Leitsatz (amtlich)
a) Dem Gläubiger einer Bürgschaft auf erstes Anfordern obliegt der Beweis, daß der geltend gemachte Anspruch durch die vom Bürgen übernommene Verpflichtung gesichert ist. Die Sicherung muß sich aus der Bürgschaft selbst in Verbindung mit den Urkunden, auf die sie verweist, ergeben; sonstige dem Gericht vorliegende Urkunden sowie unstreitige Tatsachen können ergänzend mitberücksichtigt werden.
b) Scheitert der auf eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gestützte Anspruch, weil dessen Sicherung aus der Urkunde nicht zu entnehmen ist, kann er jedoch aus einer einfachen Bürgschaft begründet sein.
Normenkette
BGB § 765
Verfahrensgang
OLG Hamm (Aktenzeichen 26 U 45/97) |
LG Bielefeld (Aktenzeichen 16 O 156/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 2. Dezember 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, die Versicherungsgeschäfte betreibt, nimmt die verklagte Bank aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch.
Die Klägerin unterhielt ihre Bezirksgeschäftsstelle Münster in angemieteten Räumen. Der Mietvertrag endete am 31. Dezember 1998. Aufgrund des vierten Nachtrags vom 26. Mai 1994 belief sich der monatliche Mietzins auf 79.687,55 DM zuzüglich 7.000 DM für pauschale Nebenkosten. Die Klägerin wollte sich räumlich verändern. Zu diesem Zweck kaufte sie mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1994 von der A. GmbH (nachfolgend: Bauträger oder Verkäuferin) das in Ziffer I jener Urkunde bezeichnete Grundstück. Der Bauträger verpflichtete sich, auf dem verkauften Grundbesitz ein fünfgeschossiges Bürogebäude mit Tiefgaragen und Außenanlagen errichten zu lassen. Die Vertragschließenden vereinbarten einen Festpreis von 19.750.000 DM, von dem 17.915.000 DM auf das bis zum 30. April 1996 bezugsfertig zu erstellende Bauwerk und der Rest auf das Grundstück einschließlich Erschließungskosten entfielen.
Der Kaufpreis war in Raten zu entrichten. Dazu bestimmte der Vertrag in Ziffer V folgendes:
Voraussetzung für die Fälligkeit der ersten und der folgenden Kaufpreisraten sind:
die Beibringung einer selbstschuldnerischen und unbefristeten Bankbürgschaft durch den Bauträger in Höhe der jeweils fällig gestellten Kaufpreisrate und der Notar die Eintragung der Auflassungsvormerkung zugunsten der Käuferin im Grundbuch beantragt und sich vergewissert hat, daß der Eintragung – bis auf die Zahlung der Gerichtskosten – Hinderungsgründe nicht entgegenstehen.
- Wenn diese Voraussetzungen vorliegen und mit den Erdarbeiten begonnen wurde, ist die erste Kaufpreisrate in Höhe von 30 % mit 5.925.000 DM zur Zahlung fällig. Die Fälligkeit der weiteren Kaufpreisraten richtet sich nach dem Baufortschritt; auch über die weiteren Kaufpreisraten wird der Bauträger jeweils vor Fälligkeit eine selbstschuldnerische und unbefristete Bankbürgschaft beibringen.
- Diesem Vertrag werden als Anlage der Bauablaufplan vom 20.10.1994 und der Zahlungsplan vom 21.11.1994 beigefügt.
- Den jeweiligen Bautenstand bescheinigt der bauleitende Architekt. Der Bauträger teilt der Käuferin die Fälligkeit der einzelnen Kaufpreisraten mit. Die Raten sind dann innerhalb von zehn Werktagen nach Mitteilung des Bauträgers über die Fälligkeit zu bezahlen.
Weiter enthielt Ziffer VI folgende Regelung:
- Der Bauträger hat die derzeit bestehenden Mietverträge der Bezirksverwaltung der Käuferin in Münster … eingesehen. Ihm ist bekannt, daß die Käuferin dieses Mietobjekt räumen und den Kaufgegenstand bei bzw. nach Bezugsfertigstellung belegen wird.
