Leitsatz (amtlich)
›Zum Rückgriff des Leitungswasserversicherers des Eigentümers gegen den Mieter des versicherten Gebäudes.‹
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten in Regreß für Versicherungsleistungen, die sie wegen eines vom Beklagten verursachten Wasserschadens an ihren Versicherungsnehmer M. erbracht hat. Der Beklagte hatte in dem 4-Familien-Haus des Herrn M. eine Wohnung gemietet. Als er am 4. September 1987 nach Urlaubsrückkehr die Etagenheizung wieder mit Wasser gefüllt hatte, vergaß er, den Absperrhahn der Zuleitung zu schließen. Der Zuflußschlauch der Heiztherme hielt dem ständigen Leitungsdruck nicht stand und platzte in der Nacht vom 5./6. September 1987. in den darunter liegenden Räumen entstand ein Wasserschaden in Höhe von 16.910 DM. Am 6. September 1987 informierte die Klägerin den Haftpflichtversicherer des Beklagten, daß sie sich mit dem vom Beklagten verursachten Schaden zu befassen habe. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten bat mit Formularschreiben vom 25. September 1987 um Bezifferung und Belegung der Ansprüche und kündigte die Prüfung der Haftungsfrage und des Versicherungsschutzes für den Beklagten an. Unter dem 6. Oktober 1987 teilte die Klägerin mit, die Schadenermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Anfang Dezember 1987 zog der Beklagte aus der Wohnung aus. Die Klägerin übersandte mit Schreiben vom 25. Februar 1988 das Gutachten des Schadensachverständigen N., der die Räumlichkeiten am 21. September 1987 in Augenschein genommen hatte. Die Zahlung des gleichzeitig geltend gemachten Schadensbetrages mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 5. April 1988 an. In seinem Antwortschreiben vom 8. April 1988 berief sich der Haftpflichtversicherer des Beklagten auf Verjährung. Am 25. Mai 1988 beantragte die Klägerin den Erlaß eines Mahnbescheids in Höhe des Schadensbetrages.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Mieter in den Schutz der Wohngebäudeversicherung des Vermieters M. einbezogen war und ob die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 16.910 DM gerichteten Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht führt zutreffend aus, daß der Beklagte als Mieter in die Schutzwirkung des Versicherungsvertrages nicht einbezogen war und auch ein stillschweigender Haftungsausschluß nicht anzunehmen ist.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vermutung des § 80 Abs. 1 VVG, wonach die Versicherung als für eigene Rechnung genommen gilt, wenn Umstände für die Annahme einer Fremdversicherung fehlen, werde nicht dadurch widerlegt, daß der Mieter durch die Zahlung von Nebenkosten auch die Versicherungsprämie für die Wohngebäudeversicherung finanziere.
Der Beklagte behauptet nicht, daß der Mietvertrag im vorliegenden Fall die Verpflichtung des Beklagten enthielt, die Prämien für die Wohngebäudeversicherung anteilig als Nebenkosten zu übernehmen. Er hat lediglich vorgetragen, ein konkludenter Haftungsausschluß ergebe sich daraus, daß die Miete regelmäßig, und zwar auch im vorliegenden Fall, so kalkuliert sei, daß jedenfalls die fixen Kosten vom Mietzins gedeckt seien. Das reicht für die Annahme einer Fremdversicherung nicht aus.
Im Urteil vom 7. März 1990 - IV ZR 342/88 - VersR 1990, 625 hat der Senat zwar die Frage aufgeworfen, ob nicht in der Feuerversicherung im wesentlichen mit Rücksicht auf die vom Staat mit der Einrichtung öffentlicher Brandkassen verfolgten Zwecke, die Bevölkerung vor den wirtschaftlichen Folgen von Brandschäden zu schützen, Mieter oder Pächter allgemein - also allein auf Grund der in diesem Versicherungszweig bestehend Interessenlage - als in den Versicherungsschutz einbezogen angesehen werden müssen. Die abschließende Entscheidung konnte jedoch offen gelassen werden. Auch im vorliegenden Fall braucht die Frage für die Feuerversicherung nicht entschieden zu werden, da es sich hier um eine Leitungswasserversicherung handelt. Die Erwägungen, aus denen heraus der Senat damals eine Mitversicherung für erörterungswürdig gehalten hat, treffen auf die Leitungswasserversicherung nicht zu.
