Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.10.1960) |
LG Kassel (Entscheidung vom 30.04.1959) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 11. Oktober 1960 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Auf die Berufung des klagenden L. wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 30. April 1959 wie folgt geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an das klagende L. weitere 147 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1958 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Beklagten zu fünf Elfteln und dem klagenden L. zu sechs Elfteln auferlegt, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Beklagten zu drei Vierzehnteln und dem klagenden L. zu elf Vierzehnteln und die Kosten des Revisionsverfahrens dem Beklagten zu einem Viertel und dem klagenden L. zu drei Vierteln.
Tatbestand
Am 29. Juni 1955 wurde der in den Diensten des klagenden L. stehende Polizeihauptwachtmeister Josef E. bei Ausübung des Dienstes durch einen vom Beklagten verursachten und verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Das L. hat ihm für die Zeit vom Unfalltage bis zum 28. Februar 1958 - ausgenommen Krankenhauszeiten - 719,60 DM Unfallausgleich gezahlt und diesen Betrag neben Aufwendungen für Transport zum Krankenhaus, Krankenhausbehandlung, ärztliches Gutachten und Ersatz für Wertminderung beschädigter Kleidungsstücke zuzüglich Verzugszinsen vom Beklagten ersetzt verlangt. Der Beklagte ist dem Klagebegehren entgegengetreten. Er hat insbesondere die Berechtigung des L. bestritten, wegen des gezahlten Unfallausgleichs gegen ihn Rückgriff zu nehmen, und eingewendet, seine Hafptlichtversicherung habe, nachdem sie die Ersatzansprüche der Krankenkasse des E. reguliert habe, mit diesem selbst zur Abfindung aller Ansprüche aus dem Unfall einen Vergleich geschlossen und die vereinbarte Abfindungssumme an ihn gezahlt.
Das Landgericht hat dem klagenden L. die Beträge für Krankentransport, Krankenhaus und Wertminderung der Kleidungsstücke mit insgesamt 321,30 DM nebst Zinsen abzüglich bezahlter 34,40 DM zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des L. hat das Oberlandesgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen den Beklagten verurteilt, weitere 636,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1958 an das L. zu zahlen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Das L. beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise
als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig. Sie ist von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zugelassen worden (§ 546 ZPO).
Im Revisionsverfahren geht der Rechtsstreit nur noch um den Unfallausgleich. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß wegen der Zahlung an Unfallausgleich, die das klagende L. seinem Beamten nach § 110 des Hessischen Beamtengesetzes (HBG in der Fassung vom 11. November 1954 - GVBl S. 239), geleistet hat, eine Forderung des L. gegenüber dem Beklagten nur begründet ist, wenn und soweit gesetzliche Schadensersatzansprüche des E. gegen den Beklagten, die dem Unfallausgleich kongruent sind, nach § 136 HBG auf das L. übergegangen sind. Das Berufungsgericht hat diese Voraussetzung in verschiedener Hinsicht für gegeben gehalten: E. habe aus Anlaß seines Unfalls die Schwägerin seiner Ehefrau für die Zeit vom 30. Juni bis 28. August 1955 als Hilfskraft für Arbeiten im Haushalt, Garten und für Kinderversorgung eingestellt und ihr hierfür 240 DM gezahlt; infolge einer unfallbedingten Hautkrankheit seien ihm ferner zusätzliche Aufwendungen aus Wäscheverschleiß und für Seifenmittel im Schätzungsbetrage von 100 DM entstanden; durch Verlust seines Füllfederhalters und Beschädigung von Armband und Strümpfen habe er einen Schaden von 46,50 DM erlitten; während 7-monatiger Dienstunfähigkeit sei ihm die Gefahrenzulage entgangen, die er ohne den Unfall mit monatlich 30 DM neben seinem Gehalt bezogen hätte; schließlich habe er Reisekosten im Schätzungsbetrag von 40 DM dafür aufgewendet, daß seine Ehefrau ihn verschiedentlich im Krankenhaus besucht habe. Das Berufungsgericht meint, wegen all dieser Schäden sei der dem Verletzten E. erwachsene Anspruch auf Ersatz durch den Beklagten auf das klagende Land übergegangen.
