Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage, ob die Verwendung des Professoren-Titels in der Werbung eines Idealvereins für eine medizinische Therapie irreführend im Sinne des § 3 Nr. 3 b HWG ist, wenn diese Therapie von einem Wissenschaftler entwickelt worden ist, dem der Professoren-Titel für seine Leistungen auf dem Gebiet der Physik verliehen worden ist, der aber selbst keine medizinische Ausbildung abgeleistet hat.
b) Die Verwendung eines fremdsprachlichen Begriffs in der Gesundheitswerbung ist nach § 11 Nr. 6 HWG nicht schlechthin untersagt, sondern unter Umständen zulässig, wenn der Begriff entweder in der Werbung selbst in verständlicher Weise erläutert wird oder sich jedenfalls hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang der Werbung ergibt.
c) Zur Zulässigkeit der Werbung für eine Therapie mit der Aussage, diese Therapie mindere die Folgen einer – im Falle einer von § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG erfaßten Krankheit angewendeten – herkömmlichen Therapie und unterstütze diese Therapie in ihrer Wirksamkeit.
Normenkette
HeilMWerbG (HWG) § 3 Nr. 3 b; HeilMWerbG (HWG) § 11 Nr. 6; HeilMWerbG (HWG) § 12 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 25.02.1993) |
LG München I (Urteil vom 29.01.1992) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. Februar 1993 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 29. Januar 1992 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die berufsständische Organisation der Ärzte in B.. Die Beklagte ist ein Verein, dessen Zweck in der Förderung der sogenannten Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie besteht. Erfinder dieser Therapie ist Prof. Manfred v. Ardenne, der 1956 von der Technischen Hochschule Dresden in Anerkennung seiner Erfolge in Forschung und Entwicklung zum „Prof. für elektronische Sonderprobleme der Kerntechnik” ernannt wurde. Nach den vorgelegten Unterlagen ist ihm neben anderen Ehrendoktortiteln auch der „Dr. med.h.c.” verliehen worden. Eine medizinische Ausbildung hat er nicht erfahren.
Die Beklagte übersendet Interessenten auf Anfrage Unterlagen über die von ihr geförderte Therapie. Zu den Unterlagen gehören u.a. eine vierseitige Informationsschrift über die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Prof. v. Ardenne, in der sich die im Klageantrag zu 2 wiedergegebenen Formulierungen und Ausdrücke finden, sowie eine Liste mit Namen und Anschriften von Ärzten, die in die Behandlung mit der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie eingewiesen wurden.
Die Klägerin hat die Bezeichnung Manfred v. Ardennes als Professor im Rahmen einer Gesundheitswerbung, einzelne Formulierungen und Ausdrücke sowie die Namensliste als wettbewerbswidrig beanstandet, weil damit gegen das ärztliche Werbeverbot und Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes verstoßen werde.
Sie hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise bei der Werbung für Sauerstoff-Therapie
- Manfred v. Ardenne als „Prof.” und/oder „Prof. Dr. h.c. mult.” zu bezeichnen,
folgende Formulierungen und Ausdrücke zu verwenden:
- „nur der Therapeut, der die genaue Anwendung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie garantiert, wird von Prof. von Ardenne autorisiert.”
- „Kapillaren.”
- „Milderung der Folgen einer herkömmlichen Krebstherapie (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie) und Unterstützung dieser Therapieformen in ihrer Wirksamkeit.”
- „Selbstverständlich werden die Behandlungen unter erfahrener ärztlicher Beratung durchgeführt.”
Folgende Ärzte als in die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach M. v. Ardenne eingewiesen zu bezeichnen:
– es folgen die Namen und Ortsangaben von 17 Ärzten –.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die beanstandeten Angaben und Aussagen als Verstoß gegen § 1 UWG in Verbindung mit Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes gewertet und dazu ausgeführt:
Die Bezeichnung Manfred v. Ardennes als „Prof.” oder „Prof. Dr. h.c. mult.” (Antrag zu 1) im Rahmen einer an das allgemeine Publikum gerichteten Gesundheitswerbung verstoße gegen § 3 Nr. 3 b HWG. Werde ein Professor mit einer Behandlungsmethode in Verbindung gebracht, so erwartet der angesprochene Verkehr, daß es sich um einen Professor der Medizin handele.
