Leitsatz (amtlich)
a) Eine Abstandsvereinbarung im Sinne des § 4 a Abs. 1 WoVermittG liegt nicht vor, wenn die vereinbarte Zahlung für die Übernahme von Sachen oder die Abgeltung von Renovierungsarbeiten des bisherigen Mieters erfolgt.
b) § 4 a Abs. 2 WoVermittG findet auf Ablösungsvereinbarungen entsprechende Anwendung, in denen sich der bisherige Mieter im Zusammenhang mit der anderweitigen Vermietung der Wohnung von dem Wohnungssuchenden für andere Leistungen als die Überlassung einer Einrichtung oder eines Inventarstücks ein überhöhtes Entgelt zahlen läßt.
c) Ein auffälliges Mißverhältnis im Sinne des § 4 a Abs. 2 Satz 2 WoVermittG ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn das vereinbarte Entgelt den objektiven Wert der Einrichtung oder des Inventarstücks um mehr als 50% überschreitet.
d) Die Vereinbarung über das Entgelt ist nach § 4 a Abs. 2 Satz 2 WoVermittG nicht insgesamt unwirksam, sondern bleibt mit dem rechtlich unbedenklichen Teil aufrechterhalten.
Normenkette
WoVermittG § 4a
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 11.06.1996) |
LG Kleve (Urteil vom 14.11.1995) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 14. November 1995 wegen eines den Betrag von 2.000 DM übersteigenden Teils der Klageforderung nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagten waren Mieter des aus Wohngebäude, Scheune, Stallungen und umliegendem Weideland bestehenden Bauernhofes A. in G.. Ende 1994 wollten sie, zwei Jahre vor Ablauf ihres Mietvertrages mit der Eigentümerin, Frau D., ausziehen. Auf ihre Zeitungsanzeige, mit der sie einen Nachmieter suchten, meldeten sich unter anderem die Kläger. Am 4. November 1994 trafen die Parteien gemäß einem von den Beklagten aufgesetzten und von der Klägerin unterzeichneten Schriftstück folgende Vereinbarung:
„Falls ein Mietvertrag zwischen den Familien D. – S. (= Kläger) zustandekommt, verpflichtet sich Fam. S., den jetzigen Mietern T. (= Beklagte) einen Abstand von DM 15.000,– (fünfzehntausend) zu übergeben.
Übernommen werden die Holzdecken, SAT-Anlage, Öfen, die Heizanlagen, das Schlafzimmer, das Kinderzimmer, die Küche.
Herr u. Frau S. sind mit diesem Betrag einverstanden.”
Am 8. November 1994 schlossen die Kläger mit der Eigentümerin des Bauernhofes einen „Wohnraummietvertrag”. Am 5. Dezember 1994 überwiesen sie den Beklagten 15.000 DM.
Mit Anwaltsschreiben vom 22. Februar 1995 an die Beklagten haben die Kläger ihre Erklärung vom 4. November 1994 wegen arglistiger Täuschung angefochten und Rückzahlung von 13.000 DM begehrt. Diesen Betrag haben die Kläger auch mit ihrer Klage geltend gemacht. Sie haben behauptet, mit der vereinbarten Zahlung von 15.000 DM hätten nicht nur die übernommenen Sachen mit einem Gegenwert von 2.000 DM abgegolten werden sollen, sondern insbesondere auch Renovierungsarbeiten der Beklagten. Nachträglich habe sich jedoch herausgestellt, daß sämtliche Arbeiten entgegen den Angaben der Beklagten nicht von diesen, sondern von der Vermieterin bezahlt worden seien. Die Beklagten haben behauptet, die 15.000 DM seien lediglich für die Übernahme der in der Erklärung vom 4. November 1994 bezeichneten Sachen gezahlt worden. Das Landgericht ist dem im Hinblick auf den Wortlaut der schriftlichen Erklärung vom 4. November 1994 gefolgt, hat deswegen eine wirksame Anfechtung durch die Kläger verneint und die Klage abgewiesen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung haben die Kläger Rückzahlung des gesamten Betrages von 15.000 DM verlangt. Unter hilfsweiser Aufrechterhaltung ihrer Anfechtung haben sie ihre Forderung nunmehr in erster Linie auf § 4 a Abs. 2 WoVermittG gestützt, sich insoweit das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten hilfsweise zu eigen gemacht und im einzelnen dargelegt, die übernommenen Sachen hätten allenfalls einen Gesamtwert von 2.000 DM. Die Beklagten haben nunmehr behauptet, mit der Zahlung von 15.000 DM hätten nicht nur die den Klägern überlassenen Sachen, die einen Wert von 6.000 DM hätten, abgegolten werden sollen, sondern auch ihre umfangreichen Sanierungsarbeiten an dem Bauernhof, deren Gesamtwert 50.000 DM übersteige und die ihr „Lebenswerk” seien. Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg gehabt.