Für den Bereich der Kaskoversicherung hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, daß die Fahrzeugversicherung als reine Sachversicherung nach den §§ 12ff. AKB regelmäßig nur das Interesse des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümers an der Erhaltung der Sache decken kann. Es gehe nicht an, durch Auslegung des Versicherungsvertrages ein Sachersatzinteresse des Mieters oder sonstigen Besitzers des Fahrzeugs, bestehend in seinem Haftpflichtrisiko, in den Versicherungsvertrag einzubeziehen (BGHZ 22, 109, 114; 30, 40, 43; 43, 295, 299). Dies bedeute, daß die Sachversicherung in eine Haftpflichtversicherung umfunktioniert werde.
2. Soweit die Revision meint, der Schadensersatzanspruch scheitere in jedem Fall daran, daß der Beklagte allenfalls für grobe Fahrlässigkeit hafte, die Klägerin die entsprechenden Voraussetzungen jedoch nicht dargetan habe, ist kein Rechtsgrund für eine derartige Haftungsbeschränkung ersichtlich. Der Schadensersatzanspruch des Vermieters ist nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts aus positiver Vertragsverletzung des Beklagten herzuleiten. Im Rahmen der Haftung für die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten hat der Beklagte auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen. Der Umstand, daß die Klägerin dem Vermieter, ihrem Versicherungsnehmer, den entstandenen Schaden ersetzt hat und dessen Anspruch nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG auf sie übergegangen ist, verändert den Haftungsmaßstab nicht.
a) Jedenfalls im vorliegenden Fall ist nicht etwa im Wege ergänzender Auslegung des Mietvertrages anzunehmen, daß die Vertragsparteien einen Regreßverzicht des Vermieters für solche Gebäudeschäden vereinbart hätten, die der Miete leicht fahrlässig verursacht. Eine ergänzende Vertragsauslegung wäre nur bei entsprechenden Anhaltspunkten im Mietvertrag in Betracht gekommen. Hierzu ist nichts vorgetragen.
b) Es kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, daß der Vermieter durch einen Regreßverzicht, der ausschließlich dem Mieter nützt, eine rechtliche Position ohne weiteres aufgibt. Der Vermieter hat ein schützenswertes Interesse daran, daß der Mieter seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt und die Mietsache auch nicht durch nur leicht fahrlässiges Verhalten beeinträchtigt. Kommt es gleichwohl zu entsprechenden Beeinträchtigungen, so muß es dem Vermieter unbenommen bleiben, ob er die Regulierung des Versicherungsfalles durch den Gebäudeversicherer wünscht oder ob er es - unter Umständen wegen des Kündigungsrechts des Versicherers - bevorzugt, gegen den Mieter als Schadensverursacher vorzugehen
c) Der Mieter bleibt auch dann nicht schutzlos, wenn ein Regreßverzicht - wie im vorliegenden Fall - nicht anzunehmen ist. Die im Schrifttum geäußerten Bedenken, der Mieter könne sich selbst gegen etwaige Haftpflichtansprüche wegen Beschädigung der Mietsache nicht versichern (Honsell, VersR 1985, 301, 302) sind nicht gerechtfertigt. Eine Lücke im Versicherungsschutz besteht nicht, da nach Klausel 4.2 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Privathaftpflichtversicherung die gesetzliche Haftpflicht aus der Beschädigung von Wohnräumen und sonstigen zu privaten Zwecken gemieteten Räumen in Gebäuden - abweichend von § 4 I 6a AHB - versicherbar und auch die letztgenannte Bestimmung abdingbar ist (vgl. Prölss/Martin, VVG 24. Aufl. § 4 AHB Anm. 1).
Il.
Zutreffend wendet das Berufungsgericht als hier maßgebliche Verjährungsregel die Vorschrift des § 558 BGB an. Die sechsmonatige Verjährung gilt auch in dem Fall, daß der Mieter durch die Verletzung einer Obhutspflicht sowohl die von ihm gemieteten Räumlichkeiten als auch solche Gebäudeteile beschädigt, die nicht Gegenstand des Mietvertrages sind; und zwar auch dann, wenn die Schäden an den nicht vermieteten Gegenständen überwiegen (BGHZ 61, 227, 231 unter e).