Die Angabe, nur der Therapeut, der die genaue Anwendung der Therapie garantiere, werde von Prof. v. Ardenne autorisiert (Antrag zu 2 a), verstoße gegen das ärztliche Werbeverbot und gegen § 11 Nr. 2 HWG. Einerseits würden die Ärzte, die die Methode ebenfalls beherrschten ohne von Manfred v. Ardenne autorisiert zu sein herabgesetzt, andererseits enthalte die Aussage die Behauptung, die Behandlung nach der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie werde sowohl fachlich empfohlen als auch ärztlich angewendet.
Die Verwendung des fremdsprachlichen Begriffs „Kapillare” (Antrag zu 2 b) in einer Werbung außerhalb der Fachkreise sei nach § 11 Nr. 6 HWG untersagt.
Die Aussage, durch die Anwendung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie würden die Folgen einer herkömmlichen Krebstherapie gemildert und in ihrer Wirksamkeit unterstützt (Antrag zu 2 c), sei eine nach § 12 Abs. 2 HWG unzulässige Werbung. Damit werde für die Behandlung einer Geschwulstkrankheit geworben, die zumindest der Linderung dieser Krankheit diene.
Die Werbung mit der Behandlung unter erfahrener ärztlicher Beratung (Antrag zu 2 d) falle unter das Verbot des § 11 Nr. 2 HWG.
Schließlich verstoße auch die Übersendung der Ärzte-Liste gegen das ärztliche Werbeverbot (Antrag zu 3), weil das Publikum annähme, nur die aufgeführten Ärzte würden die ordnungsgemäße Anwendung der Therapie gewährleisten.
II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils.
1. Entgegen den von der Revision angeführten Zweifeln handelt es sich allerdings bei den übersandten Unterlagen, die die beanstandeten Aussagen enthalten, um Werbung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG, auf die das Heilmittelwerbegesetz Anwendung findet. Die Revision meint, die Beklagte wolle den anfragenden Interessenten keine Produkte oder Verfahren verkaufen, sondern sie gemäß ihrem Vereinszweck über die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie kompetent informieren. Die Tätigkeit der Beklagten und der Inhalt ihrer Informationsschriften müßten deshalb unter Beachtung dieser Zwecksetzung und des Charakters der Beklagten als Idealverein beurteilt werden.
Dieser Auslegung liegt ein zu enges Verständnis des Begriffs der Werbung im Heilmittelwerbegesetz zugrunde. Produkt- oder leistungsbezogene Aussagen sind heilmittelrechtlich Werbung, wenn sie darauf angelegt sind, die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu erregen, deren Interesse zu wecken und damit den Absatz von Waren oder Leistungen zu fördern (vgl. auch Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 1980, § 1 Rdn. 8). Die von der Revision angeführten Umstände können sich zwar auf die Beurteilung der Zulässigkeit einer konkreten Werbeaussage auswirken, stehen aber der Annahme einer Werbung nicht generell entgegen. Denn begrifflich ist Werbung auch eine objektive, sachliche Information, und auch der Verkehr versteht Werbung jedenfalls im Gesundheitsbereich keineswegs als einseitige, reklamehafte oder auch sonst besonders anpreisende Darstellung, sondern erwartet von ihr auch eine gewisse sachliche Information (vgl. BGHZ 114, 354, 356 – Katovit). So gesehen kann Werbung auch durchaus durch einen Idealverein erfolgen, wenn dadurch fremde Interessen gefördert werden. So liegt es hier.
Die Beklagte beschränkt sich in ihren Unterlagen nicht auf eine bloße Aufklärung über die von ihr geförderte Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie, sondern sie stellt sie auch besonders heraus, indem sie zum Beispiel auf Seite 2 ihrer Informationsschrift ausführt, Prof. v. Ardenne zeige eindrucksvoll, wie es mit dieser einfach durchzuführenden Therapie gelinge, größte Erfolge für den Patienten zu erzielen. Die Übersendung einer Liste mit Namen von Ärzten, die in die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Manfred v. Ardenne eingewiesen worden sind, unterstreicht den werbenden Charakter, ungeachtet dessen, daß dem ein sachliches Informationsinteresse zugrunde liegt (vgl. nachfolgend unter 3 b und 7).
