Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 21. April 1998 aufgehoben und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 2. Oktober 1997 abgeändert.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 69.000 DM nebst 8,75 % Zinsen aus 23.000 DM seit dem 7. April 1997, 8,75 % Zinsen aus weiteren 23.000 DM seit dem 9. Mai 1997 und 4 % aus weiteren 23.000 DM seit dem 9. Juni 1997 zu zahlen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 3/4. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit Vertrag vom 11. Februar 1994 vermietete die Klägerin der aus den Beklagten bestehenden Verwaltungs-, Service- und Betreuungsgesellschaft GbR für die Zeit vom 1. März 1994 bis 28. Februar 1999 eine „Lagerhalle mit Nebenflächen zur Nutzung als Möbellagerfläche, Büro- und Sozialräume sowie Rangierflächen” im Objekt Merziener Straße 69 in Köthen zu einem Mietzins von 20.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, im voraus zahlbar bis zum fünften Werktag eines jeden Monats.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 1996 erklärten die Beklagten die Kündigung des Mietverhältnisses mit der Begründung, die Schriftform des Vertrages sei nicht gewahrt, zum 31. März 1997 und gaben das Grundstück zu diesem Termin geräumt zurück.
Die Klägerin hält diese Kündigung für nicht wirksam und verlangt Zahlung rückständigen Mietzinses nebst Verzugszinsen für die Monate April bis Juni 1997 in Höhe von insgesamt 69.000 DM nebst Zinsen.
Der am Ende der letzten Seite von beiden Vertragsparteien unterzeichnete Mietvertrag besteht aus acht nicht fest miteinander verbundenen, durchgehend paginierten Einzelblättern mit einheitlichem Schriftbild und fortlaufender Paragraphenzählung.
§ 1 Abs. 2 des Vertrages gestattet dem Mieter die Mitbenutzung von „Freiflächen, Ein- und Ausfahrt des Gesamtgeländes (auf dem Lageplan blau gekennzeichnet)” in Abstimmung mit den übrigen Nutzern des Grundstücks.
§ 1 Abs. 3 des Vertrages gibt die Mietraumfläche mit „ca. 4000 qm” an und lautet im übrigen: „Es wird ein Aufmaß der Mietfläche genommen, nach dem die Mietraumfläche präzisiert wird. Maßgeblich für die Miethöhe und das Mietobjekt ist die auf dem als Anlage 1 dieses Mietvertrages beigefügten Lageplan mit rot gekennzeichnete Fläche.”
Nach § 25 des Vertrages sind die „zusätzlich beigefügten Anlagen 1 und 2 … wesentliche Bestandteile dieses Mietvertrages”; sie sind in § 26 als „Anlage 1 – Lageplan” und „Anlage 2 – Wertsicherungsvereinbarung” aufgeführt. Mit der Vertragsurkunde waren sie nicht fest verbunden.
Der zu den Akten gereichte Lageplan, bei dem es sich unstreitig um das Original der Anlage 1 handelt, trägt den Vermerk „Anlage 1” und weist rot umrandete Gebäudeflächen sowie blau schraffierte Verkehrsflächen auf, enthält jedoch keinen Hinweis auf die Anschrift des Grundstücks oder den Mietvertrag und seine Parteien.
Ein weiteres Schriftstück ist mit „Wertsicherungsvereinbarung II” überschrieben, als „Anlage” gekennzeichnet und von den als „Vermieter” bzw. „Mieter” bezeichneten Parteien unterzeichnet. Über der Unterschrift der Vermieterin befindet sich deren Firmenstempel mit Anschrift. Absatz 1 lautet: „Die in § 3 dargestellte Miethöhe bleibt fest vereinbart für die ersten 3 Mietjahre bis 28.02.1996”.
Das Landgericht wies die Klage, mit der die Klägerin erstinstanzlich auch die Feststellung des Fortbestehens des Mietvertrages begehrt hatte, insgesamt ab. Die gegen die Abweisung des Zahlungsanspruchs gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat – bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen – Erfolg.
1. Der Ansicht des Berufungsgerichts, die Kündigungserklärung der Beklagten habe das Mietverhältnis der Parteien zum 31. März 1997 beendet, vermag der Senat nicht zu folgen.
