Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. März 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 27. Juli 1998 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger – über den Betrag von 8.495,60 DM samt Zinsen hinaus – weitere 17.118 DM nebst 4 % Zinsen, und zwar aus jeweils 3.645,50 DM seit dem 4. Dezember 1997, seit dem 6. Januar 1998, seit dem 5. Februar 1998 und seit dem 5. März 1998, aus weiteren 1.521,60 DM seit dem 4. April 1998 sowie aus weiteren 507,20 DM seit dem 6. Mai 1998 und seit dem 5. Juni 1998 zu zahlen.
Im übrigen wird die Sache – im Umfang der Aufhebung – zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger vermietete dem Beklagten für die Zeit vom 15. August 1994 bis 15. August 2000 Räume zum Betrieb eines Versicherungs- und Finanzierungsvermittlungsbüros in einem vom Kläger auch selbst als Büro genutzten Gebäude. In § 3 Nr. 1, 2 des Formularmietvertrags werden der Mietzins mit 2.700 DM und die Nebenkosten mit 470 DM beziffert. Unter der Rubrik „+ Mehrwertsteuer z.Zt.” sind handschriftlich „15 %” und „475,50” DM eingetragen; als vom Mieter z.Zt. insgesamt zu zahlender Betrag sind darunter ebenfalls handschriftlich „3.645,50” DM eingesetzt. In § 3 Nr. 3 des Vertrags heißt es:
„Auf Verlangen des Vermieters hat der Mieter der gewerblich … genutzten Räume neben dem Mietzins Mehrwertsteuer zu zahlen, wenn der Vermieter nach § 9 UStG für die Mehrwertsteuerpflicht optiert hat. Die Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes sind den Parteien bekannt. …”
Der Beklagte hat das Mietverhältnis zunächst mit Schreiben vom 18. Dezember 1997, später mit Schreiben vom 29. Juni 1998 fristlos gekündigt. Zur Begründung der zweiten Kündigung wird angeführt, der Kläger habe gegen den Beklagten Strafanzeige mit der Behauptung erstattet, der Beklagte habe in die vom Kläger genutzten Räume giftige Stoffe eingeleitet.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und verlangt vom Beklagten den rückständigen Mietzins nebst Nebenkosten und Mehrwertsteuer für Dezember 1997 bis Juni 1998 in Höhe von [(4 × 3.645,50 DM) + (3 × 3.677,20 DM) =] 25.613,60 DM nebst Zinsen, außerdem die für die Zeit ab Juli 1998 bis Juli 2000 fällig werdenden Monatsbeträge, für August 2000 den hälftigen Monatsbetrag.
Gegen den Anspruch des Klägers auf rückständigen Mietzins zuzüglich Nebenkosten rechnet der Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der Mehrwertsteuer auf, die er – nach seiner Auffassung zu Unrecht – in der Vergangenheit an den Kläger erbracht hat.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten, mit der dieser sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von mehr als 8.495,60 DM samt Zinsen gewandt hat, hat das Oberlandesgericht die Verurteilung des Beklagten auf diesen Betrag herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Beklagte zu Mietzahlungen ab Juli 1998 nicht verpflichtet, weil er das Mietverhältnis gemäß § 554 a BGB wirksam gekündigt habe.
Das Oberlandesgericht hat angenommen, das Vertrauensverhältnis zwischen den Mietparteien sei infolge des Verhaltens des Klägers endgültig zerstört und die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Beklagten unzumutbar geworden. Der Kläger habe „die Zeugenvernehmung seiner Frau unterzeichnet”, worin diese angebe, es könne sein, daß der Beklagte aus Motiven persönlicher Rache versucht habe, beide zu schädigen. Unabhängig von dem Wahrheitsgehalt und der Zulässigkeit dieser Vermutung stelle sie jedenfalls das Ende eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien dar. Die Bezichtigung einer Straftat sei an sich schon geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das gelte besonders vor dem Hintergrund, daß der Beklagte ein Versicherungsbüro betreibe und einen Anspruch darauf habe, daß sein guter Ruf insbesondere zum Geschäftsbetrieb nicht beeinträchtigt werde. Hierbei spiele auch eine Rolle, daß das Verhältnis zwischen den Parteien zumindest angespannt gewesen sei, wie es die Kündigungsandrohung und die Replik hierauf nahelegten.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Ausführungen des Oberlandesgerichts enthalten die Feststellung, der Kläger habe durch die Mitunterzeichnung des Protokolls über die Vernehmung seiner Ehefrau den Beklagten einer Straftat bezichtigt.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Sie rügt, daß das Oberlandesgericht den Inhalt der Strafanzeige, die zu der Zeugenvernehmung geführt habe, nicht festgestellt und die Akte des betreffenden Ermittlungsverfahrens entgegen dem Antrag des Klägers nicht beigezogen habe. Wie schriftsätzlich vorgetragen, hätte sich daraus ergeben, daß die Strafanzeige, die der Kläger aufgrund von Nachweisen durch entsprechende chemische Untersuchungen wegen Einleitung giftiger Gase in seine Räume erstattet habe, sich nicht gegen den Beklagten, sondern gegen Unbekannt gerichtet habe. Ferner habe das Oberlandesgericht den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen, wonach das Protokoll über die Vernehmung der Ehefrau des Klägers nur eine Zusammenfassung des Gesprächsinhalts enthalte, die nicht die Tatsache wiedergebe, daß nicht die Ehefrau, sondern die Polizei den Verdacht auf den Beklagten gelenkt habe.
