Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, enthält die Pflicht, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten.
2. Beratungsverträge, die eine Aktiengesellschaft mit einem Aufsichtsratsmitglied schließt, sind nichtig, wenn die übernommene Beratungstätigkeit von der im Rahmen der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats bestehenden Beratungspflicht umfaßt wird.
3. Wird ein solcher Beratungsvertrag vor der Bestellung des Dienstverpflichteten zum Aufsichtsratsmitglied geschlossen, dann verliert er für die Dauer des Aufsichtsratsmandats seine Wirkung.
4. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen vor der Begründung des Aufsichtsratsmandats geschlossene Beratungsverträge unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben wirksam bleiben.
Orientierungssatz
Das Urteil wurde durch Beschluß vom 16. Mai 1991 wegen offenbarer Unrichtigkeiten im Tenor und in den Entscheidungsgründen geändert. Die vorliegende Fassung entspricht dem korrigierten Text. Zu den näheren Ausführungen zur Korrektur vergleiche den oben genannten Beschluß.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Alleinerbin des nach Abschluß des Berufungsverfahrens verstorbenen ursprünglichen Klägers G. K. (im folgenden: Erblasser). Dieser schloß mit der Beklagten, einer Aktiengesellschaft, am 16. März 1977 einen „Beratungsvertrag”, in dem die dem Erblasser übertragenen Aufgaben wie folgt umschrieben waren:
„…
- die Beratung der Gesellschaft in wesentlichen Fragen der Geschäftsführung, insbesondere in Sachen der Datenverarbeitung,
- die Beratung der Gesellschaft in wesentlichen Konzernangelegenheiten,
- die Beratung und Mitwirkung bei der Gründung eigener Unternehmen im In- und Ausland oder bei dem Erwerb von Beteiligungen an in- und ausländischen Gesellschaften,
- die Mitwirkung bei der Betreuung von Tochtergesellschaften im In- und Ausland und von Beteiligungen aller Art.”
Als Entgelt hatte der Erblasser monatlich 4.000,– DM, mindestens jedoch das 1,5-fache des jeweiligen Tarifgehalts eines Versicherungsangestellten einer bestimmten Gehaltsgruppe, zu beanspruchen. Der Vertrag hatte zunächst eine am 1. März 1977 beginnende Laufzeit von fünf Jahren. Durch „Nachtrag” vom 5. Juni 1978 wurde er unter zusätzlicher Vereinbarung einer Pensionsregelung bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres des Erblassers verlängert. Am 3. August 1978 wurde der Erblasser zum Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten bestellt, zu dessen Vorsitzenden er gewählt wurde. Am 9. März 1984 schied er aus dem Aufsichtsrat aus; mit Schreiben vom selben Tage kündigte die Beklagte den Beratungsvertrag „aus wichtigem Grund bzw. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage” fristlos.
Der Erblasser hat in diesem Rechtsstreit den Anspruch auf Zahlung der im Beratungsvertrag vereinbarten Vergütung für das Jahr 1985 im Urkundenprozeß geltend gemacht. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihr Ziel weiter, die Abweisung der Klage zu erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis nicht begründet.
1. Der mit dem Erblasser geschlossene Beratungsvertrag ist, soweit es um das hier interessierende Jahr 1985 geht, nicht wegen Verstoßes gegen § 113 AktG nichtig, weil der Erblasser in diesem Zeitraum nicht gleichzeitig dem Aufsichtsrat der Beklagten angehörte.
