Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob der Lieferant von Originalersatzteilen bei diesen eine marktbeherrschende Stellung besitzt und ob er einen an ihn nicht gebundenen Reparaturbetrieb dadurch unbillig behindert, daß er es ablehnt, den Reparaturbetrieb mit Originalersatzteilen zu beliefern.
Normenkette
GWB § 20 Abs. 1 F: 26. August 1998, § 26 Abs. 2 F: 22. Dezember 1989
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Aktenzeichen 6 U 4/97 (Kart)) |
LG Mannheim (Aktenzeichen 21 O 11/96 (Kart)) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. August 1997 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte produziert und vertreibt Geräte der Feuerwehrtechnik, insbesondere Drehleitern, die zur Rettung von Personen etwa im Zusammenhang mit Löscharbeiten bei Bränden eingesetzt werden. Neben den Geräten selbst bietet sie ihren Kunden auch Reparatur- und Wartungsarbeiten an. Ersatzteile für die von ihr gelieferten Leitern werden ausschließlich von ihr bzw. exklusiv für sie hergestellt. Mit diesen Ersatzteilen beliefert sie neben ihrer eigenen Niederlassung und einer Tochtergesellschaft im Inland nur die Berufsfeuerwehren in H. und B. sowie die Firma K.. Daneben erhalten von ihr im Ausland ansässige Unternehmen Ersatzteile; mit diesen Unternehmen hat sie nach ihrer Darstellung – ebenso wie mit der Firma K. – jeweils Service-Partner-Verträge abgeschlossen. Nach diesen Vereinbarungen sind die Vertragspartner der Beklagten verpflichtet, das bei der Wartung und Reparatur der Leitern eingesetzte Personal an Schulungen teilnehmen zu lassen, die von der Beklagten angeboten und gegen Vergütung durchgeführt werden.
Die Klägerin ist eine von früheren Mitarbeitern der Beklagten gegründete Gesellschaft, die 1995 ins Handelsregister eingetragen wurde. Sie hat vorgerichtlich erfolglos von der Beklagten die Belieferung mit Originalersatzteilen verlangt. Ihre Ablehnung hat die Beklagte in erster Linie darauf gestützt, der von ihren Kunden erwartete hohe technische Standard bei Wartung und Reparatur könne von ihr nur sichergestellt werden, wenn sie diese Arbeiten in der Hand halte oder zumindest kontrolliere. Drehleitern würden von Feuerwehren vor allem bei Notfällen verwendet. Dabei müsse ein Versagen der Geräte in größtmöglichem Umfang ausgeschlossen werden. Das sei nur zu erreichen, wenn Wartung und Reparatur von Kräften wahrgenommen würden, die über alle technischen Zusammenhänge und Eigenarten der Produkte vollständig informiert seien. Ein solcher Kenntnisstand sei ohne engen Kontakt mit ihrer Konstruktionsabteilung nicht zu erreichen und damit nur ihren Mitarbeitern und den Servicepartnern zugänglich. Die Entwicklung und Verbesserung ihrer Leitern mache eine ständige Fortbildung der mit der Reparatur und Wartung betrauten Personen erforderlich, die nur über eine fortlaufende, von ihr erbrachte und überwachte Schulung gewährleistet werden könne. Das schließe, auch wegen der anderenfalls für ihren guten geschäftlichen Ruf drohenden Gefahren, die Belieferung von Drittunternehmen aus, die – wie die Klägerin – nicht in einer vergleichbaren Beziehung zu ihr stünden. Dabei sei unerheblich, daß der Geschäftsführer der Klägerin und seine Mitarbeiter früher bei ihr tätig gewesen seien. Unabhängig davon, welche Kenntnisse sie bei dieser Gelegenheit hätten erwerben können, seien sie über die letzten Entwicklungen nicht mehr in dem gebotenen Umfang unterrichtet, da die Mitarbeit in ihrem, der Beklagten, Betrieb bereits längere Zeit zurückliege. Im übrigen sei sie auch deshalb berechtigt, eine Belieferung der Klägerin zu verweigern, weil deren Gesellschafter sich ihr gegenüber in der Vergangenheit wettbewerbswidrig verhalten hätten. Das gelte um so mehr, als sie sich rechtswidrig in den Besitz von Unterlagen aus ihrem, der Beklagten, Unternehmen gebracht hätten, die von ihr geheimgehalten würden und vertraulich seien.