2. Klageantrag zu 1
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Verwendung der Professoren-Bezeichnung Manfred v. Ardennes in den Unterlagen der Beklagten verstoße gegen das Verbot der irreführenden Werbung gemäß § 3 Nr. 3 b HWG, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Eine Irreführung im Sinne dieser Bestimmung liegt – ebenso wie i.S. des § 3 UWG – vor, wenn unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über die Person, Vorbildung, Befähigung oder Erfolge des Erfinders gemacht werden. Diese Voraussetzungen lassen sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht bejahen.
Manfred v. Ardenne ist grundsätzlich berechtigt, den Professoren-Titel allein und in Kombination mit der Bezeichnung „Dr. h.c. mult.” zu führen. Ihm ist unstreitig im Jahre 1956 von der Technischen Hochschule Dresden für seine Leistungen auf dem Gebiet der Kerntechnik der Professoren-Titel verliehen worden; außerdem sind ihm verschiedene Ehrendoktortitel verliehen worden. Die Beklagte hat daher keine unwahren Angaben über seine Person gemacht.
Aber auch die wahrheitsgemäße Professoren-Bezeichnung kann irreführend sein, wenn dadurch eine Fehlvorstellung geweckt wird, die geeignet ist, einen nicht unerheblichen Teil des Verkehrs in seiner Entscheidung für die von der Beklagten vorgestellte Therapie zu beeinflussen (vgl. BGH, Urt. v. 29.5.1991 – I ZR 204/89, GRUR 1991, 852, 854 – WRP 1993, 95 ff. – Aquavit m.w.N.). Gerade im Bereich der Medizin ist in Betracht zu ziehen, daß der Verkehr den Professoren-Titel einer medizinischen Fakultät zurechnet und deshalb auf diesem Gebiet besondere Kenntnisse und Erfahrungen erwartet (vgl. BGH, Urt. v. 13.4.1959 – II ZR 39/58, GRUR 1959, 375, 376 = WRP 1959, 180 – Doktortitel). Dies hat das Berufungsgericht durchaus gesehen und dazu festgestellt, der angesprochene Verkehr erwarte, wenn ein Professor mit einer Behandlungsmethode in Verbindung gebracht werde, daß es sich hierbei um einen Professor der Medizin und nicht der Physik handele. Vor derartigen Fehlvorstellungen müsse der Patient, der seine Hoffnungen möglicherweise auf medizinische Kapazitäten setze, zu denen Professoren der Medizin zählten, geschützt werden. Diese Feststellungen reichen zur Annahme einer relevanten Irreführung nicht aus.
Das Berufungsgericht hat nicht näher dargelegt, von welcher Irreführungsquote es vorliegend ausgegangen ist. Es ist nicht ersichtlich, ob es hinreichend beachtet hat, daß es auch im Bereich der Gesundheitswerbung, in dem zwar grundsätzlich strengere Anforderungen zu stellen sind, einen Unterschied macht, ob die Täuschung lediglich auf einem unrichtigen Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht oder durch eine unrichtige Angabe verursacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1991 – I ZR 106/89, GRUR 1992, 66, 68 = WRP 1991, 473 ff. – Königl.-Bayerische Weisse; BGH GRUR 1991, 852, 855 = WRP 1993, 95 ff. – Aquavit). Sollte das Berufungsgericht davon ausgegangen sein, daß der angesprochene Verkehr vorliegend generell einer Fehlvorstellung unterliegt, so könnte dem nicht beigetreten werden. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß weite Bereiche der Medizin heute nicht mehr ohne andere Wissenschaften wie Biologie, Chemie und Physik auskommen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist dem angesprochenen Verkehr auch bekannt, daß im medizinischen Bereich Wissenschaftler aus anderen Fachrichtungen mit ihren Entwicklungen zum Fortschritt beitragen, seien es Chemiker (wie z.B. Pasteur), Biochemiker, Pharmakologen, Pharmazeuten oder auch Physiker (wie z.B. Röntgen). Zu denken ist weiterhin beispielsweise an die Lasertechnik oder an die von der Revision angeführte Strahlentherapie oder moderne Diagnoseformen wie Computer- oder Kernspintomographie. Dem Publikum ist auch weitgehend bekannt, daß Behandlungsmethoden, insbesondere Naturheilverfahren, die nicht der herkömmlichen Medizin zuzurechnen sind, nicht nur von Ärzten, sondern auch von Angehörigen anderer wissenschaftlicher Disziplinen entdeckt und entwickelt werden (ebenso OLG Düsseldorf GRUR 1989, 137, 138; a.A. OLG Karlsruhe WRP 1989, 408, 411). Gerade bei einer Therapie, die auf der gezielten Zuführung von Sauerstoff beruht, liegt die Annahme nahe, daß auch ein Physiker als ihr Entdecker oder Entwickler in Betracht kommt (so zu Recht OLG Düsseldorf a.a.O.).
