Leitsatz (amtlich)
Der Senat tritt der Rechtsprechung bei, wonach die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses mit der Wirkung des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich auch dann auf den Kläger übergeht, wenn das Gericht im Einvernehmen mit den Parteien von einer Terminierung auf unbestimmte Zeit absieht, um den Ausgang eines „Musterprozesses”
abzuwarten (BGH, Urteil vom 21. Februar 1983 – VIII ZR 4/82 – NJW 1983, 2496).
Zu den Voraussetzungen eines Stillhalteabkommens (sog. pactum de non petendo).
Normenkette
BGB § 211 Abs. 2 S. 1, § 202 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 17.12.1996) |
LG Osnabrück (Urteil vom 01.08.1996) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Dezember 1996 aufgehoben und das Teil- und Grundurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 1. August 1996 abgeändert.
Die Klage des Klägers zu 4 wird abgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelzüge trägt der Kläger zu 4. Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlußentscheidung des Landgerichts vorbehalten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die im Rahmen eines Bauherrenmodells zu Treuhändern bestellten Beklagten – von Beruf Steuerberater – auf Schadensersatz in Anspruch.
Nach den zugrundeliegenden Verträgen aus dem Jahre 1981 sollten die Erwerbsinteressenten jeweils aus dem Angebot ersichtliche Eigentumswohnungen in einer Mehrfamilienhausanlage als „Bauherren” errichten und erwerben. Die Beklagten waren als Treuhänder berechtigt und verpflichtet, alle im Zusammenhang mit der Errichtung, Verwaltung und Vermietung des Bauvorhabens sich ergebenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen, also auch „nach pflichtgemäßem Ermessen alle von dem Baubetreuer vorbereiteten Handlungen und Rechtsgeschäfte gegenüber den Behörden und Dritten …, die der Betreuer zur Durchführung der … Baumaßnahme erforderlich hält”. Außerdem waren die Treuhänder u.a. bevollmächtigt, alle zur Aufteilung in Wohnungseigentum notwendigen Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Die vom Architekten zur Genehmigung eingereichte Planung wies erheblich weniger Wohnraum aus, als in den Treuhandverträgen vorgesehen war. Die Beklagten bemerkten dies nicht, sie gaben am 24. Mai 1982 im Namen der Bauherren die Teilungserklärung im Sinne der geänderten Planung ab und ließen zu, daß das Bauvorhaben in dieser Form verwirklicht wurde (Fertigstellung: 30. Juni 1983).
Die Erwerber der Eigentumswohnungen sahen in der Abweichung der baurechtlich genehmigten und dann tatsächlich verwirklichten von der vertraglich vorgesehenen Nutzbarkeit als Wohnung einen Schaden, für den sie die Beklagten verantwortlich machten:
Zwei Wohnungserwerber erhoben im Juli 1987 gegen die Beklagten Schadensersatzklage. Das Landgericht Osnabrück wies die Klage mit Urteil vom 19. April 1988 ab, das Oberlandesgericht Oldenburg wies die hiergegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 12. Dezember 1988 zurück. Dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 5. Juli 1990 – VII ZR 26/89 – WM 1990, 1623 – auf und verwies die Sache an das Oberlandesgericht zurück. Mit Urteil vom 16. November 1993 sprach das Oberlandesgericht Oldenburg den betreffenden beiden Wohnungserwerbern Schadensersatz zu. Die hiergegen gerichtete Revision nahm der Bundesgerichtshof nicht an (Beschluß vom 27. September 1994).
Im vorliegenden Rechtsstreit haben mit der am 24. Mai 1988 eingereichten – am 1. Juni 1988 zugestellten – Klage nochmals zehn Wohnungserwerber aus dem in Rede stehenden Bauherrenmodell Klage auf Feststellung erhoben, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihnen den aus der Verletzung der Treuhandverträge entstandenen Schaden zu ersetzen. Nachdem die Beklagten das in dem Parallelrechtsstreit am 12. Dezember 1988 ergangene, die Berufung gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz zurückweisende Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vorgelegt hatten, bat der Vorsitzende der Kammer des Landgerichts die Kläger um Stellungnahme, ob der Rechtsstreit durchgeführt werden solle. Hierauf teilte der Klägervertreter dem Gericht mit Schriftsatz vom 16. Januar 1989 mit:
„Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts wurde mit gleicher Post die Einlegung der Revision zur Fristwahrung sowie die Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision in Auftrag gegeben.