a) Nach § 114 Abs. 1 AktG kann zwischen einem Aufsichtsratsmitglied und der Gesellschaft – mit Zustimmung des Aufsichtsrats – ein Vertrag geschlossen werden, durch den sich ersteres „außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat” zu einer Tätigkeit höherer Art verpflichtet. Die Aufsichtsratstätigkeit als solche kann danach nicht zulässigerweise Gegenstand eines solchen Vertrages sein. Das folgt daraus, daß sich die Organpflichten eines Aufsichtsratsmitglieds aus dem Gesetz ergeben und die Aufsichtsratsvergütung durch § 113 AktG abschließend geregelt ist. Verträge, durch die Aufsichtsratsmitgliedern eine zusätzliche Vergütung für ihre Aufsichtsratstätigkeit – auch für Sonderleistungen im Rahmen dieser Aufgaben – gewährt wird, sind wegen Umgehung des § 113 AktG nach § 134 BGB nichtig (vgl. Meyer-Landrut, GroßKomm. z. AktG 3. Aufl. § 114 Anm. 2; Mertens, Kölner Kommentar z. AktG, 1985, § 114 Rdn. 5). Ob es sich im Einzelfall um eine einer vertraglichen Regelung im Sinne des § 114 AktG zugängliche Tätigkeit handelt, hängt danach davon ab, wie weit der Kreis der Aufgaben reicht, zu deren Erfüllung das Aufsichtsratsmitglied bereits aufgrund seiner Organstellung verpflichtet ist. Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat in erster Linie die Geschäftsführung zu überwachen. Diese Kontrolle bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik; sie ist nicht auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern muß die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung einbeziehen. Eine so verstandene Kontrolle kann wirksam nur durch ständige Diskussion mit dem Vorstand und insofern durch dessen laufende Beratung ausgeübt werden; die Beratung ist deshalb das vorrangige Mittel der in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstands (Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2. Aufl., S. 6; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 2. Aufl., S. 138; Martens, BB 1973, 1118, 1121; Semler, Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, 1980, S. 95f., 100; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1973 bis 1974, § 111 Rdn. 36; Mertens aaO § 111 Rdn. 27, 29, 35; Meyer-Landrut aaO § 114 Anm. 2; Hoffman-Becking, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 AktG, S. 256f.; vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs bei Kropff, AktG, 1965, Vorbem. vor §§ 75, 76; Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 212 Fn. 64; Krieger, ZGR 1985, 338, 340, 342).
Die Revisionserwiderung meint, die von einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied individualvertraglich übernommenen Pflichten könnten deswegen nicht mit den Aufsichtsratsaufgaben identisch sein, weil diese das Kollegialorgan als solches, nicht aber seine Mitglieder je für sich träfen. Das ist so indessen nicht richtig. Zwar stehen die gesetzlichen Befugnisse des Aufsichtsrats grundsätzlich dem Organ und nicht seinen einzelnen Mitgliedern zu. Die der Ausübung dieser Befugnisse korrespondierenden Organpflichten obliegen aber dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied. Soweit die Beratung des Vorstands zu ihnen gehört, lassen sie sich von einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung nicht trennen.
Damit ist nicht gesagt, daß es neben der einem Aufsichtsratsmitglied schon kraft Gesetzes zufallenden Beratungsaufgabe keine Beratungstätigkeit gäbe, die Gegenstand eines zwischen ihm und der Gesellschaft geschlossenen Vertrages sein könnte. Von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Verträgen über eine außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit liegende Beratung der Gesellschaft geht auch der Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages zu § 114 AktG 1965 aus (Kropff aaO zu § 114). Beide Bereiche lassen sich aber nicht in der Weise abgrenzen, wie es das Berufungsgericht im Anschluß an Geßler (aaO § 114 Rdn. 9ff.) getan hat. Danach soll es darauf ankommen, ob die Beratung dem Vorstand oder dem Gesamtaufsichtsrat geleistet werde; nur im letzteren Fall sei sie Teil der Aufsichtsratstätigkeit. Adressat der im Rahmen der Geschäftsführungskontrolle ausgeübten Beratungstätigkeit ist immer der Vorstand. Andererseits erteilt auch immer dieser bei einem über die Beratungstätigkeit geschlossenen Vertrag insofern den „Auftrag” (Geßler aaO § 114 Rdn. 11), als er die Gesellschaft beim Vertragsschluß vertritt. Freilich soll für die Erteilung des vom Aufsichtsrat ausgehenden Beratungsauftrages dieser selbst zur Vertretung der Gesellschaft befugt sein (Geßler aaO § 111 Rdn. 44). Aber solche Verträge zwischen einem Aufsichtsratsmitglied und der durch den Aufsichtsrat vertretenen Gesellschaft wären im Hinblick auf die Regelung in § 113 AktG wiederum unzulässig, soweit sie Teile der Aufsichtsratstätigkeit zum Gegenstand haben (zutreffend Mertens, FS für Steindorff, 1990, S. 173, 181 Fn. 9). Die Frage, ob das, was das Aufsichtsratsmitglied aufgrund des Beratungsvertrages leisten soll, außerhalb seiner Organpflichten liegt, kann somit nicht danach beantwortet werden, ob der Vertrag auf seiten der Gesellschaft durch den Vorstand oder den Aufsichtsrat abgeschlossen wird.
