Leitsatz (amtlich)
Das Gericht muss, wenn bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet hat, in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Hat der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung substantiiert bestritten, ist hierüber Beweis zu erheben (Anschluss an BGH, Versäumnisurteil v. 13.7.2006 - VII ZR 68/05, BauR 2006, 1753 = NZBau 2006, 637).
Normenkette
BGB § 631 Abs. 1; VOB/B (2002) § 8 Nr. 2 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 28.05.2013; Aktenzeichen 3 U 115/12) |
LG Köln (Entscheidung vom 08.06.2012; Aktenzeichen 18 O 430/09) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Köln vom 28.5.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. & T. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er fordert vom Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns. Der Beklagte beauftragte die Schuldnerin mit Generalunternehmervertrag vom 2.3.2006 unter Einbeziehung der VOB/B (2002) mit der Errichtung von vier Mehrfamilienhäusern in K. zu einem Nettopauschalpreis von 1.985.000 EUR. Im Vertrag ist in § 4 u.a. folgende Regelung enthalten:
"Sofern sich während der Bauzeit die Höhe der gesetzlichen Mehrwertsteuer ändert, erstellt der AN für die bis zum Zeitpunkt der Mehrwertsteueränderung erbrachten und berechenbaren Teilleistungen eine Abrechnung entsprechend den steuerlichen Vorschriften. Für die nach diesem Zeitpunkt noch zu erbringenden Teilleistungen erfolgt die Berechnung der Mehrwertsteuer mit den dann geltenden Sätzen. ..."
Rz. 2
Im Zeitraum von Juni 2006 bis April 2007 erbrachte die Schuldnerin einen Großteil der vertraglichen Leistungen, bevor sie am 3.4.2007 einen Insolvenzantrag stellte. Der Beklagte kündigte daraufhin am 11.4.2007 den Vertrag mit sofortiger Wirkung. Am 1.6.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Rz. 3
Die Parteien erstellten nach einer Begehung am 3.5.2007 eine als "Bautenstandbericht" überschriebene Liste, hinsichtlich derer streitig ist, ob diese lediglich den Bautenstand dokumentieren sollte oder eine Mängelliste darstellte. Der Kläger legte am 21.6.2007 eine Schlussrechnung und am 17.8.2010 eine korrigierte Schlussrechnung über die von der Schuldnerin erbrachten Leistungen vor, aus der er nach Abzügen für näher bezeichnete Mängel und der vom Beklagten bereits geleisteten Zahlungen noch einen Betrag i.H.v. 213.781,24 EUR geltend macht.
Rz. 4
Das LG hat den Beklagten unter Abweisung eines Teils der geltend gemachten Zinsen zur Zahlung i.H.v. 213.781,24 EUR verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.
Rz. 5
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 7
Das Berufungsgericht führt aus, die Schlussrechnungsforderung der Schuldnerin sei inhaltlich schlüssig dargetan, ohne dass die in der Schlussrechnung enthaltenen Aufmaße vom Beklagten bestritten worden wären. Der Beklagte habe klargestellt, dass allein Streit im Hinblick auf die seiner Meinung nach völlig überhöhten Einheitspreise bestehe, die nach seiner Überzeugung der damaligen Vertragskalkulation der Schuldnerin nicht zugrunde gelegen haben könnten. Der Beklagte wende sich damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der vom Kläger zur Abrechnungsgrundlage gemachten Kalkulation, wobei er zur Begründung seiner Auffassung diverse Angebote verschiedener Firmen zu unterschiedlichen - jedoch nicht allen - Gewerken vorlege. Dieser Vortrag allein reiche nicht aus, um die sachliche Richtigkeit der klägerischen Kalkulation in Frage zu stellen. Zum einen verbiete sich, auf eine Addition preisgünstigerer Einzelunternehmer der jeweiligen Gewerke abzustellen. Zum anderen müsse der Beklagte dann aber auch sämtliche und nicht nur einzelne Gewerke gegenrechnen. Weiterer konkreter Vortrag des Beklagten dazu, weshalb die klägerische Kalkulationsgrundlage nicht zutreffe bzw. nicht angemessen sei, läge nicht vor, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht veranlasst gewesen sei.
Rz. 8
Über die vom Kläger anerkannten und berücksichtigten Ersatzvornahmekosten für die Beseitigung von Mängeln i.H.v. insgesamt 34.820,28 EUR netto hinaus komme ein weiterer Abzug von der Schlussrechnung durch Minderung gem. § 13 Nr. 6 VOB/B bzw. im Wege der Aufrechnung mit Ansprüchen gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (Ersatzvornahme) nicht in Betracht. Aufrechenbare Schadensersatzansprüche des Beklagten aus dem streitgegenständlichen Bauvorhaben seien nicht hinreichend substantiiert dargetan. Zwar könne der Beklagte vom Kläger nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung der infolge der Kündigung nicht ausgeführten Leistungen verlangen, d.h. insb. die Fertigstellungsmehrkosten. Sein Sachvortrag hierzu sei jedoch nicht hinreichend substantiiert, denn er differenziere nicht zwischen Fertigstellungsarbeiten einerseits und Mängelbeseitigungsarbeiten andererseits.