Diese Auffassung ist zutreffend, soweit es sich um einen Teil der Gefahrenzulage handelt.
In gewollter Übereinstimmung mit § 139 des Bundesbeamtengesetzes (vgl. zweites Hessisches Gesetz zur Änderung und Angleichung von Vorschriften des Besoldungs- und Beamtenrechts an bundesrechtliche Bestimmungen vom 10. November 1954 - GVBl S. 223) und darum im Sinne des § 549 ZPO revisibel (vgl. BGHZ 6, 47, 50), hat § 110 HBG bestimmt, daß der Beamte Unfallausgleich erhält, wenn er infolge Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit wesentlich beschränkt ist. Durch den Unfallausgleich sollen also Erwerbsnachteile ausgeglichen werden, die dem Beamten infolge des Unfalls entstehen. Einen Einkommensausfall bedeutet es, wenn ein Polizeibeamter während unfallbedingter Dienstunfähigkeit nicht die Gefahrenzulage erhält, die er sonst bekommen hätte. Der Anspruch auf Ersatz der entgangenen Gefahrenzulage, den E. gegen den Beklagten erlangt hat, ist seiner Art nach daher von gleichem Zweck wie der Unfallausgleich, den ihm das klagende Land gezahlt hat. Der Forderungsübergang nach § 136 HBG (= § 168 BBG a.F.) setzt aber - ebenso wie im Falle des § 1542 RVO - nicht nur Artgleichheit der Leistungen, sondern auch zeitliche Kongruenz voraus (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 17. November 1959 - VI ZR 207/58 - VersR 1960, 85, 86; vom 12. Juli 1960 - VI ZR 181/59 - LM Nr. 31 zu § 1542 RVO = VersR 1960, 833, 834; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 6. Aufl. TZ 1135). Der Anspruch des E. auf Ersatz der Gefahrenzulage ist auf das klagende L. daher nur insoweit übergegangen, als er Unfallausgleich für solche Zeiträume erhalten hat, in denen ihm keine Gefahrenzulage ausgezahlt worden ist. Diesen Einkommensausfall hat E. nach dem Vorbringen des klagenden L. im Juli/August 1955 und vom 19. Januar bis 24. Juni 1956 gehabt (Schriftsatz vom 20. März 1959 und 8. Februar 1960). Da sich der Unfallausgleich unstreitig bis zum 31. März 1956 auf monatlich 18 DM, danach bis zum 30. April 1957 auf monatlich 25 DM und sodann bis zum 28. Februar 1958 auf monatlich 30 DM belaufen hat (Schriftsatz vom 2. Februar 1959), stehen dem 7-monatigen Ausfall an Gefahrenzulage Unfallausgleichsleistungen gegenüber, die in den letzten 3 Monaten je 25 DM und in den früheren 4 Monaten je 18 DM betragen haben. Nur in Höhe von 3 * 25 = 75 DM + 4 * 18 = 72 DM = 147 DM hat das klagende L. daher aus übergegangenem Recht Anspruch auf Ersatz entgangener Gefahrenzulage erlangt; der Restanspruch ist E. verblieben.
Auch soweit die übrigen Schadensposten in Betracht kommen, hat entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Gewährung von Unfallausgleich keinen Ersatzanspruch des E. auf das L. übergehen lassen. Für den Forderungsübergang fehlt es an der Zweckgleichheit der Ersatzansprüche einerseits und des Unfallausgleichs andererseits.
