Leitsatz (amtlich)
1. Rechtsstreitigkeiten über die Gültigkeit von Satzungsbestimmungen oder Geschäftsordnungsbestimmungen einer Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand geschäftlicher Art ist, betreffen stets vermögensrechtliche Ansprüche.
2. Die Vorschriften der MitbestG §§ 25ff über die innere Ordnung und die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats sind solche, die im öffentlichen Interesse gegeben sind und deren Verletzung daher ohne Rücksicht darauf, ob hierdurch die Anteilseigner oder die Arbeitnehmer benachteiligt werden, nach AktG § 241 Nr 3 ein Nichtigkeitsgrund ist.
3. MitbestG § 27 steht der Wirksamkeit einer Satzungsbestimmung, die vorschreibt, für den Vorsitzenden des Aufsichtsrats mehr als einen Stellvertreter zu wählen, nicht grundsätzlich entgegen.
4. Eine Satzungsvorschrift, wonach ein solcher weiterer Stellvertreter dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre angehören soll, ist wegen Verstoßes gegen die Wahlfreiheit des Aufsichtsrats und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung seiner Mitglieder nichtig.
5. Die Satzung darf in die Organisationsfreiheit des Aufsichtsrats bei der Entscheidung darüber, ob er Ausschüsse bilden will und wer ihnen angehören soll, nicht dadurch eingreifen, daß sie vorschreibt (oder verbietet), im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit einen oder mehrere Ausschüsse mit bestimmten Aufgaben und einer bestimmten personellen Besetzung zu errichten; darunter fällt auch die Bestimmung, aus dem Vorsitzenden und dessen Stellvertretern ein Präsidium zu bilden.
6. Dagegen sind Satzungsklauseln, die das Verfahren in den Ausschüssen generell in bestimmter Weise regeln, zulässig, soweit sie das pflichtmäßige Ermessen des Aufsichtsrats, wie er seine Arbeit sachlich und personell gestalten will, nicht auf eine dem Wortlaut und Sinn des AktG § 107 Abs 3 S 1 widersprechende Weise einengen. Dazu gehören auch Vorschriften über einen Stichentscheid des Ausschußvorsitzenden.
7. Es ist zulässig, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats für den Fall, daß er einem Ausschuß angehört und sich dort bei einer Abstimmung Stimmengleichheit ergibt, ein Zweitstimmrecht einzuräumen.
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 29. April 1981 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es den Hauptversammlungsbeschluß zu § 12 Abs. 1 und 2 der Satzung betrifft.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16. Januar 1980 wird zurückgewiesen, soweit es der Klage hinsichtlich der Neufassung der vorgenannten Satzungsbestimmungen stattgegeben hat.
Die Kosten des ersten Rechtszuges fallen zu je 1/18 den Klägern und zu 1/3 der Beklagten zur Last. Über die weiteren Kosten ist im Verfahren 20 U 1713/81 = 6 0 1171/79 zu entscheiden.
Die Kosten des Berufungsverfahrens 6 0 1172/79 und der Revisionsinstanz tragen zu je 1/9 die Kläger und zu 2/3 die Beklagte.
Tatbestand
Der Kläger zu 1 ist Aktionär, die Kläger zu 2 und 3 sind Mitglieder des Aufsichtsrats der beklagten Aktiengesellschaft. Diese ist ein Unternehmen nach § 1 Abs. 1 MitbestG. Die Hauptversammlung der Beklagten beschloß am 16. März 1978, § 12 Abs. 1 und 2 sowie § 13 Abs. 5 ihrer Satzung wie folgt zu fassen:
„§ 12
(1) Der Aufsichtsrat wählt aus seiner Mitte nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter sowie aus dem Kreis der ufsichtsratsmitglieder der Aktionäre einen weiteren tellvertreter (Präsidium).
(2) Der Vorsitzende, die Stellvertreter sowie ein on den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer u wählendes Aufsichtsratsmitglied bilden den Ausschuß, der in den Fällen des § 31 Abs. 3 und 5 des Mitbestimmungsgesetzes dem Aufsichtsrat einen Vorschlag für die Bestellung oder den Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern zu machen hat.
§ 13
(5) Soweit das Gesetz oder die Satzung es zulassen, kann der Aufsichtsrat ihm obliegende Aufgaben und Rechte auf seinen Vorsitzenden, einzelne seiner Mitglieder oder auf die aus seiner Mitte bestellten Ausschüsse übertragen. Gehört der Aufsichtsratsvorsitzende einem Ausschuß an und ergibt eine Abstimmung im Ausschuß Stimmengleichheit, so hat er bei einer erneuten Abstimmung, wenn auch diese Stimmengleichheit ergibt, zwei Stimmen.”
