Entscheidungsstichwort (Thema)
Höferecht
Leitsatz (amtlich)
Die Neufassung des § 8 I HöfeO hat die nach der alten Fassung beim Ehegattenhof mögliche Beerbung "bei lebendigem Leib" mit der Folge beseitigt, daß eine dem alten Recht entsprechende Erbfolge auch nicht durch Testament oder Erbvertrag angeordnet werden kann.
Normenkette
HöfeO § 8 Abs. 1
Tatbestand
Der am 24. Juli 1977 verstorbene Landwirt (Erblasser) war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundbesitzes von 13,8627 ha. Seine Ehefrau, die Beteiligte zu 3, war seit 1963 Eigentümerin eines Ackerlandes von 0,6250 ha. Die Grundstücke wurden gemeinsam bewirtschaftet. In den Aufschriften der Grundbücher war mit Einverständnis beider Eigentümer vermerkt, daß der gesamte Grundbesitz zusammen einen Ehegattenhof gemäß der Höfeordnung bilde.
Die Beteiligten zu 1, 2, 4 und 5 sind Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 3.
Der Erblasser und die Beteiligte zu 3 errichteten am 24. Mai 1977 ein notarielles gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich u. a. bezüglich des "Ehegattenhofes" gegenseitig zu "Vorerben" einsetzten. "Hofnacherbe" sollte der Beteiligte zu 2 sein, sobald er das 27. Lebensjahr vollendete.
Nach der Eröffnung des Testamentes wurden die Grundbücher dahin berichtigt, daß die Beteiligte zu 3 als neue Eigentümerin und zugunsten des Beteiligten zu 2 ein Nacherbenvermerk eingetragen wurden.
Am 9. Juni 1983 erlangte der Beteiligte zu 2 (der inzwischen das 27. Lebensjahr vollendet hatte) ein Hoffolgezeugnis, das die Beteiligte zu 3 als Hofvorerbin und ihn als weiteren Hoferben ausweist.
Die Beteiligte zu 1 hat die Einziehung des Hoffolgezeugnisses und die Feststellung des Hoferben beantragt, da der Beteiligte zu 2 weder im Zeitpunkt des Einritts des Nacherbfalles noch später wirtschaftsfähig gewesen sei.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Einziehungsantrag zurückgewiesen. Über den Antrag auf Feststellung des Hoferben hat es nicht ausdrücklich entschieden.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Oberlandesgericht unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses das Landwirtschaftsgericht angewiesen, das am 9. Juni 1983 erteilte Hoffolgezeugnis einzuziehen. Gleichzeitig hat es festgestellt, daß die Beteiligte zu 3 Erbin des Ehegattenhofes nach dem Erblasser geworden sei.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
I.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, auf die Erbfolge nach dem Erblasser sei nach Art. 3 § 3 des 2. ÄndG HöfeO die Höfeordnung in der seit dem 1. Juli 1976 geltenden Fassung (HöfeO n. F.) anzuwenden. Bei der landwirtschaftlichen Besitzung des Erblassers und der Beteiligten zu 3 handele es sich um einen Ehegattenhof alten Rechts, der nach Art. 3 § 2 des 2. ÄndG HöfeO diese Eigenschaft behalten habe. Nach § 8 Abs. 1 HöfeO n. F. falle beim Tod eines Ehegatten dessen Anteil am Ehegattenhof kraft Gesetzes dem anderen Ehegatten als Hoferben zu. Eine der früheren Regelung der gesetzlichen Hoffolge beim Ehegattenhof in § 8 Abs. 1 HöfeO a.F. entsprechende Anordnung durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag, wonach der überlebende Ehegatte hinsichtlich seiner Beteiligung in der Weise beerbt werde, daß er dieser Beteiligung entweder verlustig gehe oder die Rechtsstellung eines Vorerben einnehme, sei nach Inkrafttreten der geänderten Höfeordnung nicht mehr möglich.
Das die Beteiligte zu 3 als Vorerbin und den Beteiligten zu 2 als weiteren Hoferben ausweisende Hoffolgezeugnis sei mithin einzuziehen. Das teilweise unwirksame gemeinschaftliche Testament vom 24. Mai 1977 sei hinsichtlich der Hoferbfolge aber nicht inhaltslos. Unter Beachtung des in ihm zum Ausdruck gekommenen Willens beider Ehegatten sei es dahin auszulegen, daß der Hof erst nach dem Tod der Beteiligten zu 3 an den Beteiligten zu 2 fallen solle. Es sei davon auszugehen, daß sich die Eheleute bei Kenntnis der Unwirksamkeit der von ihnen getroffenen Hoferbenregelung gegenseitig zu Hofvollerben eingesetzt und den Beteiligten zu 2 zum sogenannten Schlußerben berufen hätten. Die Beteiligte zu 3 sei daher als Hofvollerbin festzustellen.