Unter Bezugnahme auf das mit dem Vorsitzenden geführte Telefonat erklären wir hiermit für die Kläger verbindlich, daß mit der rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits Dr. H. und S. ./. K. und Sch. auch dieses Verfahren erledigt ist. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes bitten wir, vorläufig von einer Terminierung abzusehen.”
Der Beklagtenvertreter erklärte sich mit Schriftsatz vom 30. Januar 1989 „mit der von den Klägern im Schriftsatz vom 16. Januar 1989 vorgeschlagenen Verfahrensweise einverstanden”.
Mit Schriftsätzen vom 11. Dezember 1995, 4. Januar (Kläger zu 4) und 12. Januar 1996 haben die Kläger zu 2–5, 7, 9 und 10 jeweils mit eigenen Leistungsklageanträgen gegen die Beklagten den Rechtsstreit fortgesetzt. Das Landgericht hat durch Teil- und Grundurteil die Klage des Klägers zu 4 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage des Klägers zu 4.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage des Klägers zu 4 wegen Verjährung.
I.
1. Das Berufungsgericht führt (in seiner Hauptbegründung) aus, der Anspruch des Klägers sei aus einer „Musterprozeßvereinbarung” begründet, die durch die Schriftsätze der Parteien vom 16./30. Januar 1989 zustande gekommen sei: Die Parteien hätten hierdurch vergleichsweise eine von dem zugrundeliegenden Sachverhalt losgelöste, selbständige Haftungsvereinbarung getroffen. Der Vorschlag der Kläger vom 16. Januar 1989 habe erkennbar den Zweck haben sollen, die im Parallelverfahren ergehende Entscheidung auch in dem vorliegenden Verfahren zugrunde zu legen. Für den Fall des Mißerfolgs der Kläger zum Anspruchsgrund in dem anderen Prozeß hätten sich die Kläger verpflichten wollen, den vorliegenden Prozeß nicht weiter zu betreiben. Umgekehrt hätten die Kläger vorgeschlagen, daß sich die Beklagten bei einem Unterliegen in dem anderen Verfahren verpflichten sollten, sich nicht mehr zum Grunde zu verteidigen und die Kläger so zu stellen, als hätten sie ein rechtskräftiges Feststellungs- bzw. Grundurteil erstritten. Hiermit hätten die Kläger einen bedingten Verzicht angeboten und als Gegenleistung eine bedingte, von dem zugrundeliegenden Sachverhalt losgelöste Haftungszusage erwartet. Dies sei für die Beklagten erkennbar gewesen, und damit hätten sie sich einverstanden erklärt, wie sich aus einer sachgerechten, am Empfängerhorizont orientierten Interpretation ihrer Erklärung unter Berücksichtigung des Interesses beider Parteien ergebe. Der Sachverhalt sei in beiden Verfahren bis auf die Schadenshöhe identisch und unstreitig gewesen. Da sich der Parallelprozeß in der Revisionsinstanz befunden habe, habe alsbald eine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Sache bevorgestanden. Die ernsthafte Möglichkeit, auch bei einem Unterliegen in jenem Verfahren durch neuen Tatsachenvortrag in dem vorliegenden Prozeß ein anderes Ergebnis zu erreichen, habe nicht bestanden. Angesichts der gleichen Ausgangslage in beiden Prozessen wäre es für beide Parteien aus Zeit- und Kostengründen unsinnig gewesen, den vorliegenden Rechtsstreit weiter zu betreiben, nur um identische Rechtsfragen nochmals klären zu lassen. Die vom Kläger vorgeschlagene Lösung sei mithin ein Gebot der Vernunft und für jeden redlichen Empfänger als solches erkennbar gewesen.