Die Kläger sehen in diesen Bestimmungen einen Verstoß gegen § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG sowie gegen die §§ 25 ff MitbestG. Sie haben beantragt, die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses vom 16. März 1978 festzustellen, soweit
- in § 12 Abs. 1 der Satzung bestimmt ist, daß der Aufsichtsrat aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre einen weiteren Stellvertreter des Vorsitzenden wählt und aus diesem, dem Vorsitzenden und dem nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes gewählten Stellvertreter ein Präsidium bildet;
- in § 12 Abs. 2 der Satzung bestimmt ist, daß der aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre gewählte weitere Stellvertreter dem Ausschuß für die Aufgaben gemäß §§ 31 Abs. 3 und 5 MitbestG angehört;
- § 13 Abs. 5 Satz 2 der Satzung eingefügt wurde.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, soweit sie § 12 Abs. 1 und 2 der Satzung betrifft, und sie im übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage ganz abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihren Feststellungsantrag in allen Punkten weiter.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache anzunehmen (§§ 554 a, 554 b ZPO). Eine Zulassung durch das Berufungsgericht (§ 546 ZPO) kam nicht in Betracht, da der Beschwerdewert 40.000 DM übersteigt und über vermögensrechtliche Ansprüche gestritten wird. Vermögensrechtlich sind nicht nur Geld- oder geldwerte Ansprüche, sondern auch solche, die auf vermögensrechtlichen Beziehungen beruhen. Das ist bei aktienrechtlichen Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen, jedenfalls wenn der Unternehmensgegenstand geschäftlicher Art ist, stets der Fall. Denn alle Satzungs- und Geschäftsordnungsbestimmungen einer Aktiengesellschaft beziehen sich unmittelbar oder mittelbar auf die Verwaltung und den Einsatz von Vermögenswerten. Wer ihre Wirksamkeit mit einer Klage anzweifelt, stellt daher auch dann, wenn für ihn persönlich vielleicht andere Beweggründe als die Wahrnehmung eigener Vermögensinteressen im Vordergrund stehen, immer auch ein vermögensrechtliches Verhältnis zur Entscheidung.
II. Das Berufungsgericht (Urteilsabdr. in NJW 1981, 2201 mit krit. Anm. Raiser, ebenda S. 2166) hält die Voraussetzungen einer Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG nicht für erfüllt, weil der Hauptversammlungsbeschluß vom 16. März 1978 in keinem der von den Klägern beanstandeten Punkte mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar sei oder eine ausschließlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse ergangene Vorschrift verletze (§ 241 Nr. 3 AktG). Dabei geht es zwar davon aus, daß für die Frage, ob ein solcher Verstoß vorliege, den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes eine besondere Bedeutung zukomme. Es meint jedoch, auch insoweit zwischen wesentlichen und unwesentlichen Gesetzesverletzungen unterscheiden zu müssen. So kommt es dazu, trotz eines auch von ihm angenommenen Verstoßes gegen § 27 Abs. 3 MitbestG die Nichtigkeit der davon betroffenen Regelung zu verneinen. Das ist schon im rechtlichen Ausgangspunkt nicht haltbar.
Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 hat als das Ergebnis grundlegender, nach langjährigen Auseinandersetzungen gefundener Entscheidungen ein besonderes gesellschaftspolitisches Gewicht. Es soll über das Interesse der unmittelbar Betroffenen hinaus dem Wohl der Allgemeinheit dienen (BVerfGE 50, 290, 350 f) und nimmt mit seiner gesamtwirtschaftlichen Zielsetzung innerhalb der Rechtsordnung einen Rang ein, der es grundsätzlich ausschließt, einzelnen seiner materiell-rechtlichen Bestimmungen das öffentliche Interesse im Sinne von § 241 Nr. 3 AktG abzusprechen. Das gilt jedenfalls für die hier in Frage kommenden Vorschriften der §§ 25 ff MitbestG, die als in sich geschlossenes System von Normen über Rechte, Pflichten und innere Ordnung des Aufsichtsrats ein Kernstück des Gesetzes bilden (Raiser, NJW 1981, 2166, 2167; Hanau/Ulmer, MitbestG, 1981, Einl. Rdn. 35, 42; ähnl. im Ergebnis, aber mit anderer Begründung – § 25 MitbestG als selbständiger Nichtigkeitsgrund – Geßler, ZGR 1980, 427, 445 ff; abweichend Canaris, DB 1981, Beil. 14 S. 5 f). Ein Verstoß gegen sie führt darum stets zur Nichtigkeit.
III. Einen solchen Verstoß hatte das Landgericht (Urteilsabdr. AG 1980, 165 = DB 1980, 678) im Gegensatz zum Berufungsgericht zutreffend in der von den Klägern bekämpften Neufassung des § 12 Abs. 1 und 2 der Satzung gesehen.
