Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete. Wohnraummietvertrag. Zulässigkeit einer Kündigung. Gesetzliches Kündigungsrecht. Kündigungsausschluss. Individualvereinbarung. Befristeter Verzicht des Mieters. Kündigungsverzichtsabrede. Bestandsinteresse. Mobilitätsinteresse
Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit des befristeten Verzichts des Mieters auf sein gesetzliches Kündigungsrecht in einem Wohnraummietvertrag.
Normenkette
BGB § 573c Abs. 4; BGB i.d.F. v. 16.6.2001 § 575
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Krefeld v. 26.2.2003 aufgehoben und das Urteil des AG Krefeld v. 29.8.2002 abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 2.400 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2002 zu zahlen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger vermieteten den Beklagten durch Vertrag v. 17.10.2001 eine Wohnung in K. zu einer Nettomiete von 1.200 Euro monatlich. Gemäß § 2 des Formularmietvertrages war der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, wobei das Mietverhältnis am 1.1.2002 beginnen sollte. In § 28 des Mietvertrages war durch handschriftlichen Zusatz unter Nr. 2 weiter vereinbart:
"Die Mieter verzichten für die Dauer von 60 Monaten auf ihr gesetzliches Kündigungsrecht".
Mit Schreiben v. 30.10.2001 teilten die Beklagten den Klägern mit, dass sie an der Erfüllung des Mietverhältnisses nicht mehr interessiert seien, und kündigten den Mietvertrag hilfsweise. Die vertraglich vereinbarte Miete zahlten die Beklagten lediglich für den Monat Januar 2002. Seit 1.4.2002 ist die Wohnung weiter vermietet.
Mit ihrer Klage nehmen die Kläger die Beklagten auf Mietzahlung für die Monate Februar und März 2002 in Anspruch.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer - vom LG zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Zur Begründung hat das LG, dessen Urteil in NJW 2003, 1464 f. (LG Krefeld v. 26.2.2003 - 2 S 98/02, NJW 2003, 1464) abgedr. ist, ausgeführt, der zwischen den Parteien vereinbarte Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechts verstoße gegen § 573c Abs. 4 BGB. Durch die Regelung in § 28 des Mietvertrages hätten die Beklagten als Mieter für die Dauer von 60 Monaten auf ihr Recht zur Kündigung des Mietverhältnisses verzichtet. Eine solche Abbedingung stelle eine für den Mieter nachteilige Vereinbarung dar, da die ordentliche Kündigung durch ihren, wenn auch nur zeitweisen, Ausschluss erschwert werde. Soweit die Kläger geltend machten, dass das Bestandsinteresse der Beklagten ihr Mobilitätsinteresse überwogen habe und sie sich für einen längeren Zeitraum gegen eine Beendigung des Mietverhältnisses durch die Vermieter hätten absichern wollen, hätte dieser Interessenlage durch einen Ausschluss des Kündigungsrechts für den Vermieter Rechnung getragen werden können.
Die getroffene Regelung verstoße überdies gegen § 575 BGB, dessen Regelungen gleichfalls nicht abdingbar seien. Faktisch handele es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietverhältnis um ein solches auf bestimmte Zeit, dessen Voraussetzungen indes gem. § 575 BGB nicht gegeben seien, da die zwingend erforderlichen Befristungsgründe nicht vorlägen.
Das Schreiben der Beklagten v. 30.10.2001 stelle mithin eine ordentliche Kündigung unter Zugrundelegung der Drei-Monatsfrist dar, die das Mietverhältnis zum Ablauf des Monats Januar 2002 beendet habe, wobei der Lauf der Kündigungsfrist mit dem Zugang der Kündigungserklärung begonnen habe.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist der in § 28 des Mietvertrages v. 17.10.2001 individual-vertraglich vereinbarte Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechts der Beklagten auch nach dem ab 1.9.2001 geltenden Mietrechtsreformgesetz v. 19.6.2001 (BGBl. I, 1149) wirksam.