Mit der – zugelassenen – Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren in der ursprünglichen Höhe von 13.000 DM nebst Zinsen weiter. Für die ordnungsgemäß geladenen Beklagten ist im Senatstermin niemand erschienen.
Entscheidungsgründe
Über die Revision der Kläger, die zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht führt, ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 82).
I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Kläger könnten von den Beklagten nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 4 a Abs. 2 Satz 2 und § 5 Abs. 1 Satz 1 WoVermittG Rückzahlung von 15.000 DM verlangen. Bei der der Zahlung der Kläger zugrundeliegenden Vereinbarung der Parteien vom 4. November 1994 handele es sich weder eindeutig um eine Ablösungsvereinbarung im Sinne des § 4 a Abs. 2 WoVermittG noch eindeutig um eine Abstandsvereinbarung im Sinne des § 4 a Abs. 1 WoVermittG. Weder aus dem Wortlaut noch aus den Umständen der Vereinbarung ergebe sich klar, wofür die 15.000 DM gezahlt worden seien. Das gehe zu Lasten der Kläger.
Auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB sei nicht berechtigt. Es könne nicht festgestellt werden, daß die Kläger die Vereinbarung nicht getroffen hätten, wenn sie genau gewußt hätten, von wem die Renovierungsarbeiten im einzelnen durchgeführt und bezahlt worden seien. Dagegen spreche, daß sie sich erst nach Vertragsschluß um Aufklärung bemüht hätten. Auch besage die angebliche Erklärung der Beklagten, sie hätten die Holzdecke und den Heizkamin „auf ihre Kosten” eingebracht, nicht zwingend, daß sie völlig unentgeltlich gearbeitet hätten.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 4 a Abs. 2 Satz 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 WoVermittG auf Herausgabe eines Teils der streitigen 15.000 DM verneint.
Mit der Zahlung von 15.000 DM haben die Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ihre Verpflichtung aus der mit den Beklagten am 4. November 1994 getroffenen Vereinbarung erfüllt. Diese Vereinbarung ist nach dem in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt gemäß § 4 a Abs. 2 Satz 2 WoVermittG teilweise unwirksam. Insoweit können die Beklagten ihre Zahlung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WoVermittG nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB herausverlangen.
a) Der Anwendung der §§ 4 a und 5 WoVermittG auf die Vereinbarung der Parteien steht nicht entgegen, daß zu dem von den Klägern gemieteten Wohnhaus auch Scheune, Stallungen und umliegendes Weideland gehören. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei Entscheidung der – auch für die Anwendung des Wohnungsvermittlungsgesetzes maßgeblichen – Frage, ob ein Mietverhältnis über Wohnraum vorliegt, auf den Zweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjektes vertragsgemäß verfolgt (Urteil vom 15. November 1978 – VIII ZR 14/78 = WM 1979, 148 unter 2; BGHZ 94, 11, 14). Das ist hier das Wohnen. Gemäß § 1 Nr. 1 des „Wohnraummietvertrages” der Kläger mit der Eigentümerin des Bauernhofes vom 8. November 1994 erfolgt die Vermietung ausdrücklich „zu Wohnzwecken”.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der der Zahlung der Kläger zugrundeliegenden Vereinbarung der Parteien vom 4. November 1994 handele es sich weder eindeutig um eine Ablösungsvereinbarung im Sinne des § 4 a Abs. 2 WoVermittG noch eindeutig um eine Abstandsvereinbarung im Sinne des § 4 a Abs. 1 WoVermittG; weder aus dem Wortlaut noch aus den Umständen der Vereinbarung ergebe sich klar, wofür die 15.000 DM gezahlt worden seien. Diese Auslegung, die eine Feststellbarkeit des von den Parteien mit der Zahlungsverpflichtung der Kläger Beabsichtigten verneint, ist, wie die Revision zu Recht rügt, rechtsfehlerhaft und daher für das Revisionsgericht nicht bindend.