Aus der so verstandenen Vereinbarung ergebe sich nicht nur, daß die Beklagten im Hinblick auf den Ausgang des Parallelprozesses dem Grunde nach losgelöst vom Sachverhalt auf Schadensersatz hafteten, sondern zugleich, daß die Verjährung für diesen vertraglichen Anspruch aus der selbständigen Haftungszusage der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB unterfalle.
2. Diese Auslegung begegnet, wie die Revision mit Recht rügt, durchgreifenden Bedenken.
a) Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang im allgemeinen die tatrichterliche Auslegung einer durch den Austausch von Schriftsätzen mit dem Gericht und dem Gegner getroffenen Vereinbarung während eines laufenden Prozesses der Art, wie sie hier erfolgte, der revisionsrichterlichen Überprüfung unterliegt. Selbst wenn die vorliegende Auslegung des Berufungsgerichts nur begrenzt – auf Rechtsfehler – überprüfbar sein sollte, wäre sie hier für das Revisionsgericht nicht bindend.
Die tatrichterliche Auslegung ist für das Revisionsgericht nicht bindend, wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung. Ferner hat der Tatrichter den ihm vorliegenden Prozeßstoff bei der Auslegung auszuschöpfen, er darf also nicht wesentliche Umstände unberücksichtigt lassen. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verletzt.
b) Die Revision rügt schon mit Recht, daß das Berufungsgericht bei seiner Auslegung wesentlichen Verfahrensstoff unberücksichtigt gelassen oder jedenfalls nicht genügend in seine Überlegungen mit einbezogen hat. Dazu gehört zum einen der Umstand, daß der Schriftsatz der Kläger vom 16. Januar 1989 – nach dem Unterliegen der Kläger des Parallelprozesses in zwei Instanzen – an die schriftliche Antrage des Kammervorsitzenden, „ob der Rechtsstreit durchgeführt werden soll”, und (wie aus dem Schriftsatz vom 16. Januar 1989 ersichtlich) zusätzlich an ein Telefonat des Klägervertreters mit dem Kammervorsitzenden anknüpfte. Das legt nahe, daß die betreffende Äußerung der Kläger zu allererst – und im Zweifel nur – im Sinne einer verfahrensrechtlichen Erklärung gegenüber dem Gericht erfolgt ist. Auf der anderen Seite hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung, wonach die Beklagten in dem Schriftsatz der Kläger vom 16. Januar 1989 ein materiell-rechtliches „Angebot” im Sinne einer Musterprozeßvereinbarung hätten sehen müssen, die Erläuterung unerwähnt gelassen, mit der nach dem unwiderlegten Vorbringen der Beklagten seinerzeit der Beklagtenvertreter den Schriftsatz der Kläger vom 16. Januar 1989 an seine Mandanten weitergegeben hatte: „In der vorbezeichneten Sache wurde mir am 23. Januar 1989 der anliegende gegnerische Schriftsatz zugestellt. Daraus entnehme ich, daß die Gegenseite in der Sache H. Revision eingelegt hat. Ich sehe keinen Anlaß, in dem vorliegenden Rechtsstreit … darauf zu drängen, daß das Gericht umgehend Termin anberaumt …”. Diese Formulierungen deuten auf den ersten Blick darauf hin, daß jedenfalls der Vertreter der Beklagten damals nicht im geringsten daran gedacht hat, daß in der von den Klägern dem Gericht vorgeschlagenen Verfahrensweise ein rechtsgeschäftliches Angebot an die Beklagten zu einer Musterprozeßvereinbarung im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts liegen könnte. Diese Reaktion des rechtskundigen Vertreters der Beklagten mußte aber beim Tatrichter zugleich schwerwiegende Zweifel wecken, ob ein objektiver Betrachter auf der Beklagtenseite die Erklärung der Kläger in dem Schriftsatz vom 16. Januar 1989 anders verstehen durfte, als danach auf seiten der Beklagten geschehen. Gleichermaßen ist damit die Grundlage der Annahme des Berufungsgerichts erschüttert, die Kläger hätten ihrerseits in der Erklärung der Beklagten in dem Schriftsatz vom 30. Januar 1990, mit der „vorgeschlagenen Verfahrensweise einverstanden” zu sein, ein (materielles) Einverständnis mit einer Musterprozeßvereinbarung des beschriebenen Inhalts sehen dürfen.
