Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Prozeßführungsbefugnis eines Wettbewerbsvereins, dem eine erhebliche Zahl von Pharmaunternehmen als Mitglieder angehört, zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen bei der Werbung für Heilbehandlungen in einem Sanatorium.
Zur Frage der Zulässigkeit von Unterlassungsanträgen, die sich weitgehend darauf beschränken, das angestrebte Verbot mit den Tatbestandsmerkmalen des Gesetzes, auf das sie gestützt sind, zu umschreiben.
Normenkette
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Stuttgart |
LG Rottweil |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 27. Juni 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte betreibt ein privates Sanatorium in B., in dem u.a. Therapieverfahren der Naturheilkunde angewendet werden. Sie hat Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel entwickelt, die im Rahmen der Behandlungen verabreicht werden. Diese Mittel werden von der S. GmbH & Co. KG (im folgenden: S.) hergestellt und vertrieben. Die S. ist mit der Beklagten verbunden; beide haben dieselbe Anschrift.
Die Beklagte gibt zweimal jährlich ein Blatt mit dem Titel „I.” heraus, das sie auch als „Patienteninformation” bezeichnet. Sie legt es in der Klinik aus und versendet es – zumindest an ehemalige Patienten – auch mit der Post.
Der Kläger, ein rechtsfähiger Verband, der es sich nach seiner Satzung zur Aufgabe gemacht hat, die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zu überwachen, hat das Blatt „I.” in der Ausgabe Oktober 1994 wegen verschiedener Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz und das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz als wettbewerbswidrig beanstandet. Er hat deshalb zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt, die im Berufungsrechtszug teilweise bestätigt worden ist.
Mit Schreiben vom 23. November 1995 gab die Beklagte eine Erklärung ab, nach der sie das im Verfügungsverfahren ergangene Berufungsurteil, allerdings beschränkt auf den Umfang einer von ihr selbst neu formulierten Unterlassungsverpflichtung, als endgültige Regelung anerkannte. Zugleich wies die Beklagte darauf hin, daß die Unterlassungserklärung einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sei. Mit Schreiben vom 1. Dezember 1995 ergänzte die Beklagte ihre Erklärung vom 23. November 1995 durch ein Vertragsstrafeversprechen.
Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren zur Hauptsache die Werbeaussagen aus dem Blatt „I.” (Ausgabe Oktober 1994), die in dem nachfolgend wiedergegebenen, antragsgemäß ergangenen Ausspruch des landgerichtlichen Urteils angeführt sind, erneut als wettbewerbswidrig angegriffen. Er hat vorgebracht, er sei für die erhobenen Ansprüche prozeßführungsbefugt. Die Erklärungen der Beklagten vom 23. November/1. Dezember 1995 hätten die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lassen, weil die darin umschriebene Unterlassungsverpflichtung im Vergleich zum Gegenstand des im Verfügungsverfahren ergangenen Urteils beschränkt worden sei.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat – unter Aufrechterhaltung eines von ihm zunächst erlassenen Versäumnisurteils – die Beklagte unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
- für Arzneimittel und/oder Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere die Mittel „T.”, „A.”, „E.”, „D.”, „Ar.-Tropfen”, „To.”, „De.”, „M.”, „An.”, „Se.”, „G.”, „Am.”, „F.” und/oder das „V.-P.-Programm”, außerhalb der Fachkreise mit Angaben zu werben, wonach diese ärztlich geprüft, angewendet oder empfohlen werden, insbesondere mit von Ärzten verfaßten Patienteninformationen zu werben, in denen die Mittel empfohlen werden,
- außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, insbesondere die Arzneimittel „T.”, „A.”, „E.”, „D.”, „Ar.-Tropfen”, „To.”, „De.”, „Se.”, „G.” und/oder „F.”, zu werben, ohne zugleich ihre Firma und ihren Sitz, die Bezeichnung des jeweiligen Arzneimittels, seine Anwendungsgebiete und, sofern vorhanden, Gegenanzeigen und/oder Nebenwirkungen vom übrigen Text abgesetzt wiederzugeben,