II.
Die nach § 24 Abs. 1 LwVG zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg:
1.
Zutreffend hat das Beschwerdegericht auf die Erbfolge nach dem am 24. Juli 1977 verstorbenen Erblasser die Höfeordnung in der ab 1. Juli 1976 geltenden Fassung (HöfeO n. F.) angewendet. Nach Art. 3 § 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung vom 29. März 1970 (2. ÄndG HöfeO) bleiben für die erbrechtlichen Verhältnisse die Vorschriften der Höfeordnung a.F. nur dann maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten der Höfeordnung n. F. verstorben ist. Auch die Gültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments vom 24. Mai 1977 richtet sich nur nach neuem Recht (vgl. Art. 3 § 4 2. ÄndG HöfeO).
2.
Das Beschwerdegericht ist weiterhin zu Recht davon ausgegangen, daß der vor Inkrafttreten der Höfeordnung n. F. bestehende Ehegattenhof des Erblassers und der Beteiligten zu 3 gemäß Art. 3 § 2 2. ÄndG HöfeO auch nach Inkrafttreten des neuen Höferechts die Eigenschaft als Ehegattenhof behalten hat.
3.
Die Hoffolge beim Ehegattenhof ist in § 8 HöfeO n. F. geregelt.
a)
Während § 8 Abs. 1 HöfeO a.F. vorschrieb, bei gesetzlicher Erbfolge falle der Ehegattenhof beim Tod des einen Ehegatten dem anderen als Hoferben und, wenn der Hof nicht von ihm stamme, ihm nur als Hofvorerben zu, bestimmt nunmehr § 8 Abs. 1 HöfeO n. F., daß bei einem Ehegattenhof der Anteil des Erblassers dem überlebenden Ehegatten als Hoferben zufällt. Befand sich der Ehegattenhof nicht im Alleineigentum des Erblassers, sondern war der überlebende Ehegatte Miteigentümer des Hofes zu Bruchteilen oder Alleineigentümer eines Teils des Hofes, so wächst ihm nach der Neuregelung der Anteil des Erblassers am Ehegattenhof als Vollerbe zu Alleineigentum zu. Damit ist die sogenannte Beerbung bei lebendigem Leib entfallen. § 8 Abs. 1 HöfeO a.F. führt nämlich dazu, daß der überlebende Ehegatte, wenn der Hof nicht von ihm stammte, das frei verfügbare Eigentum an dem ihm gehörenden Teil des Ehegattenhofes verlor und auch hinsichtlich dieses Teils in die Rechtsstellung eines in der freien Verfügung über sein Eigentum beschränkten Vorerben eingewiesen wurde. Er wurde also kraft Gesetzes hinsichtlich seines Eigentums zum Vorerben.
Der Gesetzgeber hat diese Konsequenz mit Rücksicht auf verfassungsrechtliche Bedenken (Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG) beseitigt (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung nebst Begründung - BT Drucks. 7/1443 - zu Art. 1 Nr. 4, Absatz 1, 1.). Der überlebende Ehegatte wird Vollerbe des Anteils des Erblassers und bleibt uneingeschränkter Eigentümer seines bisherigen Anteils am Ehegattenhof.
b)
Seit Inkrafttreten der Neufassung der Höfeordnung ist in der Literatur umstritten, ob Ehegatten eine den früheren Bestimmungen in § 8 Abs. 1 HöfeO a.F. entsprechende Anordnung in Bezug auf den Ehegattenhof durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag treffen können (bejahend: Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO 8. Aufl. § 8 Rdn. 21; Lüdtke-Handjery in DNotZ 1978, 27, 30; Faßbender in AgrarR 1977, 194; von Olshausen in AgrarR 1977, 135; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht 4. Aufl. HöfeO § 8 Rdn. 26; Stöcker in DNotZ 1979, 82, 86; verneinend: Faßbender/Hötzel/Pikalo, HöfeO § 8 Anm. 10; zweifelnd: Faßbender/Pikalo in DNotZ 1980, 67, 74 ff.). In der Rechtsprechung wird die letztwillige Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Hofvorerben hinsichtlich seines eigenen Anteils am Ehegattenhof als unzulässig und unwirksam angesehen (vgl. AG Münster Beschl. vom 2. November 1978, 31 LwH 805/78, AgrarR 1978, 348; OLG Hamm Beschlüsse vom 20. April 1982, 10 WLw 7/82, AgrarR 1982, 163 und vom 2. April 1981, 10 WLw 11/81, AgrarR 1982, 326).
