Entscheidungsstichwort (Thema)
Lizenzvertrag. Beschränkung des Streitstoffs. Angriffs-und Verteidigungsmittel erstinstanzlicher Urteile. Entbehrlichkeit ausdrücklicher Wiederholung in Berufungsinstanz
Leitsatz (amtlich)
Hat der Berufungskläger seinen Sachvortrag in der Berufungsinstanz nicht beschränkt, so sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in den Tatbestand des angefochtenen Urteils eingegangen sind, durch die auch stillschweigend mögliche Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil vorgetragen; ihre ausdrückliche Wiederholung ist entbehrlich.
Normenkette
ZPO § 537 a.F.
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 18.07.2000) |
LG Nürnberg-Fürth |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das am 18.7.2000 verkündete Endurteil des 3. Zivilsenats des OLG Nürnberg aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung eines Vertrags.
Die Parteien schlossen am 12.12.1995 eine als Lizenzvertrag bezeichnete Vereinbarung, mit der der Beklagte der Klägerin eine ausschließliche Lizenz an verschiedenen technischen Schutzrechten einräumte, deren Inhaber er ist. Der Klägerin wurde durch diesen Vertrag gestattet, unter Benutzung der Schutzrechte und des Know-how des Beklagten weltweit Vorrichtungen und Verfahren zur Nassreinigung von Gasen herzustellen und zu vertreiben.
In der Folgezeit veräußerte die Klägerin verschiedene Anlagen, die auf den vom Beklagten entwickelten Verfahren beruhten. Beim Betrieb der Anlagen kam es jedoch zu Schwierigkeiten, die dazu führten, dass diese Anlagen letztlich von den Kunden nicht abgenommen wurden. Die Klägerin sieht den Grund für die fehlende Funktionsfähigkeit der Reinigungsanlagen in der Mangelhaftigkeit des Reaktionsmittels, das nach dem Vertrag der Beklagte herzustellen hatte. Der Beklagte seinerseits wirft der Klägerin vor, dass sie bei verschiedenen Anlagen seine Konstruktionsanweisungen missachtet und so die Schwierigkeiten verursacht habe.
Entgegen der im Vertrag vorgesehenen Regelung, wonach die Umsatzlizenzgebühren vierteljährlich abzurechnen waren, unterblieben solche Abrechnungen, was der Beklagte mehr als zwei Jahre nicht beanstandete.
Mit Schreiben seiner Patentanwältin v. 3.4.1998 kündigte der Beklagte den Lizenzvertrag fristlos. Begründet wurde diese Kündigungserklärung in einem Schreiben v. 27.5.1998 u. a. damit, dass die Klägerin die Umsatzlizenzgebühren nicht ordnungsgemäß abgerechnet habe, die Lizenzen in einer Reihe von Projekten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ausgeführt worden seien sowie damit, dass die Klägerin zahlungsunfähig geworden sei.
Durch Umschreibungsverfügung des Deutschen Patent- und Markenamtes v. 31.8.1999 wurde die Klägerin auf ihren Antrag an Stelle des Beklagten als Inhaberin des Patents 592 08 995 eingetragen. Die Umschreibung wurde auf Grund eines Beschlusses des BPatG v. 7.2.2002 rückgängig gemacht.
Die Klägerin hat am 12.5.1998 Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Vertrags v. 12.12.1995 erhoben. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten v. 2.11.1998 kündigte der Beklagte den Vertrag erneut und stützte dies auf weitere gegen die Klägerin gerichtete Vorwürfe, wonach diese den Vertrag schuldhaft verletzt habe.
Die Klägerin hält die angeführten Kündigungsgründe für unberechtigt und beansprucht mit ihrer Klage die Feststellung, dass beide Kündigungserklärungen unwirksam seien, und weiterhin die Feststellung, dass der Vertrag v. 12.12.1995 fortbestehe.