außerhalb der Fachkreise für Heilbehandlungen und/oder Arzneimittel, insbesondere die Arzneimittel „T.” und/oder „To.”, mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie Hinweisen darauf zu werben, insbesondere den Beitrag zu veröffentlichen:
„4. Internationales Experten-Forum Immun-Therapie: Neue Erkenntnisse bestätigen die guten Erfahrungen mit Thymus-Peptiden und Mikro-Nährstoffen – T. und Vitamin E sind große Hilfen für das Immunsystem”,
- außerhalb der Fachkreise für Heilbehandlungen mit der bildlichen Darstellung von Personen in Berufskleidung zu werben,
- außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel und/oder Heilbehandlungen mit Äußerungen Dritter oder Hinweisen darauf und/oder mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf zu werben,
insbesondere zu werben:
„Warum Frau Z. bereits 50 mal zu uns kam:
Gesundbleiben ist alles
Einen ganz besonderen Empfang gab es im August 1994: Frau S. Z. aus B. kam zum fünfzigstenmal als Gast in das Sanatorium O.. Sie war bereits bei der offiziellen Eröffnung im April 1974 dabeigewesen. Damals ließ sie sich wegen einer sehr schlimmen Migräne behandeln. ‚Die Therapie war ein voller Erfolg, die Migräne hat sich total gebessert’ berichtet die Patientin von einst. Und warum kommt sie immer wieder hierher? ‚Weil ich gesund bleiben will’, lautet die kurze, treffende Antwort von Frau Z.. Dreimal in jedem Jahr läßt sie sich deshalb vorsorglich behandeln – unter anderem mit der V.-P.-Therapie, mit Bewegungstherapie und auch mit T. zur Stärkung des Immunsystems. Wer sie sieht, hört, erlebt, der weiß, daß diese Vorsorge ihren Zweck erfüllt: S. Z. ist vital wie kaum eine andere Frau in ihrem Alter. Damit das auch so bleibt, hat sie sich bereits für den nächsten Aufenthalt im Schwarzwald Sanatorium O. angemeldet.”
- „Das Schwarzwald Sanatorium O. und die hier erfolgreich praktizierten Behandlungsmethoden sind immer wieder Themen der Berichterstattung in Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten. Zunehmend informieren dabei die Medien ihre Leser auch über neue Therapie-Konzepte wie Immun-Training und V.-P.-Therapie”,
„Was andere über uns berichten:
Endlich Hilfe – dank einer Therapie nach Maß”,
„Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit, deren Behandlung oftmals große Probleme bereitet. Um ihre Leser über gute Möglichkeiten der Therapie zu informieren, veröffentlichte die Zeitschrift ‚N. W.’ eine Serie ‚Nie wieder Rückenschmerzen’ mit beispielhaften Fällen aus dem Schwarzwald Sanatorium O. .
M. S. aus M. hatte ihre Wirbelsäule durch harte Arbeit als Lebensmittelhändlerin geschädigt. ‚Das Gelenk zwischen Kreuzbein und Darmbein ist blockiert. Dadurch kommt es zu einer regelrechten Beinverkürzung und Schiefhaltung des Beckens mit einer schmerzhaften Reizung der Nerven in diesem Bereich’ erkannte Dr. W. B. als Ursache der Rückenschmerzen. Dagegen wurde ‚ein maßgeschneidertes Therapieschema’ verordnet: Mit Neuraltherapie, deren Spritzen sofort die Schmerzen lindern und den Heilprozeß einleiten.
Mit dem homöopatischen Kombinationspräparat ‚D.’, das Entzündungen und Reizzustände der Nerven abklingen läßt.
Mit Chirotherapie, um die Gelenkblockade zu beseitigen.
Mit Massagen und Wassergymnastik, welche diese Maßnahmen unterstützen.
‚Schon am dritten Tag meines Aufenthaltes konnte ich mich wieder normal bewegen’, berichtet M. S., und heute hat sie Rückenschmerzen ‚so gut wie nicht mehr’.”
- „Einen großen Erfolg erzielte die Immun-Therapie mit ‚T.’ bei A. S.. Die junge Frau war an Morbus Bechterew erkrankt; das ist eine rheumatische Erkrankung der Wirbelsäule. Sie litt unter unerträglichen Kreuzschmerzen und ihre Halswirbelsäule war bereits derart steif, daß sie den Kopf nicht mehr drehen konnte. Im Schwarzwald Sanatorium O. konnte ihr endlich geholfen werden. ‚Im Fall von Morbus Bechterew bewirken Thymus-Peptide, daß körpereigene Abwehrkräfte nicht länger irrtümlich das Gewebe der Wirbel und Gelenke als fremd verkennen und es angreifen. Auf diese Weise werden die Ursachen der Beschwerden bekämpft’, erklärt Dr. P. in der ‚G. Revue’ die Wirkung der ‚T.-Therapie’, die auch bei A. S. eintrat. Die junge Frau fühlt sich heute so gesund, daß ihr Mann und sie sich endlich ihren langgehegten Kinderwunsch erfüllten.”