Die Abweisung des Antrags, mit dem die Klägerin die Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses über den 31. März 1997 hinaus begehrt hatte, steht dem nicht entgegen. Denn soweit die Klägerin die Abweisung ihres den Mietzins für April bis Juni 1997 betreffenden Zahlungsantrages mit der Berufung angegriffen hat, umfaßt dieser Angriff auch die Entscheidung, das Mietverhältnis habe in diesem Zeitraum nicht mehr bestanden. Eines ausdrücklichen, erneut auf Feststellung gerichteten Berufungsantrages bedurfte es nicht, da dieser in dem Leistungsantrag enthalten ist.
2. Die Kündigung konnte das Mietverhältnis nicht vorzeitig beenden, weil die Parteien eine Festmietzeit von fünf Jahren formwirksam vereinbart haben.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Haupturkunde des Mietvertrages, für sich allein genommen, den Anforderungen an die Schriftform genügt, die der Senat in seiner Entscheidung BGHZ 136, 357 dargelegt hat.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht aber auch der Umstand, daß die beiden Anlagen mit dem Hauptvertrag nicht fest verbunden waren, der Wahrung der Schriftform nicht entgegen.
a) Die Urkundeneinheit zwischen der Haupturkunde und einer Anlage hierzu ist auch ohne körperliche Verbindung gewahrt, wenn sich die Zugehörigkeit der Anlage zur Haupturkunde aus anderen Gründen zweifelsfrei ergibt, so etwa bei wechselseitiger Verweisung und Unterzeichnung der Anlage durch die Parteien des Hauptvertrages (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1999 – VII ZR 93/97 – MDR 1999, 473).
Die Wertsicherungsvereinbarung wird diesen Voraussetzungen gerecht. Sie ist von beiden Parteien unterschrieben, und die §§ 25 und 26 des Mietvertrages nehmen auf sie Bezug, indem sie auf eine Anlage verweisen, die als Wertsicherungsvereinbarung bezeichnet wird. Unschädlich ist, daß die Anlage nicht – wie im Vertrag vorgesehen – als „Anlage 2”, sondern lediglich als „Anlage” gekennzeichnet ist und ihrerseits nicht ausdrücklich auf den Mietvertrag vom 11. Februar 1994 zurückverweist. Ihre Zugehörigkeit zu diesem Vertrag ergibt sich nämlich aus den Unterschriften der Parteien – nebst deren Bezeichnung als Vermieter und Mieter – in Verbindung mit Abs. 1 der Wertsicherungsvereinbarung, aus dem hervorgeht, daß diese einen Mietvertrag der Parteien ergänzt, der einen Mietbeginn zum 1. März 1994 vorsieht und dessen § 3 die Höhe des Mietzinses regelt. Beides trifft auf den Mietvertrag vom 11. Februar 1994 zu.
b) Hinsichtlich des als „Anlage 1” bezeichneten Lageplans bestehen allerdings erhebliche Bedenken, ob die Zugehörigkeit dieser Anlage zum Mietvertrag schon hinreichend zweifelsfrei dem Umstand zu entnehmen ist, daß sie, der Verweisung in §§ 1, 25 und 26 des Mietvertrages entsprechend, als „Anlage 1” bezeichnet ist und einen Lageplan darstellt, der die in § 1 Abs. 2 und 3 erwähnten Markierungen in roter und blauer Farbe enthält, oder ob es zur Wahrung der Urkundeneinheit erforderlich gewesen wäre, in der Anlage selbst auf den Mietvertrag vom 11. Februar 1994 oder zumindest auf dessen Parteien oder die Anschrift des dargestellten Grundstücks hinzuweisen oder aber die Zusammengehörigkeit der Anlage und des Mietvertrages auf andere Weise deutlich zu machen.
Darauf kommt es indessen nicht an, weil die Anlage 1 keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Parteien enthält, sondern ein bloßes Anschauungsobjekt ist, das als solches keiner Unterzeichnung bedarf. Die Anlage 1 mit den darin farblich gekennzeichneten Teilflächen erweist sich hier nämlich als bloßer Orientierungsbehelf, weil die vermieteten Flächen bereits in § 1 des Mietvertrages hinlänglich beschrieben sind, so daß sich etwa verbleibende Zweifel an der exakten Lage des Mietgegenstandes innerhalb des Gesamtgrundstücks im Wege der Auslegung beseitigen lassen (vgl. Senatsurteil BGHZ 142, 158, 163 ff.).