Das LG hat dieser Klage stattgegeben, die hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben, wobei der Beklagte in der Berufungsinstanz nur noch auf einen Teil der in erster Instanz erhobenen Vorwürfe näher eingegangen ist. Mit der Revision verfolgt der Beklagte weiterhin seinen Klageabweisungsantrag.
Über das Vermögen der Klägerin ist am 2.10.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden; der Rechtsstreit ist vom Beklagten aufgenommen worden, nach dem der Insolvenzverwalter die Aufnahme des Rechtsstreits abgelehnt hatte und ihn an die Klägerin freigegeben hat. Die Klägerin ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Da die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung in der Verhandlung über die Revision nicht vertreten war, ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil, jedoch auf Grund umfassender Sachprüfung, zu entscheiden (BGH BGHZ 37, 79 [80]).
Die zulässige Revision hat auch in der Sache Erfolg, sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Gegen die Prozessführungsbefugnis des Beklagten für das Revisionsverfahren bestehen keine Bedenken, da es, anders als dies der Entscheidung des BGH (BGH v. 27.10.2003 - II ZA 9/02, BGHReport 2004, 118 = MDR 2004, 231 = ZIP 2003, 2271) zu Grunde lag, nicht um eine nur im Wege der Anmeldung zur Insolvenztabelle weiter zu verfolgende Insolvenzforderung geht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Kündigungsgrund ergebe sich nicht daraus, dass die Klägerin es unterlassen habe, vierteljährlich über die vereinbarten Umsatzlizenzen abzurechnen. Hierin liege keine Vertragsverletzung. Die Abrechnungspflicht beziehe sich auf die vereinbarte Lizenzgebühr i. H. v. 10 % auf die Nettoverkaufspreise der Klägerin. Als Nettoverkaufspreis sei das Dritten in Rechnung gestellte Entgelt für den Erwerb der lizenzpflichtigen Gegenstände, nach Abzug u. a. der Entgelte für Bauarbeiten, Montage und Inbetriebnahme beim Kunden, vereinbart worden. Daraus folge, dass nur diejenigen Nettoverkaufspreise der Lizenzzahlungspflicht unterlägen, die die Kunden der Klägerin letztlich nach Ausführung des Vertrages hätten zahlen müssen, denn vorher hätten die Entgelte für Bauarbeiten, Montage und Inbetriebnahme beim Kunden von den Nettoverkaufspreisen nicht abgezogen werden können. Daraus wiederum folge, dass die Klägerin nur zur Abrechnung für in Betrieb genommene Anlagen verpflichtet gewesen sei. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Buchprüfungsbericht des Steuerberaters U. gehe aber hervor, dass die Anlagen betreffend die Aufträge D. II, L., M., V. A. und W.Chemie nicht funktionstüchtig gewesen und nicht abgenommen worden seien. Gehe man aber davon aus, dass zumindest einige der Anlagen nicht abrechnungspflichtig gewesen seien, dann spreche alles dafür, dass die von der Klägerin allenfalls abzurechnenden lizenzpflichtigen Einnahmen 500.000 DM nicht überstiegen hätten. Auch nach dem Beklagtenvortrag sei damit nicht anzunehmen, dass ihm eine 10 prozentige Umsatzgebühr zugestanden habe, die mehr als 50.000 DM ausgemacht habe. Unstreitig habe er aber bereits eine auf die Umsatzgebühr zu verrechnende Pauschallizenzgebühr in dieser Höhe erhalten. Aus diesen Gründen könne die unterlassene vierteljährliche Abrechnung nicht als eine so gravierende Vertragsverletzung angesehen werden, als dass sie die ausgesprochenen Kündigungserklärungen rechtfertigen könnte.