Mit der Begründung, die Beklagte sei ein marktbeherrschendes, zumindest aber marktstarkes Unternehmen, das sie mit seiner Weigerung im Sinne des § 26 GWB a.F. diskriminiere, hat die Klägerin die Beklagte auf Belieferung eines näher bezeichneten Ersatzteils in Anspruch genommen und darüber hinaus die Feststellung begehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, an die Klägerin M.-spezifische Originalersatzteile für die von der Beklagten stammenden Leitern Zug um Zug gegen Zahlung des jeweiligen Listenpreises zu liefern.
Das Landgericht hat die Beklagte in vollem Umfang antragsgemäß verurteilt. In der Berufungsinstanz haben die Parteien die auf Belieferung gerichteten Leistungsanträge für erledigt erklärt. Seither verfolgt die Klägerin allein ihr Feststellungsbegehren weiter. In diesem Umfang hat das Berufungsgericht das gegen die Entscheidung des Landgerichts gerichtete Rechtsmittel der Beklagten zurückgewiesen (WuW/E DE-R 79). Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Feststellungsklage weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat dem auf eine uneingeschränkte Belieferung mit Originalersatzteilen der Beklagten gerichteten Feststellungsbegehren der Klägerin zu Recht entsprochen.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin der geltend gemachte Belieferungsanspruch nach § 26 Abs. 2 GWB a.F. (= § 20 Abs. 1 u. 2 GWB n.F.) zu. Auf dem hier als sachlich relevant zugrundezulegenden Teilmarkt der für Wartung und Reparaturarbeiten an Feuerwehrleitern der Beklagten benötigten Ersatzteile sei sie als marktbeherrschendes Unternehmen Normadressat der Vorschrift. Auf derartige Teile sei die Klägerin als Anbieter von Wartungs- und Reparaturleistungen für diese Leitern angewiesen. Die dafür erforderlichen Ersatzteile könne sie allein bei der Beklagten erhalten, von anderen Unternehmen würden sie nicht angeboten. Mit ihrer Weigerung, die Klägerin mit ihnen zu beliefern, behindere die Beklagte diese in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr unbillig. Anderen gleichartigen Unternehmen zugänglich sei dieser Geschäftsverkehr, weil sie derartige Ersatzteile neben einzelnen Feuerwehren auch ihren Servicepartnern zugänglich mache. Die Behinderung sei auch unbillig im Sinne des Diskriminierungstatbestandes; die darin zugleich liegende Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt.