Diese Rügen greifen durch. Wenn sich das Vorbringen des Klägers als zutreffend erweist, mithin die Strafanzeige des Klägers gegen Unbekannt gerichtet ist und die vom Oberlandesgericht angeführten Angaben aus dem Vernehmungsprotokoll der Ehefrau des Klägers, das dieser mitunterzeichnet hat, die Reaktion auf die einen entsprechenden Verdacht enthaltende Äußerung des Vernehmungsbeamten darstellt, kann die Annahme, der Kläger habe den Beklagten einer Straftat bezichtigt, nicht aufrechterhalten und in dem geschilderten Verhalten des Klägers – auch unter Berücksichtigung des sonstigen Verhältnisses der Parteien – schon deshalb kein Grund für die von dem Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung gefunden werden. Das Oberlandesgericht hätte daher dem Vorbringen des Klägers nachgehen und die angetretenen Beweise erheben müssen.
Damit kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben, soweit die Klage auf Zahlung von Mietzins für die Zeit ab Juli 1998 abgewiesen worden ist.
2. Für die Zeit davor hält das Oberlandesgericht die Mietzinsklage auf einen über 8.495,60 DM nebst Zinsen hinausgehenden Betrag für unbegründet, weil der Anspruch des Klägers auf rückständige Miete insoweit durch die Aufrechnung des Beklagten mit dessen Anspruch auf Rückzahlung der an den Kläger geleisteten monatlichen Mehrwertsteuerbeträge erloschen sei. Das Oberlandesgericht hält diesen Rückzahlungsanspruch für begründet, weil der Kläger nicht habe nachweisen können, daß es sich bei der „vertraglichen Umsatzsteueroption” um eine Individualvereinbarung handele und deshalb von einer vom Kläger gestellten vorformulierten Vertragsbedingung auszugehen sei, die gegen § 9 Abs. 1 AGBG verstoße. Denn bei Ausübung der Option werde der Vermieter (gemeint: der Mieter) auch dann zur Zahlung von Mehrwertsteuer verpflichtet, wenn er selbst keine Vorsteuer abziehen könne. Das widerspreche dem gesetzlichen Leitbild, wonach eine angemessene Berücksichtigung der anderen Seite zu erfolgen habe.
Auch diese Ausführungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Die in § 3 des Mietvertrags getroffene Vereinbarung über die Zahlung von Mehrwertsteuer ist nicht schon deshalb eine Allgemeine Geschäftsbedingung, weil sie in den Formularmietvertrag eingefügt worden ist. Der Kläger hat hierzu unter Beweisantritt vorgetragen, die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Mehrwertsteuer in der jeweils gesetzlich vorgeschriebenen Höhe sei individuell und unabhängig von § 3 Nr. 3 des Mietvertrags vereinbart worden. Dem mußte das Oberlandesgericht, wie die Revision zu Recht rügt, jedenfalls dann nachgehen, wenn es die vereinbarte Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung von Mehrwertsteuer an den Kläger für mit § 9 AGBG unvereinbar hielt.
b) Im übrigen ist § 3 des Mietvertrags auch dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn es sich dabei um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. § 3 Nr. 2 des Mietvertrags unterliegt bereits nach § 8 AGBG keiner Kontrolle am Maßstab des § 9 AGBG. § 3 Nr. 3 des Mietvertrags hält einer solchen Kontrolle stand; denn der Beklagte wird durch die getroffene Regelung nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Zwar ist nach § 9 Abs. 2 AGBG eine solche unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Eine Treu und Glauben verletzende unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG kann nicht etwa darin gefunden werden, daß der Kläger den Beklagten zur Zahlung von Mehrwertsteuer verpflichtet, selbst aber gar nicht für die Entrichtung von Mehrwertsteuer optieren kann. § 9 UStG eröffnet in seiner bei Abschluß des Mietvertrags geltenden Fassung (vom 27. April 1993, BGBl. I 565 ff.) dem Kläger die Mehrwertsteuer-Option, soweit er „nachweist, daß das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist”, und sofern nicht die Ausschlußgründe des § 27 Abs. 2 UStG (in der damaligen Fassung) vorliegen. Der Umstand, daß der Beklagte als Versicherungs- und Finanzierungsvermittler nach § 4 Nr. 8 und 10 UStG selbst nicht umsatzsteuerpflichtig ist und deshalb das Grundstück nicht – wie von § 9 Abs. 2 UStG 1999 verlangt – „ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen”, hinderte die Mehrwertsteuer-Option des Klägers also nicht. Die Regelung des § 3 Nr. 2, 3 des Mietvertrags entspricht damit der damaligen umsatzsteuerrechtlichen Rechtslage, deren Kenntnis der Beklagte in § 3 Nr. 3 Satz 2 des Mietvertrags ausdrücklich bestätigt hat. Hat ein Vermieter gewerblicher Objekte nach den Regeln des Umsatzsteuergesetzes die Möglichkeit, zur Mehrwertsteuer zu optieren, so stellt es auch aus der Sicht des gewerblichen Mietrechts keine unzumutbare Benachteiligung für den Mieter dar, wenn der vom Vermieter verwandte Formularvertrag den Mieter verpflichtet, auf Verlangen des Vermieters Mehrwertsteuer zu zahlen, falls der Vermieter in Ausnutzung seiner steuerrechtlichen Möglichkeiten für die Umsatzsteuer optiere.