1. § 12 Abs. 1 befaßt sich zunächst, abgesehen von der bloßen Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften über die Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters (§ 27 MitbestG), mit der Wahl eines „weiteren” Stellvertreters.
a) Gegen die Wirksamkeit dieser Regelung läßt sich nicht schon mit der Revision anführen, das Gesetz verbiete es überhaupt, für den Vorsitzenden mehr als einen Stellvertreter zu wählen. § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG („mindestens einen Stellvertreter”) sieht diese Möglichkeit vor und überläßt nähere Bestimmungen hierüber der Satzung. § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG regelt zwar – insoweit abschließend – die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines ersten Stellvertreters, die auch das Aktienrecht ausdrücklich vorschreibt. Daraus läßt sich aber in Ermangelung deutlicher Hinweise im Gesetz selbst oder in seiner Entstehungsgeschichte nicht entnehmen, der Gesetzgeber habe entgegen der aktienrechtlichen Lage die Wahl weiterer Vertreter, wie sie in der Praxis nicht ungewöhnlich ist und auch einem gewissen Bedürfnis entsprechen mag, für die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegenden Unternehmen künftig unterbinden wollen. Die Vorschriften des § 27 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 29 Abs. 2 MitbestG suchen einen Ausgleich zwischen dem Standpunkt der Verfechter eines konsequenten Paritätsprinzips und den dagegen vorgebrachten Bedenken, mit denen vor allem der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz und die Sorge um die Funktionstüchtigkeit der Unternehmen ins Feld geführt wurden (vgl. zur Entstehungsgeschichte: Raiser, NJW 1976, 1337 ff). Sie stellen deshalb dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der, wenn sich für seine Wahl keine 2/3-Mehrheit findet, von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner allein gewählt wird, aus Paritätsgründen einen Vertreter zur Seite, der unter derselben Voraussetzung von den Mitgliedern der Arbeitnehmer zu wählen ist und bei Verhinderung des Vorsitzenden (§ 107 Abs. 1 Satz 3 AktG) dieselbe Rechtsstellung wie dieser haben soll, ausgenommen das Zweitstimmrecht. Auf diese Weise verleihen sowohl das Aktienrecht – durch die als Mindestregelung zwingende Vorschrift des § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG – als auch das Mitbestimmungsrecht – durch das besondere, dem Paritätsgedanken Rechnung tragende Wahlverfahren nach § 27 Abs. 1 MitbestG – dem Vorsitzenden und seinem ersten Stellvertreter eine aus dem Kreis der übrigen Aufsichtsratsmitglieder herausgehobene Stellung. Damit ist es vereinbar, für den Bedarfsfall in der Satzung noch weitere Stellvertreter vorzusehen, für die jene Besonderheiten von Gesetzes wegen nicht gelten (H. P. Westermann in Festschr. f. Fischer, 1979, S. 835 ff, 842 f; Raiser, NJW 1981, 1966, 1967 und MitbestG, § 27 Rdn. 6, 7; Canaris aaO S. 11 ff; Martens, DB 1980, 1381, 1384 ff; a. M. Fitting/Wlotzke/Wißmann, Mitbestimmungsgesetz, 2. Aufl., § 27 Rdn. 4, 5). Die Wahl und Rechtsstellung auch dieser Stellvertreter eigens zu regeln – sei es durch ein Verbot, sei es positiv durch besondere Vorschriften –, konnte dem Gesetzgeber schon darum unwesentlich erscheinen, weil im Unterschied zum ersten Stellvertreter weitere Vertreter mit dieser Funktion viel seltener zum Zuge kommen. § 27 MitbestG schließt daher „ergänzende Bestimmungen der Satzung” (§ 23 Abs. 5 Satz 2 AktG) insoweit nicht aus.
b) § 12 Abs. 1 der neugefaßten Satzung der Beklagten verletzt aber, wie die Revision zutreffend rügt, dadurch Vorschriften, die im öffentlichen Interesse ergangen sind, daß er bestimmt, den weiteren Stellvertreter des Vorsitzenden aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner zu wählen. Darin liegt ein unzulässiger Eingriff in die ausschließliche Befugnis des Aufsichtsrats, gemäß § 107 AktG seinen Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und die Mitglieder seiner Ausschüsse mit den in §§ 27 und 29 MitbestG bestimmten Mehrheiten „aus seiner Mitte” frei zu wählen. Diese Befugnis schließt für jeden Teilnehmer an der Wahl auch die Möglichkeit ein, sich als von der Hauptversammlung bestelltes Mitglied für ein Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer zu entscheiden und umgekehrt. Es ist daher unzulässig, die Berufung von Aufsichtsratsmitgliedern in eine Funktion vorweg auf bestimmte Mitglieder oder eine bestimmte Gruppe von Mitgliedern zu beschränken, wie es hier hinsichtlich des weiteren Stellvertreters geschehen ist.
