Leitsatz (amtlich)
Ist in einem Grundstückskaufvertrag mit der Treuhandanstalt wegen der Schwierigkeit der Feststellung des Marktwerts eine Nachbewertung zu einem bestimmten Stichtag vereinbart, kann die Treuhandanstalt im Hinblick auf die zwischenzeitliche Ausweisung des verkauften Grundstücks als Bauland keinen höheren Kaufpreis fordern, wenn sich auch zum vereinbarten Nachbewertungszeitpunkt kein funktionierender Markt herausgebildet hat.
Normenkette
BGB § 433 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Aktenzeichen V ZR 4/98) |
LG Magdeburg (Aktenzeichen 10 O 3769/94) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. Dezember 1997 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariellem Kaufvertrag vom 31. Januar 1991 verkaufte die Klägerin – noch unter ihrer früheren Bezeichnung Treuhandanstalt – der beklagten Gemeinde drei ehemals volkseigene Grundstücke zu einem Gesamtkaufpreis von 590.300 DM. Diesen Betrag hatte ein Sachverständiger als Wert der Grundstücke gutachterlich ermittelt. Im Kaufvertrag heißt es hierzu u.a.:
„Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß wegen des noch nicht funktionsfähigen Grundstücksmarktes eine verläßliche Ermittlung des Verkehrswertes von Grund und Boden zur Zeit nicht möglich ist. Sie werden auf den 31.12.1991 eine Neubewertung durchführen. Sollten sich die Vertragsparteien nicht einvernehmlich auf einen Preis einigen, ist dieser durch einen öffentlich bestellten, vereidigten Sachverständigen für beide Parteien verbindlich festzustellen. Bei der Neubewertung bleiben solche Maßnahmen, die der Käufer selbst oder auf eigene Kosten durchgeführt hat, unberücksichtigt. Übersteigt der so ermittelte Verkehrswert den vorläufigen Kaufpreis um mehr als 5 v.H. multipliziert mit der Zahl der Jahre die zwischen dem Vertragsabschluß und dem Stichtag der Nachbewertung liegt, so hat der Käufer den Betrag in Höhe der die Freigrenze übersteigenden Wertdifferenz binnen 3 Monaten nach Eingang bzw. nach Erhalt des Gutachtens an den Verkäufer zu bezahlen.”
Die Beklagte nahm die Erschließung eines großen Teils der Grundstücke vor. Über deren Wert am 31. Dezember 1991 konnten die Parteien sich nicht einigen. Sie beauftragten daher einen Sachverständigen mit der Wertermittlung. Dieser stellte fest, daß ein funktionierender Grundstücksmarkt weiterhin nicht existierte, und ermittelte im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Ausweisung der Grundstücke als Bauland zum Stichtag einen Verkehrswert von insgesamt 850.000 DM. Unter Berücksichtigung des Freibetrages verlangt die Klägerin auf der Grundlage dieser Ermittlung von der Beklagten 232.644,58 DM zuzüglich Zinsen. Die Beklagte beruft sich darauf, die Leistungsbestimmung sei für sie nicht verbindlich, da das Sachverständigengutachten offenbar unrichtig sei.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 37.810,50 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Es hat das Sachverständigengutachten als bindend angesehen, von dem ermittelten Wert jedoch Steigerungsbeträge abgesetzt, die auf Maßnahmen der Beklagten beruhten. Dieses Urteil haben beide Parteien angefochten. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin sich gegen die Kürzung des Anspruchs gewandt; die Beklagte hat weiterhin die Auffassung vertreten, das Nachbewertungsgutachten sei offenbar unrichtig. Das Oberlandesgericht hat durch das in VIZ 1998, 412 ff veröffentlichte Urteil unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des Betrages von 232.644,58 DM zuzüglich Zinsen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat die im Vertrag zwischen den Parteien enthaltene Nachbewertungsregelung als durch von der Klägerin vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart und gemäß § 9 AGBG unwirksam angesehen.