1. Zu Unrecht bejaht das LG zunächst einen Verstoß der von den Parteien getroffenen Regelung gegen § 573c Abs. 4 BGB.
a) Nach dieser Vorschrift sind Vereinbarungen, welche zum Nachteil des Mieters von den gesetzlichen Kündigungsfristen des § 573c Abs. 1 BGB abweichen, unwirksam. Durch einen Kündigungsverzicht werden jedoch die einzuhaltenden Kündigungsfristen nicht verändert. Die Frage, mit welcher Frist das Mietverhältnis gekündigt werden kann, stellt sich vielmehr erst, wenn dem Kündigenden ein Kündigungsrecht zusteht. Dies soll aber durch eine von den Parteien vereinbarte Kündigungsverzichtsabrede für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen werden (Staudinger/Rolfs, BGB, 2003, § 573c Rz. 44; Blank/Börstinghaus/Blank, Neues Mietrecht, § 575 Rz. 15a; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 575 Rz. 69 und § 573c Rz. 24; Hannemann in Hannemann/Wiegner, Münchner Anwaltshandbuch, Wohnraummietrecht, § 44 Rz. 102; Lützenkirchen, MDR 2001, 1385 [1389]; Derckx, NZM 2001, 826 [828]; Franke, ZMR 2001, 951 [956]; Eisenhardt, WuM 2002, 412 f.). Das Gesetz selbst unterscheidet ausdrücklich zwischen der Zulässigkeit einer Kündigung (vgl. § 577a BGB) einerseits und der einzuhaltenden Kündigungsfrist (§ 573c BGB) andererseits (Staudinger/Rolfs, BGB, 2003, § 573c Rz. 44).
b) Auch die Entstehungsgeschichte des Mietrechtsreformgesetzes spricht gegen ein Verbot von Kündigungsausschlussvereinbarungen. Nach der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage waren Vereinbarungen zulässig, durch welche das Recht zur Kündigung für eine begrenzte Zeit ausgeschlossen worden war (vgl. Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV Rz. 59; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 564 Rz. 6; Voelskow in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 564 BGB Rz. 7; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäftsraum- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. IV Rz. 47). Zwar ist durch das Mietrechtsreformgesetz der bisherige "einfache" Zeitmietvertrag i. S. d. § 564c Abs. 1 BGB a. F. abgeschafft und § 565 Abs. 2 BGB a. F., wonach eine Verlängerung der Kündigungsfristen auch zu Lasten des Mieters zulässig war, durch § 573c Abs. 4 BGB ersetzt worden; längere Kündigungsfristen des Mieters als in § 573c Abs. 1 BGB bestimmt können danach nicht mehr vereinbart werden. Jedoch ist in der Begründung des Regierungsentwurfes zu § 575 BGB ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass bei Fehlen eines Befristungsgrundes auf Vermieterseite "dem Interesse des Mieters an einer langfristigen Bindung des Mietverhältnisses vertraglich dadurch Rechnung getragen werden (könne), dass die Parteien einen unbefristeten Mietvertrag schließen und für einen vertraglich festgelegten Zeitraum das ordentliche Kündigungsrecht beiderseits ausschließen" (BT-Drucks. 14/4553, 69). Hieraus ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber den bisherigen Rechtszustand, der den Ausschluss des Kündigungsrechts erlaubte, insoweit nicht ändern wollte und bei Vereinbarung eines Kündigungsverzichtes nach Ablauf des festgelegten Zeitraums sich lediglich die nunmehr dreimonatige Kündigungsfrist des Mieters anschließen sollte (Grundmann, NJW 2001, 2497 [2505]; Blank, ZMR 2002, 797 [799]).
c) Entgegen einer im Schrifttum verbreitet vertretenen Meinung (Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., § 573c Rz. 3; Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar Neues Mietrecht, S. 518 f.; Börstinghaus, WuM 2003, 487 ff.; Börstinghaus, Gedächtnisschrift Sonnenschein, 2003, S. 349, 351 ff.; Wiek, WuM 2001, 442 f.; Lammel, Wohnraummietrecht, 2. Aufl., § 573c Rz. 40; Lammel, WuM 2003, 123 [125]) gebietet auch der Schutzzweck des § 573c Abs. 4 BGB keine Einschränkung der Zulässigkeit eines Kündigungsverzichts. Zwar sollte durch Verkürzung der Fristen für die Kündigung durch den Mieter der "in der heutigen modernen Gesellschaft ... zunehmend (verlangten) Mobilität und Flexibilität" und damit dem Interesse des Mieters an einer kurzfristigen Aufgabe der Wohnung, insbesondere bei Wechseln des Arbeitsplatzes oder einer gesundheitsbedingten Übersiedlung in ein Alters- oder Pflegeheim, Rechnung getragen werden (BT-Drucks. 14/4553, 38 f., 67). Andererseits hat der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Kündigungsverzichts anerkannt und zugleich eine Stärkung der Vertragsfreiheit, insbesondere im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Index-, Staffelmieten und Zeitmietverträgen, betont (BT-Drucks. 14/4553, 2). Dementsprechend kann gem. § 557a Abs. 3 BGB bei einem Staffelmietvertrag das Kündigungsrecht des Mieters bis zu vier Jahren ausgeschlossen werden. Auch § 575 BGB lässt einen Zeitmietvertrag - nunmehr ohne zeitliche Beschränkung - zu, der nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit zur Beendigung des Mietverhältnisses führt (§ 542 Abs. 2 BGB).