Damit kann das angefochtene Urteil auch insoweit nicht bestehenbleiben, als die Klage auf Zahlung von Mietzins für die Zeit bis einschließlich Juni 1998 abgewiesen worden ist.
3. Soweit der Kläger Mietzins für die Zeit bis einschließlich Juni 1998 verlangt, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden. Dem Kläger steht insoweit ein Anspruch auf Mietzins unabhängig davon zu, ob der Beklagte den Mietvertrag wirksam gekündigt hat. Dieser Anspruch umfaßt auch die Mehrwertsteuer, da sich der Beklagte zu deren Entrichtung gegenüber dem Kläger wirksam verpflichtet hat.
Aus diesem Grunde steht dem Beklagten auch kein Anspruch auf Rückzahlung der an den Kläger entrichteten Mehrwertsteuer zu, den er gegen die Forderung des Klägers aufrechnen könnte. Das Landgericht hat den Beklagten deshalb zu Recht zur Zahlung von Mietzins für die Zeit bis einschließlich Juni 1998 verurteilt; die Berufung des Beklagten war insoweit zurückzuweisen.
Soweit der Kläger Mietzins für die Zeit ab Juli 1998 begehrt, war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit das Oberlandesgericht die zur Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung erforderlichen Feststellungen treffen kann. Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Bei der Prüfung, ob die Ehefrau des Klägers den Beklagten in ihrer Vernehmung überhaupt einer Straftat bezichtigt oder nur auf die einen entsprechenden Verdacht enthaltende Äußerung des Vernehmungsbeamten reagiert hat, wird sich das Oberlandesgericht nicht auf eine Einvernahme des Vernehmungsbeamten beschränken dürfen. Es wird vielmehr auch die Ermittlungsakten beiziehen und den Inhalt der Strafanzeige feststellen müssen, den die Ehefrau in ihrer Vernehmung ausdrücklich in Bezug genommen und als der Wahrheit entsprechend bezeichnet hat. Anhand der Ermittlungsakten wird das Oberlandesgericht erforderlichenfalls auch der Frage nachzugehen haben, ob sich der Beklagte eine etwaige, von der Ehefrau ausgesprochene Bezichtigung des Beklagten zu eigen gemacht hat. Aus dem vom Oberlandesgericht hervorgehobenen Umstand, daß der Kläger die Zeugenaussage seiner Ehefrau mitunterzeichnet hat, läßt sich eine solche Bezichtigung durch den Kläger selbst nicht verläßlich herleiten.
Die Beiziehung der Ermittlungsakten könnte sich im übrigen auch zur Aufklärung des Wahrheitsgehalts eines gegen den Beklagten aufgekommenen Verdachts als geboten erweisen. Dieser Wahrheitsgehalt kann nicht, wie im angefochtenen Urteil, ohne weiteres dahingestellt bleiben. Sollte der Beklagte nämlich der Verursacher der Luftkontamination gewesen sein, wäre er – als der schuldhaft handelnde Vertragsteil – schon aus diesem Grunde zur fristlosen Kündigung nach § 554 a BGB nicht berechtigt. Trug der Beklagte dagegen keine oder jedenfalls keine nachweisbare Verantwortung, so hinge die Berechtigung seiner Kündigung nach § 554 a BGB davon ab, in welcher Form der Kläger den Beklagten gegenüber den Ermittlungsbehörden verdächtigt oder in die Ermittlungen einbezogen hätte. Dazu trifft das angefochtene Urteil keine Feststellungen. Solche Feststellungen wären aber nicht nur nötig, um überhaupt ein für eine Kündigung nach § 554 a BGB relevantes Verhalten des Klägers zu ermitteln. Erst auf ihrer Grundlage könnte vielmehr auch gewürdigt werden, ob und inwieweit ein solches Verhalten des Klägers von einem berechtigten Interesse an einer effizienten Aufklärung der für den Kläger und seine Mitarbeiter bedrohlichen Ereignisse gerechtfertigt würde. In diesem Zusammenhang wären auch mögliche Schlußfolgerungen zu berücksichtigen, die der Kläger berechtigterweise aus den von ihm eingeholten chemischen Gutachten über den Charakter der eingeleiteten Gase und die mutmaßliche Art und den Ort ihrer Einleitung ziehen durfte.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Gerber, Wagenitz, Fuchs
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.07.2001 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NJW-RR 2002, 9 |
NZM 2001, 952 |
www.judicialis.de 2001 |