„Von einem neuen Mittel gegen Allergien berichtet ‚Super Illu’. Es ist das homöopathische Kombinationspräparat ‚De.’, das für die Vier-Faktoren-Therapie … am Schwarzwald Sanatorium O. entwickelt worden ist, und auch von anderen Ärzten angewendet wird. Dr. M. W. aus We. bei St. hat bei seinen Patienten gute Erfahrungen damit gemacht: ‚Die überschießende Reaktion des Immunsystems gegen alle Allergene wird damit abgebaut. Es sind keine Tests erforderlich, um exakt etwa den Auslöser von Heuschnupfen zu ermitteln.’
Mit ‚De.’ behandelte er unter anderem den Schüler T. S.. Anfangs mit Injektionen, um schneller eine Wirkung zu erreichen, später nahm sein Patient das Arzneimittel mit Wasser ein. ‚Heute brauche ich in der Heuschnupfenzeit nur noch eine Trinkampulle jeden Tag’, erzählt der Junge. Das genügt, um ihn vor Schnupfen, Augenbrennen, Kopfschmerzen zu bewahren; das ermöglicht ihm, auch dann draußen zu spielen, wenn Gräser, Sträucher, Bäume blühen.”
„‚T.’ vom WDR zeigte:
Behandeln im Biorhythmus
Warum nicht alle Arzneimittel dreimal täglich eingenommen werden sollten, warum Blutdruck und Herzrhythmus in bestimmten Fällen rund um die Uhr registriert werden müssen, warum das kranke Herz frühmorgens besonderen Schutz braucht, warum Schmerzen durch Rheuma auch am Abend behandelt werden sollten, erfuhren die Zuseher der Fernsehsendung ‚T.’ vom 22. Juni 1994. Chefarzt Dr. P. erklärte es anhand von Beispielen, die im Schwarzwald Sanatorium O. in Wort und Bild aufgenommen wurden. Denn hier wird das berücksichtigt, was andernorts noch gefordert wird: Das Leben des Menschen verläuft in festgelegten Biorhythmen, so daß auch sein Körper auf gewisse Therapien zu bestimmten Zeiten unterschiedlich reagiert; das kann für den Behandlungserfolg äußerst wichtig sein …”.
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend entschieden, daß der Kläger für die erhobenen Ansprüche gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG prozeßführungsbefugt ist.
1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Kläger sei befugt, Wettbewerbsverstöße bei der Werbung für Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel zu verfolgen, weil unter seinen Mitgliedern 37 Unternehmen seien, die mit der Herstellung und dem Vertrieb pharmazeutischer Produkte erhebliche Umsätze erzielten. Er sei aber auch zur Prozeßführung befugt, soweit es um Unterlassungsansprüche wegen wettbewerbswidriger Aussagen über Heilbehandlungen gehe. Er habe auch bezogen auf diesen Bereich eine ausreichend repräsentative Zahl von Mitgliedern, weil ihm sechs Kurkliniken, eine Krankenhausbetreibergesellschaft und – als mittelbare Mitglieder – die Mitglieder des Ärzteverbandes B. e.V. und des S.-Verbandes e.V. angehörten.
2. a) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß der Kläger im Hinblick auf die Zahl der Pharmaunternehmen unter seinen Mitgliedern nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG prozeßführungsbefugt ist, gegen die Beklagte Unterlassungsansprüche wegen wettbewerbswidriger Werbung für Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel geltend zu machen, ist rechtsfehlerfrei und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
b) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich die Befugnis des Klägers, Wettbewerbsverstöße bei der Werbung für Heilbehandlungen zu verfolgen, bereits daraus, daß er eine größere Zahl von Pharmaunternehmen als Mitglieder hat. Die Pharmaunternehmen sind Gewerbetreibende auf demselben sachlichen und räumlichen Markt im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG wie die Beklagte, auch soweit diese ein Sanatorium zur Durchführung von Heilbehandlungen betreibt. Auf die Frage, ob der Kläger auch eine ausreichende Zahl von Mitgliedern hat, die gerade auf dem Gebiet der Heilbehandlungen tätig sind, kommt es deshalb nicht mehr an.
