Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietrecht: Anwendung der Vorschriften über die Unmöglichkeit bei Unzumutbarkeit der Wiederherstellung der ohne Verschulden der Vertragsparteien beschädigten Mietsache
Leitsatz (amtlich)
Wird die Mietsache nach deren Überlassung an den Mieter ohne dessen Verschulden derart beschädigt, daß die Wiederherstellung dem Vermieter nicht zumutbar ist, werden die Parteien nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 275, 323 Abs. 1 BGB von ihren vertraglichen Pflichten frei; eine Anwendung des § 537 Abs. 1 BGB scheidet aus.
Normenkette
BGB §§ 537, 275, 323 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.05.1989; Aktenzeichen 24 U 288/88) |
LG Duisburg (Entscheidung vom 08.04.1988; Aktenzeichen 16 O 114/87) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Mai 1989 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin vermietete mit schriftlichem Vertrag vom 1. März 1986 der Beklagten zwei gebrauchte Muldenkipper mit den Maschinen-Endnummern … 2 und … 3 zum Transport heißer Schlacke. Als Mietzeit wurde vereinbart: „Auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch auf die Dauer zunächst bis 31.12.86”; hinsichtlich der Arbeitszeit enthielt der Vertrag die Angabe „nach Bedarf”. Der Mietzins für jeden der beiden Lkw betrug 9.500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, somit 10.830 DM monatlich. In den in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin war u. a. bestimmt:
§ 8 Unterhaltungspflicht des Mieters:
1. Der Mieter ist verpflichtet:
- das gemietete Gerät vor Überbeanspruchung in jeder Weise zu schützen;
- für sach- und fachgerechte Wartung und Pflege des Gerätes Sorge zu tragen;
- notwendige Instandsetzungsarbeiten sofort sach- und fachgerecht unter Verwendung von Original- oder gleichwertigen Ersatzteilen auf seine Kosten vornehmen zu lassen, es sei denn, der Mieter und seine Hilfspersonen haben nachweislich jede gebotene Sorgfalt beachtet.
…
Der Muldenkipper mit der Endnummer … 3 erlitt im August 1986 einen Bruch der Vorderachse und war seitdem nicht mehr einsatzfähig. Laut Kostenvoranschlag der Fa. O.&K. vom 17. Februar 1987 belief sich der Reparaturaufwand auf 147.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer; die Reparatur wurde deshalb von der Beklagten nicht in Auftrag gegeben. Mit Schreiben vom 23. April 1987 erklärte die Beklagte die Kündigung des Mietvertrages gegenüber der Klägerin; den Betrieb des Muldenkippers Endnummer 12 stellte sie im Mai 1987 ein.
Den vereinbarten Mietzins entrichtete die Beklagte für den Muldenkipper Endnummer … 2 bis einschließlich März 1987, für den Muldenkipper Endnummer … 3 bis einschließlich Februar 1987. Mit der Klage hat die Klägerin, zu der die Muldenkipper Anfang 1988 zurücktransportiert wurden, den Mietzins für beide Fahrzeuge bis einschließlich Juli 1987 geltend gemacht (Endnummer 202: 4 × 9.500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer; Endnummer 203: 5 × 9.500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer) und insgesamt 97.470 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat eine Nutzungsentschädigung in Höhe des vereinbarten Mietzinses für den Muldenkipper Endnummer … 2 für die Monate April und Mai 1987 zuerkannt (21.660 DM nebst Zinsen) und die Klage im übrigen abgewiesen.
Mit der Berufung hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich der weitergehenden Klageforderung erstrebt. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz hilfsweise die Aufrechnung mit einem Rückzahlungsanspruch wegen des für den Muldenkipper Endnummer … 3 seit September 1986 gezahlten Mietzinses erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter. Die Beklagte war in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 1990, zu der sie ordnungsgemäß geladen worden ist, nicht vertreten. Die Klägerin hat den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Für den Muldenkipper Endnummer … 2 schulde die Beklagte für die Monate Juni und Juli 1987 den vereinbarten Mietzins (21.660 DM).
Für den Muldenkipper Endnummer … 3 stehe der Klägerin hingegen ab September 1986 weder Mietzins noch Nutzungsentschädigung (§ 557 BGB) zu. Die Beklagte sei nach § 537 BGB von der Mietzinspflicht befreit gewesen, da der Muldenkipper wegen des im August 1986 eingetretenen Achsschadens nicht mehr einsatzfähig gewesen sei. Die Beklagte habe auch nicht aufgrund von § 8 Nr. 1 c der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin das Fahrzeug wieder instandsetzen müssen. Diese Klausel erfasse einen solchen Schaden nicht, da der veranschlagte Reparaturkostenaufwand von 147.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer den Wert des gemieteten Lkw so erheblich übersteige, daß nicht nur von einem wirtschaftlichen Totalschaden auszugehen sei, sondern ein solcher Schadensfall auch nicht mehr der Instandhaltungsverpflichtung der Beklagten unterliege. Eine Instandsetzungspflicht treffe die Beklagte auch nicht deshalb, weil sie den Schaden durch übermäßige Benutzung verschuldet habe. Die Beklagte habe die Fahrzeuge nämlich in dem nach den jeweiligen Umständen erforderlichen Bedarf einsetzen dürfen. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, daß es zu dem Achsschaden nur wegen nicht Vertrags- und ordnungsgemäßer Wartung des Fahrzeugs durch die Beklagte gekommen sei. Aber auch wenn die Beklagte ihr fehlendes Verschulden nachweisen müsse, habe sie den von ihr zu erbringenden Beweis geführt.