Der Beklagte habe es mehr als zwei Jahre lang hingenommen, dass ihm Abrechnungen nicht erteilt worden seien. Auch wenn man unterstelle, dass die Klägerin durch die unterlassenen Abrechnungen den Vertrag verletzt habe, hätte der Beklagte vor Ausspruch der fristlosen Kündigung der Klägerin durch eine Abmahnung vor Augen führen müssen, dass er abweichend von seinem bisherigen Verhalten nicht mehr gewillt sei, dies hinzunehmen. Dies gelte auch für die Kündigungserklärung v. 2.11.1998, obwohl zwischenzeitlich der Beklagte der Klägerin eine Abmahnung erteilt habe. Die Klägerin habe nämlich zwischenzeitlich Abrechnungen über einige Projekte übermittelt, die der Beklagte allerdings deswegen für falsch halte, weil eine der Rechnungen nicht unterzeichnet sei, Unstimmigkeiten bestünden und noch weitere Anlagen der Abrechnungspflicht unterlägen.
2. Diese Würdigung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
a) Die Revision beruft sich zu Unrecht darauf, dass das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt und die Regelung im Vertrag v. 12.12.1995 übersehen habe, wonach ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung insbesondere dann vorliege, "wenn die andere Vertragspartei wesentliche Pflichten aus diesem Vertrag schuldhaft verletzt".
Das Berufungsgericht ist von der ständigen Rechtsprechung des BGH ausgegangen, nach der ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses gegeben ist, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund deren dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrags bis zu dessen vereinbarter Beendigung nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (BGH, Urt. v. 29.4.1997 - X ZR 127/95, GRUR 1997, 610 [611] - Tinnitus-Masker; Urt. v. 2.5.1991 - I ZR 184/89, MDR 1992, 250 = GRUR 1992, 112 [114] - pulp wash; Urt. v. 17.12.1998 - I ZR 106/96, MDR 1999, 858 = NJW 1999, 1177 [1178]), und hat die im Vertrag getroffene Regelung nicht als Einschränkung oder Abbedingung dieses Grundsatzes verstanden. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Wenn die Parteien des Lizenzvertrags geregelt haben, dass ein wichtiger Grund insbesondere dann vorliege, wenn die andere Partei wesentliche Pflichten aus dem Vertrag schuldhaft verletze, so konnte das Berufungsgericht, ohne dass dies rechtlichen Bedenken begegnet, aus der Verwendung des Worts "insbesondere" entnehmen, dass die Parteien lediglich für die Fallgruppe des pflichtwidrigen Verhaltens eines Vertragsteils die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes näher konkretisieren wollten, indem sie hervorgehoben haben, dass es sich um die Verletzung wesentlicher Pflichten handeln müsse und dass der Verstoß ein schuldhaftes Verhalten erfordere. Das Berufungsgericht konnte daher ohne Rechtsfehler annehmen, dass die Parteien damit kein vom Vorliegen eines wichtigen Grundes unabhängiges Kündigungsrecht vereinbart haben, das unter geringeren Voraussetzungen eingreifen würde als diese von der Rechtsprechung für Fälle des pflichtwidrigen Verhaltens eines Vertragsteils entwickelt worden sind, sondern dass die Parteien lediglich eine Fallgruppe beispielhaft benannt haben, die den Tatbestand des wichtigen Grundes erfüllen sollte (vgl. auch Stumpf/Gross, Der Lizenzvertrag, 7. Aufl., M Rz. 488).
Vor diesem Hintergrund ist die Verneinung eines Kündigungsgrundes aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ohne Erfolg rügt die Revision insoweit das Unterbleiben von Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, ob die unterlassene Abrechnung einen Kündigungsgrund darstellt. Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht getroffen. Es hat jedoch die unterlassene Abrechnung als nicht so gravierende Vertragsverletzung gewürdigt, dass sie eine Kündigung rechtfertigen könnte. Es hat auch damit keinen von der vertraglichen Regelung der Parteien abweichenden Beurteilungsmaßstab verwendet, da nach seiner rechtsfehlerfreien Würdigung der vertraglichen Regelung der Parteien nur die Verletzung wesentlicher Vertragspflichten einen außerordentlichen Kündigungsgrund begründen sollte.