Eine solche Vorschrift verletzt nicht nur die nach dem Mitbestimmungsgesetz ebenso wie aktienrechtlich gewährleistete Wahlfreiheit des Aufsichtsrats, sondern auch den tragenden Grundsatz der individuell gleichen Berechtigung und Verantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder ohne Rücksicht darauf, wer sie in den Aufsichtsrat berufen hat (BGHZ 64, 325, 330 f). Dieser Grundsatz ist, wie schon in § 4 Abs. 3 MontanMitbestG, so auch in das Mitbestimmungsgesetz 1976 eingegangen. Er ist dort nur insoweit durch einige besondere Bestimmungen durchbrochen, als es der Gesetzgeber für notwendig gehalten hat, um dem ursprünglichen Gedanken der „gleichwertigen und gleichgewichtigen Teilnahme von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen” (RegEntw. BTDs 7/2172 S. 17) annähernd Rechnung zu tragen, aber auch die verfassungsrechtlichen Grundsätze und die Funktionsfähigkeit der Unternehmen auf der Grundlage des geltenden Gesellschaftsrechts zu wahren. Sie lassen in gewissen Fällen die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer getrennt oder auch allein eine bestimmte Entscheidung treffen (so § 27 Abs. 2 und 3 sowie § 32 MitbestG) und geben dem Aufsichtsratsvorsitzenden das Recht zur Pattauflösung durch Einsatz einer Zweitstimme (§ 29 Abs. 2, § 31 Abs. 4 und 5 MitbestG).
Von diesen Sonderregelungen abgesehen, kennt das Mitbestimmungsgesetz aber kein allgemeines „Bänkeprinzip”, das für die Arbeit des Aufsichtsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder irgendwie erheblich sein könnte. Vielmehr weist es den einzelnen Mitgliedern des Aufsichtsrats, wenn sie einmal in dieses Amt berufen sind, strikt die gleichen Rechte und Pflichten zu. Dazu gehört vor allem das gleiche aktive und passive Wahlrecht und damit auch das Recht, ohne Rücksicht auf eine Gruppenzugehörigkeit jedes beliebige Mitglied zum Vorsitzenden, zu dessen Stellvertreter oder zum Mitglied eines Ausschusses zu wählen oder selbst in eine solche Stellung berufen zu werden. Hiergegen verstößt eine Bestimmung, die, wie hier § 12 Abs. 1 der Satzung, zwar die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer an der Abstimmung über die Person des weiteren Stellvertreters des Vorsitzenden teilnehmen läßt, sie selbst aber von der Wählbarkeit überhaupt ausschließt.
c) Darüber hinaus läßt sich § 12 Abs. 1 der Satzung auch insofern rechtlich nicht halten, als er die Wahl des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter mit der Bildung eines Präsidiums verknüpft und so eine Entscheidung vorwegnimmt, die § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG dem Aufsichtsrat selbst vorbehält. Daß eine solche unzulässige Koppelung vorliege, bezweifelt die Revisionserwiderung zu Unrecht.
Unter dem Präsidium versteht man herkömmlicherweise einen Ausschuß des Aufsichtsrats, dem gewöhnlich der Vorsitzende und einer oder mehrere Stellvertreter angehören und der – neben repräsentativen Aufgaben – vor allem die Arbeit im Aufsichtsrat koordinieren, die Sitzungen des Plenums vorbereiten, mit dem Vorstand ständig Fühlung halten, laufende Angelegenheiten, soweit möglich, alsbald erledigen und gegebenenfalls Initiativen entwickeln soll (Raiser, NJW 1981, 2166, 2167; a. M.: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 1981, S. 67 f: Kein Ausschuß, sondern Träger von Funktionen des Vorsitzenden). Daß der umstrittene § 12 Abs. 1 einen solchen Ausschuß im Auge hat und sein Zweck hauptsächlich darin besteht, dessen Bildung und Zusammensetzung verbindlich zu regeln, kann nach seinem Sinnzusammenhang und dem üblichen Verständnis des Begriffs „Präsidium” nicht zweifelhaft sein, mag dieses Wort auch im Unterschied zur früheren Fassung jetzt nur noch in einem Klammerzusatz erscheinen. Nur so ist die Bestimmung bei der Beklagten auch aufgefaßt worden. Das zeigt nicht nur die Begründung zur Satzungsänderung („Anpassung an das Mitbestimmungsgesetz. Durch die Wahl eines zweiten Stellvertreters soll die Kontinuität des Präsidiums erhalten bleiben”), sondern auch die gleichzeitig vom Aufsichtsrat beschlossene Neufassung seiner Geschäftsordnung, die dem, wie vorgesehen zusammengesetzten, Präsidium eine Reihe von Entscheidungen, darunter den Abschluß von Verträgen mit Vorstandsmitgliedern und die Verteilung ihrer Geschäfte, zuweist. Ebenso läßt die bestimmte Fassung des § 12 Abs. 1 („der Aufsichtsrat wählt …”) entgegen den Ausführungen der Beklagten (Schriftsatz v. 5. 10. 79 S. 26 ff) deutlich darauf schließen, daß er nicht nur einen „Wunsch” zum Ausdruck bringen soll, sondern als verbindliche Regel für den Aufsichtsrat gemeint ist, wenn man die Satzung, wie es notwendig ist, allein nach objektiven Maßstäben aus sich heraus auslegt.
