Entscheidungsstichwort (Thema)
Miterbe
Leitsatz (amtlich)
- Erhebt ein Miterbe zum Zweck der Auseinandersetzung Klage auf Feststellung einzelner Streitpunkte und dient eine solche Feststellung einer sinnvollen Klärung der Grundlagen der Erbauseinandersetzung, dann ist die Klage zulässig.
- Zur Abgrenzung der Teilungsanordnung vom Vorausvermächtnis.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BGB §§ 2042, 2048, 2150
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister. Ihr Vater starb am 19. Juni 1982 und wurde von seiner Ehefrau (Mutter der Parteien) zu 1/2 und von beiden Parteien zu je 1/4 beerbt. Nach dem Erbschein vom 16. September 1985 wurde die am 22. August 1985 nachverstorbene Mutter (Erblasserin) von den Parteien je zur Hälfte beerbt. Die Parteien haben den Nachlaß der Mutter dementsprechend im wesentlichen geteilt. Außerdem hat die Klägerin einen bestimmten Bauplatz als Vorausvermächtnis aus dem Nachlaß der Mutter erhalten. Ein Hausgrundstück in K., das die Erblasserin dem Beklagten als Vorausvermächtnis zugedacht hatte, hat die Mutter im Jahre 1984 anderweitig veräußert.
Nicht auseinandergesetzt sind die beiden Erbengemeinschaften nach beiden Eltern in bezug auf ein Hausgrundstück in W.. Dieses hatte beim Tode des Vaters im Bruchteilseigentum der Ehegatten zu je 1/2 gestanden. Nach dem eigenhändigen Testament der Erblasserin vom 8. September 1982 soll es auf den Beklagten übergehen. Dazu heißt es in dem Testament:
"Das Haus in W. soll an Knut" (den Beklagten) "übergehen, aber er muß Sigrid" (der Klägerin) "erlauben, daß sie alles in dem Haus an sich nehmen kann, was sie haben will. "
Die Parteien streiten darüber, ob der "Übergang" des Hauses gegen einen Wertausgleich oder ohne einen solchen stattzufinden hat.
Die Klägerin hat Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen zuzustimmen, daß er bei der Übernahme des Anwesens dessen Wert ihr gegenüber auszugleichen habe; hilfsweise eine entsprechende Ausgleichspflicht des Beklagten festzustellen. Das Landgericht hat die Leistungsklage als unzulässig abgewiesen und der Feststellungsklage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht eine Pflicht des Beklagten festgestellt, aufgrund der Übernahme des Anwesens die Hälfte von 6/8 des unstreitigen Grundstückswertes (380.000 DM) der Klägerin gegenüber auszugleichen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die völlige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Teilaufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hält die Feststellungsklage allerdings mit Recht für zulässig.
1.
Das Berufungsgericht ist der Meinung, statt der schwierigen Auseinandersetzungsklage gemäß § 2042 BGB könne ein Miterbe, wenn nur einzelne Punkte umstritten seien, auch Feststellungsklage erheben und sich darauf beschränken, die einzelnen Streitpunkte gerichtlich klären zu lassen. Entscheidend sei insoweit immer, ob ein derartiges Vorgehen prozeßwirtschaftlich sinnvoll sei. Diese Auffassung entspricht derjenigen des Senats. Er hat sie auch in der Entscheidung vom 28. Januar 1987 (IVa ZR 191/85 - FamRZ 1987, 475 und ständig), auf die die Revision sich ausdrücklich bezieht, durchgreifen lassen. Die von der Revision erbetene Überprüfung dieser Übung ergibt, daß an der Linie des Senats festzuhalten ist.