In Anbetracht dieser unterschiedlichen, vom Gesetzgeber gleichermaßen hervorgehobenen Zielsetzungen ist es daher nicht gerechtfertigt, allein dem Mobilitätsinteresse des Mieters den Vorrang einzuräumen und demgegenüber das Interesse einer oder beider Mietvertragsparteien an einer längerfristigen Bindung, das in der Vereinbarung eines befristeten Kündigungsverzichts zum Ausdruck kommt, unberücksichtigt zu lassen.
Die Anerkennung des vereinbarten Kündigungsverzichts führt nicht zu einer unzumutbaren Belastung des Mieters. Wie der vorliegende Fall zeigt, können durch eine Weitervermietung - auch nach Stellung eines Nachmieters durch den Mieter (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2003 - VIII ZR 240/02, BGHReport 2003, 1056 = MDR 2003, 1106, unter II 3c bb, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) - die finanziellen Folgen für den Mieter im Falle einer vorzeitigen Aufgabe der Mietwohnung im Regelfall abgemildert werden. Ferner genießt der Mieter, selbst wenn sich der Vermieter nicht in gleicher Weise gebunden hat, im Anschluss an den Zeitraum des vereinbarten Kündigungsverzichts den vollen Mieterschutz.
2. Die Vereinbarung eines (befristeten) Kündigungsausschlusses stellt auch keinen Verstoß gegen § 575 Abs. 4 BGB dar. Durch die Neuregelung des Zeitmietvertrags soll eine automatische Beendigung des Wohnraummietverhältnisses allein durch Zeitablauf, ohne dass der Mieter Kündigungsschutz genießt, außerhalb der privilegierten Befristungsgründe verhindert werden. Die Regelung soll den Mieter vor dem Verlust der Wohnung, nicht aber vor einer längeren Bindung an den Vertrag, schützen, wie sie durch die Vereinbarung eines befristeten Kündigungsausschlusses beabsichtigt ist. Demgemäß ist, wovon auch der Gesetzgeber ausgegangen ist (BT-Drucks. 14/4553, 69), die Vereinbarung eines befristeten Kündigungsausschlusses nicht einem unzulässigen Zeitmietvertrag i. S. d. § 575 Abs. 1, Abs. 4 BGB gleichzusetzen (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 575 Rz. 65 f.; Hannemann/Wiegner, Münchner Anwaltshandbuch, Wohnraummietrecht, § 44 Rz. 101; Blank, ZMR 2002, 797 [799]; Lützenkirchen, MDR 2001, 1385 [1389]; a. A. Lammel, WuM 2003, 123 f.).
III.
Ist demnach der zwischen den Parteien durch gesonderte Abrede vereinbarte befristete Kündigungsverzicht zulässig, steht den Klägern, da auch sonstige Unwirksamkeitsgründe nicht geltend gemacht werden oder ersichtlich sind, die verlangte Miete für die Monate Februar und März 2002 zzgl. Verzugszinsen gem. § 288 Abs. 1 BGB zu. Der Klage war daher, nachdem die Sache zur Endentscheidung reif ist, unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils in vollem Umfang stattzugeben (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1118756 |
NJW 2004, 1448 |
BGHR 2004, 574 |
DWW 2004, 120 |
DWW 2004, 35 |
EBE/BGH 2004, 4 |
JR 2004, 501 |
JurBüro 2004, 397 |
NZM 2004, 216 |
ZMR 2004, 251 |
JA 2004, 427 |
MDR 2004, 436 |
WuM 2004, 157 |
Info M 2004, 9 |
MietRB 2004, 161 |
RÜ 2004, 176 |
ZGS 2004, 43 |
AIM 2004, 55 |
IWR 2004, 74 |
JWO-MietR 2004, 51 |
MK 2004, 43 |