Allerdings ist beim Patentlizenzvertrag i. d. R. die Abrechnungspflicht eine Hauptpflicht (vgl. Stumpf/Gross, Der Lizenzvertrag, 7. Aufl., C Rz. 139; Gaul/Bartenbach, Handbuch des gewerblichen Rechtsschutzes, 5. Aufl., K Rz. 713). Daraus folgt aber nicht, dass jede auch noch so geringfügige Verletzung der Abrechnungspflicht eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigt. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die vertragliche Regelung der Parteien so zu verstehen sei, dass bei nicht abgenommenen Anlagen keine abzurechnenden lizenzpflichtigen Einnahmen vorlägen, greift die Revision ohne Erfolg an. Die Auslegung ist als tatrichterliche Würdigung in der Revisionsinstanz nur beschränkt daraufhin überprüfbar, ob dabei gesetzlich oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, MDR 1992, 804 = NJW 1992, 1967 [1968]). Einen solchen Fehler zeigt die Revision nicht auf.
Den Vertragspartnern steht es frei, Absprachen über die Voraussetzungen der Lizenzpflicht und den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Lizenzgebühren zu treffen (BGH, Urt. v. 2.12.1997 - X ZR 13/96, MDR 1998, 703 = GRUR 1998, 561 [562] - Umsatzlizenz). Hier haben die Parteien keine ausdrückliche Regelung getroffen, zu welchem Zeitpunkt die Lizenzgebühr entstehen sollte. Als Zeitpunkt für die Entstehung des Anspruchs auf die Lizenzgebühr kommen in einem solchen Fall der Abschluss des Vertrags mit dem Kunden, die Fertigstellung oder die Lieferung der Maschinen, die Rechnungsstellung oder der Eingang der Zahlung des Kunden in Betracht (vgl. Stumpf/Gross, Der Lizenzvertrag, 7. Aufl., C Rz. 110). Das Berufungsgericht hat die insoweit bestehende Unklarheit im Vertrag im Wege der Vertragsauslegung dahin aufgelöst, dass es aus der im Vertrag enthaltenen Definition des Nettoverkaufspreises abgeleitet hat, dass der Anspruch auf die Lizenzgebühr frühestens entstehen konnte, wenn feststand, in welcher Höhe bei der Inbetriebnahme Kosten angefallen waren, weil vorher diese abzuziehenden Kosten nicht berechnet werden konnten. Damit hat das Berufungsgericht in zulässiger Weise die im Vertrag enthaltenen Regelungen und Wertungen zum Ausgangspunkt seiner Vertragsauslegung gemacht. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Urteil des Senats v. 2.12.1997 (BGH, Urt. v. 2.12.1997 - X ZR 13/96, MDR 1998, 703 = GRUR 1998, 561 [562] - Umsatzlizenz) steht dem nicht entgegen; es befasst sich nur mit der Frage, ob für den Regelfall bei Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Absprache die schon entstandene Zahlungspflicht des Lizenznehmers unter dem Vorbehalt der Abnahme steht und wieder entfällt, wenn die Abnahme der Ware verweigert, das Geschäft rückgängig gemacht oder der Kaufpreis nicht gezahlt wird; eine aus dem Vertrag herzuleitende abweichende Vereinbarung der Parteien geht dem grundsätzlich vor. Das Berufungsgericht ist demnach rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass für die noch nicht abgenommenen Anlagen keine Umsatzlizenzgebühren zu zahlen waren. Von diesem rechtlichen Ausgangspunkt aus hat das Berufungsgericht die Feststellung getroffen, dass auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht anzunehmen sei, dass diesem eine Umsatzlizenzgebühr zugestanden habe, die mehr als 50.000 DM ausgemacht habe. Dann aber ist die nur beschränkt überprüfbare tatrichterliche Würdigung, dass das Unterlassen der Abrechnung keine so gravierende Vertragsverletzung sei, als dass darauf eine Kündigung gestützt werden könnte, nicht zu beanstanden.
