Leitsatz (amtlich)
a) Vor der Abnahme, im Falle ihrer berechtigten Verweigerung oder des Vorbehalts gemäß § 640 Abs. 2 BGB trägt der Unternehmer, wenn der Besteller das Vorhandensein eines Mangels substantiiert vorträgt, die Beweislast für die Mangelfreiheit des Bauwerks.
b) Sind bei der Herstellung einer „weißen Wanne” eine Reihe von Planungs- und Ausführungsfehlern unterlaufen, liegt die Möglichkeit nahe, daß die Gebrauchstauglichkeit des Kellers eingeschränkt sein kann.
c) Der Anspruch auf Kostenvorschuß umfaßt die mutmaßlichen Nachbesserungskosten, nicht hingegen einen merkantilen Minderwert.
Normenkette
BGB §§ 635, 640; VOB/B § 13 E Nr. 7; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 18.03.1994; Aktenzeichen 10 U 591/91) |
LG Mainz (Urteil vom 01.03.1991; Aktenzeichen 7 O 213/87) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. März 1994 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
die Klage gegen den Beklagten zu 1 auf Feststellung, er habe der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr an dem Wohn- und Geschäftshaus M. 26, G. hinsichtlich der im Gutachten des Sachverständigen E. vom 2. Dezember 1983 unter Ziff. 13 (Wasserdichte des Kellers) und Ziff. 16 (eindringendes Wasser im Treppenhausboden und Hausanschluß) beschriebenen Mängel entstanden ist und künftig entstehen wird, und die Klage gegen die Beklagte zu 2 auf Zahlung eines Kostenvorschusses, der 15.920,80 DM übersteigt,
abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Feststellung, ob der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, Schadensersatz wegen eingedrungenen Wassers zu leisten, und darum, ob die Beklagte zu 2 einen Kostenvorschuß in Höhe von 100.000 DM zu zahlen hat.
Der von der jetzigen Klägerin allein beerbte bisherige Kläger ließ in den Jahren 1980/1981 ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Der Beklagte zu 1 war als Architekt, der Beklagte zu 2 als Bauunternehmer tätig. Das Verfahren gegen den vormaligen Beklagten zu 3, dem Statiker, ist rechtskräftig abgeschlossen.
Als sich beim Aushub der Baugrube Grundwasser einstellte, wurde ein ursprünglich nicht vorgesehener Ausbau des Kellers als „weiße Wanne” geplant und durchgeführt. Einige Zeit nach Fertigstellung leitete der vormalige Kläger wegen verschiedener von ihm behaupteter Mängel zwei Beweissicherungsverfahren ein (9 H 22/83 und 7 H 84/86, jeweils AG M.). In diesen Verfahren wurden von den Sachverständigen E. und P. Gutachten erstattet. Hierauf gestützt hat der vormalige Kläger (1.) Feststellungsklage dahingehend erhoben, daß der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, ihm jeden Schaden zu ersetzen, der ihm an dem Wohn- und Geschäftshaus durch Aufwendungen zur Beseitigung der in den Beweissicherungsverfahren 9 H 22/83 und 7 H 24/86 AG M. festgestellten Baumängel entstanden ist und künftig entstehen wird. Ferner hat er beantragt (2.), die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an ihn einen Vorschuß in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat er beantragt (3.), alle Beklagten zu verpflichten, ihm jeden Schaden zu ersetzen, der ihm durch Aufwendungen zur Beseitigung der Tragwerksmängel gemäß dem Gutachten des Sachverständigen B. entsteht.
Mit Schlußurteil vom 1. März 1991 hat das Landgericht nach Einholung weiterer Gutachten durch den Sachverständigen K. die Beklagten zu 1 und 2 jeweils bezüglich der Anträge zu 1 und 2 verurteilt, bezüglich des Antrags zu 3 die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten hinsichtlich des Antrags zu 3 in vollem Umfang, hinsichtlich des Antrags zu 2 die Beklagte zu 2 zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 15.920,80 DM verurteilt und dem Feststellungsantrag gegen den Beklagten zu 1 stattgegeben mit Ausnahme der Mängel, die im Gutachten des Sachverständigen E. vom 2. Dezember 1983 unter den Ziffern 13 (Wasserdichte des Kellers) und 16 (eindringendes Wasser im Treppenhaus und Hausanschluß) sowie in dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen E. vom 6. Dezember 1984 unter Nr. 17 beschrieben sind.