Die danach der Klägerin nur zustehende Forderung von 21.660 DM sei jedoch durch Aufrechnung erloschen. Die Beklagte habe nämlich hinsichtlich des Muldenkippers Endnummer 203 einen Anspruch auf Rückzahlung des Mietzinses, den sie für die Monate September 1986 bis Februar 1987 erbracht habe. Der Anspruch ergebe sich aus § 812 BGB, da die Klägerin wegen der Mangelhaftigkeit dieses Lkw um den Mietzins ohne Rechtsgrund bereichert sei. Der Rückzahlungsanspruch werde nicht durch § 814 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte sei sich im Hinblick auf die übernommene Instandsetzungsverpflichtung offensichtlich nicht darüber klar gewesen, daß sie infolge des Umfangs des Schadens an dem Muldenkipper Endnummer 203 zu dessen Reparatur nicht mehr verpflichtet gewesen sei. Das ergebe sich insbesondere aus ihrem Schreiben vom 23. April 1987 an die Bevollmächtigten der Klägerin, in dem die Beklagte darauf hingewiesen habe, daß sie angesichts eines Reparaturaufwandes von ca. 150.000 DM nicht mehr bereit sei, für das nicht einsetzbare Fahrzeug eine Nutzungsentschädigung zu entrichten. Hinzu komme, daß die genannte Vertragsklausel in ihrer Bedeutung zwischen den Parteien streitig und vom Wortlaut her nicht ganz unzweifelhaft sei.
II. Auf Antrag der Klägerin war durch Versäumnisurteil zu erkennen. Die Entscheidung beruht jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, denn das Berufungsurteil hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Soweit das Berufungsgericht zunächst einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Mietzins oder Nutzungsentschädigung (§ 557 Abs. 1 BGB) für den Muldenkipper Endnummer … 2 auch für die Monate Juni und Juli 1987 in Höhe von insgesamt 21.660 DM bejaht hat, ist seine Entscheidung für das Revisionsgericht bindend, da die Beklagte kein Anschlußrechtsmittel eingelegt hat (BGHZ 109, 179, 186 ff im Anschluß an BGH, Urteil vom 14. Oktober 1971 – VII ZR 47/70 = WM 1972, 53, 54 unter 2 a).
2. Soweit das Berufungsgericht weiter ausführt, daß die Beklagte hingegen seit September 1986 für den Muldenkipper Endnummer … 3 weder Mietzins noch Nutzungsentschädigung schuldet, ist dies im Ergebnis zutreffend.
a) Das Berufungsgericht meint, der Mietzinsanspruch sei gemäß § 537 BGB entfallen. Dem kann nicht beigetreten werden. § 537 BGB setzt voraus, daß die Mietsache einen Fehler auf weist; daran mangelt es hier.
Unter einem Fehler im Sinne dieser Vorschrift ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten Zustand zu verstehen (Emmerich/Sonnenschein, Miete, 5. Aufl., § 537 Rz. 2; Kraemer in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Kap. III RN. 1328). Danach könnte ein Fehler hier nur bejaht werden, wenn der Vermieter noch die Gebrauchsgewährung des Muldenkippers Endnummer 203 ohne Achsschaden schuldete, also zur Beseitigung des Achsschadens verpflichtet gewesen wäre. Das ist indes nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Reparatur des Lkw nach dem von der Beklagten eingeholten Kostenvoranschlag 147.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer kosten würde. Dies übersteigt nach Auffassung des Berufungsgerichts den Wert des Fahrzeugs aber so erheblich, daß ein wirtschaftlicher Totalschaden anzunehmen ist. Daraus ist zu folgern, daß die Reparatur des Muldenkippers zwar technisch möglich, dem Vermieter jedoch nicht zuzumuten ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß die Verpflichtung des Vermieters zur Wiederherstellung der Mietsache dort endet, wo der dazu erforderliche Aufwand die „Opfergrenze” übersteigt (BGH Urteile vom 26. Februar 1957 – VIII ZR 41/56 = LM § 536 BGB Nr. 4; vom 12. Januar 1977 – VIII ZR 142/75 = WM 1977, 400, 401 unter 3 a). Dann liegt nämlich ein Fall der Unmöglichkeit vor, der den Vermieter gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Pflicht frei werden läßt, sofern er – wie im vorliegenden Fall – die zur Unmöglichkeit führenden Umstände nicht zu vertreten hat (RGZ 89, 203, 207; vgl. auch Mittelstein, Miete, 4. Aufl. S. 266 f; Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl. 2. Bearb. 1981, §§ 535, 536 Rz. 48, Vorbem. zu § 537 Rz. 8 ff; Emmerich/Sonnenschein aaO, Rz. 6 vor § 537; MünchKomm/Voelskow, BGB, 2. Aufl., §§ 535, 536, RdNr. 66, 67 sowie RdNr. 6 vor §§ 537 bis 543; Kraemer aaO, RN. 1192; Roquette, Das Mietrecht des BGB, 1966, § 536 Rdnr. 30 Fn. 28).
