Leitsatz (amtlich)

Das Recht eines Arztes auf werbliche Selbstdarstellung steht dem Verbot einer Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht entgegen, wenn der Arzt in einer Anzeige neben anderen Behandlungsmethoden eine "Faltenbehandlung mit Botox" aufführt (Abgrenzung zu BVerfG Botox-Faltenbehandlung, BVerfG v. 30.4.2004 - 1 BvR 2334/03, GesR 2004, 539 = GRUR 2004, 797).

 

Normenkette

HWG § 10 Abs. 1; UWG § 3 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 14.07.2005; Aktenzeichen 5 O 61/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.7.2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Hanau abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.166,26 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8.4.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung seiner Abmahnkosten gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG verlangen, da seine Abmahnung berechtigt war.

Die Beklagte hat mit der Veröffentlichung der nachstehend wiedergegebenen Anzeige im "..." vom 2.4.2005 gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 HWG verstoßen.

(Es folgen Abbildungen, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden können - die Red.)

§ 10 Abs. 1 HWG verbietet die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Fachkreise. Aus dem Tatbestandsmerkmal der "Werbung für ein Arzneimittel" folgt, dass es sich um produktbezogene Aussagen handeln muss. Die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- bzw. Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Präparate für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt, unterfällt den Vorschriften des Heilmittelwerberechts nicht (BGH v. 17.6.1992 - I ZR 221/90, MDR 1993, 334 = WRP 1993, 473 [474] - Pharma-Werbespot).

Gemäß Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG gelten als "Werbung für Arzneimittel" alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Der BGH definiert produkt-oder leistungsbezogene Aussagen heilmittelrechtlich dann als Werbung, wenn sie darauf angelegt sind, die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu erregen, deren Interesse zu wecken und damit den Absatz von Waren oder Leistungen zu fördern (BGH v. 27.4.1995 - I ZR 116/93, WRP 1995, 701 [702] - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie). Demgegenüber bezeichnet es das BVerfG in der Entscheidung "(Botox-) Faltenbehandlung" (BVerfG v. 30.4.2004 - 1 BvR 2334/03, GRUR 2004, 797 [798]) als zweifelhaft, ob die Vorschriften des Heilmittelwerberechts auf die Selbstdarstellung eines Arztes, der über Behandlungen mit einem bestimmten Medikament informiert, Anwendung finden können, solange der Arzt nicht den Erwerb bestimmter Mittel empfiehlt. Nur bei einem Einfluss auf das Kaufverhalten der Patienten könnte der Verkehr von Arzneimitteln betroffen sein.

Die Beklagte hat in der beanstandeten Anzeige geworben mit "Faltenbehandlung mit Collagen, Botox und ...". Bezugspunkt ihrer Werbung ist also nicht der Absatz des verschreibungspflichtigen Arzneimittels Botox. Die Beklagte bietet vielmehr eine Dienstleistung an, nämlich die Faltenbehandlung mit diesem Arzneimittel. Der Senat hat keine Zweifel, dass mit dieser Werbung jedenfalls der Verbrauch des Arzneimittels Botox gefördert wird, weil die angebotene Faltenbehandlung den Einsatz bedingt. Bereits damit ist der Tatbestand der Werbung für Arzneimittel gem. Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG erfüllt. Überdies fördert die Beklagte mit der Anzeige aber auch den Verkauf des verschreibungspflichtigen Arzneimittels Botox, denn ohne dieses Mittel zu erwerben, kann die Faltenbehandlung sinnvollerweise nicht durchgeführt werden. Auch eine werbliche Einflussnahme auf die Entschließung von Patienten, bei der der Arzt die Anwendung eines bestimmten Arzneimittels bei der durch ihn vorgenommenen Faltenbehandlung empfiehlt, betrifft in seiner Auswirkung unmittelbar den Verkehr von Arzneimitteln, wenn sich der Patient aufgrund der Empfehlung für dieses Arzneimittel entscheidet, mit dem ihn der werbende oder ein anderer Arzt behandeln soll.

Die Produktbezogenheit der Absatzwerbung wird nicht dadurch aufgelöst, dass die Beklagte die Faltenbehandlung nicht nur mit Botox, sondern auch mit Collagen und ... (hierbei handelt es sich um eine eingetragene Marke der Firma X, die für ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff... verwendet wird) bewirbt. Der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes bleibt solange eröffnet, wie bestimmte oder zumindest individualisierbare Arzneimittel beworben werden (BGH v. 17.6.1992 - I ZR 221/90, MDR 1993, 334 = WRP 1993, 473 [474] - Pharma-Werbespot). Dies bleibt jedenfalls in Bezug auf Botox ungeachtet des Umstandes der Fall, d...

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