Leitsatz (amtlich)
1. Kann die Gesellschaft im Prozeß gegen einen von mehreren Geschäftsführern durch die anderen satzungsgemäß vertreten werden, dann bleibt es bei deren Vertretungszuständigkeit, sofern die Gesellschafterversammlung nicht von ihrer Befugnis Gebrauch macht, einen besonderen Prozeßvertreter zu bestellen.
2. Zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund wegen eines unheilbaren Zerwürfnisses mit einem Mitgeschäftsführer.
Orientierungssatz
1. Zitierung zu Leitsatz 1: vergleiche BGH, 1981-10-26, II ZR 72/81, WM IV 1981, 1353.
2. Für die Beurteilung, ob zwischen Geschäftsführern ein unheilbares Zerwürfnis eingetreten ist, kommt es nicht entscheidend auf ein etwaiges Verschulden der beteiligten Geschäftsführer, sondern vielmehr darauf an, ob unter den gegebenen Umständen eine gedeihliche Zusammenarbeit noch zu erwarten ist (vergleiche BGH, 1983-10-17, II ZR 31/83, WM IV 1984, 29).
Tatbestand
Am Stammkapital der verklagten GmbH sind der Kläger zu 30 %, M. K. zu 44 % und die Gebrüder Kö. GmbH (im folgenden: Firma Kö.) zu 26 % beteiligt. Bei Gründung der Gesellschaft im Jahre 1987 wurden der Kläger und K. zu Geschäftsführern bestellt. Nachdem es zwischen ihnen zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war, wurde der Kläger in einer Gesellschafterversammlung am 2. September 1988 mit den Stimmen seiner beiden Mitgesellschafter als Geschäftsführer abberufen. Gleichzeitig wurde beschlossen, den Anstellungsvertrag des Klägers zu kündigen; die Kündigung wurde sodann mündlich und schriftlich ausgesprochen.
Der Kläger hat mit der Anfechtungs- und Feststellungsklage die Unwirksamkeit der Abberufung und der Kündigung geltend gemacht. Die Beklagte hat ihrerseits Widerklage auf Herausgabe von vier Disketten erhoben. Die Vorinstanzen haben, was jetzt allein noch interessiert, den Abberufungsbeschluß für nichtig erklärt und die Widerklage abgewiesen.
Mit der insoweit angenommenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge, die Klage in dem genannten Punkt abzuweisen und den Kläger auf die Widerklage zur Herausgabe der Disketten zu verurteilen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, soweit mit ihr das Berufungsurteil jetzt noch angegriffen wird, zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Revision meint, die Beklagte sei in diesem Rechtsstreit gegen ihren Geschäftsführer nicht ordnungsgemäß vertreten, weil die Gesellschafterversammlung nicht gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG einen besonderen Prozeßvertreter bestellt habe. Diese Ansicht ist unzutreffend. Kann die Gesellschaft im Prozeß gegen einen Geschäftsführer durch weitere vorhandene Geschäftsführer satzungsgemäß vertreten werden, so kann zwar die Gesellschafterversammlung auch in einem solchen Fall von der Möglichkeit des § 46 Nr. 8 GmbHG Gebrauch machen; sie muß es aber nicht tun (Sen.Urt. v. 26. Oktober 1981 – II ZR 72/81, WM 1981, 1353, 1354; Hachenburg/Hüffer, GmbHG 8. Aufl. § 46 Rdn. 105 m.w.N.). Die gegenteilige Ansicht, wonach die übrigen Geschäftsführer auch bei Untätigbleiben der Gesellschafterversammlung ihre organschaftliche Vertretungsmacht verlieren sollen (Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 46 Rdn. 44; Roth, GmbHG 2. Aufl. § 46 Anm. 9.1), schränkt die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft über den von § 46 Nr. 8 GmbHG angestrebten Zweck hinaus ein. Kommt es zu einem Prozeß mit einem von mehreren vorhandenen Geschäftsführern, so werden zwar häufig die übrigen nicht unvoreingenommen genug sein, die Interessen der Gesellschaft im Prozeß mit dem nötigen Nachdruck wahrzunehmen. Das muß aber nicht immer so sein. § 46 Nr. 8 GmbHG gibt der Gesellschafterversammlung die Möglichkeit, jener Sachlage durch Bestellung eines geeigneten Vertreters zu begegnen, wenn sie es für erforderlich hält. Sieht sie davon ab, dann bleibt es bei der Vertretungszuständigkeit der anderen Geschäftsführer.