Ein weiterer Rechtsfehler des Berufungsgerichts liegt darin, daß es die Prozeßaussichten der Parteien zum Zeitpunkt des Schriftsatzwechsels vom 16./30. Januar 1989 nicht genügend differenziert betrachtet hat. Es waren die Kläger des Parallelprozesses, die in zwei Instanzen unterlegen waren. An die Kläger war folgerichtig die Frage des Gerichts gerichtet worden, ob sie den vorliegenden Prozeß noch durchführen wollten. Wenn die Kläger daraufhin erklären ließen, mit der rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits im Vorprozeß werde „auch dieses Verfahren erledigt” sein, so drängte sich als nächstliegende Bedeutung (und als erschöpfender Sinn) dieser Erklärung auf – jedenfalls hätte das Berufungsgericht dies erwägen müssen –, daß mit der Rechtskraft des Berufungsurteils im Parallelprozeß für die Kläger ein Weiterprozessieren im vorliegenden Rechtsstreit nicht in Frage komme. Soweit das Berufungsgericht meint, eine vergleichbare Reaktion hätte für die Beklagten im Falle ihres Unterliegens im Parallelprozeß genauso nahegelegen, hält die Revision im übrigen zutreffend entgegen, daß das Berufungsgericht nach dem Anfang 1989 gegebenen Sachstand nicht ohne weiteres zusätzliche Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten im vorliegenden Prozeß ausschließen durfte, insbesondere, was die erhobene Verjährungseinrede anging; zumal die vorliegende Klage wesentlich später als die Klage im Parallelprozeß erhoben worden war.
Schließlich hat das Berufungsgericht die Grenze des tatrichterlichen Ermessens bei seiner Auslegung dadurch überschritten, daß es den in den Schriftsätzen vom 16./30. Januar 1989 abgegebenen Erklärungen einen Sinn gegeben hat, der in deren Wortlaut keinen Niederschlag findet, ohne sich damit auseinanderzusetzen, daß Musterprozeßvereinbarungen der vom Berufungsgericht angesprochenen Art – schon angesichts der weitreichenden Rechtsfolgen, die sich daraus ergeben können – üblicherweise im einzelnen ausgehandelt und hinreichend ausformuliert zu werden pflegen. Deshalb ist es in solchen Fällen auch regelmäßig geboten, bei der Auslegung nur an die nächstliegende Bedeutung der schriftlich abgegebenen Erklärungen anzuknüpfen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte (etwa der Inhalt mündlicher Verhandlungen) für einen weitergehenden Parteiwillen gegeben sind.
3. Nach allem erweist sich die Auslegung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft. Sie ist mithin für den Senat als Revisionsgericht nicht bindend. Der Senat kann, da es weiterer Feststellungen hierzu nicht bedarf, die Auslegung selbst vornehmen. Sie geht dahin, daß sich die Erklärung der Kläger in dem Schriftsatz vom 16. Januar 1989 darin erschöpfte, daß sie – verbunden mit der Ankündigung, für den Fall der Rechtskraft des Berufungsurteils im Parallelprozeß den vorliegenden Prozeß nicht weiter betreiben zu wollen – das Gericht baten, vorläufig von einer Terminierung abzusehen, und daß die Beklagten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärten. Eine materiell-rechtliche Einigung im Sinne einer „selbständigen Haftungsvereinbarung” liegt darin nicht.
II.
Mithin verbleibt für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Klägers zu 4 gegen die Beklagten nur der ursprüngliche Klagegrund einer schuldhaften Verletzung des Treuhandvertrages, gegenüber dem jedoch die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift. Soweit das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung meint, die Verjährung sei (noch) wirksam unterbrochen oder gehemmt beziehungsweise den Beklagten sei die Berufung auf Verjährung nach Treu und Glauben verwehrt, trifft auch dies nicht zu.