- Der Bauträger erklärt, daß er nach Abklärung mit dem Vermieter die Weitervermietung dieses Mietobjektes ab dem 1. des Monats übernimmt, der der vertragsgemäßen Räumung des Mietobjektes durch die Käuferin folgt.
- Die Käuferin wird daran mitwirken, daß der Bauträger oder ein von ihm zu benennender Makler von dem Vermieter einen Alleinvermittlungsauftrag für das Mietobjekt erhält.
- Der Bauträger übernimmt der Käuferin gegenüber die Garantie für die Mietzahlung zuzüglich Nebenkosten bis zum Ende der jeweils vereinbarten Mietdauer.
Am 25. Januar 1995 erteilte die Beklagte im Auftrag der Verkäuferin der Klägerin eine „Bankbürgschaft für Vertragserfüllung” bis zur Höhe von höchstens 19.750.000 DM, befristet bis zum 2. Mai 1996. Gegen Rückgabe dieser Bürgschaft übernahm die Beklagte am 21. September 1995 eine neue, auf denselben Endtermin begrenzte Bürgschaft bis zur Höhe von 8.285.000 DM. Auch diese Bürgschaft wurde der Beklagten zurückgegeben; dafür übernahm diese unter dem 22. März 1996 eine „Bankbürgschaft für Vertragserfüllung” bis zur Höhe von 2.470.000 DM. Diese bezieht sich auf den notariellen Vertrag und lautet sodann:
- Gemäß den darin mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen (Ziffer V des Vertrages) hat der Verkäufer eine Bankbürgschaft zu ihren Gunsten beizubringen, welche die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Liefer-/Leistungsverpflichtungen Ihnen gegenüber besichert.
- Dies vorausgeschickt übernehmen wir, Bankhaus … (Beklagte), für den Auftraggeber hiermit Ihnen gegenüber die unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage für die ordnungsgemäße Lieferung/Leistung aus dem obigen Vertrag, indem wir uns verpflichten, an Sie auf Ihre erste schriftliche Anforderung und gegen Vorlage des Originals unserer Bürgschaftsurkunde jeden Betrag in Höhe der von Ihnen … bei uns gezahlten 30., 31., 33., 39. - 45. Kaufpreisrate bis zur Höhe von maximal 2.470.000 DM zu zahlen, sofern Sie uns zugleich schriftlich bestätigen, daß der Verkäufer seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Lieferung/Leistung trotz schriftlicher Aufforderung nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist.
- Diese Bürgschaft tritt in Kraft, wenn und soweit die vereinbarten Kaufpreisraten, laufende Nr. 30, 31, 33, 39 bis 45 des vorgenannten Kaufvertrages, vorbehaltlos bei uns … eingegangen sind und unsere Bürgschaftserklärung vom 21.09.1995 als gegenstandslos an uns zurückgegeben ist.
Die Klägerin bezog den von der Verkäuferin errichteten Neubau und bezahlte die Miete für ihre bisherigen Räume bis Juni 1996. Die Verkäuferin weigerte sich, die Mietzahlung ab Juli 1996 zu übernehmen. Die Klägerin nimmt deshalb die Beklagte wegen der Miete für den Monat Juli 1996 in Höhe von 86.687,55 DM in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr mit Ausnahme eines Teils der Zinsen stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe sich wirksam für die Ansprüche der Klägerin aus dem Kaufvertrag vom 20. Dezember 1994 auf erstes Anfordern verbürgt. Die Bürgschaft vom 22. März 1996 betreffe, wie sich der Bürgschaftsurkunde im Wege der Auslegung entnehmen lasse, auch die von der Verkäuferin unter Ziffer VI des Kaufvertrages übernommene Mietgarantie. Daß die Klägerin ihre formale Rechtsstellung mißbräuchlich ausnutze, sei nicht ersichtlich. Die Prüfung, ob der Klägerin die Hauptforderung zustehe, müsse einem Rückforderungsprozeß vorbehalten bleiben.