2. Diese Beurteilung greift die Revision ohne Erfolg an.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Beklagte im Hinblick auf die geltend gemachten Belieferungsansprüche als Normadressatin des § 20 Abs. 1 und 2 GWB n.F., mit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1999 die frühere, inhaltlich entsprechende Regelung in § 26 Abs. 2 GWB a.F. ersetzt worden ist, angesehen. Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 26 Abs. 2 GWB a.F. ist ein Hersteller von Originalersatzteilen, die – wie im vorliegenden Fall – allein über ihn und seine Vertriebsorganisation bezogen werden können, auf dem Markt für diese Produkte marktbeherrschend im Sinne des Diskriminierungstatbestands (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1972 - KZR 54/71, WuW/E 1238, 1241 - Registrierkassen; Beschl. v. 23.2.1988 - KVR 2/87, WuW/E 2479, 2482 - Reparaturbetrieb; Urt. v. 21.2.1989 - KZR 3/88, WuW/E 2589 - Frankiermaschinen; vgl. auch Beschl. v. 26.5.1981 - KRB 1/81, WuW/E 1891 - Ölbrenner II; im Ergebnis auch OLG Düsseldorf WuW/E OLG 4901; OLG Frankfurt WuW/E OLG 4455 u. 4681; KG WuW/E OLG 4522 sowie US Supreme Court GRUR Int. 1995, 86 f.). Die Beschränkung des der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden sachlich relevanten Marktes auf den Vertrieb dieser Ersatzteile ist Folge des Bedarfsmarktprinzips, von dem der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeht (vgl. statt aller BGH, Urt. v. 19.3.1996 - KZR 1/95, WuW/E 3058, 3062 - Pay-TV-Durchleitung). Ob ein Anbieter über eine marktstarke oder marktbeherrschende Stellung verfügt und in welchem Umfang der Abnehmer von ihm abhängig ist, bestimmt sich in erster Linie nach dem Bedarf der Marktgegenseite und den Möglichkeiten, die ihr zu dessen Deckung zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall wird er nach der Entscheidung der Klägerin, in ihrem Unternehmen die Reparatur von Leitern der Beklagten anzubieten, durch die von dieser oder für diese hergestellten Originalersatzteile bestimmt. Bei der Ausführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten legt der Verkehr erfahrungsgemäß besonderen Wert auf die Verwendung von Originalersatzteilen, die durch die Produkte anderer Hersteller damit nicht, zumindest aber nicht gleichwertig ersetzt werden können. Anhaltspunkte dafür, daß es sich im vorliegenden Fall anders verhält, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. An dieser rechtlichen Bewertung hat sich infolge der Neuregelung nichts geändert. Für die Beurteilung der Marktbeherrschung nach § 20 Abs. 1 und einer Abhängigkeit nach § 20 Abs. 2 GWB n.F. gilt insoweit nichts anderes als in Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB a.F.
Auf diesem Markt für Originalersatzteile, dessen Angebot den Erfolg einer Tätigkeit auf dem Markt für Reparatur- und Wartungsarbeiten bestimmt, ist die Beklagte als einzige Anbieterin einem Wettbewerb nicht ausgesetzt und hat damit die Stellung eines marktbeherrschenden Unternehmens. Darauf, ob sie diesen Markt bereits selbst durch die Belieferung Dritter mit derartigen Teilen eröffnet hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. BGH WuW/E 1238, 1243 - Registrierkassen). Dem von der Beklagten zu dieser Frage angebotenen Beweis ist das Berufungsgericht daher zu Recht nicht nachgegangen. Auch insoweit hat das neue Recht eine sachliche Änderung nicht mit sich gebracht.
b) Im Ergebnis unbegründet sind auch die Angriffe der Revision gegen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht im Hinblick auf die Belieferung mit Originalersatzteilen einen gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr bejaht hat. Diesen hat die Beklagte bereits dadurch eröffnet, daß sie mehrere Unternehmen im In- und Ausland mit Originalersatzteilen beliefert. Daß diese – anders als die Klägerin – an sie durch Service-Partner-Verträge und die darin übernommenen Verpflichtungen zur Schulung des bei Wartung und Reparatur eingesetzten Personals gebunden sind, berührt diese Feststellung nicht. An das Merkmal der Gleichartigkeit dürfen angesichts der auf die Öffnung von Märkten gerichteten Zielsetzung des Diskriminierungsverbots keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es hat nur die Funktion, eine grobe Vorsichtung zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteile v. 30.6.1981 - KZR 19/80, WuW/E 1885, 1887 - Adidas; v. 13.11.1990 - KZR 25/89, WuW/E 2683, 2686 - Zuckerrübenanlieferungsrecht I u. v. 19.3.1996 - KZR 1/95, WuW/E 3058, 3063 - Pay-TV-Durchleitung). Für seine Annahme genügt, daß die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen, wie hier die von der Beklagten belieferten Servicepartner, mit dem Angebot von Reparaturleistungen am Markt die gleiche Funktion ausüben, wie das ihnen gegenüber abweichend behandelte Unternehmen (vgl. Schultz in Langen/Bunte, Kartellrecht, 8. Aufl., § 26 GWB Rdn. 135 m. Hinw. auf die Rechtsprechung des Senats). Mit Blick auf die Zielsetzung des Gesetzes, im Interesse der Freiheit des Wettbewerbs die Märkte offenzuhalten, kann für die Frage der Zugänglichkeit eines Geschäftsverkehrs nicht ausschlaggebend sein, ob und in welchem Umfang ein beherrschendes Unternehmen bereit ist, andere mit seinen Produkten zu beliefern. Es muß vielmehr genügen, daß es diese überhaupt an Wiederverkäufer oder gewerbliche Verwender abgibt oder aber bei der Marktgegenseite ein Bedarf für diese Produkte besteht, dessen Befriedigung der Verkehr im Interesse einer Verbreiterung des Angebots an Wartungs- und Reparaturleistungen erwartet.
c) Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß die Beklagte die Klägerin mit ihrer Weigerung, sie mit Originalersatzteilen zu beliefern, behindert und gegenüber ihren Servicepartnern unterschiedlich behandelt. Ihm ist auch darin beizupflichten, daß diese Differenzierung unbillig und sachlich nicht gerechtfertigt ist.
aa) Ob eine Behinderung unbillig ist oder einer unterschiedlichen Behandlung die sachliche Rechtfertigung fehlt, ist – wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat – aufgrund einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen zu beurteilen, die sich an der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Funktion des Gesetzes zu orientieren hat (vgl. BGHZ 38, 90, 102 - Treuhandbüro; 52, 65, 71 - Sportartikelmesse; 107, 273, 280 - Staatslotterie; BGH WuW/E 2479, 2482 - Reparaturbetrieb; vgl. auch v. Ungern-Sternberg, Festschrift Odersky [1996] S. 987, 990 m.w.N.). Dabei fällt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, zunächst ins Gewicht, daß die Begründung einer Kontrahierungspflicht in besonderer Weise in den Rechtskreis des Normadressaten und seine wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit eingreift. Ein solcher Eingriff ist auch vor dem Hintergrund der Funktion des Kartellrechts, die Freiheit des Wettbewerbs zu gewährleisten, nur dann zu rechtfertigen, wenn die gebotene Abwägung ergibt, daß die Interessen des Normadressaten jedenfalls nicht überwiegen (vgl. BGHZ 129, 53, 61 - Importarzneimittel). Dafür genügt allerdings der Wunsch des marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmens, Absatz und Vertrieb seiner Produkte nach seinen Vorstellungen zu bestimmen und zu ordnen, nicht.
Zwar ist es auch einem marktstarken oder einem marktbeherrschenden Unternehmen nicht generell verwehrt, Art und Umfang des Vertriebs seiner Waren oder Leistungen nach seinen Vorstellungen zu organisieren und dabei auch die Vertriebspartner auszuwählen (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1995 - KZR 33/93, WuW/E 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler; vgl. auch Urt. v. 14.1.1997 - KZR 30/95, WuW/E 3104, 3106 - Zuckerrübenanlieferungsrecht II; Urt. v. 17.3.1998 - KZR 30/96, WuW/E DE-R 134, 136 - Bahnhofsbuchhandel; BGHZ 129, 53, 61 - Importarzneimittel). Diese Freiheit besteht indessen nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen; sie ist ausgeschlossen, wo sie mißbraucht wird (vgl. dazu BGH WuW/E 3104, 3107 - Zuckerrübenanlieferungsrecht II) oder wo sie zu einer mit der auf Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbaren Beschränkung des Wettbewerbs führt. Im Rahmen der bei der Beurteilung dieser Frage vorzunehmenden Interessenabwägung sind an die Schutzwürdigkeit der von einem marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen verfolgten Belange mit zunehmender Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot in gleichem Maße steigende Anforderungen zu stellen. Ist sein Angebot – wie hier – auf dem sachlich relevanten Markt nicht zu substituieren, kann die Absicht des Normadressaten, den Absatz seiner Waren nach seinen Vorstellungen zu organisieren, eine Weigerung, andere Unternehmen mit diesen Produkten zu beliefern, allein nicht rechtfertigen (vgl. BGH WuW/E 2479, 2482 - Reparaturbetrieb; siehe auch Bunte, BB 1999, 113, 117 m.w.N.). Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß eine solche Beschränkung des Vertriebs von Ersatzteilen auf die Begründung eines Monopols auch auf dem Markt für Wartungs- und Reparaturarbeiten hinausläuft, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist.