Die Klägerin hat nämlich unwidersprochen vorgetragen, jeder Dritte könne anhand der Anschrift und der Bezeichnung des Mietobjekts als Lagerhalle nebst Büro- und Sozialräumen sowie Rangierfläche an Ort und Stelle feststellen, welche Gebäude und Flächen vermietet seien. Darin liegt zugleich der Vortrag, auf dem Grundstück befänden sich keine Gebäude oder Flächen, deren Größe, räumliche Zuordnung und Funktion Zweifel daran aufkommen lassen können, ob sie unter die im Mietvertrag gewählte Kennzeichnung fallen oder nicht.
Unstreitig gibt der Lageplan die Örtlichkeit zutreffend wieder. Den darin enthaltenen Maßangaben ist zu entnehmen, daß auf dem Grundstück nur ein Gebäude vorhanden ist, dessen Grundfläche an die Größenordnung der im Mietvertrag genannten 4000 qm heranreicht, während die übrigen, nur teilweise zusammenhängenden Gebäude jeweils deutlich kleiner sind, so daß keines von ihnen mit der vermieteten Lagerhalle verwechselt werden kann. Auch die weiteren, im Lageplan rot umrandeten Nebenräume sind aufgrund ihrer räumlichen Anordnung zweifelsfrei der großen Lagerhalle und keinem der deutlich weiter von ihnen entfernten anderen Gebäude zuzuordnen. Die aus dem Lageplan ersichtliche Anordnung der Gebäude in Bezug auf den ebenfalls eingezeichneten Verlauf der am Grundstück vorbeiführenden Straße läßt ferner keine Zweifel daran aufkommen, was unter „Ein- und Ausfahrt des Gesamtgeländes” zu verstehen ist.
Lediglich die exakte Ausdehnung der in § 1 des Vertrages als „Rangierflächen” bezeichneten weiteren Freiflächen ist – ohne die Anlage 1 mit der darin eingezeichneten blauen Schraffur – auch an Ort und Stelle möglicherweise nicht zweifelsfrei festzustellen. Da der Mieterin aber nach § 1 Abs. 2 des Vertrages ohnehin nur ein Recht zur Mitbenutzung der Rangierflächen in Abstimmung mit den übrigen Grundstücksnutzern eingeräumt wurde, handelt es sich insoweit um eine Regelung von nur unwesentlicher Bedeutung, die der Schriftform nicht bedarf (vgl. Senatsurteil BGHZ 142 aaO 161). Denn aus der Lage der Ein- und Ausfahrt einerseits und der Lagerhalle andererseits ergeben sich jedenfalls bestimmte Mindestfreiflächen, deren Mitbenutzung die Klägerin, den Beklagten zu gestatten hatte, weil sie zum Rangieren mit Möbelwagen und damit zum vertragsgemäßen Gebrauch der Halle als Möbellager erforderlich waren.
3. Da die Schriftform somit noch als gewahrt angesehen werden kann, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, die Geltendmachung eines Mangels der Schriftform sei hier mit Treu und Glauben vereinbar, oder ob die Klägerin wegen der Vereinbarung in § 1 Abs. 3 des Vertrages, zur Präzisierung der Mietraumfläche ein Aufmaß zu nehmen, Anspruch auf ein gemeinsam unterzeichnetes, als zum Mietvertrag vom 11. Februar 1994 gehörend gekennzeichnetes Aufmaß gehabt hätte, welches sodann als formgerechter Nachtrag etwaige Mängel bei der Individualisierung des Mietobjekts in § 1 des Vertrages geheilt hätte.
4. Mangels wirksamer Kündigung des Mietvertrages ist die Klage auf rückständigen Mietzins für die Monate April bis Juni 1997 nebst den aus dem Tenor ersichtlichen Verzugszinsen begründet. Darüber hinausgehende Zinsen kann die Klägerin nicht verlangen, weil sie die Inanspruchnahme von Bankkredit lediglich in Höhe der ersten beiden Monatsraten und zu einem Zinssatz von nur 8,75 % nachgewiesen hat, nicht aber die von den Beklagten bestrittene darüber hinausgehende Kreditaufnahme.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.10.2000 durch Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556498 |
NZM 2001, 43 |
IPuR 2001, 51 |
IPuR 2001, 59 |