II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Beklagte macht geltend, ihre Bürgschaft auf erstes Anfordern sichere nicht die dem Zahlungsbegehren des Gläubigers zugrundeliegende Hauptforderung; denn sie betreffe nicht den Anspruch der Klägerin gegen den Bauträger aus der Mietgarantie.
a) Dieser Einwand ist schon im Erstprozeß erheblich, weil auch derjenige, der eine Bürgschaft auf erstes Anfordern eingeht, die Möglichkeit haben muß, seine Einstandspflicht auf einen bestimmten Anspruch innerhalb des zwischen Gläubiger und Hauptschuldner bestehenden Vertragsverhältnisses zu begrenzen. Eine solche Verteidigung richtet sich nicht gegen den Bestand der Hauptforderung, sondern den vom Gläubiger behaupteten Inhalt des zwischen ihm und dem Bürgen zustande gekommenen Vertrages. Dabei geht es um die Frage, ob überhaupt eine gültige Zahlungszusage vorliegt. Ergibt sich bereits aus der Urkunde selbst, daß die Bürgschaft den vom Kläger geltend gemachten Anspruch nicht trägt, ist die Klage sogleich abzuweisen (BGH, Urt. v. 14. Dezember 1995 - IX ZR 57/95, WM 1996, 193, 195).
b) Die Bürgschaft auf erstes Anfordern dient – insoweit einer Garantie auf erstes Anfordern vergleichbar – der schnellen Durchsetzung der von ihr gesicherten Ansprüche. Damit sie diese Funktion erfüllen kann, müssen die Anspruchsvoraussetzungen weitgehend formalisiert und die Einwendungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sein. Aus diesen Gründen sind für die Feststellung, welche Forderungen die Bürgschaft auf erstes Anfordern sichert, grundsätzlich nur solche Umstände beachtlich, die sich aus der Bürgschaft selbst und den Urkunden ergeben, auf die sie sich bezieht. Unstreitige oder durch dem Gericht vorliegende Urkunden belegte Tatsachen dürfen dabei ergänzend berücksichtigt werden (Senatsurt. v. 14. Dezember 1995, aaO S. 195; v. 2. April 1998 - IX ZR 79/98, WM 1998, 1062, 1064). Gegen einen auf diese Weise ermittelten Inhalt der Haftung kann sich der Bürge im Erstprozeß nicht mit der Behauptung von Tatsachen wehren, die außerhalb des beschriebenen Erkenntnisbereichs liegen, dem Urkundeninhalt sowie dem unstreitigem Parteivorbringen also nicht zweifelsfrei zu entnehmen sind (Senatsurt. v. 14. Dezember 1995, aaO).
c) Bei einer einfachen Bürgschaft muß der Gläubiger den Beweis führen, daß die Haftung des Bürgen die Hauptschuld deckt, auf die sich das Klagebegehren stützt (Senatsurt. v. 5. Januar 1995 - IX ZR 101/94, NJW 1995, 959; v. 4. Dezember 1997 - IX ZR 247/96, WM 1998, 333, 334). An dieser Beweislastverteilung ändert sich nichts dadurch, daß der Gläubiger aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern klagt, weil es auch hier darum geht, ob eine entsprechende vertragliche Verpflichtung des Bürgen überhaupt begründet wurde, und, soweit es den Haftungsumfang des Bürgen angeht, keine strukturellen Unterschiede zu einer dem Leitbild der §§ 765 ff BGB genau entsprechenden Vereinbarung bestehen. Auch die Interessengegensätze zwischen Gläubiger und Bürgen unterscheiden sich in diesem Punkt nicht vom Regelfall.