1. a) Schadensersatzansprüche gegen einen Steuerberater aus dem Treuhandvertrag bei einem Bauherrenmodell verjähren nach § 68 StBerG in drei Jahren (BGHZ 97, 21, 25 f; 115, 213, 226; vgl. auch BGHZ 120, 157, 160). Die Verjährung beginnt nach dieser Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem „der Anspruch entstanden” ist (dazu näher BGHZ 114, 150, 152 f). Dieses Tatbestandselement war hier, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei zugrunde legt, bezogen auf den vom Kläger zu 4 geltend gemachten Schaden mit der Abgabe der vertragswidrigen – Teilungserklärung für das Bauobjekt durch die Beklagten am 24. Mai 1982 gegeben, spätestens jedenfalls mit der Fertigstellung der (erheblich weniger Wohnfläche als ursprünglich versprochen umfassenden) Eigentumswohnungen am 30. Juni 1983.
b) Danach wäre der vertragliche (Primär-)Anspruch des Klägers zu 4 auf Schadensersatz mit dem Ablauf des 24. Mai 1985 oder jedenfalls des 30. Juni 1986 verjährt. Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht unter dem Gesichtspunkt einer sog. Sekundärhaftung der Beklagten eine Verlängerung der Verjährungsfrist um weitere drei Jahre ab Eintritt der Primärverjährung in Betracht gezogen (vgl. nur BGHZ 129, 386, 395 und aus jüngster Zeit das Urteil vom 18. Dezember 1997 – IX ZR 180/96 – WM 1998, 779 f), weil die vorliegende Klage auch auf dem Vorwurf gründet, die Beklagten hätten es versäumt, die Bauherren über ihr Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Treuhandvertrag rechtzeitig und vollständig aufzuklären (s. das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 1990 aus dem Vorprozeß a.a.O. S. 1624 f). Soweit die Revision demgegenüber anführt, im Falle einer (Primär-)Verjährung mit Ablauf des 30. Juni 1986 wäre ein Sekundäranspruch nicht mehr in Betracht gekommen, weil die Tätigkeit der Beklagten nach dem Treuhandvertrag mit der Bezugsfertigkeit des Bauvorhabens am 30. Juni 1983 ihre Beendigung gefunden habe, kann dem nicht gefolgt werden. Die Verjährung des Sekundäranspruchs gegen einen Steuerberater beginnt nicht – wie bei der Haftung des Rechtsanwalts – (spätestens) mit dem Mandatsende, sondern erst mit dem Eintritt der Primärverjährung, weil in § 68 StBerG eine § 51 b Fall 2 BRAO entsprechende Regelung fehlt (BGHZ 129, 386, 395).
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die danach am 24. Mai 1988 oder jedenfalls am 30. Juni 1989 ablaufende Verjährungsfrist für den Sekundäranspruch durch die am 24. Mai 1988 eingereichte und am 1. Juni 1988 zugestellte Klage unterbrochen worden ist (§§ 209 Abs. 1 BGB, 270 Abs. 3 ZPO). Die Rüge der Revision, in der vorliegenden Form – als gemeinschaftliche Klage von am Bauherrenmodell beteiligten Erwerbern – sei die Klage nicht geeignet gewesen, eine Verjährungsunterbrechung für die später angekündigten einzelnen Klageanträge herbeizuführen, ist unbegründet, zumal in dieser Klage bei sachgerechtem Verständnis im Zweifel hilfsweise die Einzelansprüche der jeweiligen Erwerber steckten. Jedenfalls waren die ursprünglich und die später geltend gemachten Ansprüche ihrem Grund und ihrer Rechtsnatur nach wesensgleich (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1993 – XII ZR 12/92 – NJW 1993, 2439, 2440). Im übrigen reichte für eine Unterbrechung nach § 209 Abs. 1 BGB eine Feststellungsklage (Palandt/Heinrichs BGB 57. Aufl. § 209 Rn. 2).