II. In der Sache hat die Revision Erfolg.
1. Abberufung:
a) Die Gesellschafter K. und Firma Kö. verfügten bei der Abberufung des Klägers über eine Kapitalmehrheit von 70 %. Das reichte grundsätzlich nicht aus; nach § 6 Nr. 5 der Satzung der Beklagten ist für einen derartigen Gesellschafterbeschluß eine Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen nötig. Daß der Kläger auf Veranlassung des Versammlungsleiters nicht mitgestimmt hat, macht den Beschluß nicht wirksam; denn bei einem Beschluß, mit dem über die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers entschieden werden soll, darf dieser grundsätzlich mitstimmen. Das gilt allerdings nicht, wenn wichtige Gründe für die Abberufung vorliegen. Es kommt deshalb, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, darauf an, ob solche wichtigen Gründe, die die Abberufung des Klägers rechtfertigten, vorhanden waren.
b) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes verneint hat, trägt, wie die Revision zu Recht geltend macht, sein Urteil nicht.
aa) Allerdings greift die Revision das Berufungsurteil insoweit zu Unrecht an, als es um die – sachlichen – Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und dem Mitgeschäftsführer K. in der Frage geht, ob die den Kunden angebotenen Softwareprogramme grundsätzlich in jedem einzelnen Fall von vornherein entsprechend deren Bedürfnissen ausgestaltet sein sollten oder ob nur ein einheitliches Standardprogramm zur Verfügung gestellt werden sollte, das lediglich in bestimmten Zeiträumen allgemein in Erscheinung getretenen Kundenbedürfnissen anzupassen war. Der Kläger, der den letzteren Standpunkt vertrat, hielt es für angemessen, darüber hinausgehenden Sonderwünschen von einzelnen Kunden nur gegen Aufpreis Rechnung zu tragen. Das Berufungsgericht hat hierzu in Übereinstimmung mit dem Landgericht ausgeführt, diese grundlegende Frage der Geschäftspolitik hätte in der Gesellschafterversammlung entschieden werden müssen; dem Vorbringen der Beklagten sei nicht konkret genug zu entnehmen, daß der Standpunkt des Klägers von vornherein unrichtig oder unvernünftig gewesen sei. Die Revision meint demgegenüber, der Kläger habe, indem er entsprechend seiner Auffassung gehandelt habe, seine Stellung als Geschäftsführer mißbraucht, „um die Unternehmensstrategie der Mehrheitsgesellschafter zu konterkarieren”. Dem kann nicht zugestimmt werden. Eine verbindliche Entscheidung durch die dafür in der Tat zuständige Gesellschafterversammlung (vgl. Sen.Urt. v. 25. Februar 1991 – II ZR 76/90, WM 1991, 635, 637 = ZIP 1991, 509 = GmbHR 1991, 197) ist nicht getroffen worden. Sie konnte wegen der für eine solche Beschlußfassung ebenfalls erforderlichen Mehrheit von 75 % auch nicht leicht herbeigeführt werden; die Mitgesellschafter des Klägers verfügten nur über 70 %. Der Kläger kann unter Umständen im Hinblick auf die besonders tangierten Interessen der Firma Kö. aufgrund seiner Treuepflicht als Gesellschafter verpflichtet gewesen sein, einer diesen Interessen Rechnung tragenden Vertriebsstrategie zuzustimmen; die Beklagte ist eigens zum Zweck der Betreuung der Kunden der Firma Kö. gegründet worden. Solange die Frage der insoweit zu verfolgenden Unternehmenspolitik aber nicht geklärt war, konnte und mußte jeder Geschäftsführer so handeln, wie er es nach seiner eigenen pflichtgemäßen Überzeugung für richtig und zweckmäßig hielt. Daß der Standpunkt des Klägers von vornherein verfehlt gewesen wäre, läßt sich, darin hat das Berufungsgericht recht, dem Sachvortrag der Beklagten nicht ohne weiteres entnehmen. Es handelte sich immerhin auch um eine Kostenfrage und damit darum, bis zu welchem Grade die Interessen der Firma Kö. zu Lasten des Unternehmensgewinns berücksichtigt werden sollten.