Bei den Beträgen, die E. an die Schwägerin seiner Ehefrau für ihre Hilfeleistung gezahlt hat, handelt es sich um Mehraufwendungen, die ihm nach den Feststellungen des Berufungsgerichts infolge des Unfalls darum entstanden sind, weil seine Ehefrau neben den Krankenbesuchen und der späteren häuslichen Pflege die laufenden Arbeiten in Haushalt und Garten nicht allein bewältigen konnte. Die Aufwendungen hatten ihre Ursache also in unfallbedingten vermehrten Bedürfnissen des E.. Das gleiche gilt für die erhöhten Aufwendungen für Wäsche und Seifenmittel sowie für die Kosten der Besuchsfahrten seiner Ehefrau zum Krankenhaus. Die übrigen Schadensposten betreffen Sachschäden. Mit all diesen Schäden hat der Unfallausgleich nichts zu tun. Voraussetzung für die Gewährung von Unfallausgleich ist nicht eine Vermehrung der Bedürfnisse oder entstandener Sachschaden, sondern eine Beschränkung der Erwerbsfähigkeit; seine Leistung soll demgemäß einen Ausgleich für eingetretene Erwerbsminderung bieten. So ist es nicht nur, wenn der Beamte infolge seines Unfalls in den Ruhestand versetzt wird, sondern auch dann, wenn der Beamte weiter im Dienst bleibt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30. Mai 1958 - VI ZR 90/57 - VersR 1958, 528, 529 und vom 16. Mai 1961 - VI ZR 126/60 - VersR 1961, 638; zustimmend Wussow in WI 1961 S. 105, 106). Wirkt sich in einem solchen Fall die Unfallverletzung nicht - wie hier mit dem vorübergehenden Wegfall der Gefahrenzulage - auf die Höhe der Dienstbezüge des Beamten aus, so kommt jener Zweck freilich nur insofern in Betracht, als sich infolge der Verletzungen etwa die Möglichkeiten seiner weiteren Verwendung und Beförderung gemindert haben. Der Zweck des Unfallausgleichs mag daher nicht immer und ausschließlich darin bestehen, dem Beamten materielle Erwerbsnachteile zu ersetzen; auch immaterielle Verluste und Unannehmlichkeiten mögen mit ihm abgegolten werden sollen. Nach Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist aber die Annahme nicht gerechtfertigt, daß es der Zweck des Unfallausgleichs sei, auch vermehrte Bedürfnisse des verletzten Beamten zu decken oder ihn für Sachschäden zu entschädigen (vgl. hierzu das vorstehend angeführte Urteil vom 16. Mai 1961).
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein Forderungsübergang nach § 136 HBG komme auch unter dem Gesichtspunkt in Betracht, daß jedenfalls für einen Teil der Schäden Unfallfürsorge nach §§ 107-109 HBG zu leisten gewesen sei; dies gelte für die Aufwendungen für Haushaltshilfe, soweit sie auf die Zeit nach der Entlassung des E. aus dem Krankenhaus entfielen (23. Juli bis 28. August 1955), für den Mehraufwand für Wäscheverschleiß und zusätzliche Waschmittel sowie für den Verlust des Füllfederhalters und die Beschädigung von Armband und Strümpfen. Für den Übergang der gleichgearteten Schadensersatzansprüche des E. gegen den Beklagten auf das klagende L. komme es nicht darauf an, ob dieses bereits solche Fürsorgeleistungen erbracht habe; der Übergang vollziehe sich ohne weiteres mit der Entstehung der Schadensersatzansprüche, soweit nur eine Verpflichtung des Dienstherrn zu den Fürsorgeleistungen bestehe. Für die Berechtigung der Klage sei es unerheblich, ob sich der Übergang aus § 136 in Verbindung mit § 110 HBG oder aus § 136 in Verbindung mit §§ 107-109 HBG ergebe; eine Änderung des Klagegrundes liege insoweit nicht vor, eine solche wäre im übrigen auch als sachdienlich zuzulassen.