Der Senat hält nach der Höfeordnung neuer Fassung die Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Hofvorerben hinsichtlich des in seinem Eigentum stehenden Anteils oder Teils des Ehegattenhofes für unwirksam.
Nach bürgerlichem Recht ist Erbfolge (kraft Gesetzes, §§ 1924 ff. BGB oder kraft Testamentes und Erbvertrages, §§ 1937, 1941 BGB) die Gesamtrechtsnachfolge des oder der Erben in das Vermögen des Erblassers bei dessen Tod (§ 1922 BGB). Niemand kann danach zu seinen Lebzeiten beerbt werden, schon gar nicht durch sich selbst, auch nicht als Vorerbe.
Eine Abweichung von diesem Grundsatz bedürfte einer gesetzlichen Regelung. Eine derartige Regelung enthielt § 8 Abs. 1 HöfeO a.F. Diese für die gesetzliche Erbfolge geltende Bestimmung ließ auch entsprechende Anordnungen durch Testament oder Erbvertrag zu. Daneben bestand keine gewohnheitsrechtliche Grundlage für die Beerbung zu Lebzeiten durch Testament oder Erbvertrag. Seit der Neufassung des § 8 HöfeO im Jahre 1976 hat sich kein Gewohnheitsrecht im Sinne des alten Rechts gebildet.
Mit der Neufassung des § 8 Abs. 1 HöfeO durch das 2. ÄndG HöfeO ist die gesetzliche Grundlage für die sogenannte Beerbung bei lebendigem Leibe entfallen. Damit sind entsprechende Anordnungen durch Testament oder Erbvertrag unzulässig.
Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Beteiligte zu 3 habe sich im Testament vom 24. Mai 1977 jedenfalls rechtsgeschäftlich verpflichtet, ihr eigenes, nicht vom Erblasser erworbenes Hofvermögen bis zum 27. Lebensjahr des Beteiligten zu 2 wie eine Vorerbin zu behandeln und mit Vollendung des 27. Lebensjahres auf den Beteiligten zu 2 zu übertragen, wäre das Vorliegen eines derartigen Rechtsgeschäftes für die Entscheidung über den Antrag auf Einziehung des Hoffolgezeugnisses und die Feststellung des Hoferben ohne Bedeutung. Eine rechtsgeschäftlich eingegangene Bindung der Beteiligten zu 3 macht diese hinsichtlich ihres eigenen Vermögens nicht zur Vorerbin und den Beteiligten zu 2 nicht zum Nacherben im Sinne des allgemeinen und des höferechtlichen Erbrechts. Das Hoffolgezeugnis gibt aber nur Auskunft über das Erbrecht und nicht über rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen. Die Feststellung des Hoferben ist von rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschränkungen unabhängig.
Ist damit aber die Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Hoferben hinsichtlich des ihm bereits vor dem Erbfall gehörenden Teils des Ehegattenhofes unter der Geltung der neuen Höfeordnung nicht möglich, so sind die einschlägigen Anordnungen des gemeinschaftlichen Testaments vom 24. Mai 1977 unwirksam.
4.
Durch dies Unwirksamkeit wird aber nicht das gesamte Testament bedeutungslos. Das Beschwerdegericht hat die letztwillige Verfügung des Erblassers und der Beteiligten zu 3 fehlerfrei unter Beachtung des im Testament zum Ausdruck gekommenen Willens der Eheleute dahin ausgelegt, daß der Hof nach dem Tod der Beteiligten zu 3 an den Beteiligten zu 2 fallen soll. Die Eheleute hätten sich bei Kenntnis der Unwirksamkeit der von ihnen getroffenen Hofvorerbenregelung gegenseitig zu Hoferben und den Beteiligten zu 2 zum Erben nach dem letztversterbenden Elternteil eingesetzt.
5.
Das Beschwerdegericht hat daher mit Recht die Einziehung des Hoffolgezeugnisses angeordnet und die Beteiligte zu 3 als Hoferbin festgestellt.
Fundstellen