All diese Umstände schließen es allerdings nicht aus, daß gleichwohl ein nicht unbeachtlicher Teil des Verkehrs verbleibt, der hinter der Professoren-Bezeichnung Manfred v. Ardennes einen Professor der Medizin sieht. Insoweit stellt sich die vom Berufungsgericht nicht näher geprüfte Frage der Relevanz einer solchen Fehlvorstellung und die weitere Frage, ob schützenswerte Interessen potentieller Patienten und der Allgemeinheit ein Verbot erfordern. Diese Fragen kann der Senat aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung und einer Interessenabwägung selbst beantworten, ohne daß es einer weiteren tatrichterlichen Aufklärung bedarf.
Angesichts des weitgehend bekannten Umstands, daß sich auch und gerade die neben der herkömmlichen Medizin stehenden alternativen Behandlungsmethoden nicht selten im Grenzbereich zwischen Medizin und anderen wissenschaftlichen Bereichen, wie zum Beispiel Biochemie und Physik, bewegen, erscheint es nach der allgemeinen Lebenserfahrung naheliegend, daß jedenfalls ein Teil derjenigen, die Manfred v. Ardenne als Professor der Medizin ansehen, diesem Umstand keine so maßgebende Bedeutung beimessen, daß sie sich allein deswegen für die von ihm entwickelte Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie entscheiden würden. Es ist anzunehmen, daß für viele die sich in der Verleihung der Professoren-Bezeichnung ausdrückende wissenschaftliche Anerkennung, mag diese auch auf einem anderen Fachgebiet liegen, und das Wissen, daß die Therapie unter ärztlicher Beratung durchgeführt wird, im Vordergrund stehen, so daß sie sich bei nachträglicher Kenntnis, daß die Professoren-Bezeichnung Manfred v. Ardennes dem Bereich der Physik zuzuordnen ist, nicht getäuscht fühlen. Das muß gerade dann gelten, wenn sich die Verwendung des Professoren-Titels auf den Wissenschaftler bezieht, von dem die in Rede stehende Behandlungsmethode stammt, auch wenn dieser nicht Arzt ist, und wenn hinzukommt, daß dieser Wissenschaftler sich auch auf dem Fachgebiet der Medizin Verdienste erworben hat, die mit der Verleihung des Titels „Dr. h.c. med.” anerkannt worden sind. Für einen verbleibenden Rest von Getäuschten muß eine Güter- und Interessenabwägung trotz der geltenden strengen Maßstäbe hier ausnahmsweise zu dem Ergebnis führen, daß eine solche allenfalls noch geringe Irreführung vom Verkehr hinzunehmen ist. Nicht nur Manfred v. Ardenne und die Beklagte haben ein Interesse daran, auf die durch die Verleihung des Professoren-Titels anerkannte Stellung als Wissenschaftler hinzuweisen, sondern auch der angesprochene Verkehr ist an der durch den Professoren-Titel – zutreffend – vermittelten Information interessiert, ob die Behandlungsmethode, der er sich anvertraut, von einer Autorität stammt, die berechtigt ist, den Titel zu führen. Dabei ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, daß die Behandlung selbst unter Anleitung eines Arztes erfolgt und deshalb auch der vom Verkehr erwarteten medizinischen Kontrolle unterliegt.