3. Die Unterbrechung der Verjährung durch die Klageerhebung endete jedoch, wie auch das Berufungsgericht seiner (Hilfs-)Argumentation zugrunde legt, gemäß § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB dadurch, daß der Prozeß im Anschluß an den Schriftsatzwechsel vom 16./30. Januar 1989 durch die Kläger nicht weiter betrieben wurde mit der Folge, daß von da ab eine neue Verjährung begann (§ 217 Halbs. 2 BGB).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses mit der Wirkung des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Gericht auf den Kläger über, wenn das Gericht auf dessen Bitte oder mit dessen ausdrücklichem Einverständnis von einer Terminsbestimmung auf unbestimmte Zeit absieht, und zwar auch dann, wenn dies geschieht, um den Ausgang eines anderen, von den Parteien als Musterverfahren angesehenen Prozesses abzuwarten (BGH, Urteil vom 21. Februar 1983 – VIII ZR 4/82 – NJW 1983, 2496, 2497).
In dem zitierten Urteil wird ausgeführt: Ob es unter den gegebenen Umständen sinnvoll und prozeßwirtschaftlich vernünftig gewesen sei, den Ausgang des Musterverfahrens abzuwarten, sei ohne Belang; denn dadurch allein werde die Vorschrift des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB noch nicht unanwendbar. Zwar sei Zweck dieser Bestimmung, eine Umgehung der Verjährungsvorschriften zu verhindern. Die Verjährung könne durch Rechtsgeschäfte weder ausgeschlossen noch erschwert werden (§ 225 BGB); dieser Erfolg solle auch nicht auf dem Umweg erreicht werden, daß ein Prozeß begonnen, dann aber nicht mehr betrieben werde. Nicht aber sei als Voraussetzung der Beendigung der Verjährungsunterbrechung in das Gesetz aufgenommen worden, daß die Parteien den Verfahrensstillstand subjektiv in Umgehungsabsicht herbeigeführt haben müßten. Abgesehen davon, daß wegen der einschneidenden Wirkungen des § 211 Abs. 2 BGB sich die Beurteilung der Voraussetzungen dieser Vorschrift nach objektiven Kriterien – nämlich dem Verfahrensstillstand im Verantwortungsbereich der Parteien – empfehle, weil das Motiv der Parteien für ihre Verfahrensweise oft schwer feststellbar sein werde, könne auch ein bewußtes, aber von keiner besonderen Umgehungsabsicht getragenes Nichtbetreiben des Verfahrens zu der von dem Gesetzgeber mißbilligten Folge führen, daß sich die in den Prozeß gezogenen Ansprüche „verewigen” (Hinweis auf Mot. I, 332). Diesem Urteil des VIII. Zivilsenats tritt der erkennende Senat trotz der Kritik von Brommann (AnwBl. 1985, 5) bei. Der Kritik ist entgegenzuhalten, daß die gesetzliche Regelung insoweit eindeutig ist und daß die Prozeßparteien, falls sie beide daran interessiert sind, den Ausgang eines Musterprozesses abzuwarten, dem durch ein – hinreichend ausformuliertes – materielles Stillhalteabkommen (dazu unten 4 a) Rechnung tragen können. Der vorstehenden Rechtsprechung steht auch nicht entgegen, daß in mehreren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ausgesprochen worden ist, § 211 Abs. 2 BGB sei nur anwendbar, wenn die Parteien „ohne triftigen Grund” untätig bleiben (vgl. Urteile vom 7. Dezember 1978 – VII ZR 278/77 – NJW 1979, 810, 811, vom 1. Juli 1986 – VI ZR 120/85 – NJW 1987, 371, 372 und vom 24. September 1987 – VII ZR 187/86 – NJW 1988, 128, 129). Diese Entscheidungen betreffen Sachverhalte, die – insbesondere auch unter dem für § 211 Abs. 2 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, ob der Verfahrensstillstand im Verantwortungsbereich der Parteien oder dem des Gerichts liegt – anders gelagert waren: In dem dem Urteil vom 7. Dezember 1978 (aaO) zugrundeliegenden Fall warteten die Parteien den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens gegen ein Teilurteil in demselben Prozeß ab, nachdem das Gericht Bedenken gegen die von der dortigen Klägerin beantragte Fortführung des Prozesses im Hinblick auf eine Vorgreiflichkeit der im Rechtsmittelverfahren zu treffenden Entscheidung für den noch nicht entschiedenen Verfahrensteil zum Ausdruck gebracht hatte. Das Urteil vom 1. Juli 1986 (aaO) behandelt einen Fall, in dem durch die Begründung eines landgerichtlichen Urteils für die dortige Klägerin ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden war, nach dem sie ihr Vorgehen – ein zeitweiliges Nichtbetreiben des Prozesses – ausrichten durfte. Das Urteil vom 24. September 1987 (aaO) betrifft das Untätigbleiben einer Partei, nachdem das Gericht einen Parteiwechsel auf der Klägerseite angeregt hatte. Demgemäß hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in BGHZ 106, 295, 299 mit Recht ausgesprochen, jene Einschränkung dürfe nicht dahin mißverstanden werden, daß stets auf die Motive der Parteien oder gar auf eine Umgehungsabsicht abzuheben wäre; vielmehr sei im Interesse der Rechtssicherheit für den Beginn des Laufs der neuen Verjährung auf die nach außen erkennbar werdenden Umstände des Prozeßstillstandes anzuknüpfen.