Die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung ist revisionsrechtlich zwar nur beschränkt darauf überprüfbar, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1994 – V ZR 196/93 = WM 1995, 263 unter II 2 m.w.N.). Ein solcher Fehler liegt hier jedoch vor. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daß das übereinstimmende Verständnis einer Vereinbarung durch die Parteien dem Wortlaut und jeder anderweitigen Auslegung vorgeht (BGH, Urteil vom 29. März 1996 – II ZR 263/94 = WM 1996, 772 unter II 2 m.w.N.) und im gegebenen Falle zu einer eindeutigen Bestimmung des Inhalts der Vereinbarung vom 4. November 1994 führt. Da weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen, kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen.
Hier ist in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, daß mit der vereinbarten Zahlung von 15.000 DM nicht nur die in der schriftlichen Erklärung vom 4. November 1994 bezeichneten Sachen vergütet werden sollten, sondern auch die Renovierungsarbeiten der Beklagten. Das haben die Kläger von Anfang an behauptet. Die Beklagten haben dies in erster Instanz zwar noch bestritten, in zweiter Instanz jedoch ausdrücklich eingeräumt, indem sie nunmehr selbst behauptet haben, mit der Zahlung hätten auch ihre umfangreichen Sanierungsarbeiten abgegolten werden sollen. Daß offen ist, um welche Renovierungs- bzw. Sanierungsarbeiten es sich im einzelnen handelt, ist unerheblich, da es hierauf jedenfalls bislang nicht ankommt. Soweit sich die Kläger im Berufungsverfahren, allerdings auch nur hilfsweise, den erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten zu eigen gemacht haben, die 15.000 DM seien lediglich für die in der schriftlichen Erklärung bezeichneten Sachen gezahlt worden, ist dem, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, wegen des geänderten Vortrags der Beklagten die Grundlage entzogen.
c) Nach dem Inhalt der Vereinbarung der Parteien vom 4. November 1994, wie er sich aus dem von ihnen übereinstimmend Gewollten ergibt, handelt es sich nicht um eine – unwirksame – Abstandsvereinbarung im Sinne des § 4 a Abs. 1 Satz 1 WoVermittG.
Nach dieser Vorschrift ist eine Vereinbarung unwirksam, die den Wohnungssuchenden oder für ihn einen Dritten verpflichtet, ein Entgelt dafür zu leisten, daß der bisherige Mieter die gemieteten Wohnräume räumt. § 4 a Abs. 1 Satz 1 WoVermittG betrifft daher seinem Wortlaut nach nur Vereinbarungen, die ein Entgelt für das Räumen der Wohnung vorsehen. Hier haben die Kläger indessen nicht 15.000 DM dafür gezahlt, daß die Beklagten ausziehen. Wie oben (unter II 1 b) dargelegt, sollten nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 4. November 1994 mit der Zahlung vielmehr bestimmte Sachen und die Renovierungsarbeiten der Beklagten abgegolten werden.
Auch nach dem Zweck des § 4 a Abs. 1 Satz 1 WoVermittG scheidet hier eine Abstandsvereinbarung aus. Die Vorschrift, die durch Art. 3 des Vierten Mietrechtsänderungsgesetzes vom 21. Juli 1993 (BGBl. I S. 1257) in das Wohnungsvermittlungsgesetz eingefügt worden ist, geht auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück. Nach dessen Begründung sollen die angesichts steigender Wohnungsknappheit vielfach verlangten Abstands Zahlungen unwirksam sein, weil ihnen keine Leistungen des bisherigen Mieters gegenüberstehen (BT-Drucks. 12/5224 S. 5). Dieser Gesetzeszweck vermag die Annahme einer unwirksamen Abstandsvereinbarung nicht zu rechtfertigen, wenn die vereinbarte Zahlung für die Übernahme von Sachen oder die Abgeltung von Renovierungsarbeiten des bisherigen Mieters erfolgt. Denn in diesem Fall steht der Zahlung nach dem Inhalt des Vertrages insofern eine Gegenleistung des bisherigen Mieters gegenüber, als dieser dem Wohnungssuchenden das Eigentum an den übernommenen Sachen überträgt, ihm in Bezug auf Einrichtungen der Mietsache das ihm zustehende Wegnahmerecht aus § 547 a Abs. 1 BGB abtritt (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. November 1968 – VIII ZR 189/66 = NJW 1969, 40 unter 1 b) – das sich auch auf die zu wesentlichen Bestandteilen des Gebäudes gewordenen und damit in das Eigentum des Vermieters übergegangenen Gegenstände erstrecken kann (BGH, Urteil vom 12. Juni 1991 – XII ZR 17/90 = NJW 1991, 3031 unter 1 a m.w.N.) – oder dem Wohnungssuchenden eigene Aufwendungen für Renovierungsarbeiten erspart (vgl. insoweit AG Dortmund WuM 1997, 54, 55).