Auch eine Abgrenzung nach dem Umfang der übernommenen und ausgeübten Tätigkeit läßt sich nicht sachgerecht durchführen. Es kann nicht darauf ankommen, ob die übernommene Beratungstätigkeit das Maß überschreitet, in dem ein Aufsichtsratsmitglied üblicherweise tätig zu werden hat. Erfordern die besonderen Verhältnisse der Gesellschaft einen über den normalen Rahmen hinausgehenden Einsatz, dann muß das Aufsichtsratsmitglied ihn gleichwohl leisten; eine Sondervergütung, die den den Aufsichtsratsmitgliedern insgesamt zugebilligten Vergütungsrahmen überschreitet, kann dafür nicht beansprucht werden (R. Fischer, BB 1967, 859, 860, im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Satzungsbestimmung zulässig ist, nach der der Aufsichtsrat einzelnen seiner Mitglieder eine Sondervergütung für eine außerordentliche Tätigkeit bewilligen kann; ebenso im hier interessierenden Zusammenhang Meyer-Landrut aaO § 114 Anm. 2).
Um eine nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallende Tätigkeit handelt es sich vielmehr dann, wenn die zu leistenden Dienste Fragen eines besonderen Fachgebietes betreffen (Mertens, Kölner Kommentar § 114 Rdn. 6, u. FS Steindorff, S. 180ff.; vgl. auch Meyer-Landrut aaO § 114 Anm. 2; Hachenburg/Schilling, GmbHG 7. Aufl. § 52 Rdn. 137; BFH BStBl. 1966, Teil III S. 688, 689ff.). Es gehört nicht zu den Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds, sich mit derartigen speziellen Geschäften zu befassen. Daraus kann aber andererseits nicht, wie die Revisionserwiderung meint, der Schluß gezogen werden, Aufsichtsratstätigkeit mit dem den Aufsichtsratsmitgliedern dabei zur Verfügung stehenden Ermessensspielraum sei immer etwas qualitativ anderes als die Erfüllung der durch einen besonderen Vertrag übernommenen Beratungspflichten. Soweit diese sich wie die Organpflichten auf übergeordnete Fragen der Unternehmenspolitik beziehen, unterscheiden sie sich davon nicht in einer Weise, daß ihre Erfüllung als außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit liegend gewertet werden könnte.
b) Im vorliegenden Fall betreffen die in Nr. I 1 bis 4 des Vertrages aufgeführten Tätigkeiten durchweg allgemeine Bereiche der Unternehmensführung. Das gilt vor allem für das vom Kläger in den Vordergrund gestellte „Know-how” auf dem Gebiet des Versicherungswesens; dieses wird bei einem Aufsichtsratsmitglied eines Versicherungsunternehmens vorausgesetzt. Es gilt aber auch für den auf ein spezielles Fachgebiet hinweisenden Bereich der Datenverarbeitung. Der Erblasser hat zwar dazu in den Tatsacheninstanzen behauptet, er habe seit 1958 über besondere Spezialkenntnisse in der Datenverarbeitung verfügt; diese hätten durch die mit den einzelnen Gesellschaften geschlossenen Beratungsverträge dem Konzern nutzbar gemacht werden sollen. Das ist indessen nicht nur nicht durch Urkunden belegt, sondern läßt bereits im Hinblick auf den sonstigen unstreitigen Sachverhalt für den hier interessierenden Zeitraum keine Tätigkeit des Erblassers außerhalb seiner Aufgaben als Aufsichtsratsmitglied erkennen. Denn danach hatten alle Gesellschaften des Konzerns in den Jahren 1978 bis 1980 ihre gesamte Datenverarbeitung auf die B., eine weitere Konzerngesellschaft, übertragen. Seitdem bestand bei den einzelnen Gesellschaften kein über unternehmenspolitische Grundsatzfragen hinausgehender Beratungsbedarf auf dem Gebiet der Datenverarbeitung. Es kann daher nach dem eigenen Tatsachenvortrag des Erblassers nicht die Rede davon sein, daß Gegenstand des Beratungsvertrages eine auf dem speziellen Fachgebiet der Datenverarbeitung liegende Tätigkeit gewesen wäre. Es kommt hiernach nicht auf die Frage an, ob der gesamte Vertrag schon deswegen nichtig ist, weil sich das dort pauschal vereinbarte Honorar den Aufsichtsratsaufgaben einerseits und aufsichtsratsfremden Tätigkeiten andererseits nicht eindeutig zuordnen läßt (vgl. dazu Mertens, FS Steindorff, S. 175).