In diesem Zusammenhang ist auch die Erwägung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass die Hinnahme der Nichterteilung von Abrechnungen über einen Zeitraum von über zwei Jahren dafür spricht, dass auch der Beklagte dieses Verhalten als nicht so gravierend angesehen hat. Zwar hat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben v. 15.9.1998 zur Erstellung einer Abrechnung abgemahnt. Dies hat das Berufungsgericht jedoch berücksichtigt. Die Revision übersieht insoweit, dass zu diesem Zeitpunkt die Abrechnungen v. 26.5.und 3.7.1998 bereits vorlagen, die allerdings der Beklagte als mangelhaft zurückgewiesen hatte. Hinsichtlich weiterer Anlagen gab es zu diesem Zeitpunkt ausgehend von der rechtsfehlerfrei getroffenen Vertragsauslegung des Berufungsgerichts nichts abzurechnen, weil die betreffenden Lieferungen noch zu keinen lizenzpflichtigen Einnahmen geführt hatten. Auch die Rügen des Beklagten hinsichtlich der erteilten Abrechnung hat das Berufungsgericht nicht als so erheblich angesehen, dass allein darauf eine außerordentliche Kündigung des Lizenzvertrags gestützt werden könne. Auch diese Würdigung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten gerügten Mängel dieser Abrechnung gewürdigt. Es hat die fehlende Unterzeichnung einer dieser Abrechnungen und die vorgetragenen, ganz geringfügigen Unstimmigkeiten nicht als ausreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung angesehen. Die unterschiedliche Auffassung der Parteien über die Frage, ob auch noch nicht in Betrieb genommene und abgenommene Anlagen abzurechnen seien, hat es ebenfalls vor dem Hintergrund seiner Auslegung des Vertrages rechtsfehlerfrei nicht als ausreichenden Kündigungsgrund gelten lassen. Die Revision setzt dem lediglich ihre eigene davon abweichende Würdigung des Vertragsinhalts und der daraus resultierenden beiderseitigen Pflichten entgegen.
b) Schließlich hat die Revision auch mit ihrem Einwand keinen Erfolg, dass der Beklagte nach § 326 BGB a. F. berechtigt gewesen sei, den Lizenzvertrag zu kündigen, ohne dass es auf eine Abwägung der gegenseitigen Interessen sowie die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ankomme.
Nach nur teilweiser Durchführung eines Lizenzvertrags über Patentrechte ist den Parteien ein Rücktritt grundsätzlich verwehrt; an seine Stelle tritt i. d. R. die Kündigung aus wichtigem Grund (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2002 - X ZR 166/99, BGHReport 2002, 649 = MDR 2002, 998 = NJW 2002, 1870; Urt. v. 13.7.1982 - X ZR 50/81, Umdr. S. 6, 7 unveröffentlicht; Urt. v. 22.5.1959 - I ZR 46/58, GRUR 1959, 616 [617] - Metallabsatz; Busse, PatG, 6. Aufl., § 15 Rz. 99). Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 326 BGB a. F. führt aber nicht dazu, dass die fristlose Kündigung dann ohne weiteres möglich ist, es kommt auch dann darauf an, ob unter Abwägung der beiderseitigen Interessen dem kündigenden Teil die Fortsetzung des Vertrages bis zu dessen vereinbarter Beendigung nach Treu und Glauben nicht zumutbar ist. Daran fehlt es hier wie unter 2. a) dargestellt hinsichtlich der vom Berufungsgericht bei seiner Prüfung zugrunde gelegten Umstände.