bb) Das Berufungsgericht ist jedoch im übrigen zwar von einem zutreffenden Begriff des wichtigen, die Abberufung eines Geschäftsführers rechtfertigenden Grundes ausgegangen; ihm sind aber bei der Anwendung dieses Begriffs auf den zu entscheidenden Fall Rechtsfehler unterlaufen. Es hat dem nach der Behauptung der Beklagten zwischen dem Kläger und seinem Mitgeschäftsführer K. eingetretenen Zerwürfnis und der angeblich vom Kläger verursachten Störung der Kundenbeziehungen ein zu geringes Gewicht beigemessen.
Sind zwei oder mehrere Geschäftsführer untereinander so zerstritten, daß eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist, so kann jeder von ihnen jedenfalls dann abberufen werden, wenn er durch sein – nicht notwendigerweise schuldhaftes – Verhalten zu dem Zerwürfnis beigetragen hat (Sen.Urt. v. 17. Oktober 1983 – II ZR 31/83, WM 1984, 29). Davon ist zwar auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat aber zu Unrecht einen Teil des Vorbringens der Beklagten zu einer Reihe von Vorgängen, die dazu geführt haben sollen, daß die beiden Geschäftsführer schließlich nur noch schriftlich miteinander verkehrt hätten, für unerheblich gehalten und sich im übrigen mit diesem Vorbringen nicht durchweg in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise auseinandergesetzt.
In dem vom Kläger im Mai 1988 verfaßten „Elfpunkteschreiben” hat er seinem Mitgeschäftsführer eine Reihe zum Teil schwerwiegender Vorwürfe gemacht, deren Berechtigung streitig ist. Das Schreiben, an dessen Ende mit dem Vermerk „gezeichnet und zugestimmt” die eigene Unterschrift K.s vorgesehen war und in dessen Nr. 9 es heißt: „die Schlamperei muß aufhören – letzte Warnung”, soll der Kläger seinem Mitgeschäftsführer zur Unterschriftsleistung auf den Schreibtisch gelegt haben. Das Berufungsgericht, das den Inhalt des Schreibens als „teilweise bedenklich” bezeichnet, hat sich damit nicht weiter befaßt, weil nicht feststehe, daß der Kläger das Schreiben wirklich bereits aus seiner Verfügungsgewalt gegeben gehabt habe und es ihm nicht, wie er seinerseits behauptet hat, gegen seinen Willen aus seinem eigenen Schreibtisch genommen worden sei. Die Revision beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht hierbei nicht berücksichtigt hat, daß der Kläger diese Darstellung erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen hat, im ersten Rechtszug dagegen nicht bestritten hatte, K. das Schriftstück auf den Schreibtisch gelegt zu haben. Auch wenn die Beklagte für ihre Darstellung keinen Zeugenbeweis angetreten hat, hätte das Berufungsgericht diesen Prozeßverlauf in seine Beweiswürdigung einbeziehen und, wie die Revision außerdem zu Recht geltend macht, die in diesem Zusammenhang von der Beklagten beantragte Vernehmung K.s als Partei nach § 448 ZPO erwägen müssen.
Das Berufungsgericht hat sich ferner nicht mit den unter Beweis gestellten Behauptungen der Beklagten befaßt, K. habe, um nicht persönlich mit dem Kläger zusammentreffen zu müssen, an einer Besprechung am 20. Juli 1988 nicht teilgenommen und zu einem Arbeitsessen mit dem Kläger am 5. August 1988 eigens einen Zeugen hinzugezogen. Was schließlich die Strafanzeige betrifft, die der Kläger im Schreiben vom 12. August 1988 K. angedroht hat, so hat zwar das Landgericht, auf dessen Urteil das Berufungsgericht insoweit Bezug genommen hat, ausgeführt, dieses „unter Mitgesellschaftern und Mitgeschäftsführern ungewöhnliche” Verhalten müsse vor dem Hintergrund der damals bereits bestehenden Spannungen gesehen werden. Für die entscheidende Frage, ob inzwischen ein unheilbares Zerwürfnis eingetreten war, ist aber, worauf die Revision zutreffend hinweist und was an sich auch das Berufungsgericht zu Beginn seiner Ausführungen zum wichtigen Grund richtig erkannt hat, ein etwaiges Verschulden der beteiligten Geschäftsführer nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Es kommt vielmehr darauf an, ob in der durch das Schreiben vom 12. August 1988 entstandenen Situation unter Berücksichtigung der übrigen Vorgänge eine gedeihliche Zusammenarbeit der Geschäftsführer noch zu erwarten war.