Aber nicht nur die Verwendung des Professoren-Titels für sich allein, sondern auch in der Kombination mit der Bezeichnung „Dr. h.c. mult.” stellt keine relevante Irreführung dar. Den Feststellungen des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, daß die zusätzliche Bezeichnung geeignet sein könnte, den Eindruck, es handele sich um einen Professor der Medizin, zu verstärken.
3. Klageantrag zu 2 a
Das Berufungsgericht hat in der mit diesem Antrag beanstandeten Aussage zu Unrecht sowohl einen Verstoß gegen das ärztliche Werbeverbot als auch gegen § 11 Nr. 2 HWG gesehen.
a) Die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das ärztliche Werbeverbot scheitert schon daran, daß die Beklagte nicht passivlegitimiert ist. Sie unterliegt nicht den Vorschriften der Berufsordnung für die Ärzte B., weil sie als juristische Person nicht unmittelbare Adressatin der standesrechtlichen Werbebeschränkungen für Ärzte sein kann (vgl. BGH, Urt. v. 14.4.1994 – I ZR 12/92, WRP 1994, 859, 861 = NJW-RR 1995, 41, 42 – GmbH-Werbung für ambulante ärztliche Leistungen). Auch eine Störerhaftung der Beklagten entfällt, da kein Wettbewerbsverstoß eines Arztes festgestellt worden ist, an dem die Beklagte mitgewirkt haben könnte.
Die Verurteilung könnte im übrigen auch deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil ihr in tatsächlicher Hinsicht ein fehlerhaftes Verständnis der angegriffenen Aussage zugrunde liegt. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte habe die Behauptung aufgestellt, nur der Arzt, der von Manfred v. Ardenne autorisiert sei, könne die genaue Anwendung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie garantieren. Ein solches Verständnis läßt sich der Aussage der Beklagten nicht entnehmen. Diese lautet wörtlich:
„Nur der Therapeut, der die genaue Anwendung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie garantiert, wird von Prof. v. Ardenne autorisiert.”
Damit ist lediglich gesagt, daß Prof. v. Ardenne nur solche Therapeuten autorisiere, die die genaue Anwendung seiner Therapie garantieren. Diese Aussage enthält nicht auch die Behauptung, zur Anwendung der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie seien die nichtautorisierten Therapeuten nicht befähigt. Die Annahme einer wettbewerbswidrigen Herabsetzung derjenigen Ärzte, die die Methode ebenfalls beherrschten, aber nicht von Manfred v. Ardenne eingewiesen seien, entbehrt daher der tatsächlichen Grundlage.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt sich auch kein Verstoß gegen § 11 Nr. 2 HWG feststellen.
Nach dieser Vorschrift darf außerhalb der Fachkreise für (u.a.) Behandlungen nicht mit der Angabe geworben werden, daß die Behandlung ärztlich oder fachlich empfohlen sei oder angewendet werde. Das Berufungsgericht hat eine fachliche Empfehlung in der behaupteten Autorisierung durch Manfred v. Ardenne und einen Hinweis auf eine ärztliche Anwendung in der Aussage gesehen, daß der Therapeut die genaue Anwendung garantiere. Diese Annahme beruht auf einer einseitig nur am Wortlaut und nicht auch – wie erforderlich – am Sinn und Zweck der Verbotsnorm orientierten Auslegung.
Sinn und Zweck des § 11 HWG sind die Unterbindung bestimmter unsachlicher, nicht auf Informationen allein beschränkter Werbeaussagen gegenüber dem Laienpublikum, von denen die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung oder Irreführung des Verkehrs ausgehen kann. Im Rahmen dieser Zielsetzung kommt der Nr. 2 der Vorschrift die Aufgabe zu, zum einen den Suggestivwirkungen, die für den Laien nach der allgemeinen Lebenserfahrung von fachlicher Autorität ausgehen und sodann auch der besonderen Irreführungsgefahr zu begegnen, die in derartigen Fällen besonders leicht gegeben sein können, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall wirklich eintreten (BGH, Urt. v. 16.5.1991 – I ZR 207/89, GRUR 1991, 701, 702 – Fachliche Empfehlung I).