c) Sowohl der Vertrag vom 16. März 1977 wie auch der Nachtragsvertrag vom 5. Juni 1978 sind zu einer Zeit geschlossen worden, als der Erblasser dem Aufsichtsrat noch nicht angehörte. Beide Verträge können deshalb zunächst nicht gegen die §§ 113, 114 AktG verstoßen haben, wenn man einmal von der Möglichkeit absieht, daß, wie die Beklagte geltend macht, der in zeitlicher Nähe zu der Aufsichtsratsbestellung am 3. August 1978 geschlossene Vertrag vom 5. Juni 1978 eine Umgehung jener aktienrechtlichen Vorschriften darstellen könnte. Im Schrifttum wird fast ausnahmslos die Meinung vertreten, ein solcher Beratungsvertrag bleibe auch dann wirksam, wenn der Dienstverpflichtete zum Aufsichtsratsmitglied bestellt werde; es sei insbesondere nicht erforderlich, daß der Aufsichtsrat dem Vertrag nachträglich zustimme (Geßler aaO § 114 Rdn. 3; Meyer-Landrut aaO § 114 Anm. 3; Hofmann-Becking aaO S. 319; demgegenüber einschränkend, was die Behandlung von vor dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes von 1965 abgeschlossenen Verträgen betrifft, Geßler aaO § 114 Rdn. 23; Meyer-Landrut aaO § 114 Anm. 6; Mertens, Kölner Kommentar § 114 Rdn. 12). Dieser Ansicht vermag der Senat sich jedenfalls insoweit nicht anzuschließen, als es um die Anwendung des § 113 AktG geht. Mit der Begründung der Organstellung richtet sich die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds nach den gesetzlichen Vorschriften. § 113 AktG enthält eine zwingende und abschließende Regelung; die Vergütung der als der gesetzlichen Aufgabe des Aufsichtsratsmitglieds geschuldeten Tätigkeit liegt danach ausschließlich in der Hand der Hauptversammlung. Damit ist es nicht vereinbar, daß ein Aufsichtsratsmitglied dafür deshalb mehr als das in der Satzung oder in einem Hauptversammlungsbeschluß vorgesehene Entgelt erhält, weil er vor seiner Bestellung mit der durch den Vorstand vertretenen Gesellschaft einen Vertrag über eine Beratungstätigkeit geschlossen hat, die nunmehr kraft Gesetzes zu seinen Organpflichten gehört. Mit seiner Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied bleibt insoweit für eine vertragliche Regelung kein Raum mehr. Das wirkt sich auf das durch den Beratungsvertrag begründete Dauerschuldverhältnis aus; dieses ist ohne Inhalt und damit ohne Wirkung, solange das Aufsichtsratsmandat besteht (ähnlich Mertens, FS Steindorff, S. 182f.).
Da der Erblasser indessen bereits 1984 wieder aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden war, ist sein Vergütungsanspruch für das Jahr 1985 durch seine zwischenzeitliche Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat nicht berührt worden. Daß der Beratungsvertrag im Zusammenhang mit der Abberufung wirksam gekündigt worden wäre, kann, wie bereits im ersten Revisionsurteil ausgeführt worden ist, im jetzigen Urkundenprozeß nicht festgestellt werden.
2. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten in einer Hilfsbegründung damit gerechtfertigt, daß es rechtsmißbräuchlich sei, wenn sie sich auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufe. Dieser sei bis zu dem Anfang 1984 eingetretenen Zerwürfnis mit dem Erblasser fast sieben Jahre lang beanstandungsfrei praktiziert worden und die Hauptaktionärin Gü. sowie der Aktionär S., die zusammen mehr als 50% der Anteile an der Muttergesellschaft hielten, hätten den Vertrag und die Tätigkeit des Erblassers gekannt und gebilligt. Dazu bemerkt der Senat klarstellend folgendes:
a) § 113 AktG schreibt vor, daß die Aufsichtsratsvergütung nur durch die Satzung oder durch Hauptversammlungsbeschluß festgesetzt werden kann. Nach § 93 Abs. 3 Nr. 7 AktG haben die Vorstandsmitglieder und nach § 116 AktG haben die Aufsichtsratsmitglieder selbst Zahlungen, die entgegen dem Gesetz an Aufsichtsratsmitglieder geleistet werden, bei Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht zu ersetzen. Derartige zwingende Gesetzesvorschriften dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht aus reinen Billigkeitserwägungen unbeachtet gelassen werden (BGHZ 45, 179, 182ff.; Sen.Urt. v. 19. Dezember 1988 – II ZR 74/88, WM 1989, 215, 217 = ZIP 1989, 294, 296). Ausnahmen lassen sich, wie in der letztgenannten Entscheidung nochmals hervorgehoben worden ist, nur dann rechtfertigen, wenn das Scheitern des Vertrages für eine der Parteien zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. So liegt der Fall hier nicht. Der Erblasser war – wie in dem durch das Urteil vom 19. Dezember 1988 entschiedenen Fall – nach intellektuellen Voraussetzungen und sozialer Stellung ein den Vertretern der Beklagten durchaus ebenbürtiger Vertragspartner, und er hat damals, wie er bei seiner Parteivernehmung vor dem Berufungsgericht erklärt hat – die Revision weist darauf zu Recht hin –, gerade im Hinblick auf die sich aus den §§ 113, 114 AktG ergebenden Probleme „mit namhaften Juristen diskutiert”. Auf die Kenntnis der die Aktienmehrheit haltenden Gesellschafter kann sich die Klägerin ebensowenig wie darauf berufen, daß die Hauptversammlung, wenn ihr der Vertrag zur Zustimmung vorgelegt worden wäre, diese erteilt hätte; denn anderenfalls würden die Mitwirkungsrechte der Minderheitsgesellschafter in unzulässiger Weise unterlaufen (zutreffend Mertens, Kölner Kommentar § 93 Rdn. 112 m.w.N.; für das GmbH-Recht vgl. Fleck, GmbHR 1974, 224, 226; Hachenburg/Mertens, GmbHG 7. Aufl. § 43 Rdn. 69; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. § 43 Rdn. 27). Ob ein solcher Beschluß, wenn er gefaßt worden wäre, den Beratungsvertrag hätte wirksam machen können (vgl. dazu Meyer-Landrut aaO § 114 Anm. 2 einerseits und Mertens, FS Steindorff, S. 179f. andererseits), ist hier nicht zu erörtern.
b) Die Revisionserwiderung weist auf die Entscheidung des Senats vom 23. Oktober 1975 (BGHZ 65, 190) hin. Der Senat hat dort einen von einem unzureichend besetzten Aufsichtsratsausschuß mit einem Vorstandsmitglied geschlossenen Anstellungsvertrag für Vergangenheit und Zukunft als wirksam behandelt (BGHZ 65, 190, 194f.). Dabei spielte die Erwägung eine Rolle, daß die Praxis bis dahin eine Regelung, wonach Vorstandsmitglieder durch einen zweiköpfigen Personalausschuß angestellt wurden, weitgehend als zulässig angesehen und häufig davon Gebrauch gemacht hatte, sowie ferner, daß die dort zu entscheidende Frage im Schrifttum umstritten und höchstrichterlich nicht entschieden war.
aa) Eine vergleichbare Situation ist für einen Beratungsvertrag, den der Vorstand mit einem Aufsichtsratsmitglied nach dessen Bestellung über eine bereits von seinen gesetzlichen Aufgaben erfaßte Tätigkeit schließt, nicht anzuerkennen. Die damals zu beurteilende Gesetzeslage war unklar; ob die dem heutigen § 108 Abs. 3 Satz 3 AktG entsprechende Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 3 AktG 1937 auch für Aufsichtsratsausschüsse gelten sollte, ließ sich dem Gesetz nicht ohne weiteres entnehmen. Die Rechtslage, um die es hier geht, ist eine andere. Aus dem Wortlaut des § 114 Abs. 1 AktG ergibt sich eindeutig, daß dort nur Verträge über eine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds gemeint sind, die „außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat” liegt. Daß die Vergütung für die Aufsichtsratstätigkeit als solche nur in der Satzung oder durch einen Hauptversammlungsbeschluß festgesetzt werden kann, ist der Vorschrift des § 113 AktG unmißverständlich zu entnehmen. Das war und ist auch in der Literatur im Grundsatz unumstritten. Soweit in diesem Zusammenhang kontrovers diskutiert wurde, bezog sich das nur auf die Frage, ob die Satzung den Aufsichtsrat zur Gewährung von Sondervergütungen für bestimmte Tätigkeiten ermächtigen kann (vgl. dazu R. Fischer aaO S. 859ff. sowie Bernhardt, BB 1967, 683ff.). Hier geht es nicht darum, sondern um die Abgrenzung der Aufsichtsratsaufgaben von einer von ihnen nicht mehr umfaßten Beratungstätigkeit. Insoweit konnte spätestens seit den auch diese Fragen behandelnden grundlegenden Ausführungen von R. Fischer (aaO) kein ernstlicher Zweifel mehr bestehen. Insbesondere vertrat, soweit ersichtlich, niemand die Auffassung, es handle sich um keine Aufsichtsratstätigkeit mehr, soweit diese ein gewisses „Normalmaß” übersteige.