II. 1. Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, der Beklagte habe auch nicht ausreichend dargetan, dass die Klägerin unter Verstoß gegen den Lizenzvertrag ihre Ausübungspflicht so nachhaltig verletzt habe, dass bei Ausspruch der beiden Kündigungen eine Fortsetzung des Vertrags dem Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen sei. Der Beklagte greife in diesem Zusammenhang nur die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils an, die sich auf die Projekte L., D., Sch., W.Chemie und M. A. bezögen. Insoweit sei im Berufungsverfahren eine Beschränkung des Streitstoffs auf diese Vorgänge eingetreten. Wie sich die Rechtslage hinsichtlich anderer Anlagen und Projekte darstelle, bei denen die Klägerin ebenfalls unberechtigterweise von Anweisungen oder von den Patentvorgaben abgewichen sein solle, sei deshalb nicht zu prüfen. Die bloße pauschale Bezugnahme auf seinen gesamten erstinstanzlichen Sachvortrag auf S. 3 der Berufungsbegründung reiche nicht aus, um neben den im Folgenden in der Berufungsbegründung angeführten Kündigungsgründen auch sämtliche sonstige zum Streitstoff des Berufungsverfahrens zu machen. Dies folge aus § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F., der vorsehe, dass die Berufungsbegründung u. a. die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung zu bezeichnen habe.
2. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft den Streitstoff beschränkt hat. Das LG hat sich in seinem Urteil mit weiteren im Tatbestand auch erwähnten Vorgängen und Vorwürfen befasst. Der Beklagte ist auf diese Sachverhalte in seiner Berufungsbegründung nicht ausdrücklich zurückgekommen. Er hat jedoch im Berufungsbegründungsschriftsatz auf seinen gesamten erstinstanzlichen Vortrag pauschal Bezug genommen und diesen zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Er hat weiter gerügt, dass das erstinstanzliche Gericht die Gesamtheit der vorgetragenen Gründe dahingehend hätte würdigen müssen, ob ihm eine Fortsetzung des Vertrags für weitere elf Jahre zugemutet werden könne.
Nach der Rechtsprechung des BGH hat das Berufungsgericht nach dem für das vorliegende Verfahren noch maßgebenden Recht (§ 537 ZPO in der vor dem 1.1.2002 geltenden Fassung) den Prozess-Stoff bei seiner Entscheidung selbständig und ohne an die rechtlichen Gesichtspunkte der Parteien oder des ersten Richters gebunden zu sein nach allen Richtungen von neuem zu prüfen (BGH, Urt. v. 18.3.2003 - X ZR 209/00, BGHRep. 2003, 908; Urt. v. 10.7.1985 - IVa ZR 151/83, MDR 1985, 1002 = NJW 1985, 2828; vgl. auch Urt. v. 29.4.1986 - IX ZR 145/85, MDR 1986, 1021 = NJW-RR 1986, 991 [992]; Urt. v. 15.12.1988 - IX ZR 33/88, MDR 1989, 445 = NJW 1990, 326 [327]; Urt. v. 7.5.1992 - IX ZR 151/91, MDR 1992, 1004 = BGHR ZPO § 537 - Streitpunkt 1). Allerdings kann der Berufungskläger seine Berufung auf bestimmte Streitpunkte beschränken. Er kann Tatsachenvortrag und die hierzu benannten Beweismittel fallen lassen. Angesichts der Ausführungen des Beklagten in der Berufungsbegründung kann dies hier jedoch nicht angenommen werden. Das Berufungsgericht hätte daher nicht von einer Beschränkung des Streitstoffs ausgehen dürfen.
