte Ausprägung erfahren hat (vgl. zu einem derartigen Fall die Senatsentscheidung BGHZ 124, 351, 359), sondern um eine abkürzende Bezeichnung für einen finanzmathematischen Berechnungsvorgang, dessen Kenntnis nicht als kaufmännisches Allgemeinwissen gelten kann.
cc) Das Vorbringen der Revision, die Abzinsung mit der vorschüssigen Rentenbarwertformel entspreche einem Handelsbrauch, ist Unbehelflich, weil es sich um in der Revisionsinstanz gemäß § 561 ZPO unbeachtlichen neuen Tatsachenvortrag handelt.
c) Auch die Regelung über die Abzinsung des Restwertes benachteiligt den Beklagten unangemessen.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist der „Abzinsungsfaktor” nicht mit dem im Vertragsformular angegebenen „Abzinsungssatz” gleichzusetzen. Auch die Klägerin selbst ist nicht von diesem Verständnis des Begriffes des „Abzinsungsfaktors” ausgegangen. Ausweislich der Klageschrift erfolgt die Berechnung des abgezinsten Restwertes nicht durch eine Division des kalkulierten Restwertes etwa durch die Zahl 9,5, sondern nach der Formel V = (1 + [p: 12 × 1001), wobei für p der „Abzinsungssatz” von 9,5 einzusetzen ist. Demnach ist der Abzinsungssatz gerade nicht gleichbedeutend mit dem Abzinsungsfaktor, sondern nur ein Bestandteil einer umfangreicheren mathematischen Formel zur Berechnung des abgezinsten Restwertes. Da diese Formel aber weder im Vertragswerk mitgeteilt wird noch von einem branchenfremden Leasingkunden als bekannt erwartet werden darf, benachteiligt ihre Verwendung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot den Leasingnehmer aus den genannten Gründen (siehe oben II 1 b bb) unangemessen; sie ist daher unwirksam. Die Berufung der Revision auf die Entscheidung des Senats vom 22. Januar 1986 (BGHZ 97, 65, 73 f) geht fehl, weil dort gerade die Angabe der maßgebenden Berechnungsfaktoren verlangt wird.
bb) Die maßgebliche Klausel ist in ihrem Verständnis durch die Klägerin zudem inhaltlich unangemessen. Als Teil der Ermittlung des „Abzinsungsfaktors” legt nämlich die Klägerin wiederum den pauschalen „Abzinsungssatz” von 9,5 % zugrunde, nicht dagegen ihren tatsächlichen eigenen Refinanzierungssatz. Aus den bereits dargelegten Gründen (siehe oben II 1 b aa) hält diese Pauschalierung einer Wirksamkeitskontrolle nicht stand, weil eine höhere Eigenersparnis der Klägerin nicht auszuschließen ist.
d) Die Zusammenschau der Unwirksamkeit der Vereinbarungen über die Verbindlichkeit des Netto-Händlereinkaufspreises, die Abzinsung der Leasingraten sowie die Abzinsung des Restwertes führt dazu, daß der Rest der Klausel Nr. XV keine sinnvolle Berechnung eines pauschalierten Schadensersatzes mehr erlaubt.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß der Vortrag der Klägerin eine konkrete Schadensberechnung nicht erlaubt.
a) Zutreffend ist zwar, daß bei unwirksamer Regelung pauschalierten Schadensersatzes der Kündigungsschaden des Leasinggebers konkret zu berechnen ist (Senatsurteile vom 11. Januar 1995 – VIII ZR 61/94 = WM 1995, 438 unter II 2 und vom 10. Oktober 1990 aaO unter II 1; BGHZ 97, 65, 74; 95, 39, 55 ff). Den Anforderungen an die Berechnung des konkreten Schadensersatzes und an die dazu erforderlichen Darlegungen wird der Vortrag der Klägerin aber nicht gerecht.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 82, 121, 132) obliegt es dem Leasinggeber, seine Refinanzierungskosten anzugeben, deren Ersparnis im Rahmen des ihm zustehenden Schadensersatzes anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist. Der Refinanzierungsaufwand kann den im Vertrag angegebenen pauschalen „Abzinsungssatz” übersteigen (vgl. oben II 1 b aa). Deshalb genügt entgegen der Auffassung der Revision die Vorlage einer Ablichtung über die Entwicklung der Diskontsatze ab 1991 nicht. Die Klägerin stützt damit nämlich lediglich ihren Vortrag über die Höhe des im Vertrag genannten „Abzinsungssatzes”; daß ihr Refinanzierungsaufwand diesem Abzinsungssatz entspreche, hat sie dagegen nicht behauptet.