Von dieser Zielsetzung wird die beanstandete Aussage nicht erfaßt. Die Aussage trägt den Besonderheiten der streitgegenständlichen Behandlungsmethode Rechnung. Da diese nicht zum Bereich der herkömmlichen Medizin, der sogenannten Schulmedizin, gehört, erwartet der Verkehr eine nähere Aufklärung und Information. Da nach den Vorstellungen des Erfinders dieser Therapie, nach dem sie von der Beklagten auch benannt wird, eine lang andauernde Wirkung der Therapie von der genauen Einhaltung bestimmter Behandlungsschritte abhängt, kann der Verkehr auch eine Information darüber erwarten, daß bestimmte Therapeuten in die Besonderheiten dieser nicht zur Standardausbildung der Ärzte gehörenden Behandlungsmethode eingewiesen worden sind und die Gewähr für eine genaue Einhaltung bieten („garantieren”). Daß auch eine Bestätigung dieser Voraussetzungen erteilt wird – was mit dem Begriff „Autorisierung” zum Ausdruck gebracht wird – erscheint unter den hier gegebenen besonderen Umständen naheliegend. Die Hinweise der Beklagten tragen damit zur sachlichen Information bei und lassen keine unsachliche Beeinflussung oder Irreführung des Verkehrs befürchten. Eine besondere Fachkompetenz und Autorität in der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie schlechthin wird nicht suggeriert, wohl aber eine nähere Kenntnis der speziellen „Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Prof. v. Ardenne”. Dies ist hier aber jedenfalls deshalb als zulässig anzusehen, weil die Informationen nicht durch einen Arzt selbst, sondern durch einen Idealverein und zudem auch nicht unaufgefordert, sondern nur auf Anforderung gegeben werden; hinzu kommt, daß die beanstandete Aussage auch in keiner Weise hervorgehoben ist, sondern sich im normalen Fließtext findet. All dies unterstreicht den mehr informatorischen Charakter der Hinweise.
4. Klageantrag zu 2 b
Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Verwendung des Begriffs „Kapillaren” verstoße gegen § 11 Nr. 6 HWG, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Nach dieser Bestimmung darf außerhalb der Fachkreise für (u.a.) Behandlungen nicht mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen geworben werden, soweit sie nicht in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind. Diese Verbotsvoraussetzungen sind entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vorliegend nicht erfüllt.
Der Begriff „Kapillare” ist – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – ein Fremdwort. Entgegen der Ansicht der Revision ist es nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Personen, an die die Werbung sich richtet, die fremdsprachliche Bezeichnung verstehen (BGH, Urt. v. 13.4.1989 – I ZR 62/87, GRUR 1989, 624, 625 – Kuranstalt m.w.N.). Die Beklagte übersendet ihre Unterlagen auf Anforderung an mögliche Patienten, die sich für die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie interessieren, also an einen nicht näher abgegrenzten Teil der Bevölkerung, bei dem besondere Kenntnisse fremd- oder fachsprachlicher Begriffe in der Regel nicht erwartet werden können. Es kann deshalb nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die Werbeadressaten dem Begriff „Kapillare” einen verständlichen Sinn beilegen können, mag der Begriff auch im naturwissenschaftlichen Bereich durchaus gebräuchlich sein.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist jedoch die Verwendung auch unverständlicher fremdsprachlicher Begriffe in der Werbung nicht schlechthin untersagt, sondern unter Umständen dann zulässig, wenn der Begriff entweder in der Werbung selbst in verständlicher Weise erläutert wird (vgl. BGHZ 114, 354, 359 – Katovit m.w.N.) oder sich jedenfalls hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang der Werbung ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1970 – I ZR 14/69, GRUR 1970, 558, 561 = WRP 1970, 391 – Sanatorium; Urt. v. 5.11.1971 – I ZR 85/69, GRUR 1972, 372, 373 = WRP 1972, 79 – Pflanzensäfte). Denn in einem solchen Falle kann dem Schutzzweck des § 11 Nr. 6 HWG, den Verkehr vor Gefährdungen aus der Verwendung unbekannter fremd- oder fachsprachlicher Begriffe (Suggestivwirkung, Mißverständnisse u.a.) zu bewahren, genügt werden (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1991 – I ZR 16/90, WRP 1991, 715 – Chelat-Infusionstherapie).