Bei diesen Erwägungen hat das Berufungsgericht verkannt, daß sich das klagende L. mit dem Anspruch auf Erstattung von 719,60 DM nicht wegen besonderer Unfallfürsorgeleistungen nach §§ 107-109 HBG, sondern wegen des nach § 110 HBG gewährten Unfallausgleichs beim Beklagten schadlos halten will. Fürsorgeleistungen, die es nach den erstgenannten Bestimmungen gewährt hat, waren die Übernahme der Krankentransport- und Krankenhauskosten und die Zahlung von 34,40 DM als Ersatz für die Wertminderung beschädigter Kleidungsstücke. Die entsprechenden Beträge sind mit der Klage neben dem Unfallausgleich geltend gemacht worden und haben inzwischen ihre Erledigung gefunden. Das klagende L. hat aber weder behauptet, daß es weitergehende Fürsorgeleistungen der in den §§ 107-109 HBG gekennzeichneten Art erbracht habe, noch auch vorgetragen, daß es solche weitergehende Leistungen noch werde erbringen müssen und erbringen werde. Gewiß vollzieht sich der Forderungsübergang nach § 136 HBG (ebenso wie der nach § 1542 RVO) im Zeitpunkt des vom Schädiger verursachten und seine Schadensersatzpflicht begründenden Unfalls. Es ist ein Forderungsübergang gewissermaßen "dem Grunde nach", der die Schadensersatzforderungen des Verletzten zugunsten des Dienstherrn (nach § 1542 RVO: zugunsten des Versicherungsträgers) ergreift, bevor noch feststeht, in welcher Höhe ihm ein Schaden erwächst und Versorgungsleistungen (bzw. Versicherungsleistungen) gewährt werden. Zahlung kann der Zessionar von dem Schädiger aber erst fordern, nachdem sich der Forderungsübergang konkretisiert hat. Nur im Umfang der Leistungen (§ 1542 RVO) und der Versorgungsbezüge (§ 136 HBG) geht auf den Zessionar der Schadensersatzanspruch des Verletzten über. Auf die vom Berufungsgericht hier ins Auge gefaßten Schäden hat das klagende L. seinem Beamten aber bisher keine Versorgungsbezüge gewährt; mangels jeglichen dahingehenden Sachvortrags kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß es ihm - über 6 Jahre nach dem Unfall - ungeachtet der in § 121 HBG bestimmten Ausschlußfrist von 2 Jahren zur Anmeldung von Unfallfürsorgeansprüchen solche Leistungen jetzt noch gewähren wird. Die hier in Rede stehenden Beträge hat es verlangt, um sich wegen des gewährten Unfallausgleichs bezahlt zu machen; es liegt aber kein Anhalt für die Annahme vor, daß es die Beträge beanspruche, um sie - in weiterer Gewährung von Unfallfürsorge - an Er. abzuführen, der sich mit dem Versicherer des Beklagten über den Ausgleich seines Schadens verglichen hat.
Bei dieser Sachlage kann es dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Berufungsgerichts gebilligt werden könnte, daß die Aufwendungen für die Hilfskraft für Arbeiten in Haushalt und Garten als Kosten einer Pflege wegen unfallbedingter Hilflosigkeit im Sinne des § 109 HBG anzusehen seien und daß es sich rechtfertige, das klagende L. zur Ersatzleistung für die verlorenen oder beschädigten Sachen für verpflichtet zu halten, obschon es nach der Kannvorschrift des § 107 HBG in dem Ermessen des Dienstherrn liegt, solche Leistungen im Wege der Unfallfürsorge zu gewähren.
Soweit das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt hat an das klagende L. über den vom Landgericht zugesprochenen Betrag hinaus mehr als 147 DM nebst Zinsen zu zahlen, kann das Urteil hiernach nicht bestehen bleiben. Die Klage muß zu dem Mehrbetrag abgewiesen werden.
Daß der Vergleich, den E. mit dem Versicherer des Beklagten geschlossen hat, dem Anspruch auf Zahlung der 147 DM nicht entgegensteht, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt; in dieser Hinsicht werden von der Revision auch keine Bedenken erhoben. Zu dem Betrag von 147 DM nebst Zinsen muß das Berufungsurteil daher bestätigt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Fundstellen