(1) Der nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG maßgebliche Markt ist in sachlicher Hinsicht anhand des Begriffs „Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art” abzugrenzen. Dieser Begriff ist weit auszulegen. Die vertriebenen Waren oder gewerblichen Leistungen müssen sich derart gleichen oder nahestehen, daß der Vertrieb der einen durch den Vertrieb der anderen beeinträchtigt werden kann. Für das danach erforderliche (abstrakte) Wettbewerbsverhältnis genügt es, daß eine nicht gänzlich unbedeutende (potentielle) Beeinträchtigung mit einer gewissen – sei es auch nur geringen – Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1996 – I ZR 162/94, GRUR 1997, 479, 480 = WRP 1997, 431 – Münzangebot; Urt. v. 5.6.1997 – I ZR 69/95, GRUR 1998, 489, 491 = WRP 1998, 42 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III, jeweils m.w.N.).
Eine solches abstraktes Wettbewerbsverhältnis besteht auch im Arzneimittelbereich bei dem Vertrieb von Arzneimitteln und dem von Dienstleistungen zur Durchführung von Heilbehandlungen in einem Sanatorium. Dies ergibt sich nicht nur aus der gemeinsamen Zweckbestimmung, der Gesundheit der Patienten zu dienen. In einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen wird nach der Lebenserfahrung vielmehr auch zwischen der Behandlung mit Hilfe von Arzneimitteln und der Behandlung in einem Sanatorium gewählt mit der Folge, daß der Absatz von Arzneimitteln den Umsatz mit Heilbehandlungen beeinträchtigen kann und umgekehrt. Dementsprechend hat der Senat bereits in seinen Urteilen „Warentest für Arzneimittel” (Urt. v. 10.7.1997 – I ZR 51/95, WRP 1998, 181, 183) und „Lebertran I” (Urt. v. 2.10.1997 – I ZR 94/95, GRUR 1998, 961, 962 = WRP 1998, 312) angenommen, daß die Prozeßführungsbefugnis des klagenden Wettbewerbsvereins zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen bei dem Vertrieb von Arzneimitteln auch mit der Mitgliedschaft von Kurkliniken und Unternehmen der Medizintechnik begründet werden konnte.
(2) Die betreffenden Mitglieder des Klägers und die Beklagte begegnen sich als Wettbewerber auf demselben räumlichen Markt, weil die Pharmaunternehmen ihre Produkte bundesweit vertreiben und die Beklagte für ihre Heilbehandlungen bundesweit wirbt.
II. Das Berufungsurteil kann jedoch schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Klageanträge und die diesen entsprechende Verurteilung der Beklagten nicht hinreichend bestimmt sind (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dieser Mangel ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (BGHZ 135, 1, 6 – Betreibervergütung, m.w.N.).
1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung nicht derart undeutlich gefaßt sein, daß der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 15.7.1999 – I ZR 204/96, GRUR 1999, 1017 = WRP 1999, 1035 – Kontrollnummernbeseitigung). Diesen Anforderungen genügen die Klageanträge nicht.
a) Der Klageantrag zu 1 ist auf das Verbot gerichtet, für Arzneimittel und/oder Nahrungsergänzungsmittel (insbesondere einzelne konkret benannte Mittel) „außerhalb der Fachkreise mit Angaben zu werben, wonach diese ärztlich geprüft, angewendet oder empfohlen werden, insbesondere mit von Ärzten verfaßten Patienteninformationen zu werben, in denen die Mittel empfohlen werden”. Dieser Antrag ist unbestimmt, weil er die Wettbewerbshandlungen, die verboten werden sollen, fast ausschließlich mit gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen des § 11 Nr. 2 HWG umschreibt. Diese Antragsformulierung und die ihr folgende Verurteilung, die sich vollständig von der konkret beanstandeten Verletzungshandlung lösen, überlassen dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber, was verboten ist. Ein auf die Verurteilung zur Unterlassung gerichteter Klageantrag, der sich darauf beschränkt, die Tatbestandsmerkmale des Gesetzes, auf das er sich stützt, wiederzugeben, ist grundsätzlich unbestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1995 – I ZR 137/93, GRUR 1995, 832, 833 = WRP 1995, 1026 – Verbraucherservice; GroßKommUWG/Jacobs, Vor § 13 D Rdn. 110; Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 253 Rdn. 13b; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 51 Rdn. 8; Pastor/Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 27 Rdn. 15, jeweils m.w.N.). Dies ist auch hier der Fall, weil die aus § 11 Nr. 2 HWG in die Antragsfassung übernommenen Tatbestandsmerkmale wie „ärztlich geprüft, angewendet oder empfohlen” bei ihrer Anwendung auf konkrete Fälle in vieler Hinsicht der Auslegung bedürfen werden und deshalb als Bestandteile des gestellten Unterlassungsantrags den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots, das angestrebte Verbot klar zu umreißen, nicht genügen können.