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts läßt sich hier dem Gesamtzusammenhang der Informationsschrift der Bedeutungsinhalt des Begriffs jedenfalls in einer für eine Parallelwertung in der Laiensphäre ausreichenden Weise entnehmen. Das Berufungsgericht hat unter Kapillaren in dem von der Beklagten verwendeten Sinne dünnwandige feinste Blutgefäße zwischen Arterien und Venen verstanden, die dem Stoffaustausch zwischen Blut und Gewebe dienen. Es hat gemeint, dieses Verständnis werde im Zusammenhang mit der weiteren Formulierung „Verstärkung der zuvor geschwächt gewesenen Mikrozirkulation” eher erschwert als erleichtert. Damit greift das Berufungsgericht zu kurz. Es hätte, da der Begriff „Kapillaren” ohne Hervorhebung im normalen Fließtext verwendet wird, auch den Inhalt des vorangehenden Satzes, den der Leser ebenfalls zur Kenntnis nimmt, berücksichtigen müssen. Dieser Satz lautet: „Die erstaunliche und so entscheidende langdauernd anhaltende Wirkung ist Folge eines in den kleinsten Blutgefäßen des Organismus ablaufenden Gefäßwandschaltmechanismus der Blutmikrozirkulation”. Wenn im folgenden Satz von „Mikrozirkulation in allen Kapillaren des menschlichen Organismus” gesprochen wird, wird offensichtlich, daß mit „Kapillaren” diese zuvor genannten „kleinsten Blutgefäße” gemeint sind.
5. Klageantrag zu 2 c
Die Revision hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen das Verbot der mit diesem Antrag beanstandeten Aussage wendet. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 12 Abs. 2 HWG angenommen, weil die Beklagte für die Behandlung einer Geschwulstkrankheit geworben habe, die zumindest der Linderung dieser Krankheit diene. Diese Ansicht ist teils schon nicht mit dem Wortlaut, teils aber nicht mit dem Normzweck vereinbar.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG darf sich die Werbung für (u.a.) Behandlungen außerhalb der Fachkreise nicht auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung bestimmter Krankheiten, zu denen Geschwulstkrankheiten gehören, beziehen. Der Zweck der Bestimmung liegt darin, der Verleitung zur Selbstbehandlung bestimmter Krankheiten entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1971 – I ZR 85/69, GRUR 1972, 372, 374 = WRP 1972, 79, 82 – Pflanzensäfte; BGHZ 104, 384, 391 f. – Fachkrankenhaus). Das Gesetz will den Laien einmal vor nicht überschaubaren Gefahren, die von einem Arzneimittel oder einer Behandlung ausgehen können, schützen und sodann den Kranken aber auch von einer nutzlosen Selbstbehandlung abhalten und verhindern, daß er im Vertrauen auf die Wirksamkeit eines harmlosen Präparats oder einer harmlosen Behandlung das bei schweren und komplizierten Krankheiten und Leiden gebotene unverzügliche Aufsuchen eines Arztes unterläßt (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1971 – I ZR 109/69, GRUR 1971, 585, 587 = WRP 1971, 469, 471 – Spezialklinik).
Auch bei Anlegung des strengen Maßstabs, der im Bereich der Gesundheitswerbung im Hinblick auf die leichte Verführbarkeit kranker und hilfsbedürftiger Menschen zu fordern ist (vgl. BGHZ 104, 384, 387 – Fachkrankenhaus), kann der beanstandeten Formulierung – anders als das Berufungsgericht meint – nicht die Behauptung entnommen werden, die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie diene der Linderung der Krebserkrankung. In tatsächlicher Hinsicht ist zu differenzieren, da der beanstandete Satz zwei selbständig zu bewertende Aussagen enthält.
Die Beklagte hat zum einen behauptet, die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie diene der „Milderung der Folgen einer herkömmlichen Krebstherapie (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie)”. Dies kann nach allgemeiner Lebenserfahrung vom Verkehr nur dahin verstanden werden, daß die streitgegenständliche Therapie nicht der Behandlung der Krebserkrankung selbst dient, sondern lediglich die – weithin bekannten – gesundheitlich nachteiligen Folgen mildern soll, die mit den genannten herkömmlichen Therapieformen verbunden sind.