Die Revision der Klägerin richtet sich dagegen, daß die Feststellungsklage gegen den Beklagten zu 1 hinsichtlich der im Gutachten des Sachverständigen E. unter Ziffer 13 und 16 bezeichneten Mängel abgewiesen sowie dagegen, daß der Klage auf Kostenvorschuß gegen die Beklagte zu 2 nicht in der geltend gemachten Höhe von 100.000 DM stattgegeben worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im beantragten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Feststellungsantrag
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es stehe nicht zu seiner Überzeugung fest, daß der Keller nach dem Einbau der „weißen Wanne” undicht sei. Bei der Planung und Herstellung der „weißen Wanne” seien Fehler unterlaufen, so daß eine Abdichtung des Kellers gegen drückendes Grundwasser nicht gewährleistet sei. Daß diese Fehler zwingend darauf schließen ließen, daß der Keller undicht sei, nehme der Sachverständige selbst nicht an, da er nur von Restrisiko spreche. Es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß schon die Ursache der Wassereinbrüche früherer Jahre nicht restlos geklärt sei. Selbst wenn dem Sachverständigen darin zu folgen sei, der Tatsache, daß in der Zeit von März bis September 1984 der Grundwasserspiegel über der Kellersohle gelegen sei und trotzdem kein Wasser eingedrungen sei, sei keine Bedeutung beizumessen, sei der Klägerin der Nachweis, der Keller sei undicht, nicht gelungen. Dies gelte um so mehr, als die Klägerin nicht vorgetragen habe, daß es zur Zeit des gerichtsbekannt außergewöhnlich hohen Hochwassers im Dezember 1993, von dem das streitige in der Rheinaue gelegene Grundstück betroffen gewesen sei, Grundwasser in den Keller eingedrungen sei.
b) Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision haben aus mehreren Gründen Erfolg.
aa) Das Berufungsgericht hat die Beweislast verkannt. Es nimmt zu Unrecht an, daß die Klägerin den Nachweis, die Wanne sei undicht, nicht geführt habe. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels obliegt dem Besteller jedoch erst nach der Abnahme des Werkes (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1, 2. Aufl. § 635 Rdn. 4 m.w.N.). Vor der Abnahme, im Falle ihrer berechtigten Verweigerung oder bei einem Vorbehalt gemäß § 640 Abs. 2 BGB trägt der Unternehmer, wenn der Besteller das Vorhandensein eines Mangels substantiiert vorträgt, die Beweislast dafür, daß das Werk im Sinne des § 633 Abs. 1 BGB die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern (Baumgärtel aaO § 633 Rdn. 2 m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob eine Abnahme erfolgt ist. Deshalb läßt sich die Frage nicht abschließend entscheiden, wer die Beweislast für die behaupteten Mängel trägt. Schon aus diesem Grund kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
bb) Das Urteil erweist sich auch aus anderem Grund als rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat erkennbar nicht bedacht, daß es sich in Ziff. 1 der Klage um eine Feststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO handelt.
Die Feststellungsklage setzt in der Sache voraus, daß die Entstehung eines Schadens wahrscheinlich ist (BGH Urteile vom 25. November 1977 – I ZR 30/76 = NJW 1978, 544 und vom 19. November 1971 – I ZR 72/70 = NJW 1972, 198; vom 21. Oktober 1971 – II ZR 22/70 = ZZP 85 (1972), 245; Zöller/Greger ZPO 19. Aufl. § 256 Rdn. 18). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind bei der Herstellung der „weißen Wanne” eine Reihe von Planungs- und Ausführungsfehlern unterlaufen, insbesondere liegen fehlende Betonprüfungen, falsch gewählte Gebäudetrennfugen und Fehler der Bewegungs- und Arbeitsfugen vor. Diese legen bereits die Möglichkeit nahe, daß die Gebrauchstauglichkeit des Kellers eingeschränkt ist. Vor diesem Hintergrund ist mit der für eine Feststellungsklage erforderlichen Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt eines Feuchtigkeitsschadens zu rechnen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, daß diese Fehler „zwingend darauf schließen lassen, daß der Keller undicht ist”.
Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung aus dem Hochwasser im Dezember 1993 verfahrensfehlerhaft Schlußfolgerungen zum Nachteil der Klägerin gezogen. Der Sachverständige hat dazu keine abschließende Stellungnahme abgegeben, sondern hat nur geäußert, daß die Wahrscheinlichkeit der fehlenden Dichtigkeit gegen Null gehe, wenn bei einem Hochwasser das Grundwasser auf einer Höhe von 1 m über der Sohle ansteigen und dieser Zustand etwa 14 Tage dauern würde. Daß es sich hier so verhielt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
2. Kostenvorschuß
a) Das Berufungsgericht ist bei der Berechnung des Kostenvorschusses von dem „unstreitig rechnerisch richtigen” Betrag des Landgerichts in Höhe von 103.120,80 DM ausgegangen und hat zunächst als Sowiesokosten 50 % (= 1.200 DM) aus den Gesamtkosten von 2.400 DM der Positionen 1 (Bauwerksfuge) und 3 (Riß an einer nicht tragenden Betonstütze) des Gutachtens E. abgezogen. Anschließend hat es weitere 86.000 DM in Abzug gebracht, die vom Sachverständigen K. wegen der fehlenden Dichtigkeit des Kellers angesetzt waren. Den hieraus errechneten Betrag von 15.920,80 DM (103.120 DM abzüglich 1.200 DM abzüglich 86.000 DM) hat es der Klägerin als Kostenvorschuß gegen die Beklagte zu 2 zugesprochen.
b) Diese Berechnung beanstandet die Revision zu Recht.
aa) Fehlerhaft ist bereits die Annahme des Berufungsgerichts, die Positionen 1 und 3 betrügen insgesamt 2.400 DM. Sie machen lediglich 576 DM und 288 DM aus, so daß unter Berücksichtigung von 50 % Sowiesokosten ein Abzug von nur 432 DM gerechtfertigt ist. Dies würde, wie die Revision zu Recht rügt, bei dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Haftungsanteil der Beklagten zu 2 in Höhe von 20 % nur zu einem Abzug von insgesamt 86,40 DM führen.
bb) Zudem wäre auch unter Zugrundelegung der fehlerhaften Prämisse des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß der Keller undicht sei, ein vollständiger Abzug von 86.000 DM nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht hat die Quotelung der Verantwortungsteile zwischen dem Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 hinsichtlich der in Abzug gebrachten 86.000 DM nicht näher begründet, sondern hat insoweit nur auf die Ausführungen des Sachverständigen K. und die vom Landgericht vorgenommene Bewertung Bezug genommen. Demnach wäre für die Beklagte zu 2 bei den streitigen Positionen in Ziffer 13 und 16 nur ein Haftungsanteil von 20 % gerechtfertigt, was allenfalls einen Abzug von 17.200 DM rechtfertigen würde.
cc) Was diesen Betrag anbelangt bestehen hiervon abgesehen Zweifel, ob er als Kostenvorschuß verlangt werden kann, weil es sich möglicherweise um merkantilen Minderwert handelt. Der Anspruch auf vorschußweise Zahlung umfaßt lediglich die mutmaßlichen Nachbesserungskosten (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1988 – VII ZR 112/88 = ZfBR 1989, 60, 65 = BauR 1989, 201, 202 und vom 14. April 1983 – VII ZR 258/82 = ZfBR 1983, 185 = BauR 1983, 365 m.w.N.) und nicht etwaigen merkantilen Minderwert. Die Zumessung des Kostenvorschusses bedarf daher insgesamt erneuter Berechnung.
II.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
T, H, H, W, K
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.1996 durch Heinzelmann Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512649 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1997, 238 |