Die Beklagte hat dem Kläger auch vorgeworfen, die Beziehungen zu den Kunden durch ungeschicktes Verhalten ihnen gegenüber gestört zu haben. Das Berufungsgericht hat darin vor allem deswegen keinen die Abberufung des Klägers rechtfertigenden Sachverhalt gesehen, weil sich damit nur nach außen hin die zwischen den Gesellschafter-Geschäftsführern bestehende Uneinigkeit in der Frage der Behandlung von Sonderwünschen der Kunden ausgewirkt habe. Das mag zu einem großen Teil zutreffen, stellt aber keine erschöpfende Behandlung des Vorbringens der Beklagten dar. Wenn dem Kläger auch nicht angelastet werden kann, daß er die kostenlose Berücksichtigung von Sonderwünschen für unangebracht hielt, so war er doch wegen des abweichenden Standpunkts seines Mitgeschäftsführers gehalten, die im Innenverhältnis bestehenden Meinungsverschiedenheiten nach außen hin möglichst zu entschärfen und die an ihn herangetragenen Kundenwünsche mit Fingerspitzengefühl zu behandeln. Statt dessen soll er diese besonders schroff und kompromißlos zurückgewiesen haben. Bei einer Informationsveranstaltung am 17. Mai 1988 soll er auf entsprechende Fragen der Kunden mit der barschen Antwort „Sie müssen die Programmspeicherung akzeptieren oder lassen es bleiben” reagiert haben. Dieses von der Beklagten behauptete Verhalten des Klägers und die dadurch ausgelöste befremdete Reaktion der Kunden hätte das Berufungsgericht nicht einfach übergehen dürfen. Das gilt auch für das dem Kläger von der Beklagten vorgeworfene Verhalten gegenüber der Firma R., die ihm unstreitig wegen einer angeblichen, ihre Zahlungsfähigkeit anzweifelnden Bemerkung Hausverbot erteilte. In diesem letzteren Punkt ging es überhaupt nicht um Fragen der Unternehmensstrategie, sondern allein um das Geschick oder Ungeschick des Klägers, mit den Kunden in einer das Unternehmensinteresse nicht beeinträchtigenden, sondern fördernden Weise umzugehen. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten wird sich erst nach Erhebung der von ihr dazu angetretenen Beweise abschließend beurteilen lassen.
2. Widerklage:
Mit der Widerklage verlangt die Beklagte vom Kläger die Herausgabe von vier Disketten, die die Firma Kr. – ein Kunde der Firma Kö. und damit der Beklagten – dem Kläger zugeschickt hatte. Das Berufungsgericht hat die Widerklage deshalb für unbegründet gehalten, weil allenfalls die Firma Kr., nicht aber die Beklagte einen Herausgabeanspruch gegen den Kläger haben könne. Diese Begründung greift die Revision mit Recht an. Nach der Darstellung der Beklagten, die insoweit für die Revisionsinstanz mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zugrundezulegen ist, hatte die Firme Kr. wegen einer angeblichen Unzulänglichkeit des ihr gelieferten Programms bei der Beklagten angerufen. Der Kläger, mit dem sie verbunden worden war, hatte ihr gesagt, sie möge ihm die Disketten an seine Privatanschrift schicken, wo er etwaige Fehler des Programms mit Hilfe seines Heimcomputers beseitigen werde. Dieser Aufforderung soll die Firma Kr. gefolgt sein. Trifft dieser Vortrag zu, dann hat der Kläger die Disketten in Ausübung seiner Geschäftsführungstätigkeit erhalten. Er muß sie dann, worauf die Revision zutreffend hinweist, nach den §§ 675, 667 BGB an die Beklagte herausgeben.
III. Wegen der noch zu treffenden tatsächlichen Feststellungen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 650015 |
BB 1992, 802 |
ZIP 1992, 760 |
GmbHR 1992, 299 |