Die berechtigten Belange des Gläubigers gebieten es auch nicht, ihm die Möglichkeit einzuräumen, den von ihm behaupteten, aus der Urkunde unmittelbar nicht hinreichend ersichtlichen Haftungsumfang des Bürgen mit Tatsachen außerhalb dieses Bereichs zu beweisen. Die Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern macht nur Sinn, wenn die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verpflichteten im wesentlichen durch den Hinweis auf den Inhalt der Urkunde sowie die dort vorgesehene Erklärung erfüllt werden können. Läßt dagegen der Urkundeninhalt nicht hinreichend erkennen, ob sich der Haftungsumfang des Bürgen auf die vom Gläubiger erhobene Forderung erstreckt, könnte der Anspruch nur dadurch nachgewiesen werden, daß die Parteien ihre Behauptungen mit allen nach der Prozeßordnung vorgesehenen Beweismitteln belegen dürfen, wie dies bei einer gewöhnlichen Bürgschaft, die den vom Gläubiger behaupteten Inhalt nur andeutungsweise (§ 766 Satz 1 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 - IX ZR 29/92, WM 1993, 239, 240; v. 30. März 1995 - IX ZR 98/94, WM 1995, 900, 901) oder gar nicht (§ 350 HGB; vgl. Senatsurt. v. 3. Dezember 1992, aaO) wiederzugeben braucht, der Fall ist. Damit aber wäre der Zweck einer Bürgschaft auf erstes Anfordern schon im Ansatz verfehlt.
Der Gläubiger wird dadurch, daß der behauptete Haftungsumfang des Bürgen schon aus der Urkunde selbst hervorgehen muß, nicht unangemessen belastet. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern soll es ihm in erster Linie ersparen, sich mit Einwendungen gegen die Hauptschuld auseinanderzusetzen, weil diese für ihn bei Erteilung der Bürgschaft nicht absehbar sind und deren Klärung häufig beträchtlichen zeitlichen und kostenmäßigen Aufwand erfordert. Solche Schwierigkeiten bestehen nicht, soweit es um den Inhalt der Verpflichtung des Bürgen geht. Hier hat es der Gläubiger ohne weiteres in der Hand, schon bei Vertragsschluß zu klären, welche seiner Ansprüche durch die Bürgschaft gesichert sind. Von demjenigen, der eine solche Sicherung zur vereinfachten Durchsetzung seiner Ansprüche entgegennimmt, kann ohne weiteres erwartet werden, den Vertragsinhalt so zu gestalten, daß der Umfang der Bürgenhaftung eindeutig bestimmt ist.
2. Die Auslegung des Berufungsgerichts hat diese Grundsätze nicht beachtet; sie ist im übrigen auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil sie für die Beurteilung wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat.
a) Das Berufungsgericht verweist auf die Überschrift der Erklärung der Beklagten, die „Bankbürgschaft für Vertragserfüllung” lautet. In den Abschnitten 2 und 3 der Urkunde werde ganz allgemein auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Liefer-/Leistungsverpflichtung des Verkäufers abgestellt, ohne in diesem Zusammenhang eine Eingrenzung vorzunehmen. Dabei ist jedoch der Sinnzusammenhang, in den die Begriffe hineingestellt sind, außer acht gelassen worden; denn diese Verpflichtung wird mit dem Hinweis eingeleitet, daß die Bankbürgschaft gemäß den in der notariellen Urkunde getroffenen Vereinbarungen „(Ziffer V des Vertrages)” beizubringen ist und auf dieser Grundlage („dies vorausgeschickt” …) übernommen wird. Damit hat die Beklagte zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß die Bürgschaft inhaltlich mit der Sicherung übereinstimmen sollte, die zu erbringen der Bauträger sich verpflichtet hatte. In diesem Sinne haben die Parteien die Bürgschaft übereinstimmend verstanden; denn die Klägerin hat in der Berufungsbegründung selbst vorgetragen:
„Wie die Beklagte … selbst eingeräumt hat, wollte sie diejenige Bürgschaft übernehmen, zu deren Beibringen sich die … (Verkäuferin) … im Kaufvertrag verpflichtet hatte. Genauso sieht es die Klägerin.”