Mit diesem Inhalt verstößt die Bestimmung gegen § 107 Abs. 4 Satz 4 AktG, der nicht der Satzung, sondern dem Aufsichtsrat selbst die Befugnis zuweist, aus seiner Mitte einen oder mehrere Ausschüsse zu bilden. Darin kommt der Gedanke zum Ausdruck, daß allein der Aufsichtsrat nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen kann und soll, wie er seine Arbeit zweckmäßigerweise einrichtet, um seinen gesetzlichen Funktionen und seiner Allgemeinverantwortung am besten gerecht zu werden, inwieweit er deshalb seine Aufgaben im Plenum erledigen oder einem Ausschuß übertragen will und welche Personen aus seiner Mitte ihm aus sachlichen Gründen jeweils besonders dazu berufen erscheinen, in einem solchen Ausschuß mitzuwirken. In dieser eigenverantwortlichen Organisation seiner Arbeit darf die Satzung den Aufsichtsrat nicht dadurch behindern, daß sie ihm vorschreibt (oder verbietet), im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit einen oder mehrere Ausschüsse mit bestimmten Aufgaben und einer bestimmten personellen Besetzung zu errichten; § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG ist insoweit nicht gemäß § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzungsfähig (Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 107 Rdn. 41, 61 ff; Fitting/Wlotzke/Wißmann aaO § 29 Anm. 29, 35; Hanau/Ulmer aaO § 25 Rdn. 124, 128 f; abweichend zum Präsidium: Mertens in Kölner Komm. z. AktG, § 107 Anm. 47, 77 f, 83, 85).
Damit ist es unvereinbar, daß die Satzung hier bei unbefangenem Verständnis entsprechend der Verkehrsauffassung durch das Wort „Präsidium” in Verbindung mit der vorausgehenden Regelung nicht nur die Bildung eines solchen Gremiums und dessen Zusammensetzung vorschreibt, sondern zugleich festlegt, daß es mindestens diejenigen Aufgaben wahrnehmen soll, die gemeinhin einem Präsidium zugeschrieben werden und die über dasjenige hinauszugehen pflegen, was zu erledigen durch Gesetz (z. B. § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder Gewohnheitsrecht dem Vorsitzenden allein vorbehalten ist. Denn dadurch wäre der Aufsichtsrat gehindert, selbst zu entscheiden, inwieweit er mit diesen Aufgaben ein nach seiner Wahl zusammengesetztes Präsidium betrauen will.
Dieser Gesetzesverstoß ist ebenfalls ein Nichtigkeitsgrund nach § 241 Nr. 3 AktG. Denn er beeinträchtigt den Aufsichtsrat in der freien Ausübung seiner Funktionen, denen das Gesetz – auch mitbestimmungsrechtlich – eine über das individuelle Interesse einzelner hinausgehende Allgemeinbedeutung beimißt.
d) Die Beklagte hat geltend gemacht, zur Herstellung einer gesetzlich einwandfreien Fassung genüge es notfalls, in § 12 Abs. 1 ihrer Satzung die Worte „aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre” zu streichen. Denn die Hauptversammlung hätte die Wahl eines weiteren Stellvertreters des Aufsichtsratsvorsitzenden, wie schon nach der früheren Fassung, auch ohne diesen Satzteil vorgesehen (Berufungsbegründung S. 4 ff). Dem vermag der Senat auch dann nicht zu folgen, wenn zusätzlich das Wort „Präsidium” wegfällt. Zwar ist es richtig, daß die Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses auf den unzulässigen Beschlußteil beschränkt bleiben kann, wenn sich entgegen der Vermutung des § 139 BGB feststellen läßt, daß der Beschluß auch ohne diesen Teil zustande gekommen wäre (Zöllner in Kölner Komm. z. AktG § 248 Anm. 43). Die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, daß die Hauptversammlung, hätte sie die Rechtslage richtig gesehen, die gleiche oder eine ähnliche Regelung unter Beachtung des Mitbestimmungsgesetzes beschlossen hätte, reicht jedoch nicht aus, ihrer Entscheidung darüber vorzugreifen, ob sie § 12 Abs. 1 in der tatsächlich beschlossenen Neufassung, soweit sie mit der Klage angegriffen ist, unter Wegfall der Worte „aus dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre” und des Klammerzusatzes „Präsidium”, aber sonst unverändert beibehalten will. Dagegen spricht auch, daß die so gekürzte Fassung Zweifel erwecken könnte, ob sich die Worte „nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes” zugleich auf den weiteren Stellvertreter beziehen sollen und welche Folgerungen hieraus gegebenenfalls zu ziehen wären.