Dies ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil nach der Rechtsprechung des BGH das Berufungsgericht Beweisangeboten, die im Berufungsverfahren nicht ausdrücklich wiederholt worden sind, grundsätzlich nicht nachgehen muss (BGH BGHZ 35, 103 [106]). Zum einen gilt dies nicht uneingeschränkt. Hat das erstinstanzliche Gericht ein unter Beweis gestelltes Vorbringen für unerheblich erachtet, der Berufungskläger gerade diese Rechtsauffassung aber angegriffen und das Berufungsgericht den erstinstanzlichen Sachverhalt als erheblich angesehen, so verletzt die Nichtberücksichtigung des Vorbringens des Berufungsklägers dessen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (BVerfG v. 2.1.1995 - 1 BvR 234/94, NJWRR 1995, 828; v. 8.10.1985 - 1 BvR 33/83, BVerfGE 70, 288 [295] = MDR 1986, 288; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.9.1986 - VIII ZR 255/85, MDR 1987, 229 = NJW 1987, 501 [502]; Urt. v. 4.4.1990 - IV ZR 69/89, NJW-RR 1990, 831; Urt. v. 3.6.1997 - VI ZR 133/96, MDR 1997, 876 = NJW 1998, 155 [156]). Zum anderen betrifft diese Rechtsprechung die Frage, welche Anforderungen an einen Beweisantritt in der Berufungsinstanz zu stellen sind, und nicht die hier entscheidende Frage, welcher Streitstoff nach § 537 ZPO a. F. der Entscheidung des Berufungsgerichts zu Grunde zu legen ist. Sind, wie hier, Angriffs- oder Verteidigungsmittel in den Tatbestand des angefochtenen Urteils eingegangen, ist eine ausdrückliche Wiederholung dieses Vortrags entbehrlich. Vorgetragen sind sie schon durch die auch stillschweigend mögliche Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil (Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl., § 525 Rz. 2). Unter diesen Voraussetzungen wirken die erstinstanzlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren fort (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 526 Rz. 2 u. § 537 Rz. 12; a. A. Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 525 Rz. 3). Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil der Beklagte in der Berufungsinstanz ausdrücklich gerügt hatte, dass das LG die Gesamtheit der vorgetragenen Kündigungsgründe dahingehend hätte würdigen müssen, ob ihm eine Fortsetzung des Vertrags für weitere elf Jahre zugemutet werden könne. Dass damit alle die Gründe gemeint waren, die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils genannt sind, kann nicht zweifelhaft sein. Der Inhalt der Berufungsbegründung macht vielmehr deutlich, dass jedenfalls alle im landgerichtlichen Urteil angeführten Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit auch zur Nachprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werden sollten.
b) Zu Unrecht rügt die Revision jedoch, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Beklagten in seinem Schriftsatz v. 6.9.1999 nicht berücksichtigt habe. Dieser Schriftsatz ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu den Akten gelangt, ohne dass dem Beklagten nachgelassen worden wäre, gem. § 283 ZPO a. F. einen Schriftsatz nachzureichen. Das LG hat sich in seinem Urteil zwar kursorisch mit dem in diesem Schriftsatz enthaltenen Sachvortrag auseinander gesetzt, gleichwohl die mündliche Verhandlung aber nicht wiedereröffnet. Vorbringen, das nach § 296a ZPO a. F. in erster Instanz unberücksichtigt geblieben ist, gilt als in erster Instanz nicht vorgebracht und ist deshalb in zweiter Instanz als neues Vorbringen gem. § 528 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ZPO a. F. zu beurteilen (Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 296a Rz. 9; u. Hinw. auf BGH, Urt. v. 10.7.1979 - VI ZR 223/78, NJW 1979, 2109 [2110]). Allerdings ist anerkannt, dass auf solches Vorbringen, das in erster Instanz keine prozessuale Wirksamkeit erlangt hat, in der Berufungsinstanz Bezug genommen werden kann (BGH, Urt. v. 3.6.1998 - VIII ZR 162/97, NJW-RR 1998, 1514. Vorliegend fehlt es aber insoweit, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, an einer wirksamen Bezugnahme. Im Berufungsbegründungsschriftsatz hat der Beklagte lediglich auf den ebenfalls nicht nachgelassenen Schriftsatz v. 10.9.1999 Bezug genommen.