bb) Im vorliegenden Fall ist der Beratungsvertrag jedoch vor der Übernahme des Aufsichtsratsmandats geschlossen worden. Ein solcher Vertrag wird, wie oben ausgeführt worden ist, gleichwohl mit der Begründung der Organstellung unwirksam. Das ist eine Rechtsfolge, die sich in der Vergangenheit weder aus dem Gesetz noch aus den Stellungnahmen des Schrifttums ablesen ließ. Ihnen war der übereinstimmende Standpunkt zu entnehmen, die §§ 113, 114 AktG seien auf derartige Verträge nicht anwendbar. Mit einer abweichenden Beurteilung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich bis dahin zu der Frage nicht geäußert hatte, war danach nicht ohne weiteres zu rechnen. Das rechtfertigt es im Grundsatz, einen solchen früher geschlossenen Vertrag auch für die Zeit des Bestehens des Aufsichtsratsmandats als wirksam zu behandeln.
Zu dem berechtigten Vertrauen auf den Bestand der Rechtslage, wie sie sich damals darbot, muß freilich hinzukommen, daß es das Aufsichtsratsmitglied wirtschaftlich ungleich schwerer als die Aktiengesellschaft treffen würde, wenn diese sich auf die Unwirksamkeit des Beratungsvertrages berufen könnte. Der Senat hat für das Verhältnis zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft betont, daß jenes sich gewöhnlich mit seiner ganzen beruflichen Existenz auf den Bestand des Vertrages eingerichtet und dafür oftmals andere Möglichkeiten, seine wirtschaftliche Zukunft zu sichern, unwiderbringlich verloren habe (BGHZ 65, 190, 194). Dieser Gesichtspunkt spielt für ein Aufsichtsratsmitglied, das gleichzeitig Partner eines Beratungsvertrages ist, im Regelfall keine Rolle; denn es ist auf die Einkünfte hieraus typischerweise nicht in dem Maße angewiesen, wie es ein Vorstandsmitglied zu sein pflegt. Der Erblasser hat aber vorgetragen, er habe mit seiner Aufsichtsrats- und Beratungstätigkeit in den Gesellschaften des Konzerns, dem die Beklagte angehört, den überwiegenden Teil seiner beruflichen Betätigung in den Dienst dieser Unternehmensgruppe gestellt. Es läßt sich danach nicht von vornherein ausschließen, daß der Erblasser auf die Bezüge aus den einzelnen Beratungsverträgen in ähnlicher Weise wie ein Vorstandsmitglied auf sein Gehalt angewiesen war. Eine Aufrechterhaltung des Beratungsvertrages käme freilich nicht in Betracht, wenn, wie die Beklagte behauptet hat, bei seinem Abschluß die bevorstehende Bestellung des Erblassers zum Aufsichtsratsmitglied bereits abzusehen war.
Das tatsächliche Vorbringen der Klägerin, das unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt von Bedeutung ist, ist ebenso wie die zur Begründung des Umgehungstatbestands vorgetragenen Behauptungen der Beklagten nicht in ausreichendem Maße mit den im Urkundenprozeß zulässigen Beweismitteln unter Beweis gestellt.
Fundstellen
BGHZ, 127 |
BB 1991, 1068 |
NJW 1991, 1830 |
ZIP 1991, 653 |
GmbHR 1991, 324 |