Die Bürgschaft läßt sich daher nicht sachgerecht ohne Einbeziehung der im notariellen Vertrag erfolgten Vereinbarung auslegen. Darauf geht das Berufungsurteil indessen nicht ein. Dazu hätte im übrigen schon deshalb Veranlassung bestanden, weil allein Ziffer V des notariellen Vertrages, auf den der Klammerzusatz der Bürgschaftsurkunde Bezug nimmt, die von den Parteien unterschiedlich verstandene Verpflichtung des Bauträgers, eine Bankbürgschaft beizubringen, behandelt.
b) Das Berufungsgericht meint, der Hinweis auf Ziffer V des Vertrages könne damit zu erklären sein, daß die Bürgschaft vom 22. März 1996 – im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen vom 25. Januar und 21. September 1995 – unbefristet erteilt worden sei und damit – erstmals – den in Ziffer V des notariellen Vertrages vereinbarten Anforderungen entspreche. Diese Erwägung ist rechtlich verfehlt. Die beiden genannten Punkte in der Urkunde sind weder sprachlich noch inhaltlich aufeinander bezogen. Zudem ist es die typische Funktion eines Klammerzusatzes, die vorausgegangenen Worte zu erläutern. Hier schließt er sich aber gerade an die von der Klägerin mit der Hauptschuldnerin getroffene notarielle Vereinbarung an.
c) Schließlich ist das Berufungsgericht nicht darauf eingegangen, daß die beiden von der Beklagten am 25. Januar und am 21. September 1995 übernommenen Bürgschaften jeweils bis zum 2. Mai 1996 befristet und schon deshalb nicht geeignet waren, den hier geltend gemachten Anspruch zu sichern. Nach dem vereinbarten Fertigstellungsdatum konnten Ansprüche der Klägerin gemäß Ziffer VI der notariellen Urkunde frühestens ab dem Zeitpunkt entstehen, zu dem die Miete für den Monat Mai 1996 fällig wurde. Damit waren jedenfalls alle ab Juni zu erfüllenden Mietverbindlichkeiten von jenen Bürgschaften offensichtlich nicht erfaßt. Die Klägerin hat nicht behauptet, dieser Befristung widersprochen zu haben.
3. Da die Auslegung im wesentlichen nur die Bürgschaftsurkunde sowie den notariellen Vertrag, auf den sie sich bezieht, zum Gegenstand hat und darüber hinaus lediglich die von den Parteien in den Tatsacheninstanzen vorgelegten Urkunden sowie die unstreitigen Umstände berücksichtigt, kann sie der Senat selbst vornehmen. Sie führt zu dem Ergebnis, daß die Beklagte für den von der Klägerin erhobenen Anspruch aus der Mietgarantie nicht aufgrund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern einzustehen hat.
a) Die Bürgschaft verweist hinsichtlich des Inhalts der von der Beklagten übernommenen Verpflichtung auf Ziffer V des notariellen Vertrages. Abgesehen von Ziffer X, wo die im Streitfall nicht bedeutsame Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft geregelt ist, befaßt sich allein dieser Vertragsabschnitt mit der Verpflichtung des Bauträgers zur Sicherung der Klägerin durch Bürgschaft. Er bezeichnet den Inhalt der vom Bauträger beizubringenden Sicherheit nur in Umrissen. Dem Wortlaut nach wird die Vorlage einer Bürgschaft lediglich zur Voraussetzung für die Fälligkeit der von der Klägerin aufzubringenden Kaufpreisraten erhoben. Daraus ist zwar ohne weiteres zu erkennen, daß die Klägerin wegen der mit den Ratenzahlungen verbundenen Risiken gesichert sein sollte. Schon was den Umfang der Sicherungsverpflichtung innerhalb des bauvertraglichen Teils der notariellen Vereinbarung angeht, läßt Ziffer V des notariellen Vertrages für sich genommen nicht erkennen, ob der Bauträger nur eine Vorauszahlungs-, eine Abschlagszahlungs- oder eine umfassende Erfüllungsbürgschaft zu stellen hatte (vgl. zu diesen Sicherungsformen BGH, Urt. v. 23. Januar 1986 - IX ZR 46/85, NJW 1986, 1681, 1682 f; v. 17. Dezember 1987 - IX ZR 263/86, NJW 1988, 907; v. 24. September 1998 - IX ZR 371/97, WM 1998, 2363, 2364; v. 14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, z.V.b.). Insoweit mag die notwendige Klarheit allerdings durch die Bezeichnung der Verpflichtung der Beklagten als „Bankbürgschaft für Vertragserfüllung” geschaffen worden sein.