bb) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, ist im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung grundsätzlich davon auszugehen, daß der Leasinggeber laufzeitabhängige Aufwendungen einspart (Urteil vom 11. Januar 1995 aaO unter II 1; vom 10. Oktober 1990 aaO unter II 1; BGHZ 82, 121, 132). Dies trifft insbesondere auf die Einsparung von Verwaltungskosten zu (Senat, Urteil vom 19. März 1986 aaO unter III 4 a bb; Wolf/Eckert. Gewerbliches Miet-, Pacht- und Leasingrecht, 7. Aufl., Rdnr. 2062; Reinking/Eggert aaO, Rz. 1171 a.E.; Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag. 4. Aufl., Rdnr. 841). Es mag zutreffen, daß in Einzelfällen angesichts des Einsatzes elektronischer Datenverarbeitung bei der Betreuung laufender Verträge einerseits und des Verwaltungsaufwandes, den eine vom Leasingnehmer veranlaßte Kündigung des Leasingvertrages durch den Leasinggeber verursacht, andererseits eine echte Ersparnis möglicherweise nicht festzustellen ist (vgl. hierzu Kammergericht BB 1994, 818, 819). Ob der Leasinggeber derartige Kosten der Rechtsverfolgung seines Anspruches dem Vorteil ersparter Aufwendungen entgegenhalten könnte (verneinend Senatsurteil vom 19. März 1986 aaO), bedarf keiner Vertiefung. Da der Wegfall gewisser Aufwendungen in der Zeit zwischen vorgesehenem Vertragsende und vorzeitiger Vertragsbeendigung auf der Hand liegt, obliegt es dem Leasinggeber, also der Klägerin, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß kein Verwaltungsaufwand eingespart worden ist. Daran fehlt es.
cc) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 8. März 1995 – VIII ZR 313/93 = WM 1995, 935 unter B II 3 a; BGHZ 111, 237, 242; 94, 195, 217; 82, 121, 132) besteht ein weiterer dem Leasinggeber anzurechnender Vorteil in einem höheren Restwert, den das Leasinggut bei vorzeitiger Rückgabe aufweist. Daß vorliegend bei Rückgabe des Pkw nach knapp 17 Monaten statt – wie vertraglich vorgesehen – 42 Monaten ein höherer Restwert zugunsten des Leasinggebers verbleibt, liegt entgegen der Auffassung der Revision auf der Hand. Zwar hat die Klägerin – zum Zwecke und im Rahmen ihrer Schadensberechnung auf der Grundlage der Klausel Nr. XV ihrer AGB – den Netto-Händlereinkaufspreis des Fahrzeugs zum Zeitpunkt seiner Rückgabe beziffert und somit eine Wertangabe vorgenommen. Es fehlt jedoch an dem Vortrag der Klägerin, daß dieser Netto-Händlereinkaufspreis der maximal erzielbare Betrag und somit identisch mit dem Verkehrswert des Fahrzeuges im Zeitpunkt seiner Rücknahme gewesen sei.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht von einer Schätzung des der Klägerin entstandenen Schadens nach § 287 ZPO abgesehen hat. Im Rahmen der hier in Frage stehenden ersparten Aufwendungen kommt eine Schätzung nur insoweit in Betracht, als von dem Gläubiger substantiierte Indizien als Grundlage einer Schätzung vorgetragen sind (Graf von Westphalen aaO Rdnr. 841). Da es hieran fehlt, würde eine Schätzung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 91, 243, 257) „mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen”.
c) Der von der Revision unterbreitete neue Sachvortrag zur Berechnung des konkreten Schadensersatzes kann keine Berücksichtigung finden (§ 561 Abs. 1 ZPO). Die von ihr erhobene Rüge der Verletzung der §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO durch das Berufungsgericht bleibt ohne Erfolg. Denn für den von der Revision vermißten richterlichen Hinweis auf fehlenden Sachvortrag der Klägerin bestand keine Veranlassung.
aa) Die Notwendigkeit einer konkreten Schadensberechnung mußte sich der Klägerin spätestens aufgrund der Erörterung der in Betracht kommenden Unwirksamkeit der Klausel Nr. XV ihrer AGB in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 16. Januar 1995 aufgedrängt haben.
bb) Darauf, daß ihr Vortrag den Anforderungen einer konkreten Schadensberechnung nicht genügte, ist die Klägerin durch die Berufungserwiderung des Beklagten hingewiesen worden. Ein zusätzlicher richterlicher Hinweis war nicht erforderlich (Senatsurteil vom 9. November 1983 – VIII ZR 349/82 = WM 1984, 111 unter II 1). Die Berufung der Revision auf die Entscheidung des Senats vom 8. März 1995 (aaO unter A II 3 d) geht fehl.
Unterschriften
Wolf, Dr. Paulusch, Dr. Hübsch, Ball, Dr. Wolst
Fundstellen
Haufe-Index 950555 |
BB 1996, 180 |
NJW 1996, 455 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1996, 235 |