Rz. 9
Der klägerischen Schlussrechnung sei entgegen der Auffassung des Beklagten insgesamt ein Umsatzsteuersatz von 19 % zugrunde zu legen und nicht nur ein solcher von 16 %. Unstreitig sei die Baumaßnahme noch nicht einmal zum Zeitpunkt der am 11.4.2007 ausgesprochenen Kündigung vertragsgemäß hergestellt gewesen und damit nicht vor dem Stichtag des 1.1.2007, der für die Höhe des in Ansatz zu bringenden Umsatzsteuersatzes maßgeblich sei. Die Schuldnerin habe vor diesem Stichtag auch keine Teilleistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ausgeführt.
II.
Rz. 10
Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 11
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zuerkannt werden.
Rz. 12
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte im Hinblick auf den von der Schuldnerin gestellten Insolvenzantrag gem. § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/B (2002) zur Kündigung des Generalunternehmervertrags berechtigt gewesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 7.4.2016 - VII ZR 56/15, BauR 2016, 1306 = NZBau 2016, 422 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen; Urt. v. 16.6.2016 - VII ZR 29/13, WM 2016, 1338 Rz. 25) und der Schuldnerin lediglich ein Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nach § 631 Abs. 1 BGB zusteht.
Rz. 13
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Schlussrechnungsforderung sei inhaltlich schlüssig dargetan, wird von der Revision nicht angegriffen. Dies begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
Rz. 14
c) Rechtlich verfehlt ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Richtigkeit der vom Kläger zur Abrechnungsgrundlage gemachten Kalkulation nicht hinreichend bestritten. Nach der Rechtsprechung des BGH muss das Gericht, wenn bei einem gekündigten Pauschalpreisvertrag der Auftragnehmer prüfbar abgerechnet hat, in die Sachprüfung eintreten, ob und in welcher Höhe die geltend gemachte Werklohnforderung berechtigt ist. Hat der Auftraggeber die Richtigkeit der Schlussrechnung substantiiert bestritten, ist hierüber Beweis zu erheben (st.Rspr.; vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 13.7.2006 - VII ZR 68/05, BauR 2006, 1753, 1754, juris Rz. 9 = NZBau 2006, 637; Urt. v. 25.11.2004 - VII ZR 394/02, BauR 2005, 385, 386, juris Rz. 22 = NZBau 2005, 147). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für ein solches Bestreiten dagegen nicht zu verlangen, dass der Auftraggeber eine vollständige Gegenrechnung vornimmt.
Rz. 15
Danach hat der Beklagte die inhaltliche Richtigkeit der vom Kläger erstellten Schlussrechnung hinreichend bestritten. Er hat unter Vorlage verschiedener Angebote einzelner Handwerksunternehmer geltend gemacht, dass die für die erbrachten Leistungen angesetzten Einheitspreise überhöht seien. Hiermit hat der Beklagte den an ein substantiiertes Bestreiten zu stellenden Anforderungen genügt. Das Berufungsgericht war daher gehalten, über die vom Kläger geltend gemachte Forderung Beweis zu erheben.
Rz. 16
2. Das Berufungsurteil kann danach nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem die Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
III.
Rz. 17
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Rz. 18
1. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Kosten für die Restfertigstellung und für die Mängelbeseitigung zurückgewiesen hat, ist auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht tragfähig. Die vom Berufungsgericht geforderte Darlegung des Umfangs der Mängelbeseitigungskosten einerseits und der Fertigstellungsmehrkosten andererseits ist nur geboten, wenn lediglich die Voraussetzungen für einen Anspruch des Beklagten auf Ersatz der Fertigstellungsmehrkosten nach § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B (2002), nicht jedoch für einen Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B (2002) vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1987 - VII ZR 45/87, BauR 1988, 82, 83 f., juris Rz. 12 ff.). Dies hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt.
Rz. 19
2. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten ferner zu Unrecht einen Anspruch auf Abrechnung der bis zum 31.12.2006 erbrachten Teilleistungen im Hinblick auf die Änderung des Umsatzsteuersatzes zum 1.1.2007 versagt. Unabhängig davon, ob eine Teilleistungsvereinbarung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 3 UStG vorliegt, kann sich ein solcher Anspruch des Beklagten aus der vertraglichen Vereinbarung mit der Schuldnerin selbst ergeben, wonach die bis zu einer Umsatzsteuererhöhung erbrachten Leistungen gesondert abzurechnen und lediglich die nach dem Stichtag erbrachten Leistungen dem geänderten Umsatzsteuersatz zu unterwerfen sind. Ob dem Beklagten ein solcher vertraglicher Anspruch zusteht, hat das Berufungsgericht bislang nicht geprüft.
Fundstellen
Haufe-Index 9739082 |
BauR 2016, 2088 |
NJW-RR 2016, 1357 |
IBR 2016, 677 |
JurBüro 2017, 52 |
WM 2017, 2122 |
ZAP 2016, 1106 |
ZIP 2016, 82 |
ZfIR 2016, 724 |
JZ 2016, 719 |
MDR 2016, 1260 |
VersR 2017, 235 |
ZfBR 2016, 785 |
NJW-Spezial 2016, 652 |
NZBau 2016, 5 |
NZBau 2016, 690 |
FMP 2017, 22 |
FMP 2017, 40 |