d) Vielmehr ist die Abrede der Parteien als Ablösungsvereinbarung anzusehen, die nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt teilweise unwirksam ist.
aa) Eine Ablösungsvereinbarung ist gemäß § 4 a Abs. 2 Satz 1 WoVermittG ein Vertrag, durch den der Wohnungssuchende sich im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Mietvertrages über Wohnräume verpflichtet, von dem Vermieter oder dem bisherigen Mieter eine Einrichtung oder ein Inventarstück zu erwerben. Eine solche Vereinbarung ist grundsätzlich wirksam. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WoVermittG ist jedoch die Vereinbarung über das Entgelt unwirksam, soweit dieses in einem auffälligen Mißverhältnis zum Wert der Einrichtung oder des Inventars steht.
Hier sollten nach dem unstreitigen Inhalt der Vereinbarung der Parteien mit der Zahlung von 15.000 DM allerdings nicht nur Einrichtungen und Inventarstücke (zu diesen Begriffen vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 258 Rdn. 1 und Palandt/Putzo, aaO, § 547 a Rdn. 1, § 582 Rdn. 2 m.w.N.) der Beklagten abgegolten werden, sondern mit der – fest eingebauten – Heizung auch ein von den Beklagten eingefügter wesentlicher Bestandteil des Gebäudes (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, § 93 Rdn. 6 „Heizungsanlagen”, § 94 Rdn. 7 m.w.N.) und mit den Renovierungsarbeiten – angebliche – Aufwendungen der Beklagten zur Verbesserung der Mietsache.
Insoweit ist § 4 a Abs. 2 WoVermittG jedoch entsprechend anzuwenden. Der Begründung des Bundesrates (aaO) zufolge soll die Vorschrift Wohnungssuchende davor schützen, daß ihnen die bisherigen Mieter für das Freimachen der Wohnung einzelne Gegenstände zu überhöhten Preisen verkaufen. Sie will damit einer Umgehung des Verbots von Abstandszahlungen gemäß § 4 a Abs. 1 WoVermittG entgegenwirken. Wie bereits die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu dem Vorschlag des Bundesrates zum Ausdruck gebracht hat (BT-Drucks. 12/3254 S. 46), ist § 4 a Abs. 2 WoVermittG lückenhaft. Die Vorschrift stellt danach zwar gewisse, bisher bekannte Umgehungsweisen gegen das Verbot des Absatzes 1 unter die Sanktion der Unwirksamkeit des überhöhten Entgelts, kann aber nur einen kleinen Teil der möglichen Fälle erfassen. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl § 4 a Abs. 2 WoVermittG in dem hier maßgeblichen Punkt in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung hat Gesetz werden lassen, beruht das somit nicht darauf, daß er eine abschließende Regelung hat treffen wollen. Deshalb ist es nach dem Zweck des § 4 a Abs. 2 WoVermittG, einer Umgehung des § 4 a Abs. 1 WoVermittG entgegenzuwirken, gerechtfertigt, die Vorschrift in Fällen, in denen sich der bisherige Mieter im Zusammenhang mit der anderweitigen Vermietung der Wohnung von dem Wohnungssuchenden für andere Leistungen als die Überlassung einer Einrichtung oder eines Inventarstücks ein überhöhtes Entgelt zahlen läßt, entsprechend anzuwenden.