Wie das Berufungsgericht mit Recht hervorhebt, kann eine Klage auf umfassende Auseinandersetzung eines Nachlasses mit zahlreichen Streitpunkten in der Praxis der Instanzgerichte erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Diesen Schwierigkeiten muß auch mit den Mitteln des Prozeßrechts nach Möglichkeit entgegengewirkt werden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits im ersten Band seiner Entscheidungssammlung darauf aufmerksam gemacht, in der Rechtsprechung sei allgemein anerkannt, daß ein Miterbe zum Zweck der Auseinandersetzung eine Klage auf Feststellung einzelner Streitpunkte erheben kann, wenn eine solche Feststellung der Klärung der für die Auseinandersetzung maßgebenden Grundlagen dient (BGHZ 1, 65, 74 unter Hinweis auf Rechtsprechung schon des Reichsgerichts). Der erkennende Senat ist dem von Anfang an gefolgt. Wenn die Revision demgegenüber darauf hinaus will, es müsse verlangt werden, möglichst alle Streitigkeiten in einem einzigen Auseinandersetzungsprozeß zu erledigen, dann kann sich der Senat dem nicht anschließen.
Ein derartiger prozeßrechtlicher Zwang zur Häufung sämtlicher auftauchender - unter Umständen zahlreicher - Streitkomplexe der Erbauseinandersetzung in einem einzigen Rechtsstreit ließe befürchten, daß die Zahl umfangreicher, schwer übersichtlicher und daher langwieriger Erbrechtsprozesse zunähme und damit das Recht der Miterben auf " jederzeitige" Auseinandersetzung (§ 2042 Abs. 1 BGB) nicht selten gefährden oder sogar vereiteln würde. Der Senat hält es daher für geboten, wie bisher auch weiterhin eine Klage auf Feststellung einzelner Streitpunkte zuzulassen, wenn eine solche Feststellung einer sinnvollen Klärung der Grundlagen der Erbauseinandersetzung dient. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die begehrte und vom Berufungsgericht getroffene Feststellung würde die Auseinandersetzung erheblich entlasten.
2.
Entgegen der Auffassung der Revision geht es der Klägerin nicht um ein bloß hypothetisches, sondern um ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis; denn es steht nicht im Belieben des Beklagten, ob er das ihm zugedachte Hausgrundstück bei der Auseinandersetzung "übernimmt" oder nicht.
Wenn es sich bei der Zuweisung des Hausgrundstücks an den Beklagten um eine Teilungsanordnung im Sinn von § 2048 Satz 1 BGB handelt - davon ist aufgrund des insoweit maßgebenden Klägervortrags im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung auszugehen - dann ist diese nach der zutreffenden Auffassung der Klägerin für den Beklagten verbindlich.
Nach der Rechtsprechung des Senats sind Teilungsanordnungen im allgemeinen für alle Miterben verbindlich (Senatsurteil vom 28. Januar 1987 aaO.). Eine Ausnahme hiervon hat die Erblasserin nur für die Klägerin vorgesehen. Nur die Zuweisung der in dem Haus befindlichen Gegenstände an die Klägerin ist von deren eigener Willensentscheidung ("alles ..., was sie haben will") abhängig gemacht.
3.
Daß die Parteien entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur über die Ausgleichspflicht des Beklagten, sondern auch über weiteres (Zurückbehaltungsrecht, 40.000 DM Veräußerungserlös) im Zusammenhang mit der bevorstehenden Auseinandersetzung streiten, steht der Zulässigkeit der zur Entscheidung anstehenden Feststellungsklage nicht entgegen. Das Vorgehen der Klägerin ist auch nicht etwa rechtsmißbräuchlich darauf angelegt, den Beklagten nacheinander mit mehreren Prozessen in Schwierigkeiten zu bringen. Ein etwaiges eigenes Interesse des Beklagten an der Klärung weiterer Streitpunkte oder an einer baldigen umfassenden Auseinandersetzung hätte dieser mit Hilfe einer Widerklage selbst wahrnehmen können.
II.
Die Revision hat jedoch in der Sache Erfolg.
1.
Das Berufungsgericht stellt die Gesichtspunkte einander gegenüber, die aus seiner Sicht für die Auslegung der Zuwendung des Hausgrundstücks an den Beklagten als Vermächtnis oder als Teilungsanordnung sprechen. Nach Abwägung dieser Umstände erklärt es sich für überzeugt, daß die Erblasserin dem Beklagten das Haus nicht (ohne Ausgleich) zusätzlich habe zuwenden wollen. Dementsprechend legt es die Klausel als Teilungsanordnung aus, die zur Folge habe, daß der Beklagte einen Ausgleich in Geld an die Klägerin zu zahlen habe.
2.
