Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung eines Bodenreformgrundstückes. Beweisführung bei Unkenntnis der Erstattungspflicht
Normenkette
EGBGB Art. 233 § 11 Abs. 3 S. 1, § 16 Abs. 2 S. 2; VermRÄndG 2; ZPO § 286
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Erlös aus einem Kaufvertrag über Bodenreformgrundstücke.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war B. J. als Eigentümer mehrerer landwirtschaftlicher Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Die Grundstücke waren ihm aus dem Bodenfonds zugewiesen worden; der Bodenreformvermerk war eingetragen.
B. J. verstarb am 28. Juli 1975. Die Beklagte ist seine einzige Erbin. Sie veräußerte mit notariellem Vertrag vom 23. Januar 1992 zwei Grundstücke zum Preis von 770.000 DM an D. R. und ließ sie ihm auf. Der Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers ging am 21. Februar 1992 bei dem Grundbuchamt ein; die Eintragung erfolgte am 26. November 1992. Im Jahr 1994 wurde der gesamte Kaufpreis gezahlt. Davon verschenkte die Beklagte insgesamt 576.500 DM an Familienangehörige.
Am 4. September 1995 wurde zugunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Die Eigentumsumschreibung auf D. R. erfolgte am 13. November 1995.
Erstmals am 16. November 1995 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche geltend. Mit der Klage hat er u.a. beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 770.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 173.500 DM nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer 576.500 DM verurteilt. Dagegen wendet sie sich mit der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Da der Kläger im Verhandlungstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis (BGHZ 37, 79, 82).
II.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hätte der Kläger als Besserberechtigter von der Beklagten nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB die Auflassung der Grundstücke verlangen können. Wegen der Veräußerung an D. R. schulde die Beklagte nunmehr nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB die Herausgabe des Kaufpreises. Soweit sie ihn verschenkt habe, müsse sie nach § 280 BGB Wertersatz leisten. Auf eine eventuelle Rechtsunkenntnis könne sie sich nach Inkrafttreten des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes am 22. Juli 1992 nicht mehr berufen.
III.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Zu Recht – und von der Revision nicht angegriffen – nimmt das Berufungsgericht allerdings an, daß die Beklagte als Erbin eines aus der Bodenreform Begünstigten ohne die Verfügung über die Grundstücke zu deren Auflassung an den Kläger verpflichtet war und er von ihr nunmehr die Herausgabe des Veräußerungserlöses verlangen kann (vgl. Senatsurt. v. 28. Januar 2000, V ZR 78/99, WM 2000, 833 f m.w.N.).
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das Verschenken von Teilen des Verkaufserlöses nach dem 22. Juli 1992 sei generell vorwerfbar.
Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB beschränkt den an die Stelle des Auflassungsanspruchs tretenden Ersatzanspruch des Klägers auf den Erlös, den die Beklagte für die Veräußerung der Grundstücke erhalten hat (vgl. Senatsurt. v. 18. Juni 1999, V ZR 354/97, WM 1999, 1724, 1726). Für den Fall, daß der Veräußerungserlös nach dem 22. Juli 1992 (Inkrafttreten des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes) verschenkt wurde, hat der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils wiederholt entschieden, der Schenker müsse darlegen und beweisen, daß er seine Erstattungspflicht weder kannte noch kennen mußte, wobei die Unkenntnis der durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz begründeten Ansprüche ihm nicht ohne weiteres vorgeworfen werden könne. Denn daß ein noch vorhandener Erlös herauszugeben ist, habe er bei Anwendung der geschuldeten üblichen Sorgfalt allein aufgrund der Verkündung des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes im Bundesgesetzblatt noch nicht zu erkennen brauchen; vielmehr sei der Zeitpunkt der Berichterstattung in den allgemeinen Medien über die Auswirkungen dieses Gesetzes entscheidend (Senatsurt. v. 18. Juni 1999, aaO, m.w.N.).
Hierzu enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen.
IV.
Um den Parteien Gelegenheit zu geben, zu den vorgenannten Gesichtspunkten ergänzend vorzutragen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Beklagte muß in dem weiteren Verfahren darlegen und beweisen, daß sie jeweils im Zeitpunkt ihrer Verfügungen über den Verkaufserlös keine Kenntnis von ihrer Erstattungspflicht besaß. Da es sich um einen Negativbeweis handelt, dürfen die Anforderungen an die Beweisführung allerdings nicht überspannt werden. Die Beklagte braucht nicht etwa von vornherein alle denkbaren Möglichkeiten einer Kenntnisnahme auszuschließen. Vielmehr kann sie sich zunächst darauf beschränken, die aus dem Streitstoff eventuell folgenden Kenntnismöglichkeiten zu widerlegen. Es ist dann Sache des Klägers, weitere Tatsachen vorzutragen, aus denen gleichwohl der Schluß auf die Möglichkeit zur Kenntniserlangung gezogen werden kann. Diese muß die Beklagte dann widerlegen oder wenigstens ernsthaft in Zweifel stellen (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1992, I ZR 220/90, NJW-RR 1993, 746, 747).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 2 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Tropf, Schneider, Lemke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.05.2000 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 541319 |
VIZ 2000, 613 |