Entgegen dem Berufungsurteil ist daher die dem Klageantrag entsprechende Feststellung des Landgerichts zu § 12 Abs. 1 der Satzung voll aufrechtzuerhalten.
2. Dasselbe gilt für § 12 Abs. 2 der Satzung, der sich auf den sogenannten Vermittlungsausschuß (ständigen Ausschuß) nach § 27 Abs. 3 MitbestG bezieht. Diese Satzungsklausel nimmt mit den Worten „die Stellvertreter” unverkennbar auf Abs. 1 Bezug; ohne die dort getroffene, schon in sich nichtige Bestimmung, daß und aus welchem Personenkreis ein „weiterer Stellvertreter” zu wählen sei, hinge die sonst nicht verständliche Unterscheidung zwischen „den Stellvertretern” und einem weiteren Ausschußmitglied in der Luft. Es kommt hinzu, daß die mit der Verweisung auf Absatz 1 deutlich gewollte Besetzung des Vermittlungsausschusses mit einem „weiteren Stellvertreter”, der vom Gesamtaufsichtsrat, jedoch ausschließlich aus dem Kreis seiner von den Aktionären bestellten Mitglieder zu wählen wäre, gegen die abschließende Regelung des § 27 Abs. 3 MitbestG verstieße. Denn diese schreibt für die beiden zusätzlichen Ausschußmitglieder getrennte Wahlen durch die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer und der Anteilseigner vor, ohne jedoch deren Wahlfreiheit zu beschränken. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es verstoße nicht gegen eine im öffentlichen Interesse gegebene Vorschrift, die Arbeitnehmer über die Regelung des § 27 Abs. 3 MitbestG hinaus an der Wahl eines weiteren Ausschußmitglieds teilhaben zu lassen (ebenso Canaris aaO S. 14), ist unzutreffend. Die §§ 25 ff MitbestG bilden ein aufeinander abgestimmtes Gefüge von Vorschriften, die in erster Linie auf eine Zusammenarbeit der von den Arbeitnehmern und Anteilseignern gewählten Aufsichtsratsmitglieder angelegt sind und in zweiter Linie, ebenfalls im öffentlichen Interesse, die Lösung von Konflikten ermöglichen wollen, die infolge der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats entstehen können. Jede Satzungsklausel, die in dieses Gefüge störend eingreift, ist nichtig, mag sie scheinbar die Arbeitnehmer oder die Anteilseigner begünstigen. Zudem hat das Berufungsgericht auch hier übersehen, daß die beanstandete Regelung die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer in Wirklichkeit dadurch gesetzwidrig benachteiligt, daß sie ihre Wählbarkeit teilweise ausschließt.
Die Feststellung des Landgerichts, der Hauptversammlungsbeschluß zu § 12 Abs. 2 der Satzung sei hinsichtlich der Ausschußzugehörigkeit eines „weiteren Stellvertreters” nichtig, ist daher ebenfalls aufrechtzuerhalten.
3. Anders verhält es sich mit § 13 Abs. 5 Satz 2 der Satzung, die dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, wenn er einem Ausschuß angehört, bei wiederholter Stimmengleichheit den Stichentscheid zubilligt.
Wie der Senat in seinem ebenfalls am 25. Februar 1982 verkündeten Urteil in der Sache II ZR 102/81 näher ausführt, ist eine Regelung zur Auflösung von Pattsituationen in Ausschüssen grundsätzlich zulässig und namentlich mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar. Das ist für das Aktienrecht mit Recht fast allgemein anerkannt. Daran hat das Mitbestimmungsgesetz von 1976 für die von ihm erfaßten Unternehmen nichts geändert. Abgesehen von der besonderen Vorschrift des § 27 Abs. 3 enthält es keine Bestimmungen über Einrichtung, Zusammensetzung und Verfahren von Aufsichtsratsausschüssen. Es überläßt diese vielmehr der freien Gestaltung durch die einzelnen Gesellschaften im Rahmen des geltenden Aktienrechts und erlaubt daher auch Bestimmungen, die bei wiederholter ergebnisloser Abstimmung dem Vorsitzenden den Stichentscheid einräumen. Soweit dies im Ergebnis dazu führen kann, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner auch in den Ausschüssen gerade in wichtigen Angelegenheiten meist ihren Standpunkt durchzusetzen vermögen, steht dies im Einklang damit, daß ein leichtes Übergewicht der Anteilseigner im Mitbestimmungsgesetz selbst angelegt ist.