Zur Sicherung des Mietgarantieanspruchs aus Ziffer VI enthält der notarielle Vertrag überhaupt kein Wort. Da Ziffer V des Vertrages die Verpflichtung zur Bürgschaftsgestellung allein mit der Zahlung der Kaufpreisraten verknüpft und der Wortlaut der Regelung keinerlei Anzeichen dafür enthält, daß die Verpflichtung, eine Bankbürgschaft beizubringen, sich auf die Mietzahlungsgarantie erstreckt, hat der Bauträger nach dem notariellen Vertrag dafür keine Sicherheit zu leisten.
b) Dieses Ergebnis wird durch den übrigen Inhalt der Bürgschaftsurkunde vom 22. März 1996 bestätigt; denn diese erwähnt die Mietgarantie ebenfalls nicht. Im Gegenteil wird die Bürgschaftssumme von 2.470.000 DM in Beziehung gesetzt zur Zahlung der Kaufpreisraten lfd. Nr. 30, 31, 33 und 39 bis 45 – möglicherweise deshalb, weil sie dem Gesamtbetrag dieser Raten entspricht. Auch dies deutet darauf hin, daß nur Ansprüche, die die Bauverpflichtung des Bauträgers betreffen, durch die Bürgschaft gesichert sind. Zudem besitzt der Bauherr, der mit der Leistung von Ratenzahlungen bereits eigenes Vermögen eingesetzt hat, ein im Rechtsverkehr allgemein anerkanntes, auch durch gesetzliche Bestimmungen, etwa die Makler- und Bauträgerverordnung, geschütztes Sicherungsinteresse, dem häufig durch die Vereinbarung einer Bürgschaft Rechnung getragen wird. Die hier vom Hauptschuldner übernommene Garantieverpflichtung betrifft dagegen nur einen Befreiungsanspruch des Gläubigers hinsichtlich zukünftiger eigener Verbindlichkeiten gegenüber Dritten, deren Entstehung bei Vertragsschluß noch ungewiß war. Daß solche Ansprüche üblicherweise zusätzlich gesichert werden, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
c) Der der Klägerin obliegende Beweis läßt sich auch nicht durch das Schreiben des Bauträgers vom 14. März 1996 erbringen. Dieses begründet die Bitte, die zuvor gewährte Bürgschaft nunmehr auf 2.470.000 DM zu begrenzen, damit, der Wert noch ausstehender Bauleistungen betrage lediglich 1.293.500 DM. Da die Erfüllungsbürgschaft jedoch, soweit es um die Errichtung des Gebäudes ging, Mängelbeseitigungs- sowie eventuelle Schadensersatzansprüche aus verzögerter Fertigstellung (Ziffer III Abs. 7 der notariellen Urkunde) umfaßte, war es schon allein deshalb sinnvoll, eine Bürgenhaftung zu vereinbaren, die den noch ausstehenden Wert der Bauleistungen um etwas mehr als 1.000.000 DM überschritt. Im Gegenteil erscheint die in der Bürgschaft vom 22. März 1996 festgelegte Summe unverständlich niedrig, wenn die Beklagte für die Mietgarantie haften soll. Deren finanzielles Risiko betrug rund 2,6 Mio. DM, ging also schon für sich genommen über die Haftungssumme hinaus.
III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO), weil der Kläger den erhobenen Anspruch nicht aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern herleiten kann.