Im Ausgangspunkt befindet sich das Berufungsgericht mit dieser Auslegung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats.
Der Erblasser kann einem (oder einzelnen) Miterben Gegenstände zuweisen, deren Wert höher ist, als diesem seiner Erbquote nach bei der Auseinandersetzung zukämen. Da es eine wertverschiebende Teilungsanordnung grundsätzlich nicht geben kann (Ausnahme: § 2049 BGB), stellt sich daher in einer solchen Lage stets die Frage, ob der Mehrbetrag (Mehrwert) z u s ä t z 1 i c h zu dem Erbteil zugewendet sein soll. Ist dies der Fall, dann handelt es sich (jedenfalls wegen des Mehrwerts) um ein Vorausvermächtnis. Ist der Verfügung von Todes wegen eine entsprechende (zusätzliche) Zuwendung nicht zu entnehmen, dann kann es sich nur um eine Teilungsanordnung handeln (Senatsurteil vom 28. Januar 1987 aaO.). Eine derartige Teilungsanordnung hat zur Folge, daß der durch sie "überquotal" ausgestattete Miterbe den ihm nicht gebührenden Mehrwert im Rahmen der Auseinandersetzung auf andere Weise wieder auszugleichen hat (Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 - IVa ZR 59/88 - unter 3a - FamRZ 1990, 396 = WM 199O, 854).
Wenn der Senat - wie das Berufungsgericht - dementsprechend für die Abgrenzung der Teilungsanordnung von dem Vorausvermächtnis darauf abstellt, ob der Erblasser den betreffenden Miterben "begünstigen", genauer: "wertmäßig begünstigen" wollte (Senatsurteil vom 28. Januar 1987 aaO.), dann sind damit freilich nicht alle Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten erfaßt (so zutreffend Loritz NJW 1988, 2697). Immerhin handelt es sich bei der wertmäßigen Verteilung des Nachlasses aus der Sicht des Senats um den wichtigsten Gesichtspunkt, auf den abzustellen zur Erleichterung für die Rechtspraxis im Regelfall gerechtfertigt und geboten ist.
3.
Dennoch kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen bleiben.
Das Berufungsgericht ist nämlich nicht darauf eingegangen, ob das Wort "aber" in dem letzten Satz des Testaments, um den es hier geht, darauf hindeutet, daß das dort begründete Entnahmerecht der Klägerin (auch oder sogar) als einziger Ausgleich der Grundstückszuweisung an den Beklagten gegenübergestellt sein soll. Eine derartige Prüfung war nötig; der Tatrichter hätte sie nicht unterlassen dürfen.
Der Senat kann die insoweit unterlassene Auslegung nicht selbst nachholen, weil es dazu noch einer tatrichterlichen Erörterung mit den Parteien bedarf. Dabei wird auch zu erwägen sein, ob es für das Berufungsgericht im Rahmen der Auslegung hilfreich wäre, wenn es sich ein Bild über den ungefähren Wert des Nachlasses zur Zeit der Testamentserrichtung und insbesondere über das Verhältnis des Wertes des Hausgrundstücks in W. zu demjenigen der darin befindlichen Gegenstände für die Klägerin macht. Sollten sich der Wert dieses Grundstücks (380.000 DM) (bzw. der dem Beklagten zugedachte Anteil daran) und derjenige der darin befindlichen Gegenstände für die Klägerin in etwa die Waage halten, dann ist für einen darüber hinausgehenden "Ausgleich" zwischen den Parteien in diesem Zusammenhang kein Raum. Aber auch wenn die Gegenstände, die die Klägerin entnehmen kann, deutlich weniger wert sind als 380.000 DM, kann ihr Wert jedenfalls einen gewissen Ausgleich für sie bilden, der nicht gänzlich außer acht gelassen werden darf. Nur wegen eines etwaigen Mehrwerts, der nicht schon durch den Wert der Gegenstände für die Klägerin gedeckt ist, dürfte sich daher der Rechtsstreit auf die Auslegungsfrage zuspitzen, ob dieser Unterschiedsbetrag dem Kläger zusätzlich zu seinem Erbteil zugewendet sein soll oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage muß dem Tatrichter überlassen werden.
Im übrigen hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Nachprüfung stand.
Fundstellen