Leitsatz (amtlich)

Eine elektronische Datenbank mit über 7.000 namentlich gelisteten, z.T. verschreibungspflichtigen, Arzneimitteln, die ohne Zugangsbeschränkung nach Namen und Wirkstoffen durchsucht werden kann, stellt keine heilmittelrechtlich unzulässige Publikumswerbung dar, solange nicht einzelne Arzneimittel werbetypisch herausgehoben sind.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.09.2003; Aktenzeichen 3/11 O 75/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.9.2003 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschwer der Klägerin: 100.000 Euro.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlegt das X-Verzeichnis "Y". Die Beklagte unterhält eine elektronische Datenbank mit ca. 7.300 namentlich gelisteten - auch verschreibungspflichtigen - Arzneimitteln. Auf der Grundlage einer von der Beklagten erteilten Lizenz stellten das Unternehmen A und die B diese Datenbank im Internet interessierten Nutzern entgeltfrei und ohne Zugangsbeschränkung zur Verfügung; die Datenbank konnte nach Arzneimittel-Namen und nach Wirkstoffen durchsucht werden, wobei dem Nutzer die im nachfolgenden Berufungsantrag wiedergegebenen Informationen gegeben wurden.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verstoßes gegen das Verbot der Publikumswerbung für Arzneimittel (§ 10 Abs. 1 HWG) auf Unterlassung in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den in erster Instanz gestellten Hilfsantrag als Hauptantrag weiter. Beide Parteien wiederholen und vertiefen im Berufungsrechtszug ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, jeweils zu vollstrecken an den Geschäftsführern der die Beklagte vertretenden C Verwaltungsgesellschaft mbH, zu unterlassen, anderen Personen als Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, Informationen über diese Arzneimittel oder Betäubungsmittel zugänglich zu machen oder zugänglich machen zu lassen, wenn es sich dabei um Angaben über Anwendungsgebiete und Wirkmechanismus, Dosierung, Anwendungshinweise, Gegenanzeigen und Anwendungsbeschränkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Kinder oder Medikamente mit Bezug zum jeweils beworbenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel oder Betäubungsmittel handelt, wenn dies geschieht, wie vormals unter den Internet-Seiten "..." (Anlagen CCP 1 bis CCP 14) oder "..." (Anlage CCP 15)

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das LG zutreffend angenommen hat, steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 1 UWG a.F., 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG n.F. i.V.m. § 10 Abs. 1 HWG nicht zu, weil die von der Beklagten unterhaltene Datenbank, so wie sie dem Publikum mit den im Klageantrag bezeichneten Internet-Seiten durch die Lizenznehmer präsentiert worden ist, nicht den Begriff der Werbung i.S.v. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 HWG erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 27.4.1995 - I ZR 116/93, WRP 1995, 701 [702] - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie) sind produktbezogene Aussagen heilmittelrechtlich Werbung, wenn sie darauf angelegt sind, die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise zu erregen, deren Interesse zu wecken und damit den Absatz von Waren oder Leistungen zu fördern. Diese subjektive Zielrichtung als Voraussetzung für den Begriff der Werbung entspricht auch den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen. Nach Artikel 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/85/EG sind als Werbung alle Maßnahmen zur Information über ein Arzneimittel anzusehen, die mit dem Ziel erfolgen, die Verschreibung, Abgabe oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern.

Für eine Absatzförderungsabsicht in diesem Sinne bestehen im vorliegenden Fall weder auf Seiten der Klägerin noch auf Seiten der Lizenznehmer, die die beanstandeten Internet-Seiten betrieben haben, ausreichende Anhaltspunkte. Da die Beklagte und ihre Lizenznehmer selbst die in der Datenbank enthaltenen Arzneimittel nicht herstellen oder vertreiben, kommt eine Absatzförderungsabsicht von vornherein allenfalls unter dem Gesichtsp...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?