4. Das Berufungsgericht meint, die nach dem Stillstand des Prozesses Anfang 1989 neu beginnende Verjährung sei zugleich aufgrund des Schriftsatzwechsels vom 16./30. Januar 1989 bis zu dem Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs vom 27. September 1994 im Parallelprozeß gehemmt gewesen bzw. bis zu diesem Zeitpunkt hätte einer Verjährungseinrede der Beklagten der Arglisteinwand entgegengestanden; danach habe der Kläger zu 4 den Prozeß mit seinem am 5. Januar 1996 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz rechtzeitig wieder aufgenommen. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Nach § 202 Abs. 1 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange die Leistung gestundet oder der Verpflichtete aus einem anderen Grunde vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Für eine Stundungsvereinbarung im Zusammenhang mit dem Schriftsatzwechsel vom 16./30. Januar 1989 ist nichts ersichtlich; selbst in einer Übereinkunft der Prozeßparteien, den Rechtsstreit ruhen zu lassen, kann – für sich genommen – eine Stundungsabrede im Sinne von § 202 BGB noch nicht gesehen werden (BGH, Urteil vom 23. Januar 1970 – I ZR 37/68 – WM 1970, 548). Auch für die Annahme eines (materiell rechtlichen) Stillhalteabkommens im Sinne eines sog. pactum de non petendo mit der Wirkung des § 202 Abs. 1 BGB gibt – entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung – der vorliegende Prozeßstoff keine hinreichende Grundlage.
Ein solcher befristeter Verzicht auf die Geltendmachung einer Forderung setzt eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraus, wonach der Schuldner vorübergehend zur Verweigerung der Zahlung berechtigt sein soll (vgl. BGH, Urteile vom 23. Januar 1970 aaO, 28. November 1972 – VI ZR 126/71 – NJW 1973, 316, 317, 21. Februar 1983 a.a.O. und 14. November 1991 – IX ZR 31/91 – NJW 1992, 836). Die so geartete Verpflichtung zum Stillhalten im Rahmen eines laufenden Prozesses verlangt, daß der Kläger sich erkennbar der Möglichkeit eines jederzeitigen Weiterbetreibens des Verfahrens ohne rechtliche Nachteile für ihn begeben will (Brommann a.a.O. S. 7). Daran fehlt es hier. Das Berufungsgericht führt in diesem Zusammenhang lediglich aus, die „Vereinbarung” vom 16./30. Januar 1989 habe das Ziel gehabt, eine rechtskräftige Entscheidung im Parallelverfahren abzuwarten. Die betreffende Entscheidung hätte schnell fallen, aber auch – bei einer (tatsächlich erfolgten) Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht – lange und gegebenenfalls auch über die Verjährungsfrist hinaus auf sich warten lassen können; das hätten beide Parteien gewußt, und damit seien sie einverstanden gewesen. Die Feststellung, daß die Kläger sich hierdurch gegenüber den Beklagten rechtsverbindlich – im Sinne der Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts – verpflichten wollten, welchen Fortgang der Parallelprozeß auch immer nehmen sollte, für alle Fälle auf eine Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß jenes Prozesses zu verzichten, ist daraus nicht zu entnehmen. Eine solche Feststellung wäre auch schwerlich damit in Einklang zu bringen, daß der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 16. Januar 1989 das Gericht lediglich gebeten hatte, „vorläufig von einer Terminierung abzusehen”.
Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 28. September 1978 (III ZR 203/74 – VersR 1979, 348, 349) ausgesprochen, daß die Zustimmung der Prozeßparteien zur Anregung des Gerichts, das Verfahren bis zur Klärung bestimmter aufgeworfener Rechtsfragen in bereits laufenden Revisionsverfahren ruhen zu lassen, die Bedeutung eines Stillhalteabkommens (pactum de non petendo) haben kann. Das hängt jedoch von den besonderen Umständen des jeweiliges Einzelfalles ab. Im Streitfall gibt es, wie gesagt (oben zu I 3), für eine Würdigung dahin, daß die Parteien über ihre (verfahrensrechtlichen) Erklärungen gegenüber dem Gericht in den Schriftsätzen vom 16. und 30. Januar 1989 hinaus auch eine materiell-rechtliche Vereinbarung treffen wollten, keinen überzeugenden Gesichtspunkt.
Danach lief die Anfang 1989 neu in Gang gesetzte Verjährungsfrist mangels eines materiellen Stillhalteabkommens oder sonstiger weiterer Unterbrechungs- oder Hemmungsgründe drei Jahre später ab.
b) Eine andere Frage ist, ob das Einverständnis der Beklagten mit der von den Klägern vorgeschlagene Verfahrensweise, das vorliegende Verfahren im Hinblick auf den Parallelprozeß vorläufig nicht weiter zu betreiben, für die Kläger einen Vertrauenstatbestand dahin begründet hat, die Beklagten würden bis zum rechtskräftigen Abschluß des Parallelprozesses Verjährung nicht geltend machen, mit der Folge, daß die Erhebung der Verjährungseinrede bis dahin gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstieß (vgl. zu diesem Gesichtspunkt einerseits BGH, Urteil vom 21. Februar 1983 a.a.O. S. 2498 mit den dortigen weiteren Rechtsprechungsnachweisen; andererseits Senatsbeschluß vom 25. Februar 1982 – III ZR 26/81 – VersR 1982, 444). Auch wenn man mit dem Berufungsgericht im Streitfall die Voraussetzungen für einen dahingehenden Arglisteinwand der Kläger gegenüber der Verjährungseinrede der Beklagten bis zum rechtskräftigen Abschluß des Parallelprozesses als gegeben ansehen mag, so war die Grundlage des Arglisteinwandes jedenfalls fortgefallen, nachdem den Klägern (bzw. ihrem Verfahrensbevollmächtigten) der rechtskräftige Abschluß des Parallelprozesses durch den Nichtannahmebeschluß des Bundesgerichtshofs vom 27. September 1994 bekannt geworden war. Anschließend hätten die Kläger – nach einer angemessenen (kurzen) Überlegungsfrist – den Prozeß gegen die Beklagten fortsetzen müssen. Der Kläger zu 4 hat dies erst mit seinem Schriftsatz vom 4. Januar 1996 getan, der einen Tag später bei Gericht eingegangen ist. Der verstrichene Zeitraum von weit über einem Jahr war zu lang (wegen der zur Vermeidung der Verjährungseinrede in vergleichbaren Fällen zugebilligten Klagefristen vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1965 – VII ZR 89/63 – WM 1965, 1181, 1182 und die Hinweise in dem Urteil vom 18. Dezember 1997 a.a.O. S. 780 f).
III.
Mithin war das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und, da die Sache zur Endentscheidung reif ist, das erstinstanzliche Teil- und Grundurteil dahin abzuändern, daß die Klage abgewiesen wird.
Unterschriften
Rinne, Werp, Streck, Dörr, Ambrosius
Fundstellen
Haufe-Index 1237648 |
NJW 1998, 2274 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 1493 |
WuB 1999, 255 |
ZAP 1998, 590 |
MDR 1998, 856 |
SGb 1998, 474 |
VersR 1998, 1291 |