1. Die Sache ist jedoch nicht zur Endentscheidung reif; denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Beklagte aufgrund einer gewöhnlichen Bürgschaft für die Mietgarantie einzustehen hat.
Die Bürgschaft auf erstes Anfordern bildet kein Sicherungsmittel eigener Art. Sie stellt lediglich eine infolge des weitgehenden Einwendungsausschlusses den Gläubiger besonders privilegierende Form der Bürgschaftsverpflichtung dar. Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, daß die Akzessorietät zur Hauptforderung nicht aufgehoben, sondern lediglich gelockert ist und dem Bürgen – anders als dem Garanten – ein eigener Rückforderungsanspruch zusteht, dessen Berechtigung sich nach den allgemeinen Bürgschaftsregeln richtet. So hat der Bundesgerichtshof die Bürgschaft auf erstes Anfordern in ständiger Rechtsprechung behandelt (vgl. BGHZ 74, 244 ff; BGH, Urt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 297/95, WM 1997, 656, 658 f; v. 2. April 1998 - IX ZR 79/97, WM 1998, 1062, 1063 f).
Danach entspricht es im Zweifel dem Parteiwillen (§ 157 BGB), eine solche Vereinbarung in dem Sinne auszulegen, daß sie zugleich eine einfache Bürgschaft als Verpflichtung enthält. Ist die Bürgschaft auf erstes Anfordern, auf die sich der Gläubiger beruft, nicht wirksam zustande gekommen, kann sein Anspruch gleichwohl aus einer gewöhnlichen Bürgschaft begründet sein, soweit die Voraussetzungen einer solchen Haftung gegeben sind. Das hat der Senat schon bisher angenommen, falls eine nicht hinreichend geschäftskundige Person nach der äußeren Form eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt hatte und der Gläubiger, für den dieser Sachverhalt erkennbar war, die ihn treffende Belehrungspflicht nicht wahrgenommen hatte (BGH, Urt. v. 12. März 1992 - IX ZR 141/91, NJW 1992, 1446; v. 2. April 1998 - IX ZR 79/97, WM 1998, 1072). Nichts anderes gilt bei einem Vertrag, der die für eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gebotene Formenstrenge nicht wahrt, sofern eine nach § 765 BGB wirksame Verpflichtung zustande gekommen ist. Der berechtigte Schutz des Bürgen ist dadurch gewahrt, daß nunmehr nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts, insbesondere den Bestimmungen der § 765 ff BGB, zu prüfen ist, ob der geltend gemachte Anspruch von der Bürgschaft gesichert wird. Ist dies zu bejahen, stehen dem Bürgen grundsätzlich alle Einwendungen nach §§ 768 ff BGB zur Verfügung; denn damit, daß die Urkunde die behauptete Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht hinreichend wiedergibt, hat der Gläubiger alle ihm günstigen Rechtsfolgen eines solchen Vertrages unwiederbringlich verloren.
2. Im Streitfall kann die Klägerin nach einer Zurückverweisung möglicherweise den ihr obliegenden Beweis führen. Sie hat durch Zeugen unter Beweis gestellt, daß das Risiko aus der Mietgarantie bewußt in die Sicherung durch die Bürgschaft einbezogen wurde. Das Berufungsgericht wird daher die von beiden Parteien angebotenen Beweise erheben und dann unter Einbeziehung aller im Streitfall bedeutsamen, insbesondere der im Revisionsurteil erörterten Umstände umfassend würdigen müssen, ob die Bürgschaft Ansprüche der Klägerin aus der Mietgarantie erfaßt.
3. Sollte das Berufungsgericht dies erneut bejahen, hat es sich auch mit den übrigen Einwendungen der Beklagten zu befassen.
Unterschriften
Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.02.1999 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 1181 |
DB 1999, 1110 |
NJW 1999, 2361 |
EWiR 1999, 939 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 895 |
WuB 2000, 207 |
ZIP 1999, 836 |
MDR 1999, 816 |
VersR 1999, 977 |
WuM 1999, 433 |
ZBB 1999, 173 |