Ein solcher Fall ist hier nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Kläger, von dem mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz auszugehen ist, gegeben. Danach haben die von den Klägern übernommenen Sachen der Beklagten einschließlich der durch den Einbau in das Gebäude zum wesentlichen Bestandteil gewordenen Heizungsanlage lediglich einen Wert von 2.000 DM. Ferner sind nach der Behauptung der Kläger sämtliche Reparaturarbeiten entgegen den Angaben der Beklagten bei Abschluß der Vereinbarung vom 4. November 1994 nicht von ihnen, sondern von der Vermieterin bezahlt worden. Insoweit steht der Zahlung der Kläger daher überhaupt keine Leistung der Beklagten gegenüber, weil diese den Klägern nicht durch einen eigenen Aufwand an Zeit und Kosten Aufwendungen erspart haben. Insgesamt haben die Kläger damit aufgrund der Vereinbarung, die sie am 4. November 1994 mit den Beklagten im Hinblick auf den beabsichtigten Wohnungsmietvertrag getroffen haben, für ein Entgelt von 15.000 DM lediglich einen Gegenwert von 2.000 DM erhalten.
bb) Gemäß dem somit entsprechend anwendbaren § 4 a Abs. 2 Satz 2 WoVermittG ist die Vereinbarung über das Entgelt unwirksam, soweit dieses in einem auffälligen Mißverhältnis zum Wert der Einrichtung oder des Inventarstücks bzw. – bei entsprechender Anwendung der Vorschrift – der anderweitigen Leistung des bisherigen Mieters steht.
Der Begriff des auffälligen Mißverhältnisses ist aus § 138 Abs. 2 BGB, § 302 a Abs. 1 StGB und § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WiStG übernommen worden und kann daher in gleicher Weise ausgelegt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Mietwucher ist ein auffälliges Mißverhältnis zu bejahen, wenn das übliche Entgelt um mehr als 50 % überschritten wird (BGHSt 30, 280, 281). Dementsprechend ist auch im Rahmen des § 4 a Abs. 2 Satz 2 WoVermittG bei einer Überschreitung des objektiven Wertes um mehr als 50 % ein auffälliges Mißverhältnis anzunehmen (so auch LG Wiesbaden WuM 1997, 54; Blank WuM 1993, 503, 514; Bub NJW 1993, 2899, 2901; derselbe in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Nachtrag Januar 1994 zu Rdnr. II 703 und 703 a; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Bearbeitung 1995, Vorbemerkung zu §§ 535, 536 Rdn. 259; Scheuer in Bub/Treier, aaO, Nachtrag Januar 1994 zu Rdn. V 370).
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 4 a Abs. 2 Satz 2 WoVermittG („soweit”) ist die Preisvereinbarung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats vor Einführung des § 4 a WoVermittG (vgl. Urteil vom 22. Dezember 1976 – VIII ZR 221/75 = WM 1977, 345 unter II 4) nicht insgesamt unwirksam; vielmehr bleibt sie mit dem rechtlich unbedenklichen Teil aufrechterhalten (so auch Blank aaO; Staudinger/Emmerich aaO; Scheuer in Bub/Treier aaO; a.A. Beuermann GE 1993, 1068, 1074; Bub in Bub/Treier aaO).
Wie oben (unter II 1 d aa) ausgeführt, beträgt der Wert der von den Klägern übernommenen Sachen der Beklagten nach dem in der Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Vortrag der Kläger 2.000 DM. Danach ist die Vereinbarung der Parteien vom 4. November 1994 insoweit unwirksam, als das vereinbarte Entgelt mehr als (2.000 DM + 50 % =) 3.000 DM beträgt. Demgemäß könnten die Kläger von den Beklagten nach § 4 a Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WoVermittG in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB Rückzahlung von 12.000 DM verlangen.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ferner einen Anspruch der Kläger gegen die Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 123 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung von 13.000 DM verneint. Nach dem in der Revisionsinstanz zu unterstellenden Sachverhalt ist die Anfechtung der Kläger wegen arglistiger Täuschung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts berechtigt.
a) Die Kläger haben unter Beweisantritt behauptet, die Beklagten hätten ihnen ausdrücklich erklärt, sämtliche Renovierungsarbeiten mit Ausnahme der Dacharbeiten seien von ihnen ausgeführt und bezahlt worden. Tatsächlich, so haben die Kläger weiter vorgebracht, seien aber sämtliche Renovierungsarbeiten von der Vermieterin bezahlt worden. Soweit die Beklagten selbst Arbeiten ausgeführt hätten, habe die Vermieterin nicht nur die Materialkosten erstattet, sondern jede Arbeitsstunde mit 15 DM vergütet. Von der Richtigkeit dieses Vortrags ist mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz zugunsten der Kläger auszugehen.
