Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit eines zwischen gesetzlichem Unfallversicherungsträger und Haftpflichtversicherer geschlossenen Teilungsabkommen (TA)
Leitsatz (amtlich)
Für die Anwendung eines Teilungsabkommens, in dem auf die Prüfung der Haftpflichtfrage verzichtet worden ist, kommt es generell nur auf den inneren Zusammenhang zwischen dem Schadenereignis und dem versicherten Wagnis an.
Normenkette
Teilungsabkommen § 1
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. November 1981 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung der Firma B. GmbH (Fa. B). Sie nimmt den Beklagten aufgrund eines Teilungsabkommens (TA) in Anspruch, weil bei einem Arbeitsunfall der bei der Fa. B beschäftigte Eisenbieger Z. (Z) getötet wurde.
Z arbeitete am 30. Januar 1975 auf einer Baustelle am Raschplatz in H., wo seinerzeit zwei Großbauten errichtet wurden, nämlich das neue Verwaltungsgebäude der S. und das Kaufhaus der Firma He.
Die Betonarbeiten für die beiden Bauteile, also des Verwaltungsgebäudes der S. und des Kaufhauses He., waren von einer Arbeitsgemeinschaft herzustellen, die aus vier Firmen bestand:
- der Firma D.
- der Firma Be.-Ba.
- der Firma Be.- und Mon. AG
- der Firma Sch.
Haftpflichtversicherer der Firma Sch. ist der Beklagte.
Die Stahlbaumontage bei dem Bauabschnitt der S. lag ebenfalls bei einer Arbeitsgemeinschaft, die aus den Firmen K. GmbH (künftig kurz Fa. K genannt) und Louis E. KG bestand. Haftpflichtversicherer der Fa. K ist wiederum der Beklagte.
Am 30. Januar 1975 war Z zusammen mit anderen Arbeitern mit dem Verlegen von Eisenmatten beschäftigt. Sein Arbeitsplatz befand sich etwa 7,5 m entfernt von der Giebelwand des Neubaus der S. auf der 12 m unter Erdniveau gelegenen Baugrundebene des Kaufhauses He. Dieser Bereich gehörte zu dem Arbeitsbereich der Arbeitsgemeinschaft, die mit den Betonarbeiten befaßt war.
Zur gleichen Zeit arbeitete die Fa. K an der Stahlbaumontage des Neubaus der S. Sie verwendete dabei einen Auslegerkran mit einer Hakenhöhe von 82 m und einer Auslage von mehr als 50 m. Während Z damit beschäftigt war, in der Baugrube eine Eisenmatte an einen anderen Platz zu bringen, fiel von oben ein Kantholz mit den Ausmaßen 10 × 10 × 285 cm herunter und traf ihn am Kopf. Z erlitt tödliche Verletzungen.
Die Klägerin hat mit dem Beklagten ein Teilungsabkommen geschlossen, das am 1. April 1958 in Kraft getreten ist. Darin heißt es u.a.:
"§ 1
Werden von der Berufsgenossenschaft aufgrund des § 1542 RVO Schadensersatzansprüche gegen eine natürliche oder Juristische Person erhoben, die gegen die gesetzliche Haftpflicht oder sonstige Schadensersatzpflichten aus dem der Regreßforderung zugrundeliegenden Schadensereignis bei der Haftpflichtversicherung versichert ist, so verzichtet diese auf die Prüfung der Haftpflichtfrage und beteiligt sich nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen an den Versicherungsleistungen (tatsächlichen Aufwendungen) der Berufsgenossenschaft auch in den Fällen, in denen der Schaden nachweislich durch das eigene Verschulden - jedoch Vorsatz ausgenommen - des Verletzten (Geschädigten) bzw. Getöteten entstanden ist. Die Berufsgenossenschaft verzichtet auf weitergehende Forderungen auch dann, wenn der Schaden nachweisbar in vollem Umfange durch das Verschulden des Haftpflichtigen entstanden ist. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Teilungsabkommens ist jedoch, daß objektiv die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Haftpflichtigen gegeben ist, d.h. ein ursächlicher (adäquater) Zusammenhang besteht.