Die von der Beklagten nach ihrer Darstellung verfolgte Absicht, einen hohen Standard bei Wartung und Reparatur ihrer Feuerwehrleitern zu sichern, kann den Ausschluß der Klägerin vom Bezug der Originalersatzteile ebenfalls nicht rechtfertigen. An der Verwirklichung dieser Zielsetzung wird die Beklagte durch Lieferungen an die Klägerin nicht gehindert, zumal diese nicht in das Absatz- und Servicekonzept der Beklagten eingebunden, sondern lediglich mit deren Produkten beliefert werden will. Eine solche Belieferung steht der intensiven Schulung ihres eigenen Personals oder der Mitarbeiter ihrer Servicepartner nicht entgegen; sie hindert die Beklagte im übrigen auch nicht, auf die besonderen Vorteile der aus diesem System heraus erbrachten Reparatur- und Wartungsleistungen hinzuweisen.
bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht die Weigerung, die Klägerin mit Originalersatzteilen zu beliefern, auch nicht wegen der von der Beklagten geltend gemachten Besorgnis einer unsachgemäßen Verwendung dieser Teile bei Wartung und Reparatur und der davon ausgehenden Gefahren als gerechtfertigt angesehen. Die Abwehr von Gefahren für die Verwender und Benutzer technischer Einrichtungen ist nicht primär Aufgabe der am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen, sondern den Polizeibehörden übertragen. Das schließt es grundsätzlich aus, wegen der bloßen Möglichkeit künftiger Schäden bei Benutzern oder Verwendern eine so tief in die Freiheit des Wettbewerbs eingreifende Maßnahme wie eine Liefersperre zu veranlassen. In dieser Hinsicht bestehende Gefahren können allenfalls dann Berücksichtigung finden, wenn ihr Eintritt mit einer hinreichend großen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dafür sind weder dem festgestellten Sachverhalt noch dem Vorbringen der Parteien Anhaltspunkte zu entnehmen. Überzeugend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß die Gesellschafter der Klägerin als frühere Mitarbeiter der Beklagten im technischen Bereich auf langjährige Erfahrungen mit den Feuerwehrleitern zurückblicken können und bisher nichts dafür erkennbar oder vorgetragen ist, daß sie Reparatur- und Wartungsarbeiten auch in Bereichen übernehmen werden, in denen ihnen die für die Ausführung erforderliche Kompetenz fehlt.