Es kann jedoch offen bleiben, ob der Schadensersatzanspruch des Vermieters verjährt war. Denn die Erhebung der Verjährungseinrede ist auf jeden Fall rechtsmißbräuchlich.
a) Unzulässig ist die Verjährungseinrede, wenn ein wirklich grober Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) vorliegt, etwa wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlaßt hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen sein (BGH, Urteile vom 1.10.1987 - IX ZR 202/86 - und vom 21.1. 1988 - IX ZR 65/87 - NJW 1988, 265, 266 unter 5a und NJW 1988, 2245, 2247 unter III). Ein derartiges treuwidriges Verhalten ist hier auf der Beklagtenseite gegeben.
b) Die Besonderheit dieses Falles liegt darin, daß es sich bei dem zu bewertenden Verhalten des Beklagten nicht um die Folge eines Vorganges handelt, an dem die beiden Prozeßparteien beteiligt waren. Bei der Klägerin handelte es sich nicht um den Berechtigten und bei dem Haftpflichtversicherer des Beklagten nicht um den Verpflichteten. Gleichwohl haben nach Treu und Glauben die Folgen aus der Verhandlung der jeweiligen Versicherer so zu gelten, als wenn hier Gläubiger und Schuldner miteinander verhandelt hätten, und zwar ohne daß es auf die vom Beklagten erstmals im Revisionsverfahren beanstandete Bevollmächtigung der Klägerin ankommt.
c) In der vorprozessualen Korrespondenz hat der Haftpflichtversicherer des Beklagten mit dem Schreiben vom 25. September 1987 aus objektiver Sicht den Anschein erweckt, als werde er nach Erhalt der gewünschten Informationen in die Sachprüfung eintreten und je nach Sachlage nur materiell-rechtliche Einwände erheben. Anderenfalls hätte er nicht um die Übersendung von Kopien der Schadenunterlagen und des Gutachtens zu bitten brauchen und auch davon absehen können, den Beklagten zur Schadensmeldung anzuhalten.
aa) Auch wenn es sich dabei um ein Formularschreiben handelte, erfüllte dieses die Anforderungen, die an ein die Hemmungswirkung nach § 852 Abs. 2 BGB herbeiführendes Verhandeln gestellt werden. Hierfür reicht jeder Meinungsaustausch aus, angesichts dessen der Berechtigte davon ausgehen kann, daß sein Begehren von der Gegenseite nicht sofort oder noch nicht endgültig abgelehnt wird (BGH, Urteil vom 28.11.1984 - VIII ZR 240/83 - NJW 1985, 798, 799; Mertens in MünchKomm, BGB 2. Aufl. § 852 Rdn. 65 m.w.N.).
bb) Mit dem Schreiben und in der Folgekorrespondenz akzeptierte der Haftpflichtversicherer des Beklagten die erkennbar für den damals noch anspruchsberechtigten Vermieter M. handelnde Klägerin als berechtigten Verhandlungspartner. Nach dieser Reaktion auf der Seite des Schädigers und im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist brauchten der Vermieter M. und die Klägerin nur mit Einwendungen aus dem materiellen Recht zu rechnen. Durch das Verhalten des Haftpflichtversicherers wurden sie nach objektiven Maßstäben von der fristunterbrechenden Klageerhebung abgehalten.
d) Das Verhalten des Haftpflichtversicherers muß sich der Beklagte wie eigenes Verhalten zurechnen lassen. Tritt der Haftpflichtversicherer mit einem Haftpflichtgläubiger in Regulierungsverhandlungen ein und gibt er in deren Verlauf zu erkennen, daß er den Haftpflichtanspruch nur mit materiellen Einwendungen bekämpfen werde, kann die spätere Erhebung der Verjährungseinrede auch dann als unzulässige Rechtsausübung anzusehen sein, wenn der Versicherer im Zeitpunkt der Regulierungsverhandlungen (noch) nicht zur Vertretung des Haftpflichtigen bevollmächtigt war (BGH, Urteil vom 5.3.1981 - IVa ZR 196/80 - NJW 1981, 2243).
Fundstellen
Haufe-Index 2993070 |
BGHR BGB § 242 Rechtsausübung, unzulässige 20 |
BGHR VVG § 67 Rückgriff 1 |
NJW-RR 1991, 527 |
WM 1992, 1079 |
VersR 1991, 462 |