III. 1. Das Berufungsgericht hat schließlich angenommen, dass die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Erwerb von Pfandrechten an den Patenten des Beklagten und deren Umschreibung auf die Klägerin diesen nicht dazu berechtigt hätten, den Lizenzvertrag am 2.11.1998 aus wichtigem Grunde zu kündigen. Die Umschreibung könne schon deshalb nicht herangezogen werden, weil der Antrag dazu erst am 13.3.1999 gestellt worden sei, also fast ein halbes Jahr nach Ausspruch der Kündigung. Es könne deshalb dahinstehen, ob dadurch der Lizenzvertrag verletzt worden sei. Im Abschluss des Kaufvertrags v. 14.10.1998 liege eine Verletzung des Vertrags oder berechtigter Interessen des Beklagten nicht.
2. Auch dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht in vollem Umfang stand. Das Berufungsgericht hat es rechtsfehlerhaft abgelehnt, die Würdigung der der Kündigung zu Grunde liegenden Vorgänge in seine Gesamtwürdigung miteinzubeziehen. Zwar ist der Umschreibungsantrag erst am 13.3.1999 und somit nach der Erklärung der Kündigung am 2.11.1998 gestellt worden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt daraus jedoch nicht, dass die Umschreibung nicht zu berücksichtigen wäre. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Berufung auf den neuen Kündigungsgrund, das "Nachschieben" des Grundes, i. d. R. als neue Kündigung aus diesem Grunde aufzufassen sein wird (BGH, Urt. v. 28.4.1960 - VII ZR 218/59, LM § 626 BGB Nr. 10; Urt. v. 15.12.1960 - VII ZR 212/59, BB 1961, 498). Daher kann das Vorbringen im Schriftsatz des Beklagten v. 3.5.2000 als erneuter Ausspruch einer fristlosen Kündigung anzusehen sein. Hinzu kommt, dass der Beklagte mit Schreiben seiner Patentanwältin v. 8.11.1999 erneut außerordentlich gekündigt und hierbei den Vorgang der Umschreibung als Kündigungsgrund angeführt hat. Der Beklagte hat sich in seiner Berufungsbegründung auch auf diese Kündigungserklärung gestützt.
Diese Kündigungserklärungen sind nicht schon deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil die Klägerin in ihren Klageanträgen sich nur auf die Kündigungserklärungen v. 3.4. und 2.11.1998 bezieht und die Feststellung begehrt, dass diese unwirksam sind. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin weiterhin die Feststellung begehrt, dass der Lizenzvertrag nicht beendet ist, sondern fortbesteht, weshalb auch weitere Kündigungserklärungen in die Prüfung mit einzubeziehen sind. Das von der Klägerin betriebene Umschreibungsverfahren mit dem Ziel, sie als Patentinhaberin in die Patentrolle eintragen zu lassen, kann auch als schwer wiegender Vertrauensverstoß in Betracht kommen, der geeignet ist, die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien zu erschüttern. Das heimliche Vorgehen der Klägerin bei der Umschreibung der Schutzrechte und die nach der Entscheidung des BPatG anzunehmende Rechtswidrigkeit der Umschreibung könnten jedenfalls einen Vertrauensbruch darstellen, der zumindest im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung, ob das Verhalten der Klägerin einen wichtigen Grund zur Kündigung bildete, nicht außer Betracht bleiben kann.
IV. Da das Berufungsgericht mithin rechtsfehlerhaft nicht alle vom Beklagten angeführten Kündigungsgründe berücksichtigt hat, ist auch seine Gesamtwürdigung unvollständig und kann keinen Bestand haben. Da einerseits Feststellungen zu einem Teil der vorgetragenen Kündigungsgründe fehlen und andererseits auch die Gesamtwürdigung in erster Linie Aufgabe des Tatrichters ist, kam eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 1121190 |
BGHR 2004, 693 |
EBE/BGH 2004, 4 |
GRUR 2004, 532 |
GRUR-RR 2009, 328 |
Mitt. 2004, 284 |