b) Danach haben die Beklagten die Kläger durch arglistige Täuschung zum Abschluß der Vereinbarung vom 4. November 1994 bestimmt.
aa) Die Täuschung liegt in der wahrheitswidrigen Erklärung der Beklagten, sie hätten die Renovierungsarbeiten bezahlt. Soweit das Berufungsgericht dagegen meint, die von den Klägern – in anderem Zusammenhang – behauptete Erklärung der Beklagten, sie hätten die Holzdecken und den Heizkamin „auf ihre Kosten” eingebracht, besage nicht zwingend, daß sie „völlig unentgeltlich” gearbeitet hätten, schließt das eine Täuschung nicht aus. Unstreitig sollten mit der von den Parteien vereinbarten Zahlung auch die Renovierungsarbeiten abgegolten werden (vgl. oben unter II 1 b). Angesichts dessen kam es bei Abschluß der Vereinbarung vom 4. November 1994 entscheidend darauf an, wer den wesentlichen Teil der Kosten gezahlt hatte. Das waren aber auch nach der einschränkenden Auslegung der in Rede stehenden Erklärung der Beklagten durch das Berufungsgericht die Beklagten und war nicht etwa die von diesen überhaupt nicht erwähnte Vermieterin.
bb) Zu Unrecht ist das Berufungsgericht der Auffassung, es könne nicht festgestellt werden, daß die Kläger die Vereinbarung vom 4. November 1994 nicht getroffen hätten, wenn sie genau gewußt hätten, wer welche Renovierungsarbeiten durchgeführt und bezahlt habe; dagegen spreche der Umstand, daß die Kläger sich erst nach Vertragsschluß um Aufklärung bemüht hätten. Das ist schon im rechtlichen Ansatz unzutreffend. Für die Ursächlichkeit zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung ist unerheblich, ob und gegebenenfalls wann der Getäuschte die Richtigkeit der Erklärung des Täuschenden geprüft hat. In der Regel wird der Getäuschte gerade deshalb von eigenen Nachforschungen absehen, weil er auf die Wahrheit der Angaben seines Geschäftspartners vertraut. Eine arglistige Täuschung setzt nicht voraus, daß für den Getäuschten der Irrtum bei größerer Aufmerksamkeit vermeidbar gewesen und die Willenserklärung dann nicht abgegeben worden wäre. Denn auf Verschulden des Getäuschten kommt es nicht an (Senatsurteil vom 28. September 1988 – VIII ZR 160/87 = WM 1988, 1669 unter II 2 m.w.N.). Für die Darlegung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es vielmehr, daß der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluß von Bedeutung sein konnten, und daß die Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluß auf die Entschließung hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 – V ZR 34/94 = WM 1995, 1540 unter II 3 b m.w.N.). Danach kann hier an der Ursächlichkeit der Täuschung der Kläger durch die Beklagten für den Abschluß der Vereinbarung vom 4. November 1994 durch die Kläger kein Zweifel bestehen. Unstreitig sollten mit der vereinbarten Zahlung der Kläger auch die Renovierungskosten der Beklagten abgegolten werden (vgl. oben unter II 1 b). Es wäre geradezu lebensfremd anzunehmen, die Kläger hätten sich bereit erklärt, den Beklagten ein beträchtliches Entgelt für die Renovierungsarbeiten zu zahlen, wenn sie gewußt hätten, daß diese Arbeiten nicht von den Beklagten, sondern von der Vermieterin bezahlt worden waren.
cc) Da dies auch für die Beklagten offen zu Tage lag, war ihre Täuschung der Kläger schließlich auch arglistig.
3. Nach alledem kann das Berufungsurteil im angefochtenen Umfang keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen dazu bedarf, welchen Wert die von den Klägern übernommenen Sachen der Beklagten haben, was die Beklagten bei Vertragsschluß in Bezug auf die Bezahlung der Renovierungsarbeiten erklärt haben und wer die Kosten der Renovierungsarbeiten getragen hat, ist die Sache nicht zur Entscheidung reif. Daher war das Berufungsurteil im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Zülch, Dr. Paulusch, Dr. Beyer, Wiechers
Fundstellen
Haufe-Index 950549 |
BGHZ |
BGHZ, 269 |
NJW 1997, 1845 |
NWB 1997, 2028 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1998, 99 |
MDR 1997, 721 |