EU-Parlament beschließt Recht auf Reparatur
Die Ressourcen sind endlich. Dennoch kommen in unserer Wegwerfgesellschaft defekte Geräte häufig auf den Müll, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie nicht reparaturfreundlich hergestellt wurden. Die EU-Kommission schätzt den hierdurch entstehenden vermeidbaren jährlichen Abfall auf ca. 35 Mio. Tonnen. Dies soll sich künftig drastisch ändern.
Recht auf Reparatur soll EU-weit kommen
Mit der Reparaturrichtlinie hat das EU-Parlament ein Maßnahmenbündel beschlossen, mit dem Hersteller verpflichtet werden,
- bereits im Herstellungsprozess von bestimmten Geräten die Lebensdauer der eingebauten Teile sowie des Gesamtgeräts stärker, als bisher zu berücksichtigen,
- Konsumartikel reparaturfreundlicher herzustellen,
- äufern das Recht einzuräumen, bei bestimmten Produkten über einen Zeitraum von 5-10 Jahre nach dem Kauf im Falle eines Defekts eine Reparatur einzufordern.
„Sustainable-Product-Initiative“ der EU-Kommission
Mit der bereits im Frühjahr 2023 gestarteten „Sustainabl-Product-Initiative“ hat die EU-Kommission die Ausarbeitung der neuen Richtlinie angestoßen. Vorgaben waren dabei die Implementierung des Rechts auf Reparatur als Teil des Gewährleistungsrechts unter Ausweitung der Gewährleistungsfristen für bestimmte Artikel sowie das Recht auf Reparatur auch nach Beendigung der Gewährleistungsfristen.
„Ökodesign-Verordnung“ für nachhaltige Produkte
Die EU-Kommission hatte in diesem Kontext den Entwurf einer „Ökodesign-Verordnung“ für nachhaltige Produkte (ESPR) vorgelegt. Diese in Deutschland bereits umgesetzte Richtlinie sieht für langlebige Produkte schon jetzt gewisse Standards vor. So müssen Hersteller von Kühlschränken, Spülmaschinen, Waschmaschinen, Fernsehern und anderen Geräten schon jetzt Ersatzteile bis zu 10 Jahre bereithalten. Für viele Elektrogeräte wie Mobilfunktelefone und Tablets gilt diese Regelung aber nicht.
Reparaturrichtlinie vom EU-Parlament beschlossen
Nun hat das EU-Parlament mit überwältigender Mehrheit (584 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen, 14 Enthaltungen) die Richtlinie über das Recht auf Reparatur angenommen, mit der die Vorgaben für Hersteller präzisiert sowie Anreize für Verbraucher geschaffen werden sollen, vor der Neuanschaffung eines Produkts zu prüfen, ob die Reparatur des alten Produkts nicht möglicherweise sinnvoller ist. Zum Kernbereich der Neuregelung gehören:
- Die Implementierung einer Informationspflicht der Hersteller gegenüber den Verbrauchern über ihr Recht auf Reparatur,
- die Pflicht der Hersteller, kostengünstige Reparaturen anzubieten,
- die Verlängerung der Gewährleistungszeit um ein weiteres Jahr im Fall einer Reparatur während der Gewährleistungszeit,
- die Pflicht der Hersteller zur Reparatur 5-10 Jahre nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungszeit für im einzelnen gelistete Haushaltsprodukte wie Waschmaschinen, Staubsauger, Smartphones, soweit eine Reparatur technisch möglich ist,
- das Recht des Verbrauchers auf Ausleihe eines Ersatzgerätes während der Reparaturzeit,
- die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines generalüberholten Geräts im Fall der technischen Unmöglichkeit einer Reparatur,
- das Verbot des Einsatzes von Vertragsklauseln oder Software, die eine Reparatur erschweren,
- die Bereitstellung von Ersatzteilen und Werkzeugen zu angemessenen Preisen seitens der Hersteller.
Neue Reparatur-Online-Plattform
Neu ist auch die einzurichtende europäische Onlineplattform, die den Verbrauchern in den einzelnen Mitgliedstaaten dabei helfen soll, Reparaturbetriebe vor Ort zu finden oder Verkäufer generalüberholter Geräte ausfindig zu machen. Die Plattform soll auch die Einrichtung von Reparaturinitiativen durch Verbraucher, z. B. durch Reparaturcafés, erleichtern.
Inkrafttreten der Richtlinie
Nach Verabschiedung durch das EU-Parlament muss die Richtlinie vom Rat noch gebilligt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Die Billigung durch den Rat ist lediglich Formsache. Anschließend haben die Mitgliedstaaten zur Umsetzung in nationales Recht ein Zeitfenster von 24 Monaten.
Kritische Stimmen von Wirtschafts- und Verbraucherverbänden
Die deutsche Wirtschaft reagiert auf die Richtlinie eher verhalten. Wirtschaftsverbände verweisen auf die logistischen Herausforderungen, die alleine eine längere Lagerung von Ersatzteilen für viele Unternehmen bedeutet. Bessere Anreize für Unternehmen für eine höhere Reparaturfreundlichkeit könnten nach Meinung der Telekommunikationsbranche z. B. eine Mehrwertsteuersenkung auf Ersatzteile und auf Reparaturdienstleistungen sein. Verbraucherverbände sehen die Effekte der neuen Richtlinie kritisch. Solange die Neuanschaffung von Geräten in der Praxis für Verbraucher häufig preiswerter als eine Reparatur sei, dürfte auch künftig das Verbraucherverhalten eher zur Neuanschaffung als zur Reparatur tendieren.
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