Dabei ist nicht erforderlich, daß der Vermieter – anders als dies § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB für die Nachbesserungspflicht des Werkunternehmers bestimmt – die Beseitigung des Mangels wegen unverhältnismäßigen Aufwandes verweigert.
Die Unmöglichkeit der Leistung der Klägerin entfällt hier auch nicht etwa deshalb, weil die Beklagte zur Reparatur des Muldenkippers verpflichtet gewesen wäre. Eine solche Pflicht bestand nicht. Sie ergab sich weder, aus dem Gesetz noch folgte sie aus § 8 Nr. 1 c der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Diese Vertragsbestimmung setzt voraus, daß der Mieter und seine Hilfspersonen nicht jede gebotene Sorgfalt beachtet haben. Wie das Berufungsgericht rechts fehlerfrei und auch ohne Angriffe der Revision festgestellt hat, ist die Beklagte ihrer Wartungspflicht hinsichtlich des Muldenkippers Endnummer 13 nachgekommen. Sie hat deshalb die gebotene Sorgfalt beachtet.
b) Im Schrifttum wird freilich die Ansicht vertreten, § 537 Abs. 1 BGB gelte auch dann, wenn dem Vermieter die Beseitigung des Mangels nicht zuzumuten sei (Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 5. Aufl., Rz. 117; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., II Rdnr. 501 mit allerdings nicht zutreffendem Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 16. Januar 1963 – VIII ZR 169/61 = NJW 1963, 804; noch weitergehend Soergel/Kummer, BGB, 11. Aufl., §§ 535–536, Rdnr. 127). Dem ist jedoch nicht beizupflichten. Die genannte Auffassung läßt außer acht, daß – wie zuvor ausgeführt – bereits der Tatbestand eines Fehlers i. S. des § 537 BGB nicht vorliegt, soweit der Vermieter zur Behebung des Schadens nicht mehr verpflichtet ist. Vielmehr finden in einem solchen Fall bezüglich der Mietzahlungspflicht die allgemeinen Vorschriften über die Unmöglichkeit (§§ 323 ff BGB) Anwendung.
c) Danach sind die Voraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB gegeben, da die Beklagte die Unmöglichkeit der der Klägerin obliegenden Leistung – wie oben ausgeführt – gleichfalls nicht zu vertreten hat. Damit hat die Klägerin ihren Mietzinsanspruch gemäß § 323 Abs. 1 BGB ab dem Zeitpunkt des Achsbruchs (August 1986) verloren.
d) Die von der Revision gegen die vom Berufungsgericht bejahte Mietzinsminderung ins Feld geführte entsprechende Anwendung von § 539 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Januar 1976 – VIII ZR 113/74 = WM 1976, 385, 387 unter II 2 d bb) kommt gegenüber § 323 Abs. 1 BGB ebensowenig in Betracht wie ein Verlust von Gewährleistungsrechten wegen unterlassener Mängelanzeige (§ 545 Abs. 2, 2. Halbs. BGB).
Für einen – etwa auch unabhängig von § 545 Abs. 2, 1. Halbsatz BGB bestehenden – Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht der Beklagten, die Klägerin auf den eingetretenen wirtschaftlichen Totalschaden der Mietsache hinzuweisen, ergeben sich aus dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
3. Demgemäß konnte die Beklagte gegenüber der Mietzinsforderung der Klägerin wegen des Muldenkippers Endnummer 202 mit einem Anspruch auf Rückzahlung des für den Muldenkipper Endnummer 203 entrichteten Mietzinses aufrechnen.
Der Rückforderungsanspruch besteht gemäß § 323 Abs. 3, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn die Beklagte hat die Zahlungen für die Zeit von September 1986 bis Februar 1987 ohne rechtlichen Grund geleistet (siehe oben 2.); diese Zahlungen übersteigen die der Klägerin zustehende Mietzinsforderung (Juni, Juli 1987) für den Muldenkipper Endnummer 202.
Der Anspruch ist nicht durch § 814 BGB ausgeschlossen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlte der Beklagten die Kenntnis vom mangelnden Rechtsgrund für ihre Zahlung (siehe dazu auch BGH, Urteil vom 30. Oktober 1972 – VIII ZR 165/71 = LM § 539 ZPO Nr. 6 unter II 3).
Unterschriften
Dr. Skibbe, Dr. Brunotte, Dr. Paulusch, Dr. Hübsch, Dr. Beyer
Fundstellen
Haufe-Index 538029 |
BB 1990, 2366 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1990, 1483 |