Im Ergebnis das gleiche gilt, soweit die Beklagte aus der Befürchtung unsachgemäßer Ausführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten Gefahren für ihren eigenen geschäftlichen Ruf herleitet. Zwar gebietet die bei Anwendung des Diskriminierungsverbots vorzunehmende Interessenabwägung eine umfassende Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile des geforderten Verhaltens für die Beteiligten. Das schließt auch – wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist – die Berücksichtigung von mit einer Belieferung gewerblicher Abnehmer verbundenen Gefahren für den wirtschaftlichen Ruf des Lieferanten ein (vgl. BGH WuW/E 2479, 2482 - Reparaturbetrieb; siehe auch BGH WuW/E 1238 - Registrierkassen; Beschl. v. 12.2.1980 - KRB 4/79, WuW/E 1729, 1731 - Ölbrenner I). Maßnahmen, die zur Abwehr oder Vermeidung eigener Rufschädigung erforderlich oder gar unerläßlich sind, können auch einem marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen grundsätzlich nicht verwehrt werden. Einem Belieferungsanspruch können derartige Gefahren jedoch allenfalls dann entgegengehalten werden, wenn dessen Erfüllung unmittelbar eine ernsthafte und konkrete Gefährdung des wirtschaftlichen Rufes auslösen kann. Auch dafür sind weder dem angefochtenen Urteil noch dem Vorbringen der Parteien hinreichende Anhaltspunkte zu entnehmen. Die von der Beklagten geltend gemachte, lediglich gedachte, abstrakte Gefahr einer Rufgefährdung kann im Hinblick auf die mit einer Liefersperre verbundenen Eingriffe in die Freiheit des Wettbewerbs die auf dessen Gewährleistung gerichtete Interessenabwägung nicht zugunsten der Beklagten bestimmen. Rechtsfehlerfrei hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß für eine Gefährdung des geschäftlichen Rufes der Beklagten Anhaltspunkte schon deshalb fehlen, weil die Kunden regelmäßig erkennen werden, daß die Klägerin nicht in das Kundendienstsystem der Beklagten eingebunden ist (BGH WuW/E 2479, 2482 - Reparaturbetrieb). Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß derzeit nichts für eine Bereitschaft der Klägerin spricht, Arbeiten zu übernehmen, denen sie nicht gewachsen ist, zumal schlecht oder mangelhaft ausgeführte Reparaturen oder Wartungsarbeiten in erster Linie auf sie zurückfallen und ihren eigenen geschäftlichen Erfolg in Frage stellen müssen.
cc) Frei von Rechtsfehlern ist auch die Wertung des Berufungsgerichts, das auf eine Verbreiterung des Wettbewerbs auf dem Markt für Wartungs- und Reparaturarbeiten zielende und damit im Einklang mit den Zwecken des Gesetzes stehende Lieferverlangen der Klägerin müsse auch nicht deshalb hinter den Belangen der Beklagten zurücktreten, weil diese für ihre Produkte und ihren Betrieb eine Zertifizierung nach der Maschinenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaften erreicht hat, die die Einhaltung von vorgegebenen Standards verlangt. Unbeschadet der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob die Zertifizierung allein die Produktion betrifft oder – wie die Beklagte geltend macht – auch Wartungs- und Reparaturarbeiten einschließt, läßt sich hieraus für die Interessenabwägung zu ihren Gunsten schon deshalb nichts herleiten, weil die Zertifizierung allein ihr Unternehmen, ihre Produkte als solche und die von ihr angebotenen Dienstleistungen betrifft. Von der Klägerin ausgeführte Arbeiten berühren demgemäß die Zertifizierung auch dann nicht, wenn dabei Originalersatzteile der Beklagten Verwendung finden; auch insoweit fällt ins Gewicht, daß die Kunden die Klägerin nicht als Teil des Kundendienstsystems der Beklagten ansehen werden. Unerheblich ist daher auch, ob die Zertifizierung – wie die Revision geltend macht – Vorstellungen des Verbrauchers über die Qualität eines Produktes und ein daran anschließendes Vertrauen in seine Güte und Sicherheit auslöst. Aus einem solchen Vertrauen kann der Hersteller nicht herleiten, daß ihm die Kontrolle über seine Produkte für alle Zeit vorbehalten bleiben müsse. Auch unabhängig davon, ob die Zertifizierung ein Vertrauen der Verbraucher nicht nur auf die Qualität der Produkte, sondern auch der Serviceleistungen auslösen kann, endet seine Schutzwürdigkeit jedenfalls dann, wenn Verbraucher einen von dem Hersteller unabhängigen Dritten mit Wartungs- oder Reparaturarbeiten betrauen. Sie können nicht erwarten, daß der Hersteller auch für Arbeiten, die seiner Kontrolle nicht unterliegen können, einstehen wird.