Gegenüber dem Sachverhalt, auf den sich das vorerwähnte Urteil bezieht, weist der vorliegende Fall einige Unterschiede auf, die jedoch die Wirksamkeit der hier umstrittenen Satzungsklausel nicht beeinträchtigen.
a) Entgegen der Auffassung der Revision liegt darin, daß die beanstandete Regelung auch hier in der Satzung und nicht in einer Geschäftsordnung des Aufsichtsrats enthalten ist, kein unzulässiger Eingriff in dessen Gestaltungsfreiheit. Denn, anders als die zu III 1 c behandelten Vorschriften über die konkrete Ausschußbildung und -besetzung, sind Satzungsklauseln, die das Verfahren in den Ausschüssen generell in bestimmter Weise regeln, nicht schlechthin unzulässig. Das Gesetz erlaubt sie vielmehr unter der Voraussetzung, daß sie das pflichtmäßige Ermessen des Aufsichtsrats, wie er seine Arbeitsweise sachlich und personell gestalten will, nicht in einer Weise einengen, die mit dem Wortlaut und Sinn des § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG allgemein unvereinbar wäre. Keine Bedenken bestehen daher gegen Bestimmungen über den Stichentscheid in Ausschüssen, die, wie hier, weder die Aufgaben der Ausschüsse noch die Zugehörigkeit bestimmter Aufsichtsratsmitglieder zu ihnen – einschließlich des Vorsitzenden – festlegen, sondern dies dem Aufsichtsrat selbst vorbehalten, also seine Auswahlfreiheit unberührt lassen (Mertens in Kölner Komm. z. AktG, § 107 Anm. 73 ff, 84, 133; Hanau/Ulmer aaO § 25 Rdn. 133, 136; a. M. Säcker, Aufsichtsratsausschüsse nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976, 1979, S. 32). Insoweit enthält § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG keine abschließende Regelung, so daß die Satzung sie nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG ergänzen kann. Das entspricht der Tendenz des Gesetzes, sich auf einige Vorschriften über die innere Ordnung des Aufsichtsrats zu beschränken, die so wichtig erscheinen, daß sie von allen Gesellschaften eingehalten werden müssen, und es im übrigen der Satzung zu überlassen, „die für die einzelne Gesellschaft geeignete Regelung zu treffen” (Begr. RegEntw. zu § 107, abgedr. bei Kropff, AktG 1965, S. 147).
An dieser Rechtslage hat das Mitbestimmungsgesetz im Prinzip nichts geändert. Zwar ist im Schrifttum die Frage aufgeworfen worden, ob nicht das Mitbestimmungsrecht dem Aufsichtsrat in den davon betroffenen Unternehmen ein größeres Gewicht gegeben habe und deshalb auch seine Geschäftsordnungsautonomie stärker als bislang gegen organisatorische Eingriffe der Satzung abzuschirmen sei (Hommelhoff, Betriebswissenschaftliche Forschung und Praxis, 1977, 507 ff; Raiser, Mitbestimmungsgesetz, 1977, § 25 Rdn. 15). Dem Mitbestimmungsgesetz läßt sich jedoch eine über seine besonderen Vorschriften (§§ 27 bis 29, 31 und 32) hinausgehende Verschiebung der Organisationszuständigkeit von der Satzung auf den Aufsichtsrat nicht entnehmen (Ulmer, Die Anpassung von Satzungen mitbestimmter Aktiengesellschaften an das Mitbestimmungsgesetz 1976, 1980, S. 49 ff = ZHR 1977, 496 ff sowie Hanau/Ulmer aaO § 25 Rdn. 7, 9 ff). Vielmehr läßt es in § 25 Abs. 2, soweit weder jene Sondervorschriften noch das Aktienrecht entgegenstehen, für Bestimmungen der Satzung und solche der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats über dessen innere Ordnung und Beschlußfassung nebeneinander Raum. Von einem in diesem Rahmen gesicherten Fortbestand bisheriger Regelungskompetenzen der Satzung ist ersichtlich auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Mitbestimmungsurteil vom 1. März 1979 mit dem Hinweis auf die gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Anteilseigner ausgegangen (BVerfGE 50, 290, 324; Wiedemann, AP Anm. zu § 1 Nr. 1 MitbestG Bl. 915; Ulmer, BB 1979, 398, 399). Zu diesen Gestaltungsmöglichkeiten gehört nicht zuletzt der Stichentscheid des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit in einem Ausschuß (Rehbinder, ZGR 1979, 471, 488).
b) Daß die Befugnis der Pattauflösung nicht jedem Ausschußvorsitzenden, sondern nur dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats zustehen soll – wobei offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt ist, daß er auch in einem Ausschuß den Vorsitz einnehmen wird –, ist ebenfalls eine zulässige, das Gesetz nur ergänzende Regelung. Sie verletzt insbesondere nicht den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Aufsichtsratsmitglieder. Dieser Grundsatz verbietet zwar, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, personenbezogene Unterscheidungen einschließlich solcher, die an die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Gruppe im Aufsichtsrat anknüpfen. Die Zuweisung eines Zweitstimmrechts an den Aufsichtsratsvorsitzenden für den Fall, daß er einem Ausschuß angehört, ist aber nicht an seine Person, sondern an seine Funktion gebunden. Das allein würde freilich die Bedenken gegen seine Bevorzugung gegenüber anderen Ausschußvorsitzenden noch nicht ausräumen, wenn keine weiteren, die Regelung auch sachlich rechtfertigenden Gründe hinzukämen. Solche Gründe sind gegeben.