Die Klägerin hat den Hinterbliebenen des Z als gesetzlicher Unfallversicherer Übergangsfähige Leistungen erbracht, deren Höhe sie mit 28.440,15 DM angibt. Davon fordert sie aufgrund des TA von dem Beklagten die Erstattung der Hälfte. Sie hat vorgebracht:
Jede der am Bau beteiligten Firmen könne eine Ursache für das Herabstürzen des Kantholzes gesetzt haben. Die Ursache könne durch die Stahlbaufirmen dadurch gesetzt worden sein, daß diese das Kantholz ungenügend gesichert in dem Schlupf des Kranes über die Baugrube transportiert hätten. Diesen wäre dann der Vorwurf zu machen, daß sie nicht dafür gesorgt hätten, daß in der Baugrube während des Transportes des Kantholzes keine Personen arbeiteten. Habe das Kantholz dagegen nicht in diesem Gefahrenbereich, sondern in dem Arbeitsbereich der Betonarbeitsgemeinschaft gelegen, so liege die Verantwortlichkeit für das Herabfallen des Kantholzes dort. Denn dann wäre dieser Arbeitsgemeinschaft der Vorwurf zu machen, daß das Kantholz nicht so sicher gelagert worden sei, daß es auch bei unabsichtlichem Anstoßen nicht habe herunterfallen können.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Vermutungen der Klägerin über den Unfallhergang seien nicht zwingend. Im übrigen gebe es weitere Möglichkeiten. Auf der Baustelle seien insgesamt vier Kräne im Einsatz gewesen. Kanthölzer hätten überall herumgelegen. Es seien auf der Baustelle auch noch mehr Arbeitsgemeinschaften bzw. Firmen als die von der Klägerin genannten tätig gewesen. Außerdem hat die Beklagte die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderung bestritten.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keine unerlaubte Handlung einer Firma dargelegt, die bei dem Beklagten haftpflichtversichert sei. Der Unfall sei unaufklärbar. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von 14.220,08 DM nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt.
Mit seiner zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
In der Revisionsinstanz streiten die Parteien nicht mehr um die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs, sondern nur noch darum, ob das TA auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Das Berufungsgericht hat dies bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das TA sei nach § 1 a.E. anwendbar, wenn "objektiv die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Haftpflichtigen gegeben ist, d.h. ein ursächlich (adäquater) Zusammenhang besteht". Diese Voraussetzung sei (schon) gegeben, wenn das Schadensereignis seiner Art nach in den Gefahrenbereich falle, für den die Haftpflichtversicherung Deckung zu gewähren hat. Dieser Gefahrenbereich bestimme sich im konkreten Fall nach dem im Versicherungsvertrag übernommenen Risiko. Im vorliegenden Fall der Betriebshaftpflichtversicherung sei auch das Risiko versichert, wegen solcher Schäden in Anspruch genommen zu werden, die auf der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht beruhen. Da nach dem Sinn und Zweck des TA die Haftungsfrage nicht durch eine unter Umständen umfangreiche Beweisaufnahme geprüft werden solle, genüge es als Voraussetzung für dessen Anwendung, daß ein in den Deckungsbereich der Haftpflichtversicherung fallender Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer aufgrund des konkreten Sachverhalts möglich sei. Das bedeute, daß es naheliegen müsse, von dem Schaden auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu schließen, und daß es infolgedessen ebenfalls naheliege, gegen den Verkehrssicherungspflichtigen Schadensersatzansprüche zu erheben.
Hier sei eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Fa. K naheliegend, und zwar deshalb, weil die realistische Möglichkeit bestehe, daß das Kantholz von der Stahlkonstruktion der S., die schon bis zu 32 m höher als der Keller des Kaufhauses He. war, durch Anstoßen mit dem Haken des Krans heruntergefallen ist. Dafür sprächen die Aussagen der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vernommenen Arbeiter Ha., Ce. und Jä. Aus ihnen ergebe sich, daß das Kantholz von dem bereits hochgezogenen Neubau der S. heruntergefallen sei, als oberhalb der Unfallstelle mit dem Kran der Fa. K gearbeitet worden sei, und der Kranhaken zum Zeitpunkt des Unfalles stark geschwankt habe. Aufgrund dieser Aussagen bestehe die naheliegende Möglichkeit, daß das Herabfallen des Kantholzes von dem Kran der Fa. K verursacht worden sei. Denn die am ehesten einleuchtende Erklärung für das unübliche Schaukeln des Kranhakens liege darin, daß dieser ein irgendwo liegendes Kantholz beim Schwenken des Auslegers zur Seite gestoßen habe, so daß dieses dann heruntergefallen sei. Nach der Aussage des Arbeiters Schreinert sei ca. 6 m unter der dritten Platte der Stahlkonstruktion der S. Kantholz gelagert gewesen.