Der Begriff „werben” ist dagegen – abweichend von der Ansicht der Revision – im Zusammenhang des Klageantrags zu 1, aber auch bei seiner Verwendung in den anderen Klageanträgen, nicht als unbestimmt anzusehen. In aller Regel wird nicht zweifelhaft sein, ob eine Maßnahme als Werbung anzusehen ist oder nicht. Der Umstand, daß nicht auszuschließen ist, daß bei der Beachtung und Durchsetzung eines Verbots in Sonderfällen eine nähere Prüfung dieser Frage erforderlich sein könnte, belastet die Beklagte nicht in unzumutbarer Weise.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß der Senat in der Entscheidung „Faltenglätter” (Urt. v. 18.2.1993 – I ZR 219/91, GRUR 1993, 565, 566 = WRP 1993, 478) die Verwendung der Begriffe „Beiträge, die inhaltlich Werbung sind” im Klageantrag als unbestimmt beanstandet hat. Ob die Verwendung eines Begriffs zur Formulierung eines Klageantrags diesen unbestimmt macht, kann grundsätzlich nur im Einzelfall entschieden werden. Im Fall „Faltenglätter” bezog sich der Klageantrag auf das Verbot getarnter Produktwerbung durch ein Presseunternehmen. Die Frage, ob eine Werbung und nicht eine unbedenkliche redaktionelle Berichterstattung vorliegt, betrifft bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung – anders als im vorliegenden Fall – den Kern des Rechtsstreits. Die Wendung „Beiträge, die inhaltlich Werbung sind” war ungeeignet, einen sicheren Anhalt dafür zu geben, wann ein redaktioneller Beitrag, der sich mit einem Produkt befaßt, als unzulässige getarnte Werbung dem angestrebten gerichtlichen Verbot unterfallen sollte. Deshalb war im Fall „Faltenglätter” zu fordern, daß der Klageantrag das zu untersagende Verhalten und die Umstände, aus denen sich seine Wettbewerbswidrigkeit ergibt, näher konkretisiert.
b) Der Klageantrag zu 2 zielt nach seinem Wortlaut auf das Verbot, außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel (insbesondere einzelne konkret genannte Arzneimittel) „zu werben, ohne zugleich die Firma und ihren Sitz, die Bezeichnung des jeweiligen Arzneimittels, seine Anwendungsgebiete und, sofern vorhanden, Gegenanzeigen und/oder Nebenwirkungen vom übrigen Text abgesetzt wiederzugeben”. Das begehrte Verbot ist hier anhand der Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 4 HWG formuliert, wenn auch deren Anforderungen nicht vollständig in den Antrag aufgenommen worden sind. Eine Auslegung des Antrags nach seinem Sinn und Zweck ergibt, daß das Verbot nicht auch die Fälle der in § 4 Abs. 6 HWG geregelten Erinnerungswerbung umfassen soll. Jedenfalls mit diesem Inhalt ist der Antrag, der in seinem Hauptteil in keiner Weise mehr von der konkreten Verletzungshandlung ausgeht, unbestimmt. Die Entscheidung über die nicht selten zweifelhafte Frage, ob eine Erinnerungswerbung vorliegt, darf nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen bleiben.
c) Gegenstand des Klageantrags zu 3 ist das Verbot, außerhalb der Fachkreise für Heilbehandlungen und/oder Arzneimittel (insbesondere konkret genannte Arzneimittel) „mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie Hinweisen darauf zu werben”. Der Unterlassungsantrag umschreibt damit in seinem Hauptteil den Verbotsgegenstand so abstrakt wie ein gesetzlicher Tatbestand. In dieser Form enthält der Antrag nicht lediglich eine zu weit gehende Verallgemeinerung der in seinem „Insbesondere”-Teil näher bezeichneten konkreten Verletzungsform; seine abstrakte Fassung macht ihn vielmehr hinsichtlich seiner inhaltlichen Reichweite derart auslegungsbedürftig, daß er als unbestimmt anzusehen ist.