Konfliktslagen, in denen nur der Einsatz einer Zweitstimme eine Mehrheitsentscheidung herbeiführen kann, werden meist bei solchen Angelegenheiten auftreten, denen die Beteiligten erhebliches Gewicht beimessen und die darum besonders heftig umstritten sind. Solche Angelegenheiten berühren oft das Unternehmensinteresse in einem Maße, daß es notwendig erscheinen kann, sie in einem größeren Rahmen zu sehen, ihren Zusammenhang mit anderen, vielleicht in einem anderen Ausschuß oder im Plenum anstehenden Entscheidungen zu berücksichtigen und ihren Stellenwert innerhalb der Gesamtaufgaben des Aufsichtsrats abzuschätzen. Gerade vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats ist zu erwarten, daß er aufgrund seines Gesamtüberblicks über dessen Geschäfte und die Unternehmenspolitik und als derjenige, der vielfach als erster über wichtige Vorfälle unterrichtet ist (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AktG), in der Regel besser als andere Mitglieder zu beurteilen vermag, ob es sich eher empfiehlt, mit Hilfe der Zweitstimme eine Entscheidung schon im Ausschuß herbeizuführen oder sie dem Gesamtaufsichtsrat zu überlassen.
Das sind Sachgründe, die es hinreichend rechtfertigen, den Stichentscheid in einem Ausschuß allein dem Aufsichtsratsvorsitzenden für den Fall zu übertragen, daß er – was zu bestimmen dem Aufsichtsrat freisteht – Mitglied des Ausschusses ist. Das bedeutet nicht, daß dies die im Unternehmensinteresse allein vertretbare Lösung sei; vielmehr erlaubt es das insoweit für Ergänzungen offene Gesetz, auch andere Regelungen, wie namentlich die Zuweisung des Stichentscheids an alle Ausschußvorsitzenden, als sachgerecht anzuerkennen.
c) Anders als in der Sache II ZR 102/81 steht hier die Zuweisung des Stichentscheids an den Vorsitzenden nicht im Zusammenhang mit einer ausdrücklichen Regelung, die (in jener Sache von den Parteien unbeanstandet) das gesetzliche Modell eines paritätisch zusammengesetzten Gesamtaufsichtsrats sinngemäß auf einen Ausschuß überträgt. Das ist aber unschädlich. Das Zweitstimmrecht des Vorsitzenden kann in einem Ausschuß nur zum Zuge kommen, wenn mit ihm zusammen eine gerade Zahl von Mitgliedern anwesend ist. Sind unter ihnen Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer und der Anteilseigner gleichmäßig vertreten und gehört der Vorsitzende, wie in der Regel, der letzteren Gruppe an, so steht für den Fall, daß es infolge dieser Zusammensetzung zu keiner Einigung kommt, der Stichentscheid des Vorsitzenden mit der am Grundgesetz ausgerichteten Konzeption des Mitbestimmungsgesetzes nicht in Widerspruch. Denn dieses räumt den Anteilseignern ein „leichtes Übergewicht” ein, das sie mit den gesellschaftsrechtlich zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten absichern können (BVerfGE 50, 290, 324). Bilden dagegen entweder die von den Aktionären gewählten Mitglieder oder die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer die Mehrheit, dann hat die eine oder andere Gruppe ohnehin einen Stimmrechtsvorsprung, so daß die nur bei Stimmengleichheit vorgesehene Zweitstimme des Vorsitzenden in keinem Fall das im Gesetz angelegte leichte Übergewicht der Anteilseigner unzulässig verstärken kann.
d) § 13 Abs. 5 Satz 2 der Satzung ist daher mit den Vorinstanzen als gültig anzusehen. Daß sich die Klausel nicht auf den kraft Gesetzes zu bildenden Ausschuß nach § 27 Abs. 3 MitbestG beziehen kann und soll, versteht sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von selbst und folgt überdies aus ihrem Zusammenhang mit Satz 1, der lediglich die freiwillige Übertragung einer Aufgabe auf einen Ausschuß betrifft.
Fundstellen
Haufe-Index 647919 |
BGHZ, 106 |
NJW 1982, 1525 |
ZIP 1982, 434 |