Die Formulierung der Beklagten enthält allerdings die weitere Behauptung, die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie diene auch der Unterstützung der herkömmlichen Krebstherapie (Operation, Bestrahlung, Chemotherapie) in ihrer Wirksamkeit. Auch wenn hier nur eine eine andere Therapie unterstützende Wirkung behauptet wird, liegt doch das Verkehrsverständnis nahe, daß sich die streitgegenständliche Therapie zumindest auch mitlindernd auf die Krankheit auswirken kann. Dem Wortlaut nach könnte die Aussage daher unter das Verbot des § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG fallen. Sie wird jedoch vom Normzweck nicht erfaßt. Gefahren der Art, vor denen das Heilmittelwerbegesetz den Kranken schützen will, sind vorliegend nicht zu befürchten. Eine Selbsttherapie scheidet von vornherein aus, da die Beklagte in ihrer Informationsschrift ausdrücklich betont, daß die Behandlungen selbstverständlich unter erfahrener ärztlicher Beratung durchgeführt würden (vgl. nachfolgend unter 6.). Die beanstandete Aussage erweckt auch nicht den Eindruck, daß die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie eine echte Alternative zu den herkömmlichen Therapieformen sei. Sie setzt vielmehr eine herkömmliche Therapie gerade voraus und ist nicht geeignet, den Kranken von den nach dem heutigen Stand der medizinischen Forschung unerläßlichen Behandlungsmaßnahmen abzuhalten.
6. Klageantrag zu 2 d
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann auch der Hinweis der Beklagten darauf, daß die Behandlungen unter erfahrener ärztlicher Beratung durchgeführt werden, nicht als Verstoß gegen § 11 Nr. 2 HWG beurteilt werden. Das Berufungsgericht hat zur Begründung lediglich angeführt, der Beworbene verstehe die Aussage dahin, daß eine ärztliche Anwendung erfolge. Es hat damit die oben unter II. 3. b herausgestellte Zielsetzung des § 11 HWG außer Betracht gelassen. Von der beanstandeten Aussage geht weder eine unsachliche Beeinflussung noch eine Irreführung des Verkehrs aus. Der Hinweis darauf, daß die Behandlungen unter ärztlicher Beratung durchgeführt werden, entspricht gerade bei einer nicht dem Bereich der herkömmlichen Medizin zuzurechnenden Behandlungsmethode einem besonderen Schutzbedürfnis möglicher Patienten. Es handelt sich daher um eine sachlich sogar notwendige Information, die zudem noch von einem Idealverein und auch nur auf Anforderung und in einer keineswegs anpreisenden Art gegeben wird.
7. Klageantrag zu 3
Schließlich kann auch das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot, bestimmte Ärzte als in der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Manfred v. Ardenne eingewiesen zu bezeichnen, nicht aufrechterhalten werden. Wie bereits oben unter II. 3. ausgeführt, ist die hier wiederholte Begründung des Berufungsgerichts nicht tragfähig, daß andere Ärzte diskriminiert würden, weil der Verkehr die Liste dahin verstehe, daß ausschließlich die aufgeführten Ärzte die ordnungsgemäße Anwendung der Therapie gewährleisten würden. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich auch, daß jedenfalls die durch einen Idealverein auf ausdrückliche Anfrage erfolgende Benennung der in die „Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach M. v. Ardenne” eingewiesenen Ärzte über eine zulässige sachliche Information nicht hinausgeht. Insoweit besteht auch hier ein berechtigtes Bedürfnis der Interessenten nach einer Information über die Behandlung nach der streitgegenständlichen Methode.
III. Auf die Revision der Beklagten war das Berufungsurteil nach alledem aufzuheben und das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Piper, Teplitzky, Erdmann, Mees, Starck
Fundstellen
Haufe-Index 1530747 |
NJW 1995, 3054 |
GRUR 1995, 612 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 1995, 719 |
PharmaR 1995, 324 |