Bei dieser Sachlage würde es - wenn die Parteien kein TA geschlossen hätten - naheliegen, daß die Klägerin die Fa. K unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§§ 823, 831 BGB) in Anspruch nehme, weil diese entweder durch eine Barriere an den Außenseiten der Stahlkonstruktion der S. das Herabfallen von Gegenständen in den Kellerbereich des Kaufhauses He. hätte verhindern oder von dem Einsatz des Krans solange hätte absehen müssen, wie dort, wo sich der Getötete aufhielt, gearbeitet wurde. Das genüge, um das Teilungsabkommen anwendbar zu machen.
Die hiergegen gerichteten Ausführungen der Revision können ihr nicht zum Erfolg verhelfen.
1.
Die Revision macht in erster Linie geltend, das TA sei hier nicht anwendbar, weil nach seinem § 1 die Eintrittspflicht des Beklagten davon abhängt, "daß objektiv die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Haftpflichtigen gegeben ist, d.h. ein ursächlicher (adäquater) Zusammenhang besteht". Sie meint, diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
Der Beklagte hat in § 1 TA auf die Prüfung der Haftpflichtfrage verzichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt es bei einem solchen Verzicht für die Anwendung des TA generell nur auf den inneren Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem versicherten Wagnis an (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - IVa ZR 54/81 = VersR 1983, 26). Die in § 1 TA a.E. enthaltene weitere Bestimmung, daß objektiv die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Haftpflichtigen gegeben sein müsse, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise, weil sie anschließend dahin erläutert wird, daß ein ursächlicher (adäquater) Zusammenhang bestehen müsse. Eine solche Formulierung kann bei Verzicht auf die Prüfung der Haftpflichtfrage nicht dahin ausgelegt werden, daß eine Pflichtverletzung des Haftpflichtversicherten nachgewiesen werden muß (vgl. Senatsurteil vom 26.5.1982 - IVa ZR 78/81 = VersR 1982, 714). Soweit sich die Revision in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Senats vom 2. Oktober 1980 (IVa ZR 19/80 - VersR 1980, 1170 = LM Teilungsabkommen Nr. 13) beruft, übersieht sie, daß dem dort entschiedenen Fall ein TA zugrunde lag, in dem lediglich auf die Prüfung der Schuldfrage verzichtet war. Die in der genannten Entscheidung aufgestellten Grundsätze können daher auf das vorliegende TA, das einen Verzicht auf die Haftpflichtfrage enthält, nicht übertragen werden.
2.
Soweit die Revision meint, die Klägerin hätte eine objektive Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nachweisen müssen, kann auf die Senatsurteile vom 16. Dezember 1981 - IVa ZR 181/80 = VersR 1982, 333 und 26. Mai 1982 (IVa ZR 78/81 = VersR 1982, 774) verwiesen werden, in denen diese Frage verneint worden ist. Daß es bei den in den genannten Urteilen entschiedenen Fällen um die Produzentenhaftung ging, kann entgegen der Ansicht der Revision keinen Unterschied begründen, da diese Entscheidungen eindeutig dahin zu verstehen sind, daß es auch in den Fällen der Produzentenhaftung generell nur auf den inneren Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem versicherten Wagnis ankommt.
3.
Das Berufungsgericht hat diesen Zusammenhang bejaht. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision hält der Senat für unbegründet. Auch die Revision zieht nicht in Zweifel, daß das Kantholz, von dem Z. erschlagen wurde, im Drehbereich des in Betrieb befindlichen Kranes der Fa. K aus größerer Höhe herabfiel, etwa 6 m unterhalt der oberen Platte des Neubaues der S. Holz gelagert war und der zur Aufnahme von Material unter dem obersten Deck abgesenkte Kranhaken stark geschaukelt hat. Das reicht zur Anwendung des TA aus. Denn nach der Lebenserfahrung ist es nicht nur nicht unwahrscheinlich, sondern sogar naheliegend, daß bei einer solchen Sachlage der Betreiber des Krans wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit der Behauptung in Anspruch genommen wird, das Kantholz sei bei der Bewegung des Krans durch den Kranhaken oder die nach der Aussage des Zeugen Jä. daran hängenden beiden Seile von 6 m Länge heruntergerissen worden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kran durch Punkt "ferngesteuert" wurde und der Kranführer keine Möglichkeit hatte, die Bewegungen des Kranhakens zu beobachten und darauf entsprechend zu reagieren.
Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft. Sie sind unbegründet (§ 565 a ZPO). Die Revision war daher zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Rassow
Fundstellen