d) Nach dem Klageantrag zu 4 soll die Beklagte verurteilt werden, „außerhalb der Fachkreise für Heilbehandlungen mit der bildlichen Darstellung von Personen in Berufskleidung zu werben”. Dieser Antrag ist unbestimmt, weil er sich im wesentlichen an den Wortlaut des § 11 Nr. 4 HWG anschließt. Ein gemäß diesem Antrag ausgesprochenes Verbot wäre aus der Sicht der Beklagten, die es zu befolgen hätte, und im Vollstreckungsverfahren aus der Sicht des Gerichts ebenso auslegungsbedürftig wie das Gesetz selbst, bei dessen Anwendung sich nicht einfach zu beurteilende Fragen stellen können.
e) Der Klageantrag zu 5 ist in seinem Hauptteil darauf gerichtet, daß die Beklagte verurteilt wird, es zu unterlassen, „außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel und/oder Heilbehandlungen mit Äußerungen Dritter oder Hinweisen darauf und/oder mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie mit Hinweisen darauf zu werben”. Insoweit wiederholt der Antrag weitgehend die abstrakte Regelung des § 11 Nr. 3 und Nr. 11 HWG, ohne die Handlungen, die vom Verbot umfaßt werden sollen, selbst näher zu konkretisieren. Damit entspricht der Antrag in seinem Hauptteil nicht den Anforderungen, die an die Bestimmtheit von Unterlassungsanträgen zu stellen sind.
2. Die Klage ist wegen der Unbestimmtheit der Klageanträge nicht bereits (vollständig oder teilweise) als unzulässig abzuweisen. Die Frage der Bestimmtheit der Anträge ist in den Vorinstanzen nur von der Beklagten – und auch dies eher beiläufig – angesprochen worden. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht dem Kläger nach § 139 ZPO Gelegenheit geben müssen, die Klageanträge zu prüfen und gegebenenfalls neu zu fassen sowie sachdienlichen Vortrag dazu zu halten. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren gebieten es in einem solchen Fall, von der Möglichkeit der Abweisung der Klage als unzulässig abzusehen (vgl. BGH GRUR 1998, 489, 492 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III, m.w.N.).
Eine Entscheidung über die Klageanträge kommt bei der gegebenen Sachlage auch nicht insoweit in Betracht, als sich die Anträge in ihren „Insbesondere”-Teilen auf die konkret beanstandeten Verletzungshandlungen beziehen. Die Frage, ob diese Antragsteile bei einer Abweisung der Klageanträge in ihren Hauptteilen als unzulässig – im Sinne eines Minus – Gegenstand einer gesonderten Entscheidung sein könnten, kann hier offenbleiben. Denn dem Kläger muß Gelegenheit gegeben werden, seine Klageanträge insgesamt neu zu fassen und dabei im Rahmen des Zulässigen auch von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen, sofern auch in diesen jeweils das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (vgl. BGH GRUR 1999, 1017, 1018 – Kontrollnummernbeseitigung, m.w.N.).
III. Auf die Revision der Beklagten war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen: Die für etwaige Unterlassungsansprüche des Klägers erforderliche Wiederholungsgefahr ist durch die – einseitig gebliebenen – Erklärungen der Beklagten in ihren Schreiben vom 23. November und 1. Dezember 1995, in denen sie unter Abgabe eines Vertragsstrafeversprechens die Übernahme einer Unterlassungsverpflichtung angeboten hat, nicht entfallen. Dies gilt bereits deshalb, weil die Beklagte ihr Angebot einer Unterlassungsverpflichtung – auch noch in ihrer letzten Erklärung zum Inhalt der Unterlassungsverpflichtung – mit Einschränkungen versehen hat, die bewirken, daß dieses hinter dem Umfang der Unterlassungsansprüche des Klägers zurückbleibt. Das Charakteristische der konkreten Verletzungsform ist im vorliegenden Fall nicht darin zu sehen, daß die Beklagte gerade für Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel der Firma S. geworben hat. Deshalb würde eine Beschränkung der Unterlassungsverpflichtung auf die Werbung für Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel der Firma S. auch bei Einbeziehung von Unternehmen, die mit dieser verbunden sind, dem Umfang der gegebenen Unterlassungsansprüche nicht entsprechen. Darauf, ob die Unterlassungserklärungen der Beklagten auch in anderer Hinsicht (etwa durch Beschränkung auf die Werbung „in Patienteninformationen”) hinter den Unterlassungsansprüchen des Klägers zurückbleiben, kommt es danach nicht mehr an.
Unterschriften
v. Ungern-Sternberg, Mees, Starck, Pokrant, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.11.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556174 |
NJW 2000, 1792 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2000, 1028 |
WRP 2000, 389 |
PharmaR 2001, 131 |