Verfahrensgang
LG Augsburg (Urteil vom 05.10.2006) |
Tenor
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 5. Oktober 2006 wird verworfen.
Der Beschuldigte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
Rz. 1
Der heute neunundsechzigjährige Beschuldigte leidet in Folge einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0) an einer ausgeprägten Wahnsymptomatik. Nach den Feststellungen des Landgerichts verletzte der Beschuldigte den Zeugen F. M. mittels eines Maurerhammers und verwirklichte so den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB), handelte aber mangels Einsichtsfähigkeit aufgrund seiner krankhaften seelischen Störung ohne Schuld (§ 20 StGB). Das Landgericht hat die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet; die – sofortige – Aussetzung von deren Vollstreckung zur Bewährung (§ 67b StGB) hat sie versagt.
Rz. 2
Die Feststellungen der Strafkammer zur Anlasstat sind rechtsfehlerfrei, wie auch die Anordnung der Maßnahme. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus steht insbesondere nicht außer Verhältnis zur Anlasstat, zu erwartenden Taten sowie zu der vom Beschuldigten ausgehenden Gefahr. Dass der Angriff des Beschuldigten auf den Geschädigten letztlich glimpflich verlief, war lediglich dem geschickten Abwehrverhalten des Geschädigten und dessen Flucht zu verdanken. Die gezielte Bereitstellung des Maurerhammers als Kampfgerät und das des Öfteren beim Beschuldigten beobachtete Beisichtragen eines Messers „zu Verteidigungszwecken” lassen ohne die Unterbringung in der Zukunft Taten mit schwerwiegenden Folgen befürchten.
Rz. 3
Ebenso hat das Landgericht die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung nach § 67b Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei abgelehnt. Besondere Umstände, die die Erwartung rechtfertigen könnten, auch bei Aussetzung der Unterbringung könne der Zweck der Maßregel erreicht werden, waren nach den Feststellungen der Strafkammer zum Urteilszeitpunkt nicht ersichtlich. Der Beschuldigte war zur ambulanten Behandlung nicht bereit. Die Einnahme von Medikamenten verweigerte er auch seit seiner vorläufigen Unterbringung. Er hatte keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit einer psychiatrischen Behandlung.
Rz. 4
Zwar können dem Beschuldigten im Falle der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung zugleich mit dem Urteil Weisungen erteilt werden (§ 268a Abs. 2 StPO), etwa sich einer medikamentösen Behandlung zu unterziehen oder sich im Rahmen eines „betreuten Wohnens” oder in einer „Nachsorgeeinrichtung” ambulant behandeln zu lassen. Außerdem tritt nach § 67b Abs. 2 StGB mit der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung Führungsaufsicht ein. Dann wird der Beschuldigte zugleich einem Bewährungshelfer unterstellt (§ 68a StGB). Für sich genommen begründen diese rechtlichen Möglichkeiten noch nicht die Voraussetzungen des § 67b Abs. 1 StGB (vgl. BGH RuP 2002, 192; BGH, Urteil vom 16. März 1993 – 1 StR 888/92 – in NStZ 1993, 395 insoweit nicht abgedruckt), sondern nur dann, wenn die damit gegebenen Überwachungsmöglichkeiten und das dem Beschuldigten zu verdeutlichende Risiko, bei Nichterfüllung anzuordnender Weisungen (§ 68b StGB) mit dem Vollzug der Unterbringung rechnen zu müssen, im konkreten Fall tatsächlich eine hinreichende Gewähr dafür bieten, der Beschuldigte werde sich einer ambulanten medikamentösen Behandlung unterziehen, so dass die Erwartung gerechtfertigt ist, der Zweck der Maßregel werde auch ohne Vollzug der Unterbringung erreicht werden (vgl. BGHR StGB § 67b Gesamtwürdigung 1; BGH NStZ 1988, 309, 310; vgl. auch Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 67b Rdn. 3; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 67b Rdn. 6). Angesicht der verfestigten Wahnvorstellungen des Beschuldigten und seiner damit argumentativ eng verknüpften entschiedenen Weigerung, sich – insbesondere medikamentös – behandeln zu lassen, lag – zum Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils – die Annahme, allein gerichtliche Weisungen oder Anordnungen eines Bewährungshelfers könnten beim Beschuldigten einen Gesinnungswandel herbeiführen, jedoch fern. Näherer Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte dies daher nicht.
Rz. 5
Die weniger stigmatisierende und schon deshalb regelmäßig für einen Beschuldigten günstigere Unterbringung nach Landesgesetzen, hier gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Unterbringungsgesetzes, ist zwar grundsätzlich eine Alternative zur strafrechtlichen Unterbringung (BGHSt 34, 313, 316 ff.). Gegenstand einer strafprozessualen Anordnung, einer Bewährungsauflage, kann dies jedoch – im Hinblick auf die landesrechtlichen Zuständigkeiten zur Anordnung der Maßnahme – nicht sein. Entsprechendes gilt für eine zivilrechtliche Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch den Betreuer mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gemäß § 1906 Abs. 2 BGB (vgl. BGHR StGB § 67b Abs. 1 Besondere Umstände 3 [Unterbringung durch den Vormund]), die dann auch das Recht umfasst, den notwendigen ärztlichen Maßnahmen entgegenstehenden Willen des Betreuten zu überwinden (vgl. BGHZ 166, 141, 148 ff.). Die Vollstreckung einer strafprozessualen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67b StGB auszusetzen – oder gar von deren Anordnung abzusehen – kommt in entsprechenden Fällen deshalb nur in Betracht, wenn eine alternative Maßnahme von der hierfür zuständigen Stelle bereits angeordnet ist und ein nahtloser Übergang so gewährleistet ist. Im vorliegenden Fall war diese Voraussetzung zum Urteilszeitpunkt nicht gegeben. Allerdings werden die genannten Alternativen in Zukunft im Rahmen der gemäß § 67e StGB gebotenen Überprüfung der Maßregel zur Gewährleistung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Erwägung zu ziehen, unter Umständen sogar geboten sein. Hierzu werden wegen der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und der darauf beruhenden auseinander gehenden Kompetenzzuweisungen Absprachen mit den für die jeweiligen Anordnungen zuständigen Stellen und Personen notwendig sein. Der Grundsatz der Subsidiarität des Vollzugs der landesrechtlichen Unterbringung gemäß Art. 1 Abs. 2 des Bayerischen Unterbringungsgesetzes steht bei entsprechender Abstimmung des Vorgehens nicht entgegen. Entsprechendes in die Wege zu leiten, ist im vorliegenden Fall primär Sache der Justiz, als dem staatlichen Bereich, der den kranken schuldunfähigen Beschuldigten – bereits mit der vorläufigen Unterbringung gemäß § 126a StPO – in Obhut nahm und damit auch dafür verantwortlich ist, dass das mit der Maßnahme der Unterbringung des schuldunfähigen Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus verbundene Übel minimiert wird (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 – 1 StR 410/06).
Unterschriften
Nack, Herr RiBGH Dr. Wahl befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack, Kolz, Hebenstreit, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2553200 |
NStZ 2007, 465 |
NStZ-RR 2008, 305 |
StV 2007, 412 |
R&P 2007, 201 |