Auf die von der Revision hiergegen vorgebrachten Rügen kommt es für die Entscheidung des Rechtstreits nicht an. Die Klage ist auch bei Wirksamkeit der Klausel nicht begründet.
Die Parteien wollten bei Abschluß des Vertrages vom 31. Januar 1991 den von der Beklagten zu bezahlenden Kaufpreis nach dem Verkehrswert der Grundstücke bemessen. Die Klägerin hatte daher einen Sachverständigen mit dessen Ermittlung beauftragt. Das Fehlen eines Grundstücksmarktes in der früheren DDR hatte indessen zur Folge, daß beim Verkauf vergleichbarer Grundstücke in vergleichbarer Lage vereinbarte Preise zur Feststellung des Verkehrswertes der an die Beklagte verkauften Grundstücke nicht vorlagen und damit die Gefahr bestand, daß der für die verkauften Grundstücke vereinbarte Preis ihrem Verkehrswert nicht entsprach. Dem sollte § 3 des Kaufvertrages dadurch entgegenwirken, daß auf den 31. Dezember 1991 eine Nachbewertung stattzufinden hatte, die nach Maßgabe der Regelung den endgültig von der Beklagten für den Erwerb der Grundstücke zu bezahlenden Preis bestimmen sollte. Voraussetzung der endgültigen Preisfindung war daher, daß der Verkehrswert der Grundstücke an dem für ihre Nachbewertung vereinbarten Tag in objektivierbarer Weise festgestellt werden konnte. Diese Voraussetzung war unstreitig auch am 31. Dezember 1991 nicht gegeben. Ein funktionierender Grundstücksmarkt hatte sich im Bereich von I. bis zur Jahreswende 1991/1992 noch nicht gebildet. Schon hieran scheitert die Klage. Die Nachbewertung der Grundstücke auf den 31. Dezember 1991 konnte nicht zu einer objektivierbaren Preisfeststellung führen. Damit kann dahingestellt bleiben, ob ihre Ausweisung als Bauland überhaupt geeignet ist, einen Nachforderungsanspruch der Klägerin zu begründen, was das Landgericht verneint hat.
Der Sachverhalt erlaubt es auch nicht, den Nachbewertungsstichtag nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, zu dem eine Ermittlung von Marktpreisen möglich wäre. Denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Bestimmung des Nachbewertungszeitpunkts maßgeblich auf der Vorstellung von einem funktionierenden Grundstücksmarkt aufbaute und nicht dem Interesse der Beklagten an der Kalkulierbarkeit ihres Erwerbs Rechnung tragen sollte.
Die Schwierigkeit der Vereinbarung von Marktpreisen für den Verkauf volkseigener oder ehemals volkseigener Grundstücke auf einer objektivierbaren Grundlage ist bei den Verhandlungen über den Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Erster Staatsvertrag) erkannt worden. Ihr sollte die in der Anlage IX Nr. 4 zu dem Vertrag zugelassene Nachbewertung entgegenwirken. Die hiernach für eine Nachbewertung zugelassenen Regelungen hatten die Verfügbarkeit und die Beleihungsfähigkeit der verkauften Grundstücke zu sichern und die Kalkulierbarkeit der Belastung für den Erwerber zu gewährleisten. Die Übergangszeit sollte kurz sein. Deswegen rechtfertigt die Nachbewertungsklausel für sich allein noch nicht den Schluß, die Parteien hätten den Stichtag maßgeblich in der Erwartung eines dann funktionierenden Grundstücksmarkts gewählt.
Die Wirksamkeit des Vertrages wird vom Scheitern der vereinbarten Nachbewertung gemäß § 12 Abs. 1 der Vertragsurkunde nicht berührt.
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.02.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538941 |
DB 1999, 1388 |
BGHR |
EWiR 1999, 687 |
VIZ 1999, 421 |
WM 1999, 1278 |
ZAP-Ost 1999, 296 |
ZfIR 1999, 442 |
MDR 1999, 735 |
NJ 1999, 483 |