dd) Aus den gleichen Gründen kann die Beklagte einen Vorrang ihrer Interessen nicht aus der behaupteten Möglichkeit einer Inanspruchnahme nach dem Produkthaftungsgesetz herleiten. Wegen der Arbeiten der Klägerin selbst ist eine solche Inanspruchnahme schon deshalb nicht zu erwarten, weil diese nicht von der Beklagten, sondern einem von dieser unabhängigen Unternehmen in eigener Verantwortung erbracht wurden, das damit auch allein für Mängel seiner Leistung einzustehen hat. Soweit die Beklagte vorträgt, infolge der Ausführung von Arbeiten durch die Klägerin bestehe die gesteigerte Möglichkeit unberechtigt in Anspruch genommen zu werden, mußte sie dies hinnehmen. Damit realisierte sich lediglich das mit der Teilnahme am Geschäftsverkehr ohnehin verbundene Risiko.
ee) Zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und zur Herausgabe von unter Sonderschutz stehenden Gegenständen wird die Beklagte durch den zugunsten der Klägerin festgestellten Belieferungsanspruch nicht verpflichtet. Gegenstand der Verurteilung ist die Belieferung mit Originalersatzteilen, das heißt Teilen, die zur Verwendung in von der Beklagten stammenden Leitern Verwendung finden und dort entsprechende Teile ersetzen sollen. Damit sind die von der Feststellung erfaßten Teile als solche der Öffentlichkeit zugänglich und scheiden schon deshalb als Gegenstand eines Geschäftsgeheimnisses aus. Zugänglichkeit in diesem Sinne ist eröffnet, wenn ein unbestimmter, nicht einer Geheimhaltungspflicht unterliegender Personenkreis von den in einem Gegenstand verkörperten technischen Eigenarten Kenntnis nehmen kann (so für den vergleichbaren Begriff der Zugänglichkeit im Patentrecht BGHZ 136, 40 - Leiterplattennutzen), auch wenn es dazu eines Eingriffs in den Gegenstand selbst bedarf. Danach liegt sie selbst dann vor, wenn der Gegenstand zu diesem Zweck ausgebaut oder zerlegt werden muß und dabei zerstört wird. Davon ist hinsichtlich der Bestandteile der von der Beklagten stammenden Leitern schon deshalb auszugehen, weil nichts dafür spricht, daß eine solche Möglichkeit der Kenntnisnahme hier ausgeschlossen ist und die Leitern der Beklagten an zahlreiche Feuerwehren geliefert worden sind. Daß sämtliche dieser Abnehmer gegenüber der Beklagten eine Geheimhaltungspflicht trifft, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
ff) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, die Beklagte sei auch im Hinblick auf die von den Gesellschaftern der Klägerin in der Vergangenheit begangenen Rechtsverstöße zu deren Belieferung nicht verpflichtet. Dabei kann dahinstehen, ob dem Berufungsgericht bei der Gewichtung dieser Verstöße zu folgen ist und diese schon deshalb zur Rechtfertigung der Lieferungsverweigerung ungeeignet sind. Auch wenn diesen mit der Revision ein größeres Gewicht beigemessen wird, ließe sich mit ihnen eine im übrigen als unberechtigt anzusehende Liefersperre nicht rechtfertigen. Ein rechtswidriges, feindseliges und gezielt gegen die Beklagte gerichtetes Verhalten der Gesellschafter der Klägerin mag Anlaß geben, der Klägerin den Abschluß von Service-Partner-Verträgen zu verweigern, weil sie sich auf eine langjährige Geschäftsbeziehung mit einem solchen Partner und die Notwendigkeit, diesem ihr technisches Know-how zu offenbaren, nicht einlassen mußte. Die vollständige Verweigerung einer Belieferung mit Teilen, auf die die Klägerin für ihre geschäftliche Tätigkeit angewiesen ist und die die Beklagte anderen Unternehmen zugänglich macht oder bei deren Verwendung in Reparatur und Wartung für fachgerechte Arbeiten besondere Kenntnisse nicht erforderlich sind, ist hierauf nicht zu stützen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Geiß, Melullis, Goette, Ball, Bornkamm
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.04.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539808 |
DB 1999, 2052 |
NJW-RR 2000, 773 |
GRUR 2000, 95 